(Karl-Heinz Klare [CDU]: Aber jetzt wollen wir endlich das hören, was wir wirklich zu erwarten haben!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erstens. Wir scheuen nicht die öffentliche Auseinandersetzung. Deshalb unser Gesetzentwurf.
Zweitens. Wir haben diesen Gesetzentwurf eingebracht, um die Diffamierung der Gesamtschulen durch Herrn Busemann hier zur Sprache zu bringen. Das ist der Ausgangspunkt.
Uns geht es nicht um unser Gesamtkonzept ab 2008, sondern darum, dass dem, was Sie immer reklamieren, nämlich dem Elternwillen, wenigstens Rechnung getragen wird. Deshalb diese kleine Öffnung. Das ist kein Umstülpen des Gesamtsystems, sondern das ist eine Erweiterung der Rechtslage, die gerade für die FDP, so wie sie sich immer aufführt, selbstverständlich sein müsste.
Außerdem lassen wir uns von Ihnen - ich sage Ihnen das ganz deutlich, und zwar nicht zum ersten Mal - keine Debatte über Leistungsorientierung an die Hacken hängen.
Der Hedonismus in Deutschland hat andere Traditionen als die deutsche Sozialdemokratie. Das sage ich Ihnen. Bei uns - bei August Bebel angefangen - galt immer das Motto: Leistung muss sich lohnen. Nur wer sich verausgabt, hat eine Chance. Man muss aber allen eine Chance geben. - Das ist sozialdemokratische Politik.
Nun noch ein Satz zu Einheit und Vielfalt. Schulen in privater Trägerschaft - ob nun die Internationale Schule oder andere Schulen - sind nach Ihrem Verständnis Einheitsschulen. Das würden Sie denen aber nie sagen; denn diese Schulen gehen davon aus, dass sie nicht eine Einheit sind, sondern dass sie in ihrer Gemeinsamkeit das höchstmögliche Maß an Vielfalt realisieren. Dieses pädagogische Konzept passt aber in Ihre Köpfe nicht hinein. Das ist Ihr Problem, meine Damen und Herren.
Zum Abschluss sage ich Ihnen, dass Herr Busemann heute in der taz mit dem schönen Satz zitiert wird: Niedersachsen ist historisch gewachsen das Land des gegliederten Schulsystems. - Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen dazu: Niedersachsen ist historisch als Land mit ausschließlich landwirtschaftlicher Produktionsweise gewachsen. Es gab in Niedersachsen aber Menschen, die der Meinung waren, über diese Phase müsse man einmal hinauskommen. Dazu gehörte auch Nachdenken. So wie die Landwirtschaft als vorherrschende Produktionsweise im 21. Jahrhundert nichts mehr zu suchen hat, hat Ihr gegliedertes Schulsystem im 21. Jahrhundert nichts mehr zu suchen.
Frau Körtner hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Ihr stehen anderthalb Minuten zur Verfügung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will zur Historie der Sozialdemokraten nichts sagen, wohl aber einen Sozialdemokraten zitieren, der noch nicht ganz Historie ist. Ich zitiere Sigmar Gabriel aus der Welt vom Mai 2005:
„Es muss auch den überzeugtesten Gesamtschulbefürworter nachdenklich stimmen, dass die streng gegliederten Schulen in Baden-Württemberg und Bayern die besten Ergebnisse bei PISA gezeigt haben.“
Das Zweite ist, dass wir hier schon einmal eine Gesamtschule hatten. Das war die Orientierungsstufe für zwei Jahre. Sie hat nach einem Gutachten der SPD-geführten Landesregierung gezeigt, dass die Starken unterfordert und die Schwachen überfordert waren. Diese Gesamtschule ist gescheitert.
Das Dritte ist, dass die Förderung bildungsferner Schichten laut PISA im schulpolitisch streng gegliederten Bayern am besten gewährleistet ist. Ich glaube, dem müssen wir nichts hinzufügen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Busemann, Sie müssen ja eine panische Angst vor Gesamtschulen haben. Frau Körtner sieht sich sogar schon bemüßigt, Sigmar Gabriel zu zitieren, um überhaupt noch inhaltliche Argu
mente zu finden. Herr Busemann hat eben gesagt, für 2 068 Anmeldungen könne man ja nicht alles umkrempeln, dies sei keine Massenbewegung. Es würde ja schon lohnen, für die 2 068 Schüler an den Stellen, wo sie nachgefragt haben, Gesamtschulen zu errichten. Sie müssten dafür nicht alles umkrempeln, sondern müssten nur neue Gesamtschulen zulassen. Was den Ausbau der Zügigkeit angeht, wissen Sie genau, Herr Albrecht, dass das keine Lösung ist. Man kann nicht Mammutschulen schaffen. Das ist doch auch eine Ihrer Strategien, um Gesamtschulen unbeliebt zu machen.
Ich stelle fest: Herr Busemann und auch Frau Körtner haben hier nicht einen einzigen pädagogischen Grund nennen können, weshalb sie weiterhin die Neugründung von Gesamtschulen verbieten. Es ist absolut schwach, was Sie hier abgeliefert haben. Das ist wirklich nur noch ideologisch motiviert. Anders kann man das nicht mehr verstehen. Herr Busemann und liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und von der FDP, Sie verweigern sich der nötigen Reformdebatte, die wir für die Zukunft unserer Kinder brauchen. Sie verweigern sich und verschenken weiterhin Bildungspotenziale der niedersächsischen Kinder. Das darf sich ein Kultusminister nicht erlauben, Herr Busemann.
Federführend soll sich der Kultusausschuss mit dem Gesetzentwurf beschäftigen, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, der Ausschuss für Inneres und Sport und der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön.
Tagesordnungspunkt 8: Zweite Beratung: Aufbruch zu einer ‚guten‘ Schule - Eigenverantwortliche Weiterentwicklung der Gesamtschulen durch Aufhebung der Pflicht zur äußeren Differenzierung ermöglichen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2845 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 15/3172
Bevor ich die erste Rednerin aufrufe, warte ich, bis es leiser geworden ist. Bitte setzen Sie sich! - Herr Koch, Herr Jüttner, Herr Poppe!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In ihrer Sitzung Anfang Juni 2006 hat die Kultusministerkonferenz über eine Neufassung der „Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich I“ entschieden. Deshalb hat meine Fraktion im Mai davor den vorliegenden Entschließungsantrag in den Landtag eingebracht.
Frau Korter, warten Sie bitte einen Moment. - Ich bitte darum, dass hier Ruhe einkehrt. Auch dort hinten bitte!