Protocol of the Session on October 10, 2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich eröffne die 100. Sitzung im 35. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode.

Ich bitte Sie, sich zu erheben.

Vor zweieinhalb Wochen, am Morgen des 22. September 2006, geschah im emsländischen Lathen das für uns alle Unfassliche: Auf der Teststrecke des Transrapid raste die Magnetschwebebahn mit Tempo 170 auf einen stehenden Servicewagen.

Nicht nur für Lathen, für uns alle schien in diesem Moment die Zeit stillzustehen. Das, was wir für unmöglich hielten, war von einer Sekunde zur anderen zu einer grausamen Wirklichkeit mit unwiderruflichen Folgen geworden: Das Unglück, das ganz Deutschland und Menschen weit darüber hinaus tief erschütterte, riss 23 Menschen in den Tod. Zehn weitere Fahrgäste überlebten den Unfall, zum Teil schwer verletzt.

Das Unglück erinnert viele Menschen in unserem Land an die Bilder der ICE-Katastrophe in Eschede von 1998. Auch zweieinhalb Wochen danach ist nur schwer zu begreifen, was geschehen ist und wie es geschehen konnte. Die kommenden Tage, Wochen und Monate werden es den Hinterbliebenen zur untrüglichen Gewissheit werden lassen, dass sie einen geliebten Menschen verloren haben: ein Kind, die Mutter, den Vater, den Ehepartner, die Schwester oder den Bruder. Sie werden ihnen alle schmerzlich fehlen.

Wir alle hier im Hause trauern über alle politischen Grenzen hinweg mit den Hinterbliebenen und wünschen ihnen Kraft in dieser schwierigen Zeit des Abschieds. Unsere Gedanken sind aber auch bei den schwer verletzten Opfern und bei den Menschen im Emsland insgesamt, die dieses Ereignis tief erschüttert hat, auch wenn sie nicht unmittelbar persönlich betroffen waren. Unsere Gedanken sind auch bei den vielen Helferinnen und Helfern, die sich mit großem menschlichen Einsatz und unvergleichlicher Selbstlosigkeit bei der Bewältigung des Unglücks persönlich eingebracht haben.

Hilfsbereitschaft, Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe waren - gerade auch für die unmittelbar Be

troffenen - in vielfältiger Weise spürbar. Das erfüllt uns bei allem Schmerz auch mit Dankbarkeit.

Wir werden den Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren.

Meine Damen und Herren, am 1. Oktober verstarb die ehemalige Abgeordnete des Niedersächsischen Landtages Ursula Flick im Alter von 81 Jahren.

Frau Flick gehörte dem Niedersächsischen Landtag vom 6. Juni 1967 bis zum 20. Juni 1986 als Abgeordnete der CDU-Fraktion an. Sie war Mitglied im Kultusausschuss, im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst, im Ausschuss für Sozialund Gesundheitswesen sowie im Ausschuss gemäß Artikel 12 der Verfassung. Darüber hinaus war sie in der 8. und 9. Wahlperiode Mitglied im Ältestenrat und gehörte dem Präsidium in der 10. Wahlperiode als Schriftführerin an.

Frau Flick, die im Übrigen in der Zeit von 1985 bis 1991 Oberbürgermeisterin der Stadt Osnabrück war, wurden das Verdienstkreuz 1. Klasse des Niedersächsischen Verdienstordens und das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

Wir werden Frau Flick in guter Erinnerung behalten. - Ich danke Ihnen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann bereits zu diesem Zeitpunkt die Beschlussfähigkeit des Landtages feststellen.

Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen gedruckt vor.

Abweichend von der Vereinbarung im Ältestenrat sind die Fraktionen übereingekommen, am Donnerstagnachmittag, also am Schluss der Tagesordnung, noch einen weiteren Tagesordnungspunkt zu dem Thema „Luftfahrtstandort Norddeutschland sichern - Niedersachsen steht zu Airbus und seinen Beschäftigten“ zu beraten. Die endgültige Fassung des entsprechenden Entschließungsantrages wird rechtzeitig an Sie verteilt werden. Ich bitte, diese Ergänzung der Tagesordnung zu berücksichtigen.

Für die Aktuelle Stunde liegen vier Beratungsgegenstände vor.

Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor, die morgen früh ab 9 Uhr beantwortet werden.

Auf der Basis der im Ältestenrat für die Beratung einzelner Punkte gemäß § 71 unserer Geschäftsordnung vereinbarten Redezeiten und des gleichfalls im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssels haben die Fraktionen die ihnen jeweils zustehenden Zeitkontingente so verteilt, wie Sie das aus der Ihnen vorliegenden Übersicht ersehen können.

Ich erinnere noch einmal daran, dass Kurzinterventionen nach unserer Geschäftsordnung nur auf den Redebeitrag eines Mitgliedes des Landtages einer anderen Fraktion möglich sind. Daher dürfen sich Kurzinterventionen nicht auf eine andere Kurzintervention oder den Redebeitrag eines Mitgliedes der Landesregierung beziehen.

Ich gehe davon aus, dass die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Regelungen für die Beratungen verbindlich sind und darüber nicht mehr bei jedem Punkt abgestimmt wird. - Das ist so beschlossen.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.10 Uhr enden.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie noch auf eine Veranstaltung hinweisen: In der Portikushalle ist in der Reihe „Landesgeschichte im Landtag“ die von der Archäologischen Denkmalpflege des Landkreises Göttingen konzipierte Ausstellung „Römerlager Hedemünden“ zu sehen. Ich empfehle die Veranstaltung Ihrer Aufmerksamkeit.

Im Rahmen der Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden drei Tagen Schülerinnen und Schüler der Integrierten Gesamtschule aus Fürstenau mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Als Pate wird der Abgeordnete Claus Peter Poppe erster Ansprechpartner der Nachwuchsjournalisten sein.

Des Weiteren wird das von den MultimediaBerufsbildenden Schulen initiierte Modellprojekt Landtagsfernsehen mit Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten der Humboldt-Schule Seelze ihre Sendungen erstellen, die dann ins Internet eingespeist und auch über den Regionalsender für Hannover h1 gesendet werden sollen.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen 12 Uhr - wird erinnert.

Es folgen nun geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin. - Bitte schön.

Es haben sich für heute entschuldigt: der Minister für Wissenschaft und Kultur Herr Stratmann ab 14 Uhr, von der Fraktion der CDU Herr Pörtner, Herr Dr. Brockstedt und Herr Dr. Winn, von der Fraktion der SPD Frau Bührmann für vormittags und von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Janßen.

Ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde

Ich sagte bereits, dass für die Aktuelle Stunde vier Beratungsgegenstände vorliegen. Ich rufe jetzt auf

a) Parteibuchwirtschaft im Umweltministerium muss gestoppt werden - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/3216

Frau Kollegin Steiner hat dazu das Wort.

Guten Morgen! - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Umweltministerium ist wieder einmal in das öffentliche Gerede gekommen, diesmal nicht wegen seiner miserablen Umweltpolitik, sondern wegen seiner eigentümlichen Personalpolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU und bei der FDP)

Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Minister Sander noch geklagt, dass es in seinem Ministerium keine FDP-Leute gebe, mit denen man Politik machen könne. Das heißt, ihm fehlte der FDP-Filz.

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Inzwischen hat er zielstrebig drei Jahre lang daran gearbeitet, diesen vermeintlichen Missstand zu beheben.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das müssen Sie gerade sagen!)

Trotz Einstellungsstopp gab es Neubesetzungen und Umbesetzungen, bei denen die fachliche Begründung nicht erkennbar war.

In der Antwort auf eine Mündliche Anfrage im März 2006 räumt der Minister selbst 139 Umsetzungen im Umweltministerium seit seinem Amtsantritt ein. Seine brachiale Art der Personalführung ist inzwischen schon berüchtigt. Besonders viel Mühe hat der Minister darauf verwandt, die Riege der Abteilungsleiter mehrfach umzubauen. Gleich zu Beginn 2003 hat er den hoch qualifizierten und allseits anerkannten Leiter der Abteilung 3 „entsorgt“. Der einzig erkennbare Grund war die Zugehörigkeit zur SPD.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Heute ist uns klar, dass der Minister gerade in diesem Bereich keinen fachlich qualifizierten Bremser für seine mitunter skurrilen Zielsetzungen im Abfallbereich dulden konnte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb hat er 2003 kurzen Prozess gemacht und Herrn Wendenburg in die Wüste geschickt.

Nach mehreren Umbesetzungen - manche Abteilungsleiter wurden ja im Jahresrhythmus umgesetzt - kommt Herr Sander nun mit seinem vorerst letzten Streich. Nach fünf Jahren qualifizierter Führungstätigkeit werden der Leiter der Atomabteilung und die Leiterin der Referatsgruppe Naturschutz von ihren Posten abgelöst. Dafür gibt es keine fachlichen Gründe. Sie haben jedenfalls keine genannt, Herr Sander. Wieder gibt es eine kleine Rochade beim Führungspersonal. Im Ergebnis finden wir einen CDU-nahen Leiter der Atomabteilung und eine FDP-nahe Leiterin der Verwaltungsabteilung vor.

Ein Gesetzentwurf der Landesregierung mit dem Ziel, die befristete Besetzung von Leitungspositionen abzuschaffen, ist seit September in der Beratung im Landtag. Die unziemliche Eile des Umweltministers, die beiden Beamten abzusetzen, steht in erklärtem Widerspruch zur Intention des Gesetzentwurfs.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dieses Vorgehen des Umweltministers ist borniert und interessengeleitet.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Als einzige Begründung können wir hier die „falsche“ Parteizugehörigkeit vermuten. Es handelt sich hier nicht um eine Instinktlosigkeit; es handelt sich um knallhartes Kalkül.