Protocol of the Session on March 4, 2003

Nach unserer Koalitionsvereinbarung kann man übrigens der Bauwirtschaft noch viel mehr als durch das Landesvergabegesetz, das für den Baubereich gilt, helfen, indem man nämlich eine gute Zahlungsmoral praktiziert. Deshalb werden wir uns bemühen, dafür zu sorgen, dass Firmen nicht deshalb pleite gehen, weil die Staatshochbauverwaltung nicht rechtzeitig zahlt; vielmehr werden wir dafür sorgen, dass bezahlt wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen die Wirtschaftsförderpolitik des Landes nicht nur auf die Existenzgründer, sondern insbesondere auf die vorhandenen Betriebe ausrichten. Es kann doch nicht sein, dass man in diesem Land dann am Besten dasteht, wenn man in Konkurs gegangen ist, zur Ich-AG geworden ist und dann, von allen Pflichten entledigt, neu durchstartet, sondern es muss ja doch auch derjenige eine Chance haben, der acht, neun, zehn, elf Arbeitsplätze schafft und weitere schaffen will. Er darf nicht ständig erleben, dass er einen neuen Schwellenwert überschritten und nun noch mehr Vorleistungen für den Staat zu erbringen hat. Wir müssen die Statistikpflichten der Mittelständler reduzieren, wir müssen den bürokratischen Aufwand zurückdrängen, und wir müssen die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen auch in den Technologietransfer und in die Wissenschaftspolitik einbringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Warum wird es nicht üblich, dass Handwerksmeister in Fachhochschulen ein- und ausgehen und dort die Themen für Diplomarbeiten zu ihrem Betrieb vorgeben? Warum ist es in Niedersachsen nachweislich so, dass die großen technischen Universitäten nahezu ausschließlich mit den großen Industriebetrieben harmonieren, nicht aber mit den vielen Betrieben im Mittelstand, die wir in Niedersachsen besonders in der Fläche haben?

Deshalb wird das Geld, das wir aus Veräußerungserlösen erzielen, in einen Zukunfts- und Innovationsfonds für Projekte für Bildung und neue Technologien eingespeist, aus dem dann das Zusammenwirken von Wirtschaft und Technologie erfolgreich praktiziert wird. Auch dafür hat der Wirtschaftsminister die Zuständigkeiten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Beide Koalitionspartner sind sich darüber einig, dass wir mit alten Grabenkämpfen Schluss machen müssen und beispielsweise Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspielen dürfen. Wir haben Wachstum auf der Straße, auf der Schiene, auf dem Wasser und in der Luft. Deshalb müssen wir alle diese Verkehrsträger in einem Gesamtverkehrskonzept entwickeln und dürfen nicht ideologisch den einen gegen den anderen ausspielen.

Das aber ist in den Zeiten der früheren Landesregierungen stets passiert. Es ist schon eine beachtliche Leistung - das meine ich jetzt ironisch; das darf man auch an Fastnacht sagen -, in einem Wachstumssegment wie dem Güterverkehrsgewerbe bei zweistelligen Wachstumsraten ein massenhaftes Ausflaggen deutscher Unternehmen ins Ausland zu organisieren. Das muss man erst einmal hinbekommen! Sie haben es mit Ihrer Diskussion um Besteuerung, Ökosteuer und Lkw-Maut geschafft, dass haufenweise Lkw-Fahrer ihre Jobs in Niedersachsen verlieren, weil wir diese Betriebe vertrieben haben und die Transporte nun von Luxemburg, von Polen und von Holland aus durchgeführt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir werden im Bundesrat hart dafür kämpfen, dass mehr Bundesmittel für den Verkehrsinfrastrukturausbau nach Niedersachsen fließen, um Ihre Versäumnisse von Anfang der 90er-Jahre, als Sie stolz darauf gewesen sind, keine neuen Verkehrstrassen zum Bundesverkehrswegeplan angemeldet zu haben, wettzumachen. Viele Betriebe in weiten Teilen unseres Landes leiden auch unter ihrer schlechten Anbindung an die Bundesstraßen oder die Bundesautobahnen. Das muss dringend verbessert werden. Deshalb werden wir bestimmte Projekte neu auf die Tagesordnung bringen: das X von Hamburg nach Magdeburg, die Verbindung von Schwerin nach Wolfsburg oder auch die Küstenautobahn, die man eben nicht so ohne weiteres schon in der Aufstellungsphase des Bundesverkehrswegeplanes beerdigen darf. Vielmehr müssen wir die autobahnliche Erschließung solcher großen Räume wie Nord- und Ostniedersachsen im Auge behalten, damit die deutsche Teilung nicht durch eine Autobahn Magdeburg - Schwerin zementiert, sondern vielmehr aufgelockert wird. Wir wollen die Chancen der Einheit nutzen. Dazu braucht es

aber Straßen - das sind die Lebensadern der Wirtschaft - und eben nicht eine Politik gegen das Auto.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir wollen natürlich auch die Transrapid-Trasse wieder auf die Tagesordnung bringen; das ist völlig klar.

(Zuruf von Axel Plaue [SPD])

- Ach wissen Sie, Herr Plaue - -

(Zurufe von der SPD)

- Herr Plaue, bevor Sie schlaflose Nächte verbringen: Sie gehören auch zu den Hannoveranern, die sich nicht vorstellen konnten, dass der Ministerpräsident einmal aus Goslar oder aus Osnabrück kommen könnte. Aber wir sind glücklich, wenn wir eine starke Landeshauptstadt haben, und die Landeshauptstadt wird demnächst glücklich sein, wenn sie wieder ein starkes Land hat. Das wird sie nämlich bitter nötig haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Übrigen, Herr Plaue: Wenn wir nicht 14 Überhangmandate erzielt hätten, dann säßen Sie hier gar nicht. Insofern sollten Sie das noch einmal genau überlegen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Heidi Merk [SPD])

- Frau Merk, ich bin begeistert von Ihrem Zwischenruf.

(Uwe Harden [SPD]: Das ist ja ein richtig sportlicher Stil!)

Übrigens: Selbst wenn ich es zurücknähme, wäre das Schlimme für Sie, dass es richtig bliebe;

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

denn das ist eine Frage der Systematik von Überhang- und Ausgleichsmandaten. Aber wir freuen uns - damit daran kein Zweifel besteht -, dass wir hier weiter streiten können. Wenn man aber so über andere Landesteile höhnt, Herr Plaue, dann hat man eben das Problem, dass man dann als Hannoveraner zwischen Weihnachten und Neujahr

nach China fliegen muss, um den Transrapid fahren zu sehen. Wir hätten es dem Kanzler gewünscht, wenn er ihn etwas mehr in der Nähe hätte besichtigen können. Dann hätte er auch etwas mehr Zeit für die Familie gehabt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auf Dauer ist es eben gar nicht gut, wenn die Industrie große Anzeigen schaltet, auf denen es zwar heißt „Mein Papa wird Ingenieur, um den Transrapid zu bauen“, aber darunter klein steht „in China“, sondern auf Dauer fasziniert man junge Leute, Ingenieurwissenschaften, Mathematik, Physik, Biologie zu studieren, wenn sie das hier machen können, wenn sie das hier werden können.

Deshalb möchte ich die Transrapid-Strecke auf die Tagesordnung bringen. Dabei geht es nämlich nicht nur um eine Flughafenanbindung für München oder eine Streckenführung für eine dicht besiedelte Ruhrgebietsregion, sondern um eine Alternative zum innereuropäischen Flugverkehr. Deswegen ist die Strecke Rotterdam - Amsterdam Den Haag - Berlin - Warschau - Wladiwostok so interessant. Wenn man da 2100 fahren will, dann muss man 2003 schon einmal etwas geschafft haben, sonst fährt man da auch 2200 nicht. Darum geht es in dieser Diskussion.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir möchten gerne, dass der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven für die Container-Anlieferung ausgebaut wird. Um dieses Projekt schultern zu können, brauchen wir aber Wachstum und eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung. Da der Bund noch keine verbindlichen Zusagen gemacht hat, müssen wir noch gemeinsam eine ganze Menge Gespräche führen. Ich würde mich freuen, Herr Gabriel, wenn wir das gemeinsam machen könnten. Hier im Land tut die CDU gut, im Bund tut Rot-Grün gerade nicht gut, und daraus müssen wir jetzt das Beste machen; das ist die Situation, mit der wir fertig werden müssen.

Wir wollen auch andere Bereiche der Wirtschaft in Niedersachsen voranbringen, also nicht nur die Infrastrukturentwicklung, sondern auch den Tourismus und den Fremdenverkehr. Interessanterweise gucken die Leute, ob sie schneller nach Rügen oder an die holländische Nordseeküste kommen oder ob sie mit dem InterRegio oder jetzt dem InterCity auch an die ostfriesische Nordseeküste

kommen, ob sie in den Harz kommen, ob sie dort etwas vorfinden wie Radwandern, Wassersport oder Klettern, ob sie dort neue Themenschwerpunkte oder auch eine gute Infrastruktur zum Urlauben erleben.

Ich bin dafür, dass wir als Landesregierung als eine der ersten Maßnahmen den Stopp des Radwegeausbaus an Landesstraßen aufheben

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

und stattdessen, Herr Gabriel, zu einer sehr viel intelligenteren Lösung kommen. Wenn Sie unserem Vorschlag gefolgt wären, bei ökologischen Baumaßnahmen wie dem Bau von Radwegen auf die Schaffung von Ausgleichsflächen zu verzichten - und die haben nun einmal eine ökologisch gute Bilanz, Frau Harms; das können Sie nicht bestreiten -, dann hätten Sie mit dem gleichen Geld doppelt so viel Radwege bauen können. Das heißt, wir können Radwege bauen mit dem Geld, von dem Sie keine mehr bauen konnten. Das ist unsere Philosophie, die dahinter steht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bei der näheren Befassung mit einer Regierungserklärung aus der Opposition heraus stellt man zunehmend fest, dass wir nicht nur im finanziellen und im wirtschaftlichen, sondern auch im sozialen Bereich eine Umbruchsituation haben. Hier in Niedersachsen galt einmal der Begriff „Soziales Niedersachsen“. Persönlichkeiten wie der sozialdemokratische Sozialminister Kurt Partzsch oder auch der christdemokratische Kollege Hermann Schnipkoweit haben dazu Entscheidendes beigetragen. Die eigentliche Leistung für ein soziales Niedersachsen aber haben immer die Menschen vollbracht: in Familien, in der Nachbarschaft, in Vereinen und in Verbänden. Ihnen gebührt unser großer Respekt und unser tief empfundener Dank. „Nächstenliebe“ und „Dienen“ sind eben keine altmodischen Begriffe, sondern bezeichnen das, was Menschlichkeit ausmacht, nämlich dass sich Leute in diesem Land bei Kirchen, Verbänden, freien Trägern und Wohlfahrtsorganisationen engagieren. Wir bieten diesen Menschen, diesen Trägern und Organisationen an, mit ihnen Vereinbarungen zu treffen, damit sie als soziale Initiativen, gemeinnützige oder private Träger in Zukunft wieder wissen, woran sie sind.

Wer sich umschaut, stellt fest, dass Schwerbehinderte gerade in der Gesundheitsversorgung als chronisch Kranke zunehmend die Zweiklassengesellschaft erleben, dass Sozialstationen in der ambulanten Betreuung derjenigen, die weiter zu Hause leben wollen, zunehmend rote Zahlen schreiben und dass Obdachlose, Schuldnerberatungen oder die Aids-Hilfe in die soziale Randlage geraten sind. Mit diesen Einrichtungen werden wir ein offenes und ehrliches Wort darüber sprechen, wie wir Planungssicherheit für die Zukunft herstellen wollen, wie wir ehrenamtliches Engagement ermutigen und stärker öffentlich anerkennen können. Es wird mit der CDU-FDP-Landesregierung einen „Niedersächsischen Familienpreis“ geben, um Initiativen für Familien, für ein Zusammenleben von mehreren Generationen zu forcieren. Diesen Familienpreis haben Sie immer abgelehnt. Wir aber glauben, dass es wichtig ist, hier ein Signal zu setzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir werden in Niedersachsen gemeinsam mit den Kommunen Mehrgenerationenhäuser schaffen, in denen mehrere Generationen in einer offenen Tageseinrichtung gemeinsam voneinander lernen und Gemeinsames beginnen.

Wir werden uns in diesem Land um die wachsende Zahl älterer Menschen kümmern, damit sich diese darauf verlassen können, gut gepflegt und versorgt zu werden, wenn sie darauf angewiesen sind. Die erste Maßnahme dieser neuen Landesregierung wird es sein, die Zeit für Zuwendung zu erweitern, die Zeit für das Ausfüllen von Formularen zu verringern und die Überbürokratisierung in diesem Feld zu beenden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir werden diesen Schalter umlegen, weg von der Repression, dass man erst dann Geld in die Hand nimmt, wenn das Kind im Brunnen liegt, dass man aber das Geld vorher nicht hatte, wenn es hätte verhindert werden können, dass das Kind überhaupt erst in den Brunnen hineinfällt. Das heißt, wir werden die Prävention ausbauen. Dazu gehört z. B. Sprachförderung bei Migrantenkindern, d. h. dass man sich um diejenigen kümmert, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, die schwierige Probleme haben und die wir hier integrieren wollen und integrieren müssen. Wir müssen

gemeinsam mit der Wirtschaft Anstrengungen für Ausbildung und Arbeit unternehmen und werden an diesem Punkt die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit der letzten Monate fortsetzen.

Die Jugendbüros und die Initiativen, sich um jeden Schulabgänger zu kümmern, waren ein Beispiel dafür, dass Anregungen vonseiten der Opposition auch einmal aufgenommen wurden. Ich fand es gut, dass immer darauf hingewiesen wurde, dass der Landkreis Emsland, der Landkreis Rotenburg, der Landkreis Gifhorn oder auch die Stadt Oldenburg dies besonders gut machten, weil sie sich um jeden Einzelnen individuell und persönlich kümmern. Dafür sind nun einmal die Kommunen die richtige Stelle, weil sie die Schuldnerberatung machen, weil sie die Drogenberatung machen, weil sie die Sozialhilfe auszahlen. Die Kommunen wissen, wie dem Einzelnen individuell richtig geholfen werden kann. An dieser Stelle muss Jugendpolitik in einem ganz umfassenden Sinne gesehen werden, weil sie dazu führt, dass viele Folgekosten gar nicht erst entstehen.

Nicht nur die Alten und die Jungen haben die Garantie, bei uns gut aufgehoben zu sein. Auch die Frauen werden dies feststellen. Frau Bührmann, Sie werden sehen, dass wir das Thema - -

(Zuruf von Christina Bührmann [SPD])

- Na ja, Ihr Ministerium wurde während Ihrer Regentschaft aufgelöst. Insofern sollten Sie jetzt behutsam sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)