Sie sollten behutsam sein, Frau Kollegin Bührmann. Lassen Sie uns gemeinsam darauf hinweisen, dass es nach wie vor Benachteiligungen von Frauen in unserem Land gibt. Es gibt Rollenklischees.
- Wenn es so einfach wäre, wie Sie es jetzt deuten. Wir haben Rollenklischees, Doppelbelastungen, Vorurteile und Diskriminierungen. Aufgabe des Staates wäre es, dabei zu helfen, Wahlfreiheit zu organisieren. Und Arbeit ist nicht nur Berufsarbeit, und Leistung ist eben nicht nur berufliche Leistung, sondern das, was in der Familie, in der Erziehung der Kinder, in der Organisation des Haushalts
oder in der Pflege von Angehörigen gemacht wird, ist eben auch Arbeit und Leistung. Aber es wäre ein dringlicherer Appell an die Männer zu richten, sich in diesem Falle ein bisschen stärker zu engagieren und den Frauen ein bisschen mehr Unterstützung zuteil werden lassen. Das ist die Sichtweise von Frauenpolitik des 21. Jahrhunderts.
Mir ist schon wichtig, dass wir mit dem Landesfrauenrat bzw. mit den Gleichstellungsbeauftragten Niedersachsens auch innerhalb der Landesverwaltung nach Wegen suchen, damit gerade der öffentliche Dienst vorbildhaft handelt. Wir werden als Landesregierung darauf achten, dass alle Gesetze darauf überprüft werden, ob sie Ehe und Familie schützen und befördern oder ob sie sie in besonderer Weise belasten.
Das gilt dann auch für die Kranken in unserem Land. Wir werden es nicht schaffen, die enormen Investitionsstaus im Krankenhausbereich aufzulösen. Sie haben das so runtergefahren, dass sich viele Krankenhäuser in einem ziemlich desolaten Zustand befinden. Aber wir werden dafür sorgen, dass in diesem Land eine moderne Krankenhausversorgung auch in Zukunft in der Fläche des Landes sichergestellt ist, indem wir Planungssicherheit herbeiführen, um dadurch private Investoren zusätzlich zu gewinnen. Das wird auch in diesem Bereich Früchte tragen.
Neben den Fragen der Ökonomie, der Wirtschaft, der Finanzen und des sozialen Miteinanders, die in den letzten Jahren in Niedersachsen ein bisschen zu kurz gekommen sind, stellt sich die Frage: Wofür ist Staat eigentlich wirklich da, wirklich wichtig? Um nämlich die Menschen in die Lage zu versetzen, ein eigenverantwortliches Leben zu führen, selber auf eigenen Beinen stehen zu können und zurecht zu kommen.
Ein gutes, altes Sprichwort sagt: An guten Schulen und guten Wegen erkennt man den guten Staat. Ich will Herrn Möllring nicht ärgern, wie ich Herrn Aller geärgert habe, indem ich Knigge zitiere. Aber Knigge sagt, dass jeder Dorfschulmeister, der seinen Beruf wirklich wahrnimmt, wichtiger ist als
jeder Finanzminister im Staate. Dieser Satz „An guten Schulen und guten Wegen erkennt man einen guten Staat“ hat aber mehr Bedeutung denn je. Bildung, Wissen, Qualifikation und Kompetenz werden doch zu den Standortfaktoren im weltweiten Wettbewerb.
PISA ist eben ein Fanal gewesen, nämlich dass das Land Niedersachsen unter 14 Bundesländern bei der wichtigen Lesekompetenz auf dem zehnten Platz liegt, bei Naturwissenschaft und Mathematik auf dem elften Platz liegt, hinter Polen und gerade noch vor Russland und Lettland, die bekanntlich sehr viel mehr Nachhol- und Aufholbedarf als viele andere Länder haben, mit denen wir uns früher gemessen haben.
Die Kurskorrektur dieser Landesregierung wird darin bestehen, Unterricht wieder vollständig zu erteilen, um gerade Lernschwächeren Hilfestellung anzubieten.
Wir werden dabei in die Menschen investieren, die unsere Kinder ausbilden, also in die vielen Lehrerinnen und Lehrer im ganzen Land. Die fühlen sich ziemlich diffamiert und allein gelassen. Die Lehrerinnen und Lehrer haben gespürt, dass beispielsweise Präsenztage in den Ferien eher das Ausleben von Schikane und Misstrauen als eine wirklich sinnvolle Maßnahme waren.
Wer die eigenverantwortliche Schule will, wer die selbständige Schule will - wir wollen sie ja -, der muss dann auch den Lehrerinnen und Lehrern überlassen, dass sie Wandertage, Ausflüge und Fortbildungen soweit wie möglich in die Ferien legen, und muss überprüfen, ob die Lehrerinnen und Lehrer dem Vertrauen in ihr Verantwortungsgefühl gerecht werden. Wer sie aber diffamiert, wer sie beschimpft und wer sich anschließend solche Regelungen ausdenkt, der wird erleben, dass er nicht nur abgewählt wird, sondern dass die neue Regierung diese Präsenztage abschafft. Das wird eine der ersten Maßnahmen unserer Regierung sein, um denjenigen ein Stück Vertrauen entgegenzubringen, die neben der Familie der wichtigste Ort sind, um Heranwachsende ins Leben zu führen und mit Werten und Inhalten zu versehen.
Zur Lage von Bildung und Ausbildung wird es sicherlich demnächst eine Regierungserklärung in diesem hohen Haus geben, in der wir darlegen, dass bei 30 000 zusätzlichen Schülern, bei zusätzlichen Aufgaben für die Hochbegabtenförderung, Naturwissenschaften und Ganztagsangebote letztlich weitere Verpflichtungen hinzukommen, beispielsweise die Abarbeitung des Lehrermehrarbeitskontos, was uns jeweils 700 Lehrerstellen kostet, die durch den Unterricht, der bereits erteilt wurde, schon „verbraucht“ worden sind und der demnächst von den Lehrern weniger erteilt werden muss, die ihn erteilt haben. Deshalb werden wir diese 2 500 Lehrerstellen einrichten, damit jede qualifiziert ausgebildete Lehrerin bzw. jeder qualifiziert ausgebildete Lehrer nicht mehr gezwungen ist abzuwandern, sondern hier in Niedersachsen eingestellt werden kann, wodurch die Abwanderung entsprechend verhindert wird.
Ein Gesamtkonzept zur Bildungspolitik dieser Landesregierung beginnt in der Familie, führt über einen Kindergarten, der besser auf die Grundschule vorbereitet, geht über die Grundschule als der Schule schlechthin, denn dort wird die Basis für die weitere schulische Laufbahn unserer Kinder gelegt, dort wird die Einstellung zur Schule gebildet, das Zutrauen zu sich selbst, Leistungsmotivation und Lernfreude. Deshalb werden wir auch die Volle Halbtagsschule in diesem Sinne von Verlässlichkeit erhalten - eigentlich sollten alle Schulen verlässlich sein; deswegen haben wir den Begriff immer bekämpft -, weil wir wollen, dass sich die Eltern darauf verlassen können, dass die Kinder in einer festen Zeit betreut werden.
Wir können nicht damit leben, dass wir einzelne Schulen zu verlässlichen Schulen machen und dass andere damit den Ruf einer unzuverlässigen Schule erhalten. Wenn wir regieren, sind alle Schulen verlässlich,
die Lehrer werden motiviert, und die Erziehungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule wird geprägt. Das bedeutet, dass die Grundschulen beraten, dass sie die Eltern kontinuierlich betreuen, dass sie am Ende der 4. Klasse eine Empfehlung
abgeben und dass die Eltern dann eigenverantwortlich mit freiem Elternwillen entscheiden, auf welche weiterführende Schule ihr Kind gehen soll. Wir müssen in diesem Fall den Appell nicht nur an die Lehrer richten, uns zu helfen, sondern wir müssen ihn auch an die Eltern richten, denn es gibt zwei grundlegende Voraussetzungen für Lese- und Sprachkompetenz: das Vorbild der Eltern und das tägliche Vorlesen.
Ich möchte an dieser Stelle den Appell an alle Eltern und Erwachsenen richten, dafür zu sorgen, dass Bücher greifbar sind und dass sie sich - selbst wenn die Zeit mitunter knapp ist - die Zeit nehmen, kleinen Kindern mehr vorzulesen, damit diese auch so etwas erlernen, das mit fünf Jahren abgeschlossen ist.
Wir wollen Werteerziehung. Dabei kommt dem Religionsunterricht eine sehr große Bedeutung zu. Wir wollen die Nutzung der Chancen jedes Einzelnen in einem differenzierten, begabungsgerechten Bildungswesen. Wir werden die Hauptschule mit mindestens fünf Schuljahren konsequent auf die berufliche Ausbildung ausrichten. Wir werden eine sechsjährige Realschule stärken und ein achtjähriges Gymnasium mit Abitur nach Klasse 12 bilden. Das wird 2004, spätestens 2005 losgehen. Dann bleibt den Eltern sowohl die Orientierungs- als auch die Förderstufe erspart, mit der Sie die Leute mit einem leistungsnivellierenden Losverfahren wirklich gegen sich aufgebracht haben.
Wir gönnen uns viel zu selten den Luxus des gegenseitigen Besuches unserer Versammlungen. Sie können sich nicht ausmalen, was bei meinen Versammlungen los war, wenn ich Ihre Förderstufe erklärt habe.
(Sigmar Gabriel [SPD]: Das liegt aber an Ihrer Erklärung! Was meinen Sie, was bei uns los war, wenn ich sie er- klärt habe!)
- Ich habe es so erklärt, wie es Frau Jürgens-Pieper hier erklärt hat, sofern man es erklären konnte. Es war ja nicht erklärbar. Man hat aber immer wieder versucht, es so zu erklären, wie es ins Schulgesetz geschrieben war. Es hat immerhin gereicht, um den Wechsel herbeizuführen. Insofern müssen Sie ein
Deswegen wollen wir sonderpädagogische Förderungen und Angebote für Hochbegabte. Daher sagen wir: Es soll sich doch jeder ein bisschen mehr so fördern und fordern lassen, wie es für ihn nach Kindeswohl in seiner homogenen Lerngruppe das Beste ist. Dabei soll es fließende Übergänge und Durchlässigkeit geben. Für die Schulträger, für die unser Modell sowieso das kostengünstigste ist, soll es eine besondere Form der Betreuung geben. Das hat das von Ihnen in Auftrag gegebene DIPF-Gutachten dankenswerterweise ergeben. Wir brauchen gerade für Migrantenkinder mehr Sprachförderung und maßgeschneiderte Konzepte für lernschwächere und lernstarke Schüler in den Berufsschulen. Die Berufsschulen werden kein Schattendasein mehr führen. Gerade weil sie 70 % eines Schuljahrgangs aufnehmen, bedürfen sie besonderer Förderung. Wir werden landesweit einheitliche Vergleichsarbeiten und Leistungsüberprüfungen einführen - aus Gründen der gerechten Leistungsbewertung von Schülern, des notwendigen Leistungsvergleichs und der Sicherung notwendiger Standards als besserem Rüstzeug im Hinblick auf das Berufsleben und den Wettbewerb. Wir wissen um die Schulen in freier Trägerschaft und werden auch mit ihnen über eine unbürokratischere Bedarfsermittlung reden, damit das Geld den Schülern und Lehrern zugute kommt und nicht etwa der Schulbürokratie.
Wir wollen in der Wissenschaftspolitik die Politik der bisherigen Landesregierung verfeinern, zum Teil fortführen und zum Teil korrigieren, wenn es darum geht, dass auch der Senat wieder mehr Möglichkeiten braucht, auf Zielvereinbarungen Einfluss zu nehmen. Es ist ein gemeinsames Anliegen, den Brief der norddeutschen sozialdemokratischen Wissenschaftsminister an Frau Bulmahn auch als norddeutscher CDU-Politiker mit zu unterzeichnen. Denn es kommt nicht alle Tage vor, dass eine parteiübergreifende Initiative gegenüber der Bundesregierung möglich ist, in der der Bundesbildungsministerin bei der Mittelvergabe und der Haushaltsbudgetplanung Fantasielosigkeit vorgeworfen wird und in der darauf hingewiesen
wird, dass der Norden - obwohl Rot-Grün in Berlin regiert - gegenüber anderen Räumen Deutschlands nach wie vor völlig benachteiligt ist. Das sollten wir gemeinsam reduzieren, indem hier Forschung gefördert wird.
Hierbei wird es einige Korrekturen geben. Wir werden den wissenschaftlichen Nachwuchs nicht nur über die Juniorprofessur, sondern auch über die Habilitation wieder zum Professorenberuf führen. Wir werden die Studenten ihre Hochschule aussuchen lassen und die Hochschulen ihre Studenten. Deshalb werden wir die zentrale Vergabe von Studienplätzen so bald wie möglich kündigen und eine entsprechende Novellierung des Hochschulrahmengesetzes bewirken. Ich meine, das alles wird mit der Zustimmung von Herrn Oppermann möglich sein. Wir werden die Hochschulen zu Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung machen und Initiativen zur Gründung von Unternehmen in Hochschulnähe unterstützen.
Fachhochschulen - dazu gibt es meiner Meinung nach in diesem Haus einen Konsens - sollen eine echte Alternative sein. Wir brauchen diese Fachhochschulentwicklung im Land als praxisnäheres Angebot neben den akademischen Hochschulen. Wir bekennen uns zu den Berufsakademien. Sie sollen in der Hochschullandschaft einen größeren Raum einnehmen und bestmögliche qualifizierte Bildungsangebote machen.
Bei aller zeitlichen Straffung kommen bei uns Kunst und Kultur nicht zu kurz. Wenn die Menschen ein bisschen Sensus für kulturelle Fragen und Anliegen entwickeln, dann werden sie in vielen Bereichen für den Staat aufgeschlossener, engagierter und weniger betreuungsbedürftig sein. Wir hoffen, dass sich Kultursponsoring und Stiftungswesen ebenso entwickeln wie die Kreativitätsförderung für Kinder und Jugendliche in der Kinder- und Jugendkulturarbeit. Es wird von uns aus eine Initiative geben, um die vielen professionellen und ehrenamtlichen Musikangebote unseres Landes zu einer Initiative „Musikland Niedersachsen“ zusammenzuführen. Wir werden das lebenslange Sich-Entwickeln, Sich-Orientieren und Dazulernen auch in der Erwachsenenbildung zum Ausdruck bringen, indem wir ihr und den vielen Trägern in unserem Land eine angemessene staatliche Förderung sichern.
Eine besondere Rolle - das wird Sie nicht verwundern - haben die Kirchen in unserem Land. Sie zu würdigen, heißt, den Beitrag der Kirchen ernster zu nehmen. Bei dem, was uns bevorsteht an Kürzungen, an finanziellem Umbau, an mehr Selbständigkeit und an mehr Eigenverantwortung, brauchen wir Orientierung und Wertmaßstäbe. Ich finde es reizvoll, dass in die Amtszeit der jetzt gewählten Niedersächsischen Landesregierung im Jahr 2005 der Evangelische Kirchentag in Hannover fällt. Es wäre toll, wenn uns dort das gelänge, was uns bei der EXPO nicht gelungen ist, nämlich dass in allen Einrichtungen des Landes gemeinsam darüber nachgedacht wird, wie man einen solchen Tag und eine solche Veranstaltung zu einem ganz besonderen Ereignis des gesamten Landes machen kann.
Das ist vielleicht etwas einfacher - sicherlich auch nicht ganz leicht -, als wenn wir an Sie appellieren, das Schlesier-Treffen, das wir auch 2005 wieder in Hannover veranstalten wollen, mit Ihnen gemeinsam zu einem besonderen Ereignis zu machen. Aber wir freuen uns darauf, dass es wieder in Hannover sein wird und dass wir die Patenschaft mit Schlesien wieder ernster nehmen.
Wir wollen das, nachdem das bei der EXPO nicht so glücklich gelaufen ist, auch bei den Olympischen Spielen 2012 erreichen. Wir wollen, dass sie in Hamburg stattfinden - 40 Jahre vorher war München an der Reihe, jetzt soll es Hamburg sein und dass wir an den niedersächsischen Austragungsorten und bei Segelwettbewerben in Cuxhaven ein wirkliches norddeutsches Highlight setzen, weil nicht nur der Breiten-, sondern auch der Spitzensport zum kulturellen Leben unseres Landes gehört. Der Spitzensport liefert Vorbilder, Frauen und Männer, die für viele ein Anreiz sind, ihnen nachzueifern und entsprechend auf dem Weg voranzukommen.