Protocol of the Session on February 14, 2002

Daten und Informationen kann heute erst recht niemand von den Betrieben der Wertschöpfungskette erlangen, selbst wenn er ein berechtigtes Interesse hat. Wir meinen, dass das dringend geändert werden muss. Der Allergiker oder z. B. der Stoffwechselkranke, muss an den Produzenten Fragen mit dem Recht auf Auskunft stellen können, ob ein Produkt Anteile von zulässig verwendeten Substanzen enthält, die ihn, den Verbraucher, krank machen. Darauf hat er heute keinen Anspruch.

Da wir die Sorgen der Wirtschaft kennen, benennen wir auch die Grenzen der Auskunftspflicht. Natürlich muss keine Firma ihre Betriebsgeheimnisse offenbaren. Auch gilt, dass niemand verpflichtet werden soll, Informationen und Auskünfte zu geben, wenn gegen ihn bestimmte Verfahren anhängig sind. Auch soll klargestellt sein, dass die betroffenen Unternehmen noch vor der Information der Verbraucher oder der Öffentlichkeit informiert und zeitnah zu einer Stellungnahme aufgefordert werden sollen, weil das impliziert, dass in diesem Vorverfahren aus Respekt vor der Marktmacht im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher viele Fehler von den Produzenten ausgeräumt werden.

Wir meinen, dass die Initiative der Landesregierung, ein Bundesgesetz auf den Weg zu bringen, dringend der Abstimmung mit der Bundesebene bedarf und dass wir das Gesetz so, wie dargestellt, konfigurieren müssen. Dann haben wir eine gute Aussicht, dass der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode über ein Verbraucherinformationsgesetz abstimmt. Wir bitten den Landtag, der Landesregierung auf diesem Wege durch Unterstützung der Entschließung den nötigen Rückhalt zu geben. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Klein!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Groth, ich finde, dass Ihr Antrag ehrenwert ist. Ich finde aber auch, dass er relativ unpolitisch ist und neben der Spur liegt.

(Groth [SPD]: Warum?)

- Schlicht und einfach deshalb, weil er das eigentliche Problem nicht benennt! Ich werde diesen Gesichtspunkt nicht aussparen, weil ich meine, dass wir heute genau darüber reden müssen.

Ein Verbraucherinformationsgesetz hat drei Eckpunkte: erstens das Informationsrecht der Verbraucher gegenüber den Behörden, zweitens das Informationsrecht der Verbraucher gegenüber den Unternehmen und drittens das Recht der Behörden, die Verbraucher aktiv zu informieren, Ross und Reiter zu nennen, wie es so schön heißt, wenn Fehlentwicklungen offenbar werden.

Ich will mit Ihnen auch gar nicht streiten und halte einen Streit um die folgenden Punkte im Moment auch für nachrangig: Ich will nicht streiten über die Erforderlichkeit des Gesetzes; ich glaube, dass wir uns darin einig sind. Ich will auch nicht streiten über die Auskunftspflicht der Behörden; dass personenbezogene Daten und Auskünfte, die Einfluss auf laufende Verfahren haben, von dieser Auskunftspflicht ausgenommen sind, ist relativ klar. Wir müssen auch nicht streiten über die Information der Öffentlichkeit. Ein Anhörungsrecht der betroffenen Wirtschaft ist insoweit durchaus okay. Wir müssen auch nicht über den Geltungsbereich streiten. Letztlich ist es eine zweitrangige Frage, ob wir uns auf den Bereich des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes oder auf das Produktsicherheitsgesetz beziehen. Schon gar nicht müssen wir um das Erstgeburtsrecht bzw. die Frage streiten, wer dieses Projekt schneller oder dringlicher vorangetrieben hat.

Aber wir müssen uns um den Punkt streiten - vielleicht nicht hier im Parlament, aber übergeordnet -, ob die Auskunftspflicht der Unternehmen überhaupt so, wie von Niedersachsen gewünscht, in dieses Gesetz aufgenommen wird.

(Groth [SPD]: Frau Höhn auch!)

Wir wissen, dass die drei genannten Eckpunkte noch im November im Programm von Frau Ministerin Künast enthalten waren und der Bundeskanzler von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat und genau diesen Punkt aus dem Gesetz herausgekippt hat. In diesem Vorgang ist meines Erachtens deutlich geworden, wie ungleichgewichtig das Kräfteverhältnis zwischen den Verbrauchern und der Wirtschaftslobby nach wie vor ist. Der Wunsch, noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zu verabschieden und

damit möglicherweise lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach zu haben, ist sicherlich auch verständlich.

Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Hause gerade dann, wenn es um die Neuordnung der Agrarpolitik ging, schon höchst ungewöhnliche Gefechtslagen gehabt. Aber ich glaube, dass diese wirklich neu ist: Hier streiten die niedersächsischen Grünen gemeinsam mit der SPD aus Niedersachsen und dem Landwirtschaftsminister gegen die Knebelung der Verbraucherministerin Künast durch den Kanzler in seiner Rolle als Genosse der Bosse. Das ist doch die Situation, in der wir uns befinden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ohne Info-Pflicht der Wirtschaft bleibt dieses Gesetz ein Torso. Die Befürchtungen der Wirtschaft sind hochgeputscht und unnötig dramatisiert. Das Auskunftsrecht für Betriebsgeheimnisse gegenüber Unternehmen hat nie jemand gefordert. Aber am liebsten hätten es die Betriebe, wenn selbst ihre Telefonnummer zum Betriebsgeheimnis erklärt würde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Verbraucher es für ihre Kaufentscheidung wissen wollen, dann darf es doch kein Betriebsgeheimnis bleiben, ob die Produkte z. B. mit Kinderarbeit unter Verletzung von Arbeitsschutzbestimmungen hergestellt worden sind, ob der Putenbraten in geschlossenen Räumen oder mit Auslauf erzeugt worden ist und ob diese Produkte Allergene enthalten. Und auch Fragen, die sich auf religiöse oder ethisch bedingte Einstellungen beziehen, müssen möglich sein.

Herr Minister, ich stimme Ihren Ausführungen zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage auch insoweit zu, als Gründe für Werbebehauptungen und die betriebliche Eigenkontrolle hinterfragbar sein müssen und die Verbraucher Infos über Herstellungsverfahren, Inhaltsstoffe und Zutaten benötigen. Es ist für das Funktionieren des marktwirtschaftlichen Systems absolut notwendig, dass diese Verbraucherfragen möglich sind; denn das Verbraucherverhalten hat eine wichtige Steuerungsfunktion. Es lenkt die knappen wirtschaftlichen Ressourcen hin zum notwendigen Bedarf. Das funktioniert umso besser, je mehr Verbraucherentscheidungen auf der Grundlage fundierten Wissens erfolgen. Gerade im Lebensmittelbereich

begünstigen Unwissenheit und Angst Überreaktionen. Die Folge sind vermeidbare volks- und betriebswirtschaftliche Schäden. Deshalb ist es auch im Interesse der Wirtschaft, dass dieser Passus aufgenommen wird. Eine freiwillige Selbstverpflichtung, wie sie jetzt angedacht ist, ist kein Ersatz für eine gesetzliche Regelung.

Herr Minister, ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, Ihren Gesetzentwurf einzusehen. Die Neigung der Landesregierung, ihr Herrschaftswissen nicht freizugeben, hat sich erst heute Nachmittag gelegt. Von daher weiß ich nicht, wie juristisch belastbar Ihre Bestimmungen in diesem Bereich sind. Ich gehe einmal davon aus, dass sie es sind. Ich weiß, dass in diesem Gesetzentwurf alle drei Eckpunkte vorhanden sind. Ich stütze mich da auch auf Ihre Aussagen bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage. Ich wünsche Ihrem Gesetzentwurf im Bundesrat Erfolg und eine Mehrheit. Ich werde meine Kolleginnen und Kollegen in den Länderparlamenten entsprechend informieren und bitten, ihn zu unterstützen. Ich hoffe, dass Sie die Mehrheit bekommen und dass diese Mehrheit dann auch den Bundeskanzler so beeindruckt, dass er seine Entscheidungen revidiert und einen entsprechenden Rückzieher macht.

(Wojahn [CDU]: Dann brauchen wir erst einen neuen Bundeskanzler!)

Ich bin sicher: Frau Künast wird Ihnen nicht böse sein, wenn Sie sie auf diese Art und Weise zwingen, das zu tun, was sie gerne möchte. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Hansen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich heute Nachmittag des Eindrucks nicht erwehren, dass der Landtag als Krücke oder als Vehikel benutzt wird, um bundespolitische Angelegenheiten auf das richtige Gleis zu setzen.

(Beifall bei der CDU)

Erst war es die Einwanderung, dann die Modulation, dann die Atompolitik, nun ist es das Verbraucherinformationsgesetz. In den letzten Tagen ha

ben wir dazu aus der Presse genügend erfahren. Deshalb ist es umso verwunderlicher, Herr Minister Bartels, dass Sie mit Ihrem Gesetzentwurf so hinter dem Berge halten. Haben Sie etwa etwas zu verbergen? In der Dringlichen Anfrage, Herr Groth, klang schon einiges an, und es wurde hinterfragt, ob die juristischen Belange wirklich fundiert sind. Der Herr Minister hat wörtlich geantwortet:

„Der Entwurf, der vorliegt, ist also nicht etwa aus dem hohlen Bauch heraus erarbeitet worden.“

Wenn er zu diesem Zeitpunkt also schon vorlag, dann frage ich Sie, warum wir ihn bis heute nicht zur Kenntnis bekommen haben, um Ihnen, Herr Bartels, mehr Rückenwind geben zu können.

Ich teile Ihre Auffassung, dass die Verbraucher mehr Informationen haben müssen. Sie müssen aber auch die Voraussetzungen dafür haben, die Informationen zu verstehen. Das haben wir schon an anderer Stelle erörtert.

Herr Groth, ich glaube, Sie rudern schon wieder ein bisschen zurück. Ich konnte in Ihrem Redebeitrag nicht erkennen, ob Sie nun Ihren Minister Bartels oder ob Sie den Kanzler unterstützen. So ganz deutlich wurde das für mich nicht.

Ich muss noch einmal sagen: Information ist notwendig. Geben Sie den Gesetzentwurf endlich einmal zur Kenntnis, damit wir uns damit auseinander setzen und gegebenenfalls Änderungen einbringen können. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie juristisch auf der richtigen Welle liegen.

(Groth [SPD]: Was wollen Sie denn damit andeuten?)

Die SPD begrüßt in ihrem Antrag, dass aufgrund der gleichgerichteten Aktivitäten der Bundesregierung und der Niedersächsischen Landesregierung schon bald ein Verbraucherinformationsgesetz erlassen werden kann. Wozu soll dann dieser Antrag überhaupt noch dienen? Schon am 1. März soll der Gesetzentwurf im Bundesrat beraten werden. Herr Minister Bartels hat aus dem Kabinett bereits in vollem Umfang Rückenwind bekommen.

Ich sage noch einmal: Wir werden hier als Krücke für Dinge benutzt, die auf Bundesebene zu regeln sind. Wenn Sie Unterstützung brauchen, dann sagen Sie es ehrlich! Aber missbrauchen Sie das Parlament bitte nicht!

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Bartels, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin etwas überrascht, dass Frau Hansen schon fertig ist. Ich habe gedacht, sie werde jetzt zum inhaltlichen Teil kommen.

(Frau Hansen [CDU]: Muss ich nicht! Ich bin ja dafür! Aber Sie müssen uns das Gesetz zur Kenntnis geben!)

Aber das ist nicht geschehen.

Lassen Sie mich deutlich feststellen, dass die Landesregierung seit einigen Jahren sehr offensiv dafür eintritt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher einen verbesserten Zugang zu Informationen, insbesondere zu Produktinformationen, zu Herstellungsinformationen und zu Informationen aus Qualitätssicherungssystemen, erhalten. Das ist im Übrigen nicht erst - da korrigiere ich meinen Freund Harald Groth - seit 1998, also seit dem Jahr, in dem die rot-grüne Koalition in Bonn ihre Arbeit begonnen hat, der Fall; das war vielmehr schon vorher der Fall. Im Bundesrat haben wir mehrfach entsprechende Vorlagen eingebracht. Zum Beispiel ist im Jahr 1997 mit der Mehrheit der Länder festgestellt worden, dass wir ein entsprechendes umfassendes Verbraucherinformationsgesetz anstreben, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern ganz gezielt und nicht einfach nur über einen Beipackzettel Informationen zugänglich zu machen, die in den Betrieben und in der Wirtschaft insgesamt vorhanden sind.

Vor diesem Hintergrund habe ich angekündigt, dass die Landesregierung, falls es keine entsprechende Aktivität der Bundesregierung in dieser Frage gibt, einen eigenen Entwurf in den Bundesrat einbringt. Diese Ankündigung habe ich wahr gemacht. Wenn sich jetzt jemand beklagt und sagt „Ihr habt uns den Gesetzentwurf noch nicht zugeleitet“, dann bitte ich um Nachsicht; aber es gibt ein paar Dinge einzuhalten. Das Kabinett musste meinen Entwurf am Dienstag erst einmal beschließen. Darüber hinaus - darauf habe ich hingewiesen - wollten wir natürlich auch die Unterschrift des Ministerpräsidenten unter dem Gesetzentwurf, den wir im Bundesrat einbringen wollen. Der Mi

nisterpräsident hat seine Unterschrift heute Mittag unter den Entwurf gesetzt. Gleich danach haben wir Ihnen die Vorlage zugeleitet, damit wir uns darüber austauschen können. Ich denke, das ist ein fairer Umgang miteinander.

Nur, Frau Hansen, ich verstehe eines nicht: Ihre Fraktion beklagt sich heute zum zweiten Mal darüber, dass wir uns hier, im Landtag, mit Verbraucherschutzfragen auseinander setzen.

(Frau Hansen [CDU]: Nein, ich habe nicht geklagt! Das stimmt ja gar nicht!)

- Doch, natürlich. Dieses Parlament ist durch Ihre Anträge, durch Anträge der Grünen und durch Anträge der SPD-Fraktion immer wieder aufgerufen, über Fragen, die auf Bundesebene entschieden werden müssen und die über den Bundesrat zu beeinflussen sind, zu diskutieren und diesbezüglich meinungsbildend zu wirken. Dazu haben wir beigetragen, und das werden wir auch in Zukunft tun. Zurzeit kümmern wir uns schwerpunktmäßig um Fragen des Verbraucherschutzes. Ich halte das für notwendig. Sie, Frau Hansen, sind die verbraucherschutzpolitische Sprecherin Ihrer Fraktion. Sie müssten es geradezu begrüßen, dass Sie hier Gelegenheit haben, schon in dieser frühen Phase zu diesem Gesetzentwurf Aussagen zu machen.

Über das, was ich hier gehört habe, bin ich froh. Ich bin einerseits über die Zustimmung der SPDFraktion und andererseits über die Zustimmung der Grünen froh. Die Grünen haben hier deutlich gesagt: Das, was ihr da hineingeschrieben habt, das, was ihr wollt, ist genau das, was auch wir verfolgen. Ich bedanke mich für die Unterstützung. Wir brauchen diese Unterstützung. Wir werden über diesen Punkt ab dem 1. März im Bundesrat offensiv reden. Dann wird der Gesetzentwurf dort eingebracht.

Das Kabinett hat seine Haltung deutlich gemacht. Herr Klein, das Kabinett hält an folgenden drei Punkten fest, die Sie hier eben genannt haben: Information durch die Behörden, Informationspflicht der Unternehmen und die Änderung des Datennutzungsgesetzes. Die Aufnahme des dritten Punktes resultiert aus der Erkenntnis, dass wir den lebensmittel- und den tierseuchenrechtlichen Bereich zu einem Teil der Informationspflicht und des Datenaustauschs machen müssen. Schließlich ist der Sprung vom Futtermittel zum Lebensmittel sehr kurz. Das haben wir beim Fischmehlskandal