Protocol of the Session on February 13, 2002

Diese Gefahr ist nicht zu unterschätzen. Ich jedenfalls habe kein Verständnis dafür, dass in unserer freiheitlichen Demokratie der Schützer unserer Verfassung, der Verfassungsschutz, ständig in dieser Art und Weise mit Bedenken überzogen wird.

(Plaue [SPD]: Es ist unglaublich, was Sie hier treiben!)

Eigentlich gibt es keine wichtigere Institution in unserem Land als den Schützer unserer Verfassung, den Verfassungsschutz.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Sie betreiben hier Brunnenvergiftung, wie es schlimmer nicht mehr geht!)

Meine Damen und Herren, auch Frau Kollegin Stokar von Neuforn hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich erteile Ihnen eineinhalb Minuten, Frau Stokar von Neuforn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wulff, eines werden Sie, glaube ich, nie lernen: Es gibt beim Verfassungsschutz keine verdeckten Ermittler. Die gibt es nur bei der Polizei. Das ist das Einmaleins der Innenpolitik. Es gibt beim Verfassungsschutz nur Informanten.

(Zustimmung von Frau Harms [GRÜNE] und bei der SPD)

Ich komme noch einmal auf das NPD-Verfahren zu sprechen. Herr Innenminister, meine Kritik richtet sich nicht dagegen - das habe ich deutlich gesagt -, dass es Informanten beim Verfassungsschutz gibt. Meine Kritik richtet sich dagegen, dass sich die Innenminister hinsetzen und das Bundesverfassungsgericht täuschen, indem sie getäuschte Beweise vorlegen. Für viel schlimmer halte ich noch, dass Sie als Innenminister nicht darüber informiert werden, wie viele Informanten im Verfassungsschutz mit welchem Auftrag tätig waren. Das heißt, der Verfassungsschutz hat sich verselbstständigt. Die Innenminister sind bis heute nicht in der Lage, dem Bundesverfassungsgericht gegenüber ehrlich und sauber darzulegen, wie viele Beweise durch Informanten hervorgebracht worden sind.

Es gibt jetzt erst einmal eine Ruhezeit. Bewertet ist es überhaupt noch nicht. Mein Ansatz war, die Beweisführung mit verdeckten Informanten herauszuziehen, weil die offenen Beweise meiner Meinung nach ausreichend sind. Darüber, wie das Verfassungsgericht diese Täuschung bewertet und wie es bewerten wird, ob die NPD mit fünf Informanten in den Landesvorständen gesteuert wurde oder nicht, werden wir noch diskutieren müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da meine Redezeit fast abgelaufen ist, möchte ich noch einen Satz an Herrn Justizminister Pfeiffer richten. Meiner Ansicht nach ist der Schaden, der durch die Rasterfahndung in Niedersachsen entstanden ist, in der Veranstaltung der Uni Osnabrück deutlich geworden. Es geht nicht an - auch für Sozialdemokraten nicht -, dass hier gesagt wird, ein Pauschalverdacht sei aushaltbar und damit müssten diejenigen, die aus diesem Kulturkreis kämen, rechnen. Wer die Rasterfahndung so verteidigt, der richtet wirklich mehr Schaden an, als dass er Nutzen schafft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Bartling hat noch einmal um das Wort gebeten.

Meine Damen und Herren, ich bitte um Nachsicht. Ich werde die Debatte nicht sehr viel verlängern.

Frau Stokar, ich bedauere, dass Sie hier Behauptungen aufstellen, die Sie eigentlich so nicht aufstellen dürften, wenn Sie die Sitzung des Ausschusses für Verfassungsschutz aufmerksam verfolgt hätten.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Mir fehlt der Glaube, Herr Minister!)

Wer die Rasterfahndung in ein solches Licht stellt, wie Sie es jetzt tun, der verfährt genauso wie diejenigen, die damals immer wieder zum Beispiel das Thema Spudok-Dateien aufgegriffen und behauptet haben, dadurch würden irgendwelche Leute diskreditiert. Durch diese Diskussion findet eine Diskreditierung von Leuten statt, aber nicht dadurch, dass dieses Fahndungsmittel angewendet wird.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Fragen Sie doch einmal die Leute!)

- Das kann ja sein. Aber, Frau Stokar, wenn Sie ernsthaft bereit sind, darüber zu diskutieren, dann müssten Sie zur Kenntnis nehmen, dass diese Daten wieder gelöscht werden und dass diese Daten niemand erhält, durch den irgendjemand diskreditiert werden könnte.

Ich halte solche Diskussionen wie die, in der sich der Kollege Pfeiffer in Osnabrück für diese Maßnahme ausgesprochen hat, für abenteuerlich. Eine solche Diskussion hätte man vier Wochen nach dem 11. September überhaupt nicht geführt. Auf einmal geht völlig verloren, was man damals an Gefährdungen gesehen hat. Es wird eine Stimmung erzeugt, dass man jetzt auf einmal der Meinung ist, das brauche man alles nicht mehr. Ich halte das für eine schlimme Entwicklung.

Herr Minister Bartling, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Harms?

Ja, gern.

Bitte schön, Frau Harms.

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, wann sich die Datenschützer zum ersten Mal zu den Folgen der Rasterfahndung an Universitäten für ausländische Studenten geäußert haben?

Es ist mir noch in Erinnerung, dass unser Datenschutzbeauftragter mir vorwerfen wollte, ich hätte die Rasterfahndung eingeführt, ehe die gesetzlichen Grundlagen dafür vorhanden gewesen seien. Ich habe das Gegenteil belegt. Das ist mir bekannt.

Lassen Sie mich noch eines zu den Bemerkungen von Herrn Wulff sagen. Auch ich wollte Ihnen sagen, Herr Wulff, dass das mit den verdeckten Ermittlern in der Tat eine andere Geschichte ist als das, was mit den Informanten passiert, die wir auch V-Leute nennen. Aber das ist nicht so entscheidend.

Entscheidend ist eigentlich Ihre Anmerkung zum NPD-Verbot, die auch Frau Stokar aufgegriffen hat. Es wird immer von Zeugen gesprochen, die dem Gericht benannt worden seien. Das Gericht, Herr Wulff, ist einen völlig neuen Weg gegangen. Das Gericht wollte mit dem NPD-Verfahren neue Wege gehen und hat Leute benannt, die es anhören wollte. Das war keine klassische Zeugenvernehmung. Unter diesem Eindruck ist auch dieser eine Mann, Frenz, dort hineingekommen, dessen Aussagen aufgenommen worden sind, nachdem er nicht mehr als Informant des nordrheinwestfälischen Verfassungsschutzes im Dienst war. Das gilt wohl für diesen Holtmann, der als zweiter da aufgetaucht ist, auch.

Über die anderen, von denen Sie sprechen, hätten Sie bereits im letzten Jahr in einem großen deutschen Nachrichtenmagazin sehr viel lesen können; die standen nämlich alle darin.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Aber nicht als V-Leute!)

Das Verfahren beim Verfassungsgericht hat nicht nur deswegen einen völlig neuen Charakter, weil

das Gericht diesen neuen Weg geht, sondern auch wegen dieser Anhörung, was für uns ebenfalls völlig neu war. Insofern kann man den Versäumnissen, die auf der Ebene des Bundesinnenministeriums passiert sind, nicht die Bedeutung zumessen, die ihnen in der Diskussion manchmal zugemessen werden. Ich verstehe, dass man in der politischen Diskussion Otto Schily beschädigen will. Aber an der Tatsache, dass wir im Bundesrat gemeinsam in dem Verfahren weitermachen wollen, mögen Sie ermessen, dass die großen politischen Parteien da nicht so weit auseinander sind.

Herr Wulff, wenn wir den Vorschlägen, die Sie zur Rasterfahndung gemacht haben, gefolgt wären, dann wären die Regelungen jetzt durch ein Gericht aufgehoben worden.

(Beifall bei der SPD – Wulff (Osna- brück) [CDU]: Es gibt doch gar kein Verfahren!)

Jetzt spricht zu den Anträgen noch der Kollege Adam.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist hier gesagt worden - unter anderem vom Kollegen Wulff -, die Rasterfahndung sei in Niedersachsen viel zu spät gekommen. Die Forderung der CDU war ja, die Rasterfahndung während der Chaostage hier in Hannover einzuführen. Es gibt keinen Fachmann aus der Politik und Juristen, der diese Forderung unterstützt hat, sondern es ist überall gesagt worden, dass, wenn dieser Forderung der CDU nachgekommen worden wäre, kein Schläfer entdeckt worden wäre.

(Zustimmung bei der SPD - Krumfuß [CDU]: Im Leineschloss! - Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Beiträge von hier vorne rechts zeigen übrigens auch - hier wurde gerade gesagt: die Schläfer sind im Leineschloss -, wie ernst diese Seite ihre eigenen Anträge nimmt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, sicherlich gibt der 11. September uns allen Anlass, über die Frage der inneren Sicherheit nachzudenken und auch die

Frage der inneren Sicherheit auf den Prüfstand zu stellen.

Herr Kollege, gestatten Sie zwei Zwischenfragen?

Nein, ich habe nur einige wenige Sekunden.

(Oh! bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weil ich auch Ihren Antrag, Frau Kollegin, vielleicht im Gegensatz zu Ihnen sehr ernst nehme, warne ich: Reden Sie unser Land nicht unsicher! Unser Land ist nicht unsicher!

(Beifall bei der SPD)

Der Kollege Collmann hat darauf hingewiesen, dass sowohl der Chef des Landeskriminalamtes als auch der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz nicht nur dem Innenausschuss, sondern auch den begleitenden Ausschüssen ausführlich Rede und Antwort gestanden und erklärt haben, dass man mit den vorhandenen Mitteln dem Problem Herr werden kann.

Meine Damen und Herren, nun zu den finanziellen Forderungen. Die dicksten Klopfer - damit enthüllt sich eigentlich die CDU bei ihrer Polizeifreundlichkeit - sind doch Ihre Anträge! Da wird im Haushaltsantrag tatsächlich gefordert, den Posten „Geschäftsbedarf der Polizei“ um 1,6 Millionen DM mit der Begründung „Anpassung an IST“ zu kürzen.

(Möllring [CDU]: „Ist“ heißt das, nicht IST!)

- Herr Kollege, ich habe „Ist“ gesagt. Was haben Sie verstanden?

(Möllring [CDU]: I - S - T haben Sie gesagt!)

- Nein, ich habe „Ist“ gesagt. Aber Sie wollten das so verstehen.