Protocol of the Session on January 25, 2002

Ich meine schon, dass der Innenminister bei diesem Thema hier sein sollte. Daher möchte ich den Antrag stellen, dass er zitiert wird, damit er bei dieser Debatte dann auch anwesend ist.

(Beifall bei der CDU)

Möchte dazu jemand sprechen?

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: Dafür zuständig ist aber der Justizmi- nister! - Wulff (Osnabrück) [CDU]: Keiner da! Das sind die Auflösungserscheinungen der Landesregierung!)

Herr Kollege Möhrmann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, dass der Innenminister in wenigen Minuten hier sein kann. Der Justizminister war ja hier. Von daher hat sich das, glaube ich, erledigt. - Danke schön.

(Minister Bartling betritt den Plenar- saal)

Der Innenminister hat Platz genommen. Er sollte nach Ihrer Meinung kommen. Damit ist der Antrag überflüssig geworden. Dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass die Landesregierung darauf achten sollte, dass nicht der Zustand eintritt, dass nicht ein einziger auf der Regierungsbank sitzt.

(Beifall bei der CDU)

Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Innenminister, ich hatte darauf hingewiesen, dass das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter - auch hier in Niedersachsen - natürlich Sonderermittlungsgruppen eingerichtet haben, um gegen Kinderpornografie vorzugehen. Dies ist zum Teil allerdings sehr schwierig, weil nämlich die Politik keine Rechtsgrundlagen für eine vernünftige Verfolgung dieser Straftäter geschaffen hat. Ich darf dazu einmal den Bund Deutscher Kriminalbeamter zitieren, und zwar Herrn Albeshausen:

„Die Politik hängt vollkommen zurück. Immerhin geht es hier um Straftaten, die Verbrechenstatbestände sind und die wir nur schwer oder gar nicht verfolgen können, weil es uns an der rechtlichen Voraussetzung fehlt.“

Meine Damen und Herren, das ist etwas, was wir sofort aufnehmen sollten. Wir sollten alles daransetzen, diesen Zustand zu beenden.

(Beifall bei der CDU)

Worum geht es im Detail? - Die Anzahl dieser Straftaten ist in den letzten zwei, drei Jahren, weil man diese Kinderpornofilme per Mausklick aus dem Internet herunterladen kann, geradezu explodiert. Es gibt aber eine ganz einfache Möglichkeit, die Täter, die dies tun - das ist eine schwere Straftat -, dingfest zu machen, nämlich die Telefonüberwachung - etwas, was seit Jahren bekannt ist. Zuständig ist das Bundesjustizministerium.

1999 hat man sich im Bundesjustizministerium dieser Sache auch durchaus angenommen. Es geht darum, in § 100 a der Strafprozessordnung ein einziges Wort anzufügen, damit man auch im Falle der Kinderpornografie diese Telefonüberwachung vornehmen kann. Das ist etwas, worüber man nicht lange diskutieren, sondern angesichts der Schwere dieser Straftat sofort umsetzen muss.

(Beifall bei der CDU)

Aber was hat die Justizministerin angeordnet? - Sie hat angeordnet, dass man zunächst einmal ein Gutachten zu diesem Thema in Auftrag geben soll. Ich möchte die Sprecherin des Bundesjustizministeriums zitieren:

„Wir müssen natürlich auch dabei berücksichtigen, dass bei der Telefonüberwachung ganz erhebliche Grundrechte beeinträchtigt werden, das Telefongeheimnis und das allgemeine Persönlichkeitsrecht stark eingeschränkt werden.“

Meine Damen und Herren, das ist in der Tat so, aber hier müssen wir doch die Verhältnismäßigkeit sehen. Hier geht es darum, dass wirklich kleine Kinder - Kleinstkinder und Säuglinge sexuell missbraucht werden. Hier müssen wir - Politik, Staat und Gesellschaft - alles tun, um dieses zu verhindern! Da dürfen wir doch nicht den Täterschutz in den Vordergrund stellen!

(Beifall bei der CDU)

Dies ist ein so wichtiges und ernstes Thema, dass ich Ihnen keine pauschalen Vorwürfe machen will, Herr Innenminister oder Herr Justizminister. Aber, Herr Justizminister, wenn Sie den Opferschutz so in den Vordergrund stellen, dann bitte ich Sie wirklich, sofort tätig zu werden! Am 1. Februar ist Bundesratssitzung. Bringen Sie doch sofort eine Initiative ein, damit dieses eine Wort in den § 100 a der Strafprozessordnung eingefügt wird.

(Beifall bei der CDU)

Hier ist keine Aufschiebung verständlich. Das können Sie dem Bürger auch nicht klar machen. Ich bitte Sie: Lassen Sie uns hierüber keinen großen Streit führen, sondern werden Sie aktiv! Machen Sie zum 1. Februar eine Bundesratsinitiative. Sie haben sicherlich die Unterstützung des gesamten Hauses, wenn Sie das sofort machen. Wir sind einverstanden, wenn unser Antrag hier sofort zur Abstimmung gestellt wird, denn dieses Thema duldet keinen Aufschub. Lassen Sie uns das für die Opfer tun, damit wir diese Verbrecher so schnell wie möglich dingfest machen können.

(Beifall bei der CDU)

Von der Fraktion der Grünen hat sich Herr Kollege Schröder zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schünemann, in den Jahren Ihrer Bonner Regierung haben Sie den Straftatenkatalog für die Telefonüberwachung wiederholt geändert, vor allen Dingen um eine Vielzahl von Delikten erweitert. Sie haben in diesen Jahren nie - nicht ein einziges Mal - versucht, Kinderpornografie oder sexuellen Kindesmissbrauch in diesen Katalog mit aufzunehmen.

(Zurufe von der CDU)

Aber Rot-Grün ist angetreten, um Ihre Versäumnisse wettzumachen. Ich will an dieser Stelle deutlich sagen, dass Ihr Anliegen unsere Sympathie hat! Wenn wir den Unrechtsgehalt der verschiedenen Straftaten gewichten, dann müssen wir feststellen, dass es dieser Bereich, insbesondere Kinderpornografie, rechtfertigt, Telefonüberwachung anzuordnen. Der Grund dafür liegt nicht in der Pornografie, sondern in der Tatsache, dass es sich hierbei sehr oft um sexuelle Gewalt an Kindern handelt, aber immer auch um sexuelle Ausbeutung von Kindern. Das ist nicht mit anderen Delikten vergleichbar, sondern es geht unmittelbar um die Bekämpfung sexueller Gewalt an Kindern, die die Voraussetzung für die Entstehung von Kinderpornografie ist.

Aber ganz so einfach ist die Sache trotz unserer Übereinstimmung nicht. Es gibt, meine Damen und Herren Kollegen, nicht mehr viel, wo Deutschland

noch Weltmeister ist, aber eines ganz gewiss: Deutschland ist Weltmeister im Abhören von Telefonen. Deswegen, Herr Kollege Schünemann, haben die Bundestagsfraktionen noch unter der alten Bundesregierung vereinbart, den bestehenden Straftatenkatalog, also die §§ 100 a und 100 b der Strafprozessordnung, und die bisherige Anordnungspraxis bei Telefonüberwachungen kritisch zu überprüfen mit dem Ziel, die Zahl der Telefonüberwachungen in Deutschland deutlich zu senken. Denn was sich in den letzten Jahren in Deutschland und in Niedersachsen ereignet hat, hat nichts, aber auch gar nichts mit der Kriminalitätsentwicklung in diesem Lande zu tun. Das ist ein unverhältnismäßiger Anstieg, und wir müssen hier Korrekturen vornehmen.

Es laufen zurzeit rechtsstaatliche Untersuchungen. Die Bundesregierung hat sich in der Tat vorgenommen, diesen Straftatenkatalog kritisch zu durchforsten. Wir werden Streichungen vornehmen müssen, und wir werden Erweiterungen vornehmen müssen. In diesem Punkt stehen wir auf Ihrer Seite. Wir sind der Auffassung, dass der Kindesmissbrauch und die Kinderpornografie in diesen Katalog hineingehören. Aber die Überprüfung dieses ganzen Bereichs können wir uns nicht ersparen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Schuster-Barkau!

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unstrittig ist, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern widerwärtig ist und mit allen Mitteln bekämpft werden muss.

(Beifall bei der CDU)

So gilt es natürlich auch anzusetzen, wo es um die Verbreitung von eineindeutig pornografischem Material geht, das durch den Missbrauch von Kindern oder die Würde des dargestellten Kindes verletzend auf andere Art zustande gekommen ist. Der Niedersächsische Landtag hat sich bereits mehrfach mit dieser Thematik befasst. Ich erinnere z. B. an die Unterrichtung in der Drucksache 900 vom Juli 1999 und in der Drucksache 1370 vom Februar 2000 zum Thema „Jugendmedienschutz verstärken, Pornografie im Internet bekämpfen“.

Worum kann es der CDU mit ihrem heute zur ersten Beratung anstehenden Antrag gehen? Vorab: Es geht ihr um etwas, was die Niedersächsische Landesregierung bereits unterstützt hat und weiterhin in der Sache unterstützen wird.

(Ontijd [CDU]: Aber es ist doch nichts passiert!)

- Warten Sie es bitte ab! - Die Möglichkeiten zur Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet müssten verbessert werden. D’accord! Dazu sei es erforderlich, den Strafverfolgungsbehörden das Ermittlungsinstrument der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation gemäß § 100 a StPO auch für Fälle der Pornografie und deren Verbreitung im Internet an die Hand zu geben. Mit dem Antrag will die CDU die Landesregierung auffordern, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu starten.

Der § 100 a StPO lässt die Überwachung des Fernmeldeverkehrs nicht nur in der herkömmlichen Form des Telefonierens und Fernschreibens, sondern in jeglicher Art der Nachrichtenübermittlung zu, sodass insbesondere auch – das geht darüber hinaus – eine Überwachung des E-MailVerkehrs zulässig ist. Telekommunikationsüberwachung ist jedoch nur bezüglich der Delikte zulässig, die im Straftatenkatalog des § 100 a StPO genannt sind. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie der Verbreitung pornografischer Schriften sind in diesem Katalog eben nicht enthalten. Die Überwachung des E-Mail-Verkehrs ist deshalb in Fällen, in denen beispielsweise Dateien, die den schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes zum Gegenstand haben und damit einen Straftatbestand des Absenders und des Empfängers begründen, nicht zulässig.

Insofern stellt eine Änderung des § 100 a StPO in der Form, dass sowohl die Tatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern als auch die Verbreitung von pornografischen Schriften, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, in den Katalog des § 100 a StPO aufgenommen werden, eine Lösungsmöglichkeit dar. Aber darum weiß man in Berlin ja längst. Also erwecken Sie nicht den Eindruck, als ob es hier noch etwas aufzufordern gäbe. Ich sehe noch nicht, weshalb Niedersachsen hier eine eigene Bundesratsinitiative starten sollte. Lassen Sie sich im Fachausschuss durch die Landesregierung unterrichten,

(Zuruf von der CDU: Das ist doch un- sere Aufgabe!)

dass hinsichtlich des Problems der Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet und der daran geknüpften Forderung nach Erweiterung des § 100 a StPO kein Anlass zu einer eigenen Bundesratsinitiative besteht, weil entsprechende Entwürfe bereits vorliegen. Lassen Sie sich unterrichten, dass diese Entwürfe, soweit sie sich auf das Anliegen der Verbesserung von Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Kinderpornografie beziehen, wie in der Vergangenheit von Niedersachsen unterstützt werden.

Erstens: Mit der Stimme Niedersachsens hat der Bundesrat am 30 April 1999 den Gesetzentwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes betreffend des sexuellen Missbrauchs von Kindern beschlossen.

Zweitens wird auch der Gesetzentwurf der Abgeordneten Geis, Bosbach und anderen sowie der Fraktion der CDU/CSU „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung vor Sexualverbrechen und anderen schweren Straftaten“ vom 19. Juli 2001 von Niedersachsen unterstützt, soweit er darauf abzielt, die Strafvorschriften, die den sexuellen Missbrauch von Kindern und die Verbreitung pornografischer Schriften zum Gegenstand haben, in den Katalog des § 100 a StPO aufzunehmen. Auch dieser Gesetzentwurf enthält neben anderen Vorschlägen die mit dem Gesetzesantrag des Bundesrates identische Änderung des § 100 a StPO. Er ist am 19. Oktober 2001 in die Ausschüsse verwiesen worden und wird dort weiter beraten werden.

Sie sehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU: Der - ich unterstelle - von Ihnen gut gemeinte Antrag enthält wenig Neues. Machen Sie besser Ihren Einfluss auf Ihre Kollegen aus Bayern geltend, denn aufgrund von Einwänden aus Bayern ist die Reform des Jugendschutzrechts überraschend auf Eis gelegt worden. Es war nämlich erwartet worden, dass sich Bund und Länder beim Dezember-Treffen in Berlin abschließend über die Reform einigen, nachdem zuvor eine weitgehende Verständigung erzielt worden war. Nach den bis dahin geltenden Plänen sollten die Länder den Jugendschutz für sämtliche privaten elektronischen Online-Medien übernehmen. Sie würden außer für den Rundfunk auch für alle Arten von Netzdiensten zuständig sein.

Wir sehen den Beratungen im Ausschuss gern entgegen. Wir werden aber auch darauf achten, dass das Thema nicht für andere Dinge instrumentalisiert wird. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Minister Dr. Pfeiffer.

Herr Abgeordneter Schünemann, Sie hatten mich direkt angesprochen. Ich will klar machen, dass in der Sache zwischen uns keine Divergenz besteht. Wir sehen das genau so wie Sie. Der § 100 a muss, so wie Sie es vorgetragen haben, ergänzt werden. Wir warten ab, ob der Vorschlag, der jetzt im Bundesrat vorliegt und mit Dingen befrachtet ist, die uns nicht gefallen - mit anderen Gesetzesvorhaben -, durchkommt. Wenn sich die Bayern kompromissbereit zeigen und sich bereit erklären, auf einige Regelungen zu verzichten, um das Gesetz zu retten, dann sind wir dabei.