Protocol of the Session on January 24, 2002

(Möllring [CDU]: Das wollen wir hoffen!)

Danach kommt die Anordnung des erweiterten Verfalls schon jetzt nur dann in Betracht, wenn der Tatrichter nach erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung von der deliktischen Herkunft der betroffenen Gegenstände gewonnen hat, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden muss.

Diese Ergänzung ist aus den genannten Gründen abzulehnen. Verdeckte Ermittler sollen nach den Vorstellungen des Gesetzentwurfs der Länder Bayern und Thüringen, dem Sie sich anschließen, unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Straftaten begehen können. Noch einmal: Sie legalisieren mit Ihrem Entwurf Straftaten durch den Staat!

(Klare [CDU]: Was sagt Schily denn dazu?)

Eine solche Befugnis zur Begehung milieutypischer Straftaten ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ausgesprochen bedenklich. Die Grenze zwischen legalem polizeilichen und kriminellem Handeln wird verwischt und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in rechtsstaatlich einwandfreies polizeiliches Handeln erschüttert.

Die erklärte Absicht, als milieutypische Straftaten nur leichtere Delikte gelten zu lassen, findet keinen Niederschlag im Gesetzeswortlaut. Wir dürfen

keine Straftaten genehmigen, um damit organisierte Kriminalität besser bekämpfen zu können. Gut vorbereitete Einsatzkonzepte von Polizei und Staatsanwaltschaft können gewährleisten, dass der verdeckte Ermittler selbst bei von ihm initiierten Delikten am Ende straffrei bleibt. Wir wollen nicht, dass Straftaten legalisiert werden. Diese zentralen Punkte Ihres Gesetzentwurfs lehnen wir aus den genannten Gründen ab.

Andere Inhalte sind allerdings, Kollege Schröder, durchaus positiv zu werten. So macht es Sinn, dass die Ausforschung staatsanwaltlicher Dateien erschwert wird. Auch dass der Bundesrat bei dem Erlass der Telekommunikationsüberwachungsverordnung zustimmen muss, ist zu befürworten. Gleiches gilt grundsätzlich für die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des erweiterten Verfalls und der Vermögensgegenstände, der Vermögensstrafe auf die Straftatbestände der Bildung krimineller und terroristischer Vereinigungen sowie für die Ausdehnung der Anknüpfungstatbestände für die Geldwäsche.

Hier ist jedoch die praktische Relevanz ebenso fraglich wie für den neuen Haftgrund der so genannten Eskalationsgefahr.

(Stratmann [CDU]: Ach so!)

Für so genannte Schläfer besteht im Regelfall bei dringendem Tatverdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 a StGB schon jetzt ein Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug und somit die Begründung des Haftgrundes Fluchtgefahr. Herr Kollege Stratmann, wir brauchen also keinen weiteren Haftgrund, weil der bisherige Haftgrund der Verdunkelungsgefahr schon ausreicht.

(Stratmann [CDU]: Eben nicht! Sie müssen das nicht nur ablesen, sondern zuhören, was vorher gesagt wurde!)

Neben der Verdunkelungsgefahr sind meines Erachtens keine weiteren Haftgründe notwendig.

Fazit: Vor diesem Hintergrund ist eine Unterstützung des Gesetzentwurfs der Freistaaten Bayern und Thüringen abzulehnen. Die massiven verfassungsrechtlichen Bedenken in den zentralen Punkten Ihres Entwurfs lassen sich durch die positiven Ansätze nicht aufwiegen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Minister Pfeiffer das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich den Text des Gesetzentwurfes aus Thüringen und Bayern gelesen habe, habe ich mich an die alte Geschichte vom Trojanischen Pferd erinnert gefühlt. In einer schönen Verpackung sollen uns hier neue gesetzliche Regelungen verkauft werden, die verfassungsrechtlich durchaus problematisch sind. Nicht alle, aber ein wichtiger Teil davon. Zwar will ich bewusst nicht in Anlehnung an die alte Troja-Geschichte von einer Zerstörung des Rechtsstaates sprechen, das wäre übertrieben. Aber eine schleichende Erosion würde es doch geben, wenn wir uns schrittweise auf diesen Kurs einlassen würden.

Zunächst noch einmal zu der schönen Verpackung: Jacques Voigtländer hat dazu schon einiges gesagt. Eine Erschwerung der Ausforschung staatsanwaltlicher Dateien ist ebenso zu begrüßen wie die Zustimmung des Bundesrates zu dem Erlass der Telekommunikationsüberwachungsverordnung. Dabei handelt es sich um alte Forderungen der Länder, die nun von der Bundesregierung zu prüfen sind.

Ich begrüße es im Grundsatz, dass die Anwendung des IMSI-Catchers nun gesetzlich geregelt werden soll. Aber was verbirgt sich hinter dieser schönen Verpackung? Mit welchen problematischen Inhalten werden diese positiven Aspekte in dem Gesetzesantrag der CDU-Fraktion verknüpft? - Mein Vorredner hat es bereits ausgeführt: Faktisch wird die Unschuldsvermutung aufgehoben, wenn wir dieser Neuregelung des erweiterten Verfalls zustimmen würden. Durch die Befugnis des verdeckten Ermittlers zur Begehung von Straftaten wird die Grenze zwischen dem aufgehoben, was die Polizei legalerweise tun darf und was illegalerweise durch kriminelles Handeln durch V-Leute - verdeckte Ermittler - geschehen würde.

(Oestmann [CDU]: Und wie ist die Realität?)

Noch etwas verdient Beachtung: Wie bei der Belagerung von Troja handelt es sich bei diesem Gesetzesantrag nicht um den ersten Versuch, die Festung zu erstürmen. Die Antragsteller wollen durch die Bezeichnung „Antiterrorpaket“ den Eindruck erwecken, das sei etwas ganz Neues, wegen des

11. September müssten wir unsere Bedenken zurückstellen, wir wollten doch alle sicher leben. Im Rückenwind dieser Geschichte versuchen Sie, etwas einzubringen, was in Wahrheit schon im Jahr 1994 von Bayern eingebracht worden ist,

(Möllring [CDU]: Eben!)

in der Zeit der Kohl-Regierung. Damals, obwohl die Kohl-Regierung an der Macht gewesen ist, ist das aus guten Gründen gescheitert, weil die CDU im Bundestag selber Bedenken hatte, diese Regelung zu den verdeckten Ermittlern so einzuführen, dass sie beispielsweise auch Straftaten begehen dürfen.

Ganz besonders deutlich wird die Strategie des Trojanischen Pferdes an der geplanten Regelung zum IMSI-Catcher. Er ermöglicht es den Strafverfolgungsbehörden, die Geräte- und Kartennummern von Mobiltelefonen zu registrieren und das Mobiltelefon in einem Umkreis von 300 m räumlich zu orten. Damit eröffnet der IMSI-Catcher den Strafverfolgungsbehörden weitreichende Ermittlungskompetenzen, die erheblich in Grundrechte eingreifen, nämlich in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und in das Fernmeldegeheimnis.

Ein solcher weitgehender Grundrechtseingriff muss natürlich auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Das will auch die CDU-Fraktion. Was mich stört, ist aber, dass Sie nicht vorsehen, dass ein Richter so etwas zu genehmigen hat. Das gilt doch sonst für alle Vorschriften, die Eingriffe in Grundrechte vorsehen. Das wäre das Mindesterfordernis, das in diesem Fall nicht eingehalten wird. Die bewährte Systematik rechtsstaatlicher Eingriffsvoraussetzungen wird daher schlicht nicht beachtet.

Das soll uns auf verschiedene Weise schmackhaft gemacht werden. So sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Anbieter von Telekommunikationsleistungen in Zukunft auch dazu verpflichtet werden können, zum Standort von aktiv geschalteten Mobiltelefonen Auskunft zu geben. Das ist richtig; aber auch das ist nicht neu. Damit greift der Gesetzentwurf z. B. ein Anliegen auf, das die Landesregierung hier vertreten hat.

Der Hintergrund ist aus unserer Sicht jedoch nicht die Terrorismusbekämpfung. Dazu benötigen wir diese Gesetzesänderung nicht.

Der Hintergrund ist für uns die Geschichte mit Herrn Heinz gewesen. Wenn Sie sich erinnern: Herr Heinz ist dabei erwischt worden, dass er, nachdem er nicht bestimmungsgemäß in die Anstalt zurückgekehrt war, mit seinem Handy telefonierte. Man wusste aber nicht, von wo. Es fehlten die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ortung. Sonst hätten wir gleich gewusst, dass er sich unter dem Bett seiner Freundin verbirgt.

Das soll geändert werden. Dazu werden wir einen Gesetzentwurf vorlegen. Dazu brauchen wir aber nicht die Berufung auf den Terrorismus oder auf den 11. September. Das wird vielmehr ganz regulär als Gesetzesinitiative kommen, um diese Gesetzeslücke zu schließen, damit wir u. a. flüchtige Sexualstraftäter besser orten können.

Wir können also festhalten: Auch das falsche Etikett „Terrorbekämpfung“ auf der Verpackung kann uns nicht dazu verleiten, den versteckten bitteren Inhalt zu schlucken. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Stratmann, Sie haben noch einmal um das Wort gebeten. Ich gebe Ihnen bis zu zwei Minuten Redezeit.

Zwei Minuten Redezeit sind natürlich ein bisschen wenig, Frau Präsidentin. Wir werden aber die Diskussion im Ausschuss fortsetzen können.

Ich habe mich gemeldet, weil ich eines ausdrücklich zurückweisen möchte. Herr Kollege Schröder, uns oder mir vorzuwerfen, wir seien Trittbrettfahrer des 11. September, ist wirklich unter der Gürtellinie!

(Beifall bei der CDU)

Eine solche Entgleisung sollte keinem von uns passieren.

(Möllring [CDU]: Da könnte auch die SPD einmal klopfen! - Gegenruf von Adam [SPD]: Sie machen uns das sehr schwer!)

Ich persönlich bemühe mich jedenfalls darum, dass mir das in meiner parlamentarischen Laufbahn nicht passiert.

Zweite Bemerkung: Herr Minister, meines Erachtens müssen in Deutschland alle Abhöraktionen richterlich genehmigt werden, somit auch die von uns beantragten. Darüber können wir natürlich im Ausschuss weiter diskutieren, wie wir überhaupt auch über Ihre Änderungsvorschläge diskutieren können.

Ich sage es noch einmal, wie schon so häufig, von diesem Pult aus: Uns geht es um die Sache; uns geht es darum, dass wir die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes schützen. Wir sind gern bereit, gemeinsam mit Ihnen alles Erdenkliche zu tun, was zur Erreichung dieses Ziels beiträgt.

Eine weitere Bemerkung möchte ich noch machen. Es gibt in vielen Bereichen einen Streit unter Juristen, lieber Kollege Voigtländer. Das habe ich gar nicht bestritten, das habe ich sogar zugegeben. Damit dieser Streit aus der Welt kommt, möchten wir, dass es rechtliche Regelungen gibt, dass es Rechtssicherheit gibt.

(Beifall bei der CDU)

Eine letzte Bemerkung zu Ihrer Zwischenfrage: Was macht ihr eigentlich mit Spendengeldern.

(Voigtländer [SPD]: Helmut Kohl meinte ich!)

Die CDU Deutschland und einige CDU-Politiker haben Fehler gemacht. Aber wir haben alles Erdenkliche getan, was zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen konnte.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD - Haase [SPD]: Wo denn, was denn?)

Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir in der nächsten Rechtsausschusssitzung auch einen Tagesordnungspunkt behandeln werden, bei dem es darum geht, dass sich die SPD und die Grünen im Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages geweigert haben, dazu beizutragen, aufzuklären, woher in den letzten Jahren SPD-Gelder in Milliardenhöhe gekommen sind.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein Thema, mit dem sich das Bundesverfassungsgericht demnächst zu beschäftigen hat. Das gehört auch zur Wahrheit, Herr Kollege Voigtländer, wenn Sie uns Derartiges unterstellen. Wir haben zur Aufklärung des Sachverhalts beigetra

gen. Die SPD und die Grünen tun dies in eigener Sache offensichtlich aus guten Gründen nicht.