Protocol of the Session on January 23, 2002

Drittens. Frau Ministerin und Herr Kollege Schurreit, hinter dieser kleinen Frage steckt meines Erachtens etwas ganz anderes. In Ihrem Hause - das hat damals das Schreiben von Peter Fischer gezeigt - gibt es durchaus Kräfte, die diesem Ansinnen gegenüber positiv eingestellt waren. Die eigentlichen Kräfte scheinen ja im Innenministerium zu sitzen. Diese Kräfte drängen nämlich auf die Zweckverbandslösung. Meine Damen und Herren, als überzeugter Kreispolitiker sage ich Ihnen Folgendes: Es gibt natürlich die große Befürchtung, dass diejenigen in der Staatskanzlei und im Innenministerium, die nach wie vor engagiert daran arbeiten, Niedersachsen in Regionen aufzuteilen und es mit der Kreisstruktur in Niedersachsen offensichtlich nicht gut meinen, dieses Instrument nutzen werden, um Landkreise gegen ihren Willen in

einen Zweckverband hineinzuzwängen. Das machen wir im Hamburger Umland nicht mit.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Schurreit [SPD])

Ich kann die ideologischen Vorbehalte gegenüber einer privatrechtlichen Organisationsform nicht verstehen. Hier spricht auch niemand von der Privatisierung der Aufgabe. Es geht hier lediglich um schlanke, unbürokratische Entscheidungswege, so wie es die VNO, wie Sie zu Recht gesagt haben, seit Jahren vormacht. Ich weiß nicht genau, wo die Widerständler in der Landesregierung sitzen. Ich vermute, dass wir die Antwort auf diese Frage in den nächsten Monaten noch ein wenig herauskitzeln müssen. Ich wünschte mir, dass der Innenminister jetzt da wäre; vielleicht könnte er etwas zur Präzisierung beitragen.

Lassen Sie mich noch etwas zur Neugestaltung des Verhältnisses zwischen der Freien und Hansestadt und dem Umland sagen. Ich glaube, dass wir mit dem Regierungswechsel in der Freien und Hansestadt Hamburg in eine neue Phase der Zusammenarbeit zwischen den niedersächsischen Landkreisen und Kommunen im Hamburger Umland und der Stadt treten,

(Inselmann [SPD]: Da lache ich mich jetzt aber wirklich kaputt!)

weil Oberbürgermeister von Beust im Gegensatz zu seinen sozialdemokratischen Vorgängern - Herr Inselmann! - mit dem niedersächsischen Umland auf gleicher Augenhöhe verhandelt und uns nicht wie eine Kolonie im Umland behandelt.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Dieser Antrag soll zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr und zur Mitberatung an den Ausschuss für innere Verwaltung überwiesen werden. Wenn Sie so beschließen wollen, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Vielen Dank. Sie haben so beschlossen.

Die Punkte 7, 8 und 9 rufe ich vereinbarungsgemäß gemeinsam auf:

Tagesordnungspunkt 7: Zweite Beratung: Keine Genehmigung für die PKA Gorleben! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/788 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umweltfragen - Drs. 14/3000

Tagesordnungspunkt 8: Einzige (abschließende) Beratung: Das ungewollte Erbe der Atomkraft: Deutscher Atommüll rollt zurück aus Frankreich - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2281 neu - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2326 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umweltfragen - Drs. 14/3001

Tagesordnungspunkt 9: Zweite Beratung: Niedersächsische Sicherheitsinteressen in den Ausstiegsverhandlungen berücksichtigen! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/871 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 14/1712 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umweltfragen - Drs. 14/3002

Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 788 wurde in der 29. Sitzung am 17. Juni 1999, der Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 2281 neu wurde in der 74. Sitzung am 15. März 2001 und der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 871 wurde in der 31. Sitzung am 15. Juli 1999 an den Ausschuss für Umweltfragen zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich die Frau Kollegin Harms, die für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute sollen einige alte atompolitische Anträge für erledigt erklärt werden. Über einige der Forderungen, die Sie darin finden, ist die Zeit bzw. auch der Atomkonsens hinweg gegangen. Aber Eines darf

man sich hier heute trotzdem nicht vormachen: Die besonderen Belastungen des Landes Niedersachsen sind mit dieser abschließenden Beratung, in der diese Anträge für erledigt erklärt werden sollen, keineswegs erledigt, noch nicht einmal ansatzweise. Das liegt insbesondere im Entsorgungsbereich auch daran, dass sich der Niedersächsische Umweltminister Jüttner zeitweise lieber hinter dem Rücken des Bundesumweltministers versteckt, als für Niedersachsen, also gegen die Festschreibung von Konrad und Gorleben, offensiv Politik zu machen.

Herr Jüttner, nehmen wir z. B. die Genehmigung der Pilotkonditionierungsanlage. Sie sind mit der von Ihnen erteilten Genehmigung weit über den von der Bundesregierung tatsächlich festgestellten Bedarf hinausgegangen. Ihre Genehmigung lässt nun die unmittelbare Inbetriebnahme in sehr viel größerem Umfang zu. Ihre Genehmigung ermöglicht, die PKA zur Effektivierung der Zwischenlager zu betreiben. Diese Genehmigung, so wie sie von Ihnen erteilt worden ist, erhärtet den Eindruck, dass am Standort Gorleben auch das Endlager weiterverfolgt werden soll.

Für mich korrespondiert das, wenn ich die niedersächsische Atompolitik betrachte, mit dem wahrscheinlichen Vorgehen nach der Stilllegung des AKW Stade. Bisher sieht es so aus, als sei der Weg des sofortigen Rückbaus für Niedersachsen beschlossene Sache. Über Strahlenschutz oder über die Frage, wo denn die Stader Abfälle entsorgt werden sollen, findet eine abwägende Diskussion nicht statt. Meiner Meinung nach ist es überfällig, dass das Land Niedersachsen, das mit Gorleben und Konrad geschlagen ist und außerdem noch die Asse und Leese als unbewältigte Altlasten hat, endlich die Fortentwicklung des nationalen Entsorgungsplans mitgestaltet, dort auch Initiative entwickelt und nach außen zeigt.

Mir ist bekannt, dass die Atomgesetznovelle verabschiedet worden ist. Ihnen wiederum ist bekannt, dass auch ich nun nicht mit dem, was dort erreicht worden ist, zufrieden bin. Aber ich glaube, dass ein Bundesland, das derart viele atomare Probleme hat, in der Bundespolitik eine sehr viel stärkere Rolle spielen müsste. Folgende Fragen stehen für mich auf der Agenda: Was kann im Zusammenhang mit dem nationalen Entsorgungsplan, der derzeit auf Bundesebene erarbeitet wird und in dem die PKA übrigens noch keine dezidierte Position einnimmt, für Niedersachsen durch eine Einmischung seitens des Landes erreicht werden? Wie können die Er

gebnisse des Arbeitskreises Endlager zu Langzeitsicherheitskriterien und zu einer korrekten Standortauswahl so umgesetzt werden, dass tatsächlich neue, weitere Standorte erkundet werden? Was bedeutet die nach dem September des letzten Jahres veränderte Sicherheitslage für die Entsorgung und insbesondere für die bauliche Auslegung von Zwischenlagern? Hat sich das Land Niedersachsen in der letzten Zeit konkret dafür eingesetzt, dass die Sicherheit der verschiedenen Atommüllbehälter endlich einmal unter realen Bedingungen getestet wird? Nachdem die Franzosen ihre Flugabwehr am Kap La Hague aufgestellt haben, steht für mich ein schnelleres Ende für die Transporte nach Windscale und La Hague selbstverständlich wieder auf der Tagesordnung. Auch die Meldungen, die heute überall veröffentlicht werden, dass der Transport nach Frankreich reibungslos verlaufe, ändern für mich an der Problemlage nichts.

Meine Damen und Herren, es ist erstaunlich: Wenn es um das Dosenpfand geht, wenn es um die Legehennenverordnung geht, wenn es um das Bundesnaturschutzgesetz geht, also bei allen Gesetzesprojekten der Bundesregierung, die der Natur oder der Kreatur gut täten, geht diese Landesregierung gegen die Bundesregierung vor, und zwar sehr offensiv. Ein Einsatz des Landes Niedersachsen bzw. der Niedersächsischen Landesregierung, um im Konsens bei der Novellierung des Atomgesetzes mehr für Niedersachsen zu erreichen, ist mir bis heute nicht wirklich bekannt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kollegin Frau Zachow spricht für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Der Antrag der Grünen zur PKA in Gorleben ist, Frau Harms, durch das, was in Berlin geschehen ist, im Grunde überholt. Sie wissen ganz genau, dass die PKA eine bestimmte Funktion übernehmen soll. Sie soll für den Reparaturbetrieb festgeschrieben werden. So steht es im Atomgesetz. Daran wird man auch hier nicht mehr rütteln können.

Das Gleiche oder Ähnliches gilt für den zweiten Antrag der Fraktion der Grünen. Dieser Antrag ist recht eigenartig. Es handelt sich, wenn man das

wirklich einmal genau hinterfragt, um einen Antrag, der sich gegen Ihren eigenen Bundesumweltminister richtet.

(Inselmann [SPD]: Stimmt! – Möll- ring [CDU]: Damit haben die kein Problem!)

Das ist schon ein eigenartiges Spiel: Der Bundesumweltminister trifft Verabredungen mit den Energieversorgern, und die niedersächsischen Grünen hissen das Fähnlein des aufrechten Widerstandes. Das Dilemma der Grünen kommt hier allerdings deutlich zum Ausdruck. Jahrelang haben Sie den Menschen, und zwar nicht nur den Menschen im Wendland, vorgegaukelt, dass, wenn man erst einmal an der Regierung sei, alles besser werde, dass es dann kaum noch Transporte geben werde, dass dann die Endlagerfrage geregelt werde – irgendwo im Land, nur nicht vor Ort. Sie haben das den Menschen vorgegaukelt und sie damit enttäuscht. Die Methode ist einfach: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, so einfach geht das nicht! Kämpfen Sie das doch erst einmal in der Grünen-Partei aus, verlangen Sie aber nicht von uns hier im Landtag Unterstützung dafür.

(Beifall bei der CDU)

Nun zu dem Antrag der SPD-Fraktion. Diesen Antrag betrachten wir schlichtweg als überflüssig. Er stellt nämlich nur fest, was in der Atomgesetznovelle festgeschrieben ist,

(Voigtländer [SPD]: Das ist doch schon etwas!)

dass es durch die Einrichtung von Zwischenlagern weniger Transporte geben solle, dass nur ein Endlager errichtet werden solle, dass die CASTORTransporte keine Festschreibung des Endlagers in Gorleben bedeuteten. – Das war übrigens nie geplant. Eine Festschreibung Gorlebens für das Endlager war immer abhängig davon, ob Gorleben geeignet ist oder nicht. Weiterhin stellen Sie fest, dass die Sicherheit der Transporte gewährleistet sei. Fälschlicherweise stellen Sie dann allerdings auch fest, dass es einen Zeitplan für den Ausstieg aus der Kernenergie gebe. Dabei handelt es sich nicht um einen Zeitplan, sondern um einen Plan, der die Strommengen begrenzt. Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang müssen wir

eines sehen: Je mehr regenerative Energien wir einspeisen, um so mehr wird sich die Laufzeit der Kernkraftwerke verlängern. Das muss man dabei mit im Auge behalten.

Das Interessanteste an dem Antrag ist aber all das, was er verschweigt. Er sagt nicht deutlich, dass Sie die gesamten Probleme der Entsorgung in die Zukunft verschoben haben, dass Transporte – wenn auch weniger – durchgeführt werden. Die Transporte werden kommen – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche –, sie kommen dann halt später. Sie sagen auch nicht, dass der Arbeitskreis Endlager im Grunde genommen noch nicht weiß, wie er zum Ziel kommen wird. Ob er vergleichbare Kriterien wird aufstellen können, wissen wir noch nicht. Kann man wirklich unterschiedliche Endlagermedien miteinander vergleichen oder nicht? Das wird sich erst im Laufe des Verfahrens herausstellen. Wozu der Arbeitskreis schon gar nichts sagen kann und wo die eigentliche Schwierigkeit liegt, ist die Frage, wo das Endlager errichtet werden soll. Wir haben schon oft genug gesagt, dass sich keine Kommune danach drängen und sich ein Endlager wünschen wird. Das ist doch selbstverständlich.

(Behr [CDU]: Im Schwarzwald!)

Im Schwarzwald würde man sich genauso wenig freuen. Warten wir das alles einmal in Ruhe ab.

(Plaue [SPD]: Dort in Süddeutschland sitzen die Atomministerpräsidenten; Stoiber, und wie sie alle heißen!)

Sie haben einen Antrag eingebracht, der nur beschreibt, was ohnehin schon bekannt ist, der aber keine einzige neue Idee enthält. Ich weiß nicht, was dieser Antrag soll.

(Zuruf von Plaue [SPD])

- Herr Plaue, seien Sie ruhig, Sie wissen davon nicht soviel.

(Beifall bei der CDU)

Es wäre sinnvoller gewesen, wenn Sie den alten Antrag zurückgezogen und keinen Änderungsantrag vorgelegt hätten.

Verräterisch an Ihrem Antrag ist, dass Sie darin noch vom Jahre 2030 für die Bereitstellung eines Endlagers sprechen. Wir haben im Umweltausschuss aber gehört, dass das Zwischenlagerkonzept auf das Jahr 2040 ausgerichtet ist. An die eigenen

Zeitvorstellungen glaubt man also ohnehin nicht mehr.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion bleibt konsequent dabei: Das Moratorium bezüglich Gorleben war und ist ein Fehler, es wäre richtig gewesen, Gorleben zuerst einmal zu Ende zu erkunden.

(Beifall bei der CDU)

Mit dieser Ansicht befinden wir uns in sehr guter Gesellschaft;

(Frau Harms [GRÜNE]: Das ist auch die Ansicht von Stoiber!)