Protocol of the Session on January 23, 2002

Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass es so einfach ist, der Bevölkerung zu vermitteln, warum es zwar erlaubt ist, am Sonntag auch während der Gottesdienstzeiten Brötchen und Blumen zu kaufen, warum es aber bislang nicht erlaubt ist, nach dem Gottesdienst ein Video auszuleihen. Schließlich hat sich das Einkaufsverhalten am Sonntag schon durch die Umgestaltung der Bahnhöfe zu Einkaufszentren generell geändert.

(Rabe [SPD]: Besonders auf dem fla- chen Land!)

Wer sonntags etwas kaufen will, geht entweder in den Bahnhof oder fährt zum Flughafen oder zur nächsten Tankstelle und bekommt dort alles, was er woanders sonst nicht bekommt.

Meine Damen und Herren, die Videothekenbesitzer haben es mit ihrer Lobbyarbeit und allein mit der Androhung eines möglichen Volksbegehrens auch hier in Niedersachsen geschafft, neben den berühmten Blumen und Brötchen zu einem Teil der im Feiertagsgesetz geregelten Ausnahme zu werden.

(Adam [SPD]: Das ist doch Blödsinn! Sie wissen doch, dass die Diskussion ganz anders verlaufen ist!)

Meine Damen und Herren, alle, die im Innenausschuss sitzen, wissen, dass wir uns in den vergangenen Jahren häufig mit Petitionen befasst haben, bei denen es um andere Ausnahmeregelungen

ging. Es ging um Flohmärkte, es ging um Trödelmärkte, es ging um Verkaufsausstellungen und Basare. Hier muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Veranstaltung gemeinnützig ist, ob die Ausstellung der Kunst dient oder ob es sich dabei nur um eine getarnte Verkaufsveranstaltung handelt. Es gibt den Fischmarkt in Cuxhaven, auf dem am Sonntag nichts anderes gemacht wird, als Fisch zu verkaufen. Dies wird aber als touristisches Ereignis vermarktet.

Das, was mir an diesen Regelungen nicht gefällt, ist, dass sich die Großen mit Ausnahmegenehmigungen durchsetzen. Bei denen tritt irgendeine Sängerin auf, und dann wird es zu einem Kunstevent, wobei nebenbei Decken verkauft werden. Wir wissen, dass es am Sonntag in Tierausstellungen möglich ist, seltene Schlangen zu kaufen. Aber private Flohmärkte, kleine Märkte, die von Privaten organisiert werden, werden regelmäßig mit dem Hinweis auf das Feiertagsgesetz verboten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch meine Fraktion hält zwei Dinge für schützenswert. In unserer Gesellschaft ist natürlich der Gottesdienst schützenswert. Wir sind uns aber doch auch darin einig, dass es an bestimmten Feiertagen ein kultureller Wert ist, zu sagen: Im ganzen Land sind wir etwas ruhiger, wir sind etwas besinnlicher. - Dies gilt für Tage wie den Volkstrauertag oder auch den Karfreitag. Wir wollen keine generelle Freigabe, sondern diese Tage wirklich besonders schützen. Aber, meine Damen und Herren, vielleicht sollten wir uns auch einmal überlegen, ob in unserer Einwanderungsgesellschaft nicht ebenfalls die jüdischen Gemeinden, die orthodoxen Kirchen und die Moscheen das gleiche Recht haben sollten, dass an ihren kirchlichen Feiertagen der Gottesdienst besonders geschützt wird. Wir sollten uns darüber Gedanken machen, auch diese Feiertage aufzunehmen.

Damit keine Missverständnisse entstehen - ich schließe damit -, sage ich: Das generelle Öffnen von Geschäften in Städten ist im Ladenschlussgesetz geregelt. Dafür wird eine Regelung im Feiertagsgesetz nicht benötigt. Was wir als Grüne wollen, ist deutlich geworden, nämlich mehr Gerechtigkeit und weniger Regelungen. Ich meine, es kann nicht angehen, dass in touristischen Gebieten alles Mögliche erlaubt ist, während in anderen Gebieten dies nicht gilt. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Das Wort hat der Herr Kollege Biallas.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um Schärfen aus der aus meiner Sicht sehr sachlich zu führenden Debatte zu nehmen, will ich vorwegschicken, dass die Entscheidung, ob man dafür oder dagegen ist, aus meiner Sicht in der Tat nicht über den Erhalt oder den Niedergang des christlichen Abendlandes entscheidet.

Ob Videotheken künftig am Sonntag, wie es hier vorgesehen ist, ab 13 Uhr geöffnet sein können oder nicht, ist - das ist eben schon angeklungen nicht eine Frage, die sich allein nach der kirchlichen oder christlichen Bedeutung des Sonntages beantworten ließe. Das ist zwar, wie wir alle wissen, auch der Fall, aber eben nicht ausschließlich. Es gibt seitens unserer Fraktion vielmehr die Auffassung, dass es um eine sehr grundsätzliche Frage geht, nämlich um die grundsätzliche Frage, welche kultur- und gesellschaftspolitische Bedeutung der Sonn- und Feiertag als ein nachvollziehbar sich von Werktagen unterscheidbarer und sich damit vom vorrangig ökonomisch bestimmten Werktag abhebender besonderer Tag hat. Das ist in der Tat eine Grundsatzfrage, die wir mit der Entscheidung über diese reine Sachfrage verbinden.

Ich will daran erinnern, dass sich bisher alle Fraktionen dieses Hauses im Wesentlichen darüber einig waren, dass der Sonntag einem besonderen Schutz unterliegt. Erst vor zwei Jahren - daran will ich erinnern - ist von den Kirchen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Landessportbund und dem Landesfrauenrat eine Kampagne unter dem Titel „Ohne Sonntag gibt es nur noch Werktage“ gestartet worden. Diese Kampagne fand durchaus die große Zustimmung und auch die Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses, wenn ich mich richtig daran erinnere, wie wir es damals bewertet haben.

Wir waren uns in diesem Hause immer darin einig, dass an Sonn- und Feiertagen nur das an Arbeitsund Dienstleistungen zulässig sein sollte, was unbedingt zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden gesellschaftlichen Zusammenlebens erforderlich ist. Das war einer der Eckpunkte der Beurteilung. Darüber hinaus waren wir uns darin einig, dass alles zulässig sein sollte, was den Sonntag als Tag der Besinnung, als Tag der Stille, als Tag der

Zeit für die Familie und Partnerschaft fördert. Wir waren uns auch darin einig, dass am Sonntag zulässig sein und unterstützt werden sollte, was die kulturelle Bedeutung des Sonntag stärkt, und dass die Bemühungen einzelner, an der kulturellen Vielfalt mitzuwirken, unterstützt werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, weil das bisher so gewesen ist, will ich daran erinnern, dass die von Ihnen getragene Landesregierung - aus unserer Sicht übrigens völlig zu Recht - stets alle Anträge und Petitionen mit unserer Auffassung nach rechtlich einwandfreien Argumenten zurückgewiesen hat, die versucht haben, diese Grundsätze des Feiertagsgesetzes durch beantragte Sonderregelungen zu unterlaufen. Ich erinnere daran, dass wir in diesem Haus einmütig den Betrieb von Autowaschanlagen am Sonntag abgelehnt haben. Dieses Anliegen war in einer Petition vorgetragen worden. Nach langer kontroverser Debatte haben wir am Ende ebenfalls einmütig abgelehnt, dass gewerbliche Märkte landesweit an Sonntagen stattfinden können.

Vor diesem Hintergrund erscheint es uns geradezu völlig unverständlich, warum vorgesehen werden soll, ausgerechnet für Videotheken das möglich zu machen, was wir anderen bisher versagt haben. Man muss sich natürlich die Frage stellen - wir meinen schon, dass dies ein großer Unterschied ist -, ob Theater und Kinos in gleicher Weise eine Bedeutung für die kulturelle Vielfalt haben wie das Ausleihen von Videos in einem Gewerbebetrieb. Wir sind der Auffassung, dass es dabei deutliche Unterschiede gibt. Dies klang eben in den Ausführungen der Kollegin Stokar an.

Ich will noch einmal auf den Gang der Beratungen zurückkommen, weil auch dies angesprochen worden ist. Der Verband der Betreiber von Videotheken hat in der Tat aus seiner Sicht sehr gute Lobbyarbeit geleistet. Er hat zunächst - ich will zugeben, mich hat verwundert, dass einige darauf hereingefallen sind - den Eindruck zu erwecken versucht, die Kirchen hätten für dieses Vorhaben durchaus Einverständnis und Zustimmung signalisiert. Inzwischen wissen wir, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

In der vergangenen Woche wurde versucht, den Eindruck zu erwecken, wir sollten im Niedersächsischen Landtag nur noch das nachvollziehen, was in anderen Bundesländern angeblich bereits ent

schieden und beschlossen worden sei. Nach dem, was mir bekannt ist - ich habe mich gestern extra noch einmal erkundigt -, will ich festhalten, dass es bisher ausschließlich das Bundesland Hamburg gewesen ist, das eine gesetzliche Neuregelung getroffen hat. Wie ich weiß, ist es auch in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen und in Hessen im Gespräch.

(Frau Tinius [SPD]: In Schleswig- Holstein entschieden!)

- Gut, dann habe ich dazugelernt. - Aber das, was uns die Betreiber dargelegt haben, dass auch Hessen und Nordrhein-Westfalen auf dem Weg seien, ist nicht der Fall.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb haben wir, was die Zustimmung zu dem Gesetzesvorhaben angeht, die Befürchtung, dass, wenn wir hier zustimmen, wir ähnlichen Gewerbetreibenden für Sonn- und Feiertage die Zustimmung nur sehr schwer versagen können, wenn sie also ein ähnliches Anliegen vortragen.

Ich will noch einen Punkt hinzufügen. Es ist ja nicht ohne Grund gewesen, dass dieses Gesetzesvorhaben schon während der vorangegangenen Plenarsitzung hat beschlossen werden sollen. Offensichtlich haben sehr intensive Gespräche der Kirchen nicht nur mit unserer Fraktion, sondern auch mit anderen stattgefunden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege, eine Sekunde. - Meine Damen und Herren, der Geräuschpegel ist inakzeptabel hoch. Auch diejenigen, die sich am Rand des Plenarsaals unterhalten, bitte ich, von dieser Unterhaltung abzusehen.

(Wulff (Osnabrück) [CDU]: Er hört das gar nicht!)

Ich merke aber, dass ich dort wenig Eindruck mache.

(Zuruf von der CDU: Fasold!)

- Da gilt aber nicht nur für den Kollegen Fasold, sondern auch für einige andere.

Ich wollte eben ausführen, dass die Gespräche, die von allen Seiten des Hauses und auch von der Landesregierung mit den Vertreterinnen und Vertretern der Kirche geführt worden sind, bei der SPD-Fraktion offensichtlich den Effekt gehabt haben, noch einmal verschärft darüber nachzudenken. Ich weiß auch, dass insbesondere der Ministerpräsident in dieser Haltung nicht ganz so entschlossen ist wie offensichtlich die Mehrheit Ihrer Fraktion.

Aus den Gründen, die ich ausgeführt habe, hätten wir uns gewünscht, dass wir bei den Regelungen bleiben, die wir bisher einvernehmlich getroffen haben. Wir haben Bedenken dagegen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, weil wir befürchten müssen - und das nicht ohne Grund -, dass wir damit ein Fass aufmachen, das uns dazu nötigen wird, immer wieder neue Sonderregelungen zu treffen, oder dass wir alternativ bald vor der Frage stehen werden, ob wir die bewährten Bestimmungen des Feiertagsgesetzes in der Realität überhaupt noch werden durchhalten können. Diesen Punkt hat die Kollegin Frau Stokar eben bereits angesprochen.

Daher werden wir diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht geben. Wir wissen, wie die Mehrheitsverhältnisse sind, aber wir wollten es uns nicht ersparen, darauf hinzuweisen, welche grundsätzlichen Bedenken wir gegen eine solche Neuregelung haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Tinius hat noch einmal um das Wort gebeten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Biallas, in meiner Rede habe ich sehr deutlich ausgeführt, dass es um eine Gleichbehandlung der Filmförderabgabe, die von den Filmtheatern wie auch von den Videotheken erhoben wird, geht. Das, was Sie jetzt als Vergleich heranziehen, dass nämlich andere Gewerbetreibende ebenfalls mit Sonderwünschen auf uns zukommen könnten, sehe ich nicht als gegeben an, da es dafür unterschiedliche Grundlagen gibt.

Ein Hinweis, Herr Kollege: Der Landtag von Schleswig-Holstein hat bereits im Dezember in breiter Einmütigkeit mit einigen Enthaltungen von Abgeordneten der CDU-Fraktion ebenfalls einen Gesetzentwurf zur Öffnung der Videotheken am Sonntag ab 13 Uhr verabschiedet. Das wollte ich nur noch einmal zur Klarstellung gesagt haben.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Jetzt kommt der Kollege Schwarzenholz zu Wort, der bis zu drei Minuten Redezeit erhält.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Gewerkschaften und Kirchen zu einer übereinstimmenden Auffassung kommen, dann muss sie nicht automatisch richtig sein, aber man sollte sie sehr ernst nehmen. Die übereinstimmenden Wertungen, die in diesem Bereich geäußert werden, haben historische, kulturelle und soziale Ursachen, die wir als Landtag sehr ernst nehmen sollten. Ich bin der Auffassung, dass die Argumentation der SPD-Fraktion, die auf eine formale Gleichstellung von Kinos und Videotheken als Verleihstationen von Filmen, die zu Hause geguckt werden, abstellt, einer näheren Betrachtung nicht Stand hält. Kinos sind wie Theater historisch gewachsene Einrichtungen, die ihren Charakter darin haben, dass Menschen in ihrer Freizeit dorthin gehen können und dort gemeinschaftlich bestimmte Ereignisse kultureller oder weniger kultureller Art erleben können.

Das Vordringen von Beschäftigungsverhältnissen an Sonntagen und in bisher gemeinsam verbrachten Freizeiten zerstört doch den Menschen die Möglichkeit, solche Aktivitäten gemeinsam wahrzunehmen. Schon heute ist zu beobachten, dass viele zu einer privaten Feier Eingeladene nicht kommen können, weil sich überall Beschäftigungsverhältnisse durchzusetzen beginnen, die zu Zeiten stattfinden, die das Bedürfnis, etwa Filme anzusehen, gar nicht erfordern. Warum muss man denn am Sonntag um 13 Uhr in die Videothek gehen und sich einen Film holen? Warum muss man das genau zu dieser Zeit tun können?

(Beifall bei der CDU - Jahn [CDU]: Das frage ich mich auch!)

Man kann doch auch seine Butter nicht am Sonntag um 13 Uhr kaufen. Die Möglichkeit, Butter zu

kaufen, ist doch ausreichend gegeben. Auch die Möglichkeit, Videofilme auszuleihen, ist so reichhaltig, und die Zeiten sind doch so großzügig bemessen - warum muss dieser Einbruch organisiert werden, wenn nicht gezielt eine Vorreiterrolle beabsichtigt ist? Sie wissen doch ganz genau, was hier läuft: Im Prinzip wird an einem Thema mit einer Formalargumentation, wie Frau Tinius sie dargestellt hat, eine Vorreiterrolle eingenommen. Der Sonntag wird systematisch geknackt.

Ich sage Ihnen als aktiver Gewerkschafter einmal Folgendes: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe nicht vergessen, dass wir im DGB einmal eine Kampagne mit dem Titel „Samstags gehört Papa mir“ durchgeführt haben. Was ist davon geblieben? - Jetzt soll noch nicht einmal der Sonntag bleiben?

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, es mag ja sein, dass Ihnen der Sonntag nicht heilig ist, aber wie ich Sie mit den sozialen Beziehungen - -

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)