Protocol of the Session on January 23, 2002

Um vor großem Publikum viel Applaus zu erhalten, fordert Ministerpräsident Gabriel die Bahn immer wieder auf, im Gegenzug für zusätzliche staatliche Gelder die beabsichtigten Streichungen von Fernverbindungen zu unterlassen. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass die Bahn die InterRegio-Verbindungen im Fernverkehr nach wie vor Scheibchen für Scheibchen abschneidet. Ich meine, dass es auch ein Stück weit scheinheilig ist, die Verantwortung für diese katastrophale Entwicklung der Bahn ausschließlich auf die Bahn

abzuwälzen. Ich meine, dass das nicht in Ordnung ist;

(Beifall bei der CDU)

denn der Hauptverantwortliche für die Streckenstreichungen ist die rot-grüne Bundesregierung. Das kann man nicht weg diskutieren, das ist Fakt.

Mit dieser Feststellung befinde ich mich auch mit Ministerpräsident Gabriel in einem Boot. Er hat nämlich in einer Presseerklärung vom 28. Juli 2000 erklärt:

„Der Bund wird ohne wirksame Hilfe für das Unternehmen zum Hauptverantwortlichen der Bahnmisere.“

So Ministerpräsident Gabriel.

Und diese Landesregierung weiß eigentlich schon seit zwei Jahren, dass die Bahn plant, auch in diesem Jahr wieder InterRegio-Strecken abzubauen. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage hat sie am 14. September 2000 wörtlich erklärt:

„Die Deutsche Bahn AG plant, ab Juni 2001 ca. 4,9 Prozent der Fernverkehrsleistungen in Niedersachsen zu streichen.“

Sie hatten also Zeit genug, etwas zu unternehmen. Insofern ist das, was jetzt angekündigt wird, keine Überraschung. Es reicht letztlich nicht, wenn die Landesregierung erklärt:

„Der Niedersächsische Ministerpräsident hat für die jetzt bekannt gewordenen Pläne des Fernverkehrs der Bahn kein Verständnis.“

Ich würde sagen: Grundordner, Ablage. Damit kann man herzlich wenig Konkretes umsetzen.

Sie sind gewählt worden, um als Regierung für dieses Land zu handeln und Verantwortung nicht nur für die Zentren, sondern für die gesamte Fläche zu übernehmen. Sie tragen als SPD auf allen Ebenen - vom Land bis hin zum Bund - die Verantwortung für das Unternehmen Bahn und die Verschlechterung der Mobilität der Menschen im Lande. Die Erfolgsmeldungen, die im Hinblick auf Erfolge in Gesprächen mit Vertretern der DB AG veröffentlicht werden, sind in Wirklichkeit „Potemkinsche Dörfer“; denn wenn man hinter die Kulissen blickt, dann sind in diesen Gesprächen keine Erfolge erzielt worden. Im Gegenteil! Stück

für Stück, Monat für Monat hat sich die Situation verschlechtert.

Lassen Sie mich noch einmal auf die Situation der DB AG zurückkommen. Ich habe mir das Protokoll des Besuches des Vorstandsvorsitzenden der DB AG zu Gemüte geführt. Ich kann nur empfehlen, einmal nachzulesen, welche Position Herr Mehdorn in Bezug auf den InterRegio eingenommen hat. Er hat in seiner üblichen Art knallhart gesagt, dass es im Grunde genommen nur darum gehe, wer das Angebot bezahle.

Er hat ausgeführt:

„Die Streitfrage lautet eigentlich: Sind InterRegio-Verbindungen Nahverkehr oder Fernverkehr?... Wir sagen dagegen: Das sind Regionalzüge, die nicht zum Fernverkehr gehören.“

Seine Auffassung, dass InterRegios Nahverkehrszüge sind, bringt er in seinen Redebeiträgen mehrfach zum Ausdruck. Deshalb, meine Damen und Herren, steht eindeutig fest, dass es ein entscheidender Fehler war, dass in den letzten Jahren versäumt worden ist, den Fernverkehr auch auf Bundesebene genau zu definieren und möglicherweise auch gesetzlich eindeutig zu regeln, was Fernverkehr ist und wie er zu finanzieren ist. Die DB AG nutzt diese Situation aus, um glasklar zu sagen, dass InterRegios für sie kein Fernverkehr seien, sodass diese Verkehre anders abzudecken seien. Es ist schon amüsant, wenn man die Presseerklärung in der „HAZ“ liest, in der der Pressesprecher die Situation ein wenig fatalistisch wie folgt darstellt:

„Es sei daher allenfalls vorstellbar, dass InterRegio-Verbindungen in Intercity- oder Nahverkehrs-Verbindungen umgewandelt werden.“

Dann hätte aber auch der Satz kommen müssen: Und das Land Niedersachsen muss es bezahlen. Das ist nämlich die entscheidende Feststellung.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man dieses Gesamtproblem in den Zusammenhang damit stellt, dass die Regionalisierungsmittel nicht erhöht bzw. dynamisiert werden, sondern erheblich gekürzt werden, dann ist das, was hier auf Niedersachsen zukommt, ein wahres Trauerspiel.

Das ist ein Tiefschlag.

(Schurreit [SPD]: Hör doch auf!)

Die Diskussion, die jetzt im Hinblick auf die Regionalisierungsmittel geführt wird, eskaliert mit der eindeutigen politischen Ansage auf Bundesebene, dass nicht dynamisiert werden solle, dass nicht von 13,8 auf 14,3 aufgestockt, sondern auf 12,8 zurückgefahren werden solle. Wenige Tage später war zu lesen, dass durch die Umwandlung der InterRegio-Verbindungen in Nahverkehrs- oder IC-Verbindungen zusätzliche Belastungen auf das Land zukommen. Solche Belastungen sind doch für das Land Niedersachsen nicht mehr tragbar.

Ich kann nur hoffen und wünschen, dass dies nicht die 27. ergebnislos diskutierte Entschließung dieses Parlaments zur Sicherung der InterRegioVerbindungen ist.

(Beifall bei der CDU)

Darauf setzt sich Herr Mehdorn doch. Er reagiert gar nicht mehr. Er wird das wie „wisch & weg“ behandeln. Wir werden in eine Situation kommen, in der wir hier in Niedersachsen wieder zweiter Sieger sind. Damit können wir nicht zufrieden sein. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die Landesregierung nimmt zu dem vorliegenden Antrag durch Frau Ministerin Dr. Knorre Stellung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einige kurze Anmerkungen zu Ihnen, Herr Wenzel. Wir brauchen nicht irgendwelche Bahnmanager einzubestellen. Wir führen dauernd Gespräche mit der Bahn AG und sind mit der Bahn auf verschiedensten Ebenen – nicht nur mit den Regionalvertretern – im Gespräch. Natürlich geht es darum, die Fernverkehrsverbindungen in Niedersachsen zu erhalten. Das ist doch völlig selbstverständlich. Wir brauchen jetzt auch keine Hauruck-Aktionen.

(Frau Pruin [CDU]: Wenn es zu spät ist, brauchen wir auch nichts mehr zu machen!)

Herr Dinkla, wenn Sie sagen, in der Politik würde für den schienengebundenen Personennahverkehr

in Niedersachsen zu wenig gehandelt, dann ist das schlicht und ergreifend eine Fehldarstellung. Erstens sind wir im Bundesrat tätig geworden, und zweitens,

(Frau Pruin [CDU]: Es müssen Er- gebnisse kommen!)

um auf die Ergebnisse einzugehen, beneiden uns in Deutschland alle um unser Programm „Niedersachsen ist am Zug“. Auch das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD – Frau Pruin [CDU]: Ich fahre mit dem Zug. Das wird immer schlechter und nicht bes- ser!)

Was den aktuellen Bezug auf die Presseerklärung von Herrn Franz anbelangt, so möchte ich feststellen, dass uns im Augenblick keine neuen Streichlisten der Bahn AG vorliegen. Das sind allgemeine Äußerungen, die Herr Franz getan hat, die aber nicht mit einer Streichliste und schon gar nicht mit einer Streichliste für Niedersachsen hinterlegt sind. Deshalb können Sie davon ausgehen, dass die Fernverbindungen, die jetzt bestehen, auch nach dem Fahrplanwechsel im Dezember bestehen bleiben werden. Von daher besteht, wie bereits gesagt wurde, kein Grund zu Panikmache.

(Kethorn [CDU]: Dann wollen wir mal schauen!)

In der Tat ist es so, dass die Bahn überlegt, InterRegios durch ein einheitliches Produkt, durch IC’s, zu ersetzen. Das ist erklärte Unternehmenspolitik der Deutschen Bahn AG. Dagegen kann man zunächst einmal im Grundsatz nichts haben, denn das kann unter Umständen Verbesserungen bringen. Ich denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an das eingesetzte Wagenmaterial, das Sie zu Recht kritisiert haben. Insofern ist das eine Produktpolitik der Deutschen Bahn AG, mit der man konstruktiv umgehen muss. Wir müssen sehen, was wir aus diesen Plänen machen. Die Umwandlung von InterRegios in IC’s heißt ja nicht, dass diese Verbindungen wegfallen. Das sollte man noch einmal in aller Offenheit sagen. Darauf bezogen sich übrigens die Stellungnahmen aus meinem Haus.

Die Bahn hat allerdings auch deutlich gesagt, dass der InterRegio-Verkehr im Augenblick einen Zuschuss von 200 Millionen DM erfordert. Der Punkt ist – das wissen auch Sie -, dass der Fernverkehr

bei der Bahn eigenwirtschaftlich laufen soll. Das war nun einmal, Herr Dinkla – daran können wir beide nichts ändern -, die Idee der Bahnreform.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich gehe davon aus, dass auch Sie – ebenso wie wir – immer noch zu dieser Idee stehen. Dann muss man schlicht und ergreifend darüber diskutieren, was man mit diesen 200 Millionen DM macht, die der InterRegio-Verkehr kostet. Wir sind sicherlich einer Meinung, dass dieses Geld für die Länder bereitgestellt werden muss, wenn wir dort zusätzliche Leistungen anbieten sollen. In dieser Frage sind wir und auch die Grünen mit im Boot. Wir sagen, dass wir in dem Regionalisierungsgesetz, das kommen wird, für diese Mittel eine gewisse Vorsorge treffen müssen. Anderenfalls wären wir selbstverständlich nicht in der Lage, auf einmal Fernverkehr im Lande zu ersetzen. Deshalb ist es kein Wunder, dass die Länderverkehrsminister genau diese 200 Millionen in das Regionalisierungsgesetz hineinschreiben wollen. Sie alle wissen, dass der Gesetzentwurf des Bundes, der jetzt vorliegt, hinsichtlich der Regionalisierungsmittel noch nicht ausreicht. Er ist mit 12,8 Milliarden deutlich zu niedrig angesetzt und sieht auch noch keine Dynamisierung vor. Niedersachsen ist damit nicht einverstanden. Wir haben das deutlich erklärt. Wir werden noch im Januar zusammen mit anderen Ländern eine entsprechende Bundesratsinitiative auflegen, um die Forderung des Landes klipp und klar zu formulieren.

Letztlich – das muss ich schlicht und ergreifend sagen – hat Herr Mehdorn Recht, dass das jemand bezahlen muss. In den diesbezüglichen Verhandlungen befinden wir uns. Wenn wir Handlungsspielraum für das Land bekommen, werden wir ihn – das verspreche ich Ihnen – auch ausnutzen. Das haben wir bislang auch schon getan, und zwar sehr offensiv.

Wir brauchen ein vernünftiges Regionalisierungsgesetz. Wir werden dann, wie Sie das von uns gewohnt sind, unser Programm „Niedersachsen ist am Zug“ offensiv durchziehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Der Herr Kollege Wenzel möchte sich noch einmal äußern.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Schurreit, eine Bemerkung muss ich nun doch noch machen. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass wir an einem Strick ziehen und gemeinsam versuchen, die Dinge voranzubringen. Darauf hatten wir auch gesetzt. Wenn Sie uns jetzt vorwerfen, wir würden eine Angstkampagne schüren,

(Schurreit [SPD]: Natürlich!)

weiß ich wirklich nicht, in welchem Film ich bin. Wenn das so ist, kann ich den Städten, die heute InterRegio-Halte haben, nur dringend empfehlen, eine Petition an Herrn Wernstedt zu richten. Man hat fast das Gefühl, dass die Lüneburger hinsichtlich ihres Haltepunktes alles schon klar gemacht haben und die anderen hinterher in die Röhre gucken. Klar ist doch, dass das Intercitykonzept der Bahn weniger Haltepunkte vorsieht. Sonst bräuchte man doch dieses Spiel nicht zu machen. Das heißt, dass von den InterRegio-Halten, die wir heute haben, einige über die Wupper gehen werden. Die Frage ist natürlich, welche über die Wupper gehen. Das möchte ich, bitte schön, so früh wie möglich wissen. Dafür reicht mir eine so halb gare Bemerkung, wie ich sie heute in der HAZ nachlesen musste, nicht, sondern das will ich konkreter wissen.