In der ganzen Auseinandersetzung toppt man sich ja Tag für Tag. Kürzlich hat der SPD-Bezirk Nordniedersachsen „schulformunabhängige Schulverbünde“ entdeckt und spricht ganz deutlich davon: Jetzt muss es richtig losgehen mit Gesamtschulen in Niedersachsen. - Da sind Sie wieder bei Ihrem alten ideologischen Gedankengut, und da finden wir auch nicht mehr zusammen, habe ich den Eindruck, es sei denn, Sie schaffen da ganz, ganz schnell Klarheit.
- Den Landeselternrat habe ich eben schon zitiert. Gucken Sie in das DIPF-Gutachten, was die prognostizieren, wozu es führt, wenn man in diesem Flächenland Niedersachsen auf der Basis der vorhandenen Schulstruktur das Gesamtschulsystem flächendeckend verbreitern will. Das darf ich hier ja eigentlich nicht sagen, aber die haben gesagt, das führe zum Schulkrieg.
Es führt zu nachhaltigen Auseinandersetzungen, wenn diese Modelle Platz greifen sollten. - Aber das war bei Ihnen nur der Unterbezirk. Am Ende kommandiert ja ein anderer, und dann ist das auch wieder in Ordnung. Warten wir das einfach mal ab!
Dann gehen Sie immer gerne hin und sagen, weil Sie genau wissen, dass unser Modell griffig ist und das jeder versteht - -
- Na prima. - Klopfen Sie doch einmal unser Modell ab! Gucken Sie sich einmal Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen an - das sind, glaube ich, sozialdemokratisch regierte Länder -: freier Elternwille nach Klasse 4, weiterführende Schulen mit eigenem Bildungsauftrag, aber hoher Durchlässigkeit ab Klasse 5. Dann würden Sie feststellen: So wahnsinnig weit weg von unseren Vorstellungen ist das auch nicht. Also, wo sitzen hier denn nun die Reaktionäre? Auf Ihrer Seite, auf unserer Seite oder in der Gesamtschulideologenkiste? - Seien Sie vorsichtig mit solchen Zuordnungen!
Wir Christdemokraten bieten an - das hat jeder begriffen; wir haben das mit „Qualitätsschule“ überschrieben, und der Name ist gleichzeitig Programm -:
Qualität gegen Gewusel, gegen Leistungsabfall. Wir bieten an: Weg mit der Orientierungsstufe, Abitur nach zwölf Jahren, ein modernes gegliedertes Schulwesen ab Klasse 5 mit Nachmittagsangeboten unter hoher Durchlässigkeit sowie eine Unterrichtsgarantie.
Das mit der Unterrichtsgarantie ist ja ein abendfüllendes Thema: diese ständige Trickserei mit der Aushöhlung der Stundentafeln, den Klassenbildungserlassen, dem Größermachen von Klassen. Wir wollen über eine schulgesetzliche Regelung die Bandbreite so beschreiben, dass die Trickserei aufhört und die Schülerinnen und Schüler zu ihrem
Unterricht kommen, dass es zur Erfüllung von Stundentafeln nach vorgegebenen Erlassen kommt. Das können wir an anderer Stelle gerne noch einmal vertiefen. Ich habe nichts dagegen - ich fände es sogar gut -, wenn hier ein Signal gesetzt würde und die Landesverfassung das entsprechend ausweist.
Die Unterrichtsversorgung gehört zu dem ganzen Thema dazu. 1989/90 - die Phase Ernst Albrecht, Kultusminister Horrmann; er war eben noch hier -, das waren goldene Jahre, zugegebenermaßen bei etwas niedrigeren Schülerzahlen.
- Das gehört zur Gesamtbetrachtung dazu. Aber was ist zwischenzeitlich passiert? - Heute 12 % weniger Unterrichtsstunden pro Schüler und 19 % mehr Schüler pro Lehrer seit 1990. Das ist Ihre Bilanz! Das hat auch nichts mit Schülerzahlen zu tun; das kann man statistisch so zuordnen, dass man genau weiß, wer was gemacht hat und wer nichts gemacht hat.
Die Lehrerstellenreduzierung, die vor allen Dingen Ministerpräsident Schröder zu verantworten hat, haben Sie durch Ihre bescheidenen Zusatzeinstellungen noch nicht einmal wieder aufgefangen. Das ist die Wahrheit.
Der Stadtelternrat Braunschweig hat - das war in der Braunschweiger Zeitung am 4. November zu lesen - festgestellt: In Niedersachsen verliert jeder Schüler in seiner Schulzeit ein komplettes Unterrichtsjahr durch den Unterrichtsausfall. Im Schnitt 16 % Unterrichtsausfall in Niedersachsen quer durch unser Schulsystem. - Diesen Zustand kann man nicht hinnehmen. Das heißt, Herr Meinhold, jede Woche fallen in Niedersachsen 250 000 Unterrichtsstunden aus.
- Sie können ja gleich nach vorne kommen und das widerlegen. Aber Sie haben ja auch nicht widersprochen; das stand in der Braunschweiger Zeitung, amtlich ermittelt, amtlich bestätigt: 250 000 Unterrichtsstunden fallen aus.
Da wird einem ja Angst und Bange. Ich habe den Eindruck, Frau Ministerin: Mangelbewirtschaftung, man sieht irgendwie zu, alles wird abgebü
gelt - der Finanzminister hat es gestern gesagt -, bis man über den Wahltermin 2002/2003 hinwegkommt, und dann kommt das Drama.
Ich sehe überhaupt keine Ansätze dafür, dass Vorkehrungen für den weiter wachsenden Schülerberg getroffen worden wären. In 2004, also in zweieinhalb Jahren, haben wir mindestens 8 000, wahrscheinlich noch ein paar mehr Schülerinnen und Schüler an den allgemein bildenden Schulen. Sie haben kein Konzept, wie dem durch Lehrereinstellungen begegnet werden soll.
Wenn wir in den berufsbildenden Bereich gucken: bis 2009 weitere 30 000 Schülerinnen und Schüler. - Null Konzept, wie man das mit einer vernünftigen Lehrerversorgung auffangen will. Das wird einfach an die Seite gewischt und gesagt: Das werden wir schon irgendwie schaffen, irgendwann ist Wahl, und danach sieht man weiter. - Warten wir mal ab!
Ein weiterer dramatischer Faktor, meine Damen und Herren: Ab dem Jahr 2004 müssen wir dann noch die Hypothek der Lehrermehrarbeit abtragen. Sie kennen das ja: Die dürfen heute alle ein bisschen mehr arbeiten und hoffen, dann eine Gegenleistung in Form von weniger Arbeit, vielleicht auch Geld, zu bekommen. - Da ist bislang ein Gegenwert von 700 Vollzeitlehrkräften aufgestaut worden. Das ist, verteilt auf einen Zeitraum von 20 Jahren, ohne Zins und Zinseszins hochgerechnet, eine Belastung von 1,2 Milliarden DM. Frau Ministerin, ich weiß gar nicht, ob Ihnen das zahlenmäßig überhaupt so gegenwärtig ist. Sie haben da einen Wechsel auf die Zukunft ausgestellt. Das muss über 20 Jahre erst einmal wieder aufgearbeitet werden, sowohl fiskalisch als auch was Lehrerstellen anbelangt. Da kann ich nur sagen: Da haben Sie uns schon ein Ding hinterlassen. Es wird eine schwierige Sache, das wieder aufzuarbeiten.
Aber wir trauen uns das schon zu, Herr Voigtländer. Warten Sie mal ab! Irgendeiner muss es ja machen. Sie stellen Wechsel auf die Zukunft aus und hoffen auf den Regierungswechsel, das wissen wir wohl.
Zum Fachlehrermangel: Schon jetzt ist es so, dass von den ausgeschriebenen Stellen 20 % nicht mehr so besetzt werden konnten, wie sie ausgeschrieben waren, weil es dramatisch an Fachlehrern - etwa für Naturwissenschaften - fehlt. In den nächsten zehn Jahren gehen über 40 % unseres Lehrerbestands in den Ruhestand, und die „Nachwuchsproduktion“, selbst wenn wir jetzt vielleicht eine kleine Trendwende erleben, läuft nicht zu 50 % einher. Das werden wir möglicherweise erst in zehn Jahren wieder einholen - wenn alles gut läuft und wenn der richtige politische Wille hinzu kommt.
Hier sehe ich also dramatische Verhältnisse auf uns zukommen. Dafür, Frau Ministerin, tragen Sie zu einem erheblichen Anteil die Mitverantwortung, und Ihre jeweiligen Regierungschefs natürlich auch. Da kann ich mich auch immer wieder auf die bekannten Positionen beziehen:
Warum haben wir keine Lehrer gekriegt? - Sie haben über etliche Jahre nur Dreiviertelstellen angeboten. Hier wurden die Lehrer schlechtgemacht: „faule Säcke“, jetzt ist von Gänsen die Rede usw. Da wundert man sich, bei immer mehr Arbeitsbelastung, mehr Stunden, bei der Übertragung von immer mehr Aufgaben auf die Schulen? Sprechen Sie doch einmal mit den Lehrern an der Front, in den Kollegien, mit den Schulleitungen. Warum will denn kaum noch einer Lehrer werden? - Weil die Arbeitsbedingungen so schlecht geworden sind. Das gehört zur Wahrheit dazu, und da kann man Sie auch nicht aus der Verpflichtung entlassen.
Jetzt ist PISA gekommen - wir haben das gestern diskutiert, ich will das nicht vertiefen -, und Sie haben gleich wieder einen Schuldigen ausgemacht, nämlich denjenigen, den man vielleicht am meisten braucht, wenn man was verbessern will. Das passt auch nicht zu Ihrer eigenen Kampagne „Gute Leute machen Schule“. Das hört sich wunderbar an. Aber wenn es dann konkret wird, haben wir die Lehrer gleich wieder als Sündenbock ausgemacht.
Ein Punkt, der noch eine Rolle spielt, ist die Lehrerfortbildung. Da kann man nicht sagen, die Lehrer haben auch selber Schuld, die sollen sich gefälligst fortbilden, dann werden sie den Anforderungen auch besser gerecht. - Wir haben das hier vor einigen Wochen schon einmal ansprechen müssen,
und, Frau Ministerin, ich hoffe, Sie dementieren das heute nicht: Die Mittel für die Lehrerfortbildung sind in den Jahren von 1992 bis 2001 von 7 Millionen DM auf 3 Millionen DM reduziert worden. Das sind nicht die richtigen Signale, die man braucht. Sie sollten überlegen, ob Sie da nicht zur Umkehr kommen.
Schließlich: Wer mit uns aus gutem Grund in Konsensgesprächen über Schulstrukturfragen, über Qualitätsfragen usw. ist - es ist gute demokratische Kultur, dass man das so macht -, der kann dann nicht einfach in einer, wie ich finde, beschämenden, der Problematik nicht würdigen Form, Herr Finanzminister, hier sagen: 2 500 Lehrerstellen können wir nicht, wollen wir nicht, ist alles Quatsch.
Ich glaube, die Zahlen belegen es auch. Wir haben eine dramatische Situation im Bereich der Unterrichtsversorgung zu verzeichnen.
- Für den Zwischenruf kann ich mich nur bedanken. - Bei unseren Haushältern muss ich mich dafür bedanken, dass sie es immer wieder hinkriegen, zu sagen: Wir haben noch eine Finanzressource, wir haben noch das Potenzial. - Mit der politischen Beschlussfassung, dass wir das Potenzial für die Bildung bündeln wollen, sagen wir, dass wir versuchen sollten, vom Lehrermarkt das zu kriegen, was noch zu holen ist und was wir zahlenmäßig brauchen, nämlich 2 500 zusätzliche Lehrer. Das ist noch machbar. Jedes Jahr, in dem Sie das verhindern, wird es schwieriger; das ist wohl wahr. Aber wir haben uns das vorgenommen. Es ist auch machbar, es ist bezahlbar. Deshalb kann ich nur sagen - es ist ja auch der Änderungsantrag vorgelegt worden -: 2 500 zusätzliche Lehrer werden von uns gefordert.