Herr Minister, nachdem Sie mir meine erste Frage nicht beantwortet haben, versuche ich es mit einer zweiten. Mich würde interessieren, ob sich die Landesregierung in dieser Frage inzwischen gefunden hat oder ob sie sich immer noch sucht.
Die Landesregierung hat sich bei diesem Sachverhalt auf folgende Position verständigt: Der Bundesfinanzhof hat entschieden. Das Urteil ist ergangen. Die Bundesregierung ist zum Beitreten aufgefordert worden. Ich habe vorhin deutlich gemacht - möglicherweise ist Ihnen das entgangen -, dass ich inzwischen mit der Staatssekretärin Frau Hendricks gesprochen habe.
Dabei hat Frau Hendricks deutlich gemacht, dass die Bundesregierung in einem Entscheidungsfindungsprozess ist und dass es dann, wenn dieser abgeschlossen ist, eine Rückkopplung geben wird. Zu dem Zeitpunkt werden sich insbesondere die fünf Bundesländer, die schon einmal initiativ geworden sind, dieser Frage mit besonderer Priorität annehmen. Darauf können Sie sich verlassen.
Weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen nicht vor. Damit ist die Dringliche Anfrage beantwortet.
Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, weise ich darauf hin, dass sich die Fraktionen darauf verständigt haben, vor der Mittagspause eventuell noch den Tagesordnungspunkt 23, dessen Beratung für morgen vorgesehen ist, zu behandeln. Ich sage das, damit sich die möglichen Rednerinnen und Redner darauf vorbereiten können.
Fortsetzung zweite Beratung Haushalt 2002/2003 Debatte über ausgewählte Haushaltsschwerpunkte (einschl. einzu- bringender Änderungsanträge) unter Einbeziehung der betroffenen Ressortminister (Kultus, Wissenschaft und Kultur)
Für den jetzt anstehenden Teil der Haushaltsberatungen stehen den Fraktionen folgende Redezeiten zur Verfügung: SPD und CDU jeweils 48 Minuten, Bündnis 90/Die Grünen 31 Minuten. Der Ältestenrat ist davon ausgegangen, dass die Landesregierung eine Redezeit von 31 Minuten nicht überschreitet.
Um die Debatte zu strukturieren, bitte ich, dass Sie sich schriftlich zu Wort melden und dabei angeben, zu welchem Gebiet Sie sprechen möchten.
Nach den Vorstellungen des Ältestenrates beginnen wir mit dem Bereich Kultus. Wenn dieser Bereich argumentativ abgearbeitet ist, kommen wir zum Bereich Wissenschaft und Kultur. Wie gesagt, danach werden wir, wenn die Zeit es zulässt, noch den Punkt 23 behandeln.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen nun von der trockenen Finanzpolitik zur spannenden Bildungspolitik; das ist doch auch mal was.
Ich halte es für einen guten parlamentarischen Brauch, Herr Möhrmann, dass - entsprechend unserer Vereinbarung - jeweils die Opposition beginnt und die Regierung antwortet. Ich glaube, das ist eine gute Sache.
Die miserablen Ergebnisse deutscher Schülerinnen und Schüler im internationalen Leistungsvergleich, insbesondere in den Kategorien Lesen, Rechnen und Naturwissenschaften, zeigen einmal mehr, wie wichtig es ist, dass wir die Bildungsdebatte einmal grundsätzlich führen. Bildung und Wissen, Qualifikation und Kompetenz sind die ausschlaggebenden Standortfaktoren im weltweiten Wettbewerb.
Dass in Niedersachsen Grund zum Nachdenken besteht, zeigen diverse Studien. Das haben auch die letzten Ministerpräsidenten nach und nach bemerkt. Auch Herr Gabriel hat vor einiger Zeit ausgemacht, es bestünde Handlungsbedarf. Auch er hat erklärt, dass Schüler in Bayern und BadenWürttemberg wohl besser ausgebildet seien als in Niedersachsen. Daran ist ja wohl auch ein Stück Wahrheit. Wenn Schulabgänger in Niedersachsen danach gefragt werden, ob sie sich im Wettbewerb denn besser oder schlechter als die Absolventen anderer Bundesländer fühlen, kommt dabei immer wieder heraus, dass sie sich bundesweit offenbar am schlechtesten auf das Studium oder auf das Berufsleben vorbereitet fühlen.
Wenn wir bei den Bundeswehrsoldaten die Deutschund Rechenkenntnisse abchecken, kommt dabei heraus, dass die niedersächsischen Schulabgänger die schwächsten Ergebnisse vorweisen, bei Niedersachsen also die rote Laterne platziert ist. Dann hören wir von TIMSS und anderen Befragungen, dann hören wir von PISA. Angesichts der feinen Randbemerkungen, die unser Herr Ministerpräsident gestern gemacht hat, müssen wir uns, glaube ich, darauf einstellen, dass es, wenn im nächsten Jahr der Ländervergleich innerhalb Deutschlands präsentiert wird, für Niedersachsen nicht so gut ausgehen wird. Ich bin gespannt darauf, Frau Ministerin, was da auf uns zukommt. Wenn es denn so sein sollte, können Sie das nicht mehr auf Lehrer oder auf Ebbe und Flut abschieben, sondern dann müssen Sie bekennen, wo die Ursachen liegen, und darüber müssen wir reden.
Es wird sehr oft - das gilt auch für uns - über quantitative Merkmale gesprochen. Das gehört zum Ganzen dazu. Aber ich meine, in erster Linie muss man sich in der Bildungspolitik ausführlich über Qualitätsfragen unterhalten.
Ich möchte an dieser Stelle, wie gestern bereits angedeutet, einmal den Komplex der Grundschule beleuchten. Gefordert ist insbesondere die Grundschule, in der die entscheidenden Grundlagen für Lerninhalte, Lernverhalten und Lernentwicklung gelegt werden. Ohne solides Fundament in der Grundschule - ich hoffe, das wird jeder unterschreiben - können wir die Schulstruktur so oder so machen; das ist völlig egal. In der Grundschule muss für das Wissen der jungen Leute ein ordentliches Fundament gelegt werden.
Ich habe den Eindruck, dass sozialdemokratische Bildungspolitik in den letzten zehn Jahren so gelaufen ist, dass man die Grundschule mehr oder weniger als Spiel- und Spaßschule verstanden hat oder sich dazu hat entwickeln lassen.
- Da kommt schon wieder Protest. Dies zeigt, dass ich offenbar die richtige Wunde getroffen habe. Offenbar hat man versäumt, notwendige Reformen voranzutreiben.
Wir sind, was die kleinen Schüler angeht, in der Diskussion schon wieder so weit, dass wir den Bildungsauftrag des Kindergartens mit Leben füllen wollen. Sie haben die Betreuung in der Grundschule dagegen gesetzt. Ich sage Ihnen: Unterrichtsausfall können Sie nicht mit Betreuung bekämpfen, sondern Unterrichtsausfall müssen Sie mit Unterricht bekämpfen.
Es müssen Unterrichtsstunden her, die den Schulfächern verbindlich zugeordnet werden, und die Grundfertigkeiten - Lesen, Schreiben, Rechnen; man kann das nicht oft genug wiederholen - müssen gestärkt werden. Es muss geübt werden; es muss wiederholt werden. Das ist das, was die kleinen Klassenjahrgänge 1 bis 4 wirklich brauchen.
Es wäre auch vernünftig - da scheint sich die andere Seite ein bisschen zu bewegen -, ab der zweiten Klasse wieder Zensuren einzuführen. Auch die Kleinen wollen durchaus wissen, wo sie stehen. Wenn sie gute Noten erhalten, dann freuen sie sich darüber. Bei schlechteren Noten werden Hinweise darauf gegeben, was vielleicht zu verändern ist. Ich fordere an dieser Stelle ausdrücklich Zensuren ab der Klasse 2 zur Einschätzung des jeweiligen Leistungsstandes.
Die Frau Ministerin versucht ja bereits, die Kurve zu kriegen. Es war bereits von Vergleichsarbeiten nach der vierten Klasse die Rede, um zentrale Standards messen zu können. Ich meine, Frau Ministerin, dass wir da nicht weit auseinander sind. Sie können bei uns wahrscheinlich mehr Unterstützung erwarten als in Ihrer eigenen Partei und Fraktion. Aber warten wir einmal ab, wie es da so läuft.
Das Problem besteht erstens darin, die Standards über Rahmenrichtlinien richtig zu beschreiben. Das zweite Problem ist, den objektiven Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler den vorgegebenen Standards anzupassen. Was nützen die Wolkenkuckucksheime, wenn sie nicht erreicht werden? Daher muss der Leistungsstand den vorgegebenen Standards angepasst werden. Da wird es wohl nicht ohne Tests, Vergleichsarbeiten und ähnliche Dinge gehen; denn wir müssen immer wieder vermitteln und auch abprüfen, wie es um die Kernkompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen wirklich bestellt ist.
Meiner Meinung nach brauchen die Kleinen die besten Trainer, die ausdrücklich dafür ausgebildet sind, die um ihre Aufgabe wissen und sich den Kindern entsprechend zuwenden können, um sie für die weiterführenden Schulen entsprechend vorzubereiten. Ich habe den Eindruck, Frau Ministerin, dass dieses Ziel durch Ihre Einheitslehrerausbildung absolut nicht erreicht wird.
Man kommt ja ins Nachdenken. Die jungen Leute, die in ein, zwei Jahren in Niedersachsen Abitur machen werden, sind unter Herrn Wernstedt 1990 eingeschult worden. Sie haben bislang nur sozialdemokratische Bildungspolitik genossen. Vielleicht haben Sie auch selbst einige Fehlentwicklungen in ihrem Schulwesen bemerkt.
Wenn ich jetzt noch einmal in die Grundschule hineinblende, dann kann ich feststellen, dass die Schülerinnen und Schüler an zahlreichen Grundschulstandorten in den Kernfächern Deutsch und Mathematik zu 70 % die Note Gut bekommen. Im Bundesschnitt bekommen diese Note - nebenbei bemerkt - etwa 30 % der Schülerinnen und Schüler. Insofern kann hier ja irgendetwas nicht stimmen. Man muss das einmal registrieren und fragen: Soll hier wieder einmal eine ehrliche und auch eine leistungsbezogene Bewertung vorgenommen werden? Das wird sicherlich ein Auftrag für die nächste Zeit sein, hier wieder eine vernünftige Ordnung hineinzubringen.
Das sagt uns ja auch PISA, Frau Kollegin. Das beginnt im Kindergarten und endet beim Hochschulwesen und bei der Lehrerausbildung. Ich fordere an dieser Stelle die ganzheitliche Betrachtung. Deshalb kann ich mich nur schlecht damit abfinden - das sage ich Ihnen ganz offen -, dass die Zuständigkeiten innerhalb der Landesregierung auf drei Ministerien verteilt sind. Ich habe es gestern schon gesagt und möchte es heute ausdrücklich wiederholen: Wenn Sie, Frau Ministerin, den Bildungsauftrag des Kindergartens auch für das Schulwesen richtig verstehen, dann müssen Sie doch von sich aus antreten und sagen: Frau Trauernicht, das gehört nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich. Wir möchten das wieder im Kultusministerium ansiedeln, um im Interesse unserer Schülerinnen und Schüler alles Notwendige beordnen zu können.
- Das kann auch der Ministerpräsident machen. Gut, da warten wir vielleicht auf die nächste Ideenskizze. Sei es drum. - Auch beim Wissenschaftsministerium muss zumindest die Koordination besser gehandelt werden. Außerdem müssen dort rechtzeitig Vorkehrungen dafür getroffen werden, dass wir den erforderlichen Lehrernachwuchs bekommen. Numerus clausus da und dort - das kann doch nicht die richtige Antwort sein.
Zum gesamten Problem der Qualitätssicherung im Schulwesen gehört natürlich auch die Schulstrukturreform. Absolut! Das ist vielleicht nicht das Allerwichtigste, aber das eine kann vom anderen nicht getrennt werden. Hier muss ich sagen: Der Status quo ist seit Jahren unverändert. Ein SPDModell jagt das andere. Kaum haben wir über das eine Modell miteinander gesprochen, kommen schon wieder neue Vorstellungen, sodass die Oppositionsseite nur unter Schwierigkeiten richtig einschätzen kann, wer das Sagen hat und was aufseiten der Sozialdemokraten eigentlich gewollt ist. Zuletzt gab es das elfte Modell des SPDLandesvorstandes.
- Was regen Sie sich denn über die SPD-Modelle auf, Frau Kollegin? Sie sind mit Ihren Vorstellungen zur sechsjährigen Grundschule usw. aus dem
politischen Meinungsaustausch beinahe schon ausgeschieden. Es wird immer viel geredet. Aber Ihre Modelle sind weiß Gott nicht tragfähig.
(Frau Steiner [GRÜNE]: Wenn Sie die PISA-Studie lesen, werden Sie feststellen, dass wir da bestätigt wer- den!)