- Entschuldigung, Frau Jürgens-Pieper -, war, dass sie mit dem Finger auf ihre Untergebenen gezeigt hat. Wieder einmal sind es die Lehrkräfte, die die eigentliche Schuld tragen. Ein Drittel von ihnen macht keine Fortbildung. Das soll die ganze Misere ausmachen.
Natürlich sind auch wir dafür, dass alle Lehrkräfte Fortbildung machen. Aber verordnen kann man das nicht. So funktioniert Lernen nicht.
Statt jetzt in Ruhe zu überlegen, wie wir die Verhältnisse in den Schulen ändern, hält unser Ministerpräsident an seinen Vorschlägen zur Schulstrukturreform fest, durch die die Zustände, die jetzt herrschen, nur zementiert würden. Das Aussortieren, das Selektieren wird dadurch verstärkt werden, dass Förderstufen an weiterführende Schulen angebunden werden sollen. Wenn hier überhaupt etwas gemacht werden soll, dann sollte man die Förderstufen wie in all den Ländern, die besser sind als wir, an die Grundschule anbinden und so den Kindern mehr Zeit geben, ein festes
Fundament zu legen. Das wäre die richtige Maßnahme. Allein der Glaube, dass man einen Teig, dem die Hefe fehlt, nur in eine andere Form packen muss und dass er dann schon aufgehen werde, wird nicht weiterhelfen, auch den Kindern nicht.
Ich kann die Landesregierung, insbesondere den Ministerpräsidenten, nur auffordern: Sorgen Sie dafür, dass sich in den Schulen etwas verändert! Die äußeren Geschichten, diesen Schiet sollten wir jetzt erst einmal lassen.
Meine Damen und Herren, bevor ich Frau Kollegin Seeler das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, dass es noch eine andere Bestimmung in der Geschäftsordnung gibt, nämlich die, dass Reden nicht verlesen werden dürfen. Ich weise nur darauf hin. - Bitte schön, Frau Kollegin Seeler!
Ich hatte gehofft, dass wir heute etwas anders diskutieren, schon deswegen, weil bis jetzt niemand die Gelegenheit hatte, die PISA-Studie wirklich zu studieren. Sie ist nämlich noch gar nicht auf dem Markt.
Bis jetzt ist nur die 50-seitige Zusammenfassung auf dem Markt. Insofern wundere ich mich, dass hier schon Schlussfolgerungen gezogen werden.
Ich glaube, eines ist ganz klar: Die PISA-Studie zeigt, dass unser Schulsystem ganz große Mängel hat. Diese müssen wir beseitigen.
Nein. - Dazu gehört es aber vor allen Dingen, dass wir mal über unsere bundesrepublikanischen Grenzen hinaus gucken, um zu sehen, wie es eigentlich die Länder machen, die es besser machen als Deutschland. Ich glaube, wir müssen auch den Versuch unternehmen, unsere eigenen Denkgrenzen zu erweitern und darüber hinaus zu gucken.
Besser machen es Finnland, Irland, Schweden und z. B. auch Süd-Korea. Was machen diese Länder anders als wir? Warum haben sie bessere Leistungsergebnisse? Liegt es wirklich nur an der Methodik und Didaktik des Unterrichts, oder trägt die längere gemeinsame Schulzeit möglicherweise dazu bei, dass die Kinder dort anders und besser lernen? Warum lesen eigentlich die Kinder in Finnland so viel lieber als die Kinder bei uns in Deutschland? Wieso ist eigentlich ausgerechnet unser Schulsystem so extrem sozial selektiv, wie auch Frau Litfin eben schon gesagt hat? - Das sind Fragen, auf die wir, meine ich, eine Antwort finden müssen.
Wenn wir unser Schulsystem wirklich neu denken wollen, dann gehören alle Themen, auch unsere bisherigen Tabu-Themen, in die Diskussion, z. B. die Frage der leistungsabhängigen Bezahlung von Lehrkräften, die Innen- und Außenevaluation von Schulen und des Unterrichts, die Fortbildungsverpflichtung von Lehrkräften. In anderen Ländern werden diese Maßnahmen schließlich auch nicht als Schikane des Staates oder als unzulässige Eingriffe in die pädagogische Freiheit definiert, sondern dort sind es selbstverständliche Maßnahmen zur Qualitätssicherung und -steigerung.
Allerdings muss auch die Frage gestellt werden, warum ausgerechnet in Deutschland das Burn-outSyndrom bei den Lehrern so ausgeprägt ist. Warum fühlen sich unsere Lehrkräfte so überfordert, in anderen Ländern dagegen nicht? - Ich meine, uns allen muss klar sein: Wir alle sind gefragt, die Eltern, die Lehrkräfte, die Wissenschaftler und natürlich auch wir von der Politik.
licherweise gute Lösungen. Deshalb sollten wir uns jetzt Zeit nehmen zum Analysieren und zum Nachdenken.
Ich muss allerdings sagen: Zwei Dinge machen mir Mut. Mut macht mir erstens, dass in der PISAStudie festgestellt wird, dass es in den Schulen inzwischen eine ausgeprägte Sensibilität für Qualitätsprobleme gibt und dass es dort eine Vielzahl von Initiativen zur Qualitätssicherung und -entwicklung gibt. Damit sind die Voraussetzungen für eine Verbesserung der pädagogischen Arbeit durch die Diagnose der Schwächen an den Schulen gegeben. Das sagt auch die PISA-Studie.
Zweitens macht mir Mut, dass sowohl die GEW als auch der DBB gesagt haben, dass sie bereit sind, die Kultusminister der deutschen Länder in ihren Bemühungen zu unterstützen, unser Schulsystem wirklich grundlegend zu verändern. Ich finde, das sollten wir gemeinsam tun und uns dabei sehr sorgfältig und differenziert an die Arbeit machen. Das sind wir nämlich unseren Kindern und deren Zukunft schuldig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Seeler, Sie beklagen zwar, dass die PISA-Studie nicht vorliegt. Aber Sie haben ja hier das Thema „Wir nehmen die Herausforderung an!“ angemeldet.
Mich hat die PISA-Studie nicht überrascht, meine Damen und Herren. Unsere Handwerksmeister haben in den letzten Jahren immer gesagt: Den Auszubildenden fehlt es an Grundfertigkeiten wie Rechnen, Schreiben und Lesen. - Herr Plaue, überall sind Defizite. Sprechen Sie mit unseren Hochschullehrern! Die sagen Ihnen: Wir haben zwar
viele Studenten, aber die Hochschulreife ist weiß Gott nicht bei allen gegeben. - Insofern wundert einen manches in diesen Tagen nicht, was da nun schriftlich von sich gegeben wird. Man muss auch nicht die PISA-Studie abwarten und elf Jahre im Kultusministerium gesessen haben, um zu wissen, was in unserem Bildungswesen eigentlich los ist. Das vorab.
Meine Damen und Herren, eine allgemeine Erkenntnis ist sicherlich in diesen Tagen, dass das deutsche Bildungswesen unterfinanziert ist. Das wissen wir aus OECD-Studien der vergangenen Jahre. Dass wir in Niedersachsen weitere Probleme haben, wo es im Argen liegt, darf man dabei zusätzlich beleuchten. Vielleicht führt dieser Schock, der offenbar durch die Studie ausgelöst worden ist, auch einmal dazu, dass ein öffentliches Umdenken stattfindet und dass vielleicht auch die politischen Kräfte wieder gestärkt werden, die auch haushaltsmäßig mehr für Bildung tun wollen. Vielleicht hat das ja mal diesen Nebeneffekt.
In Niedersachsen, Frau Ministerin, muss man in diesen Zeiten vielleicht auch einmal von bestimmten Dingen Abschied nehmen: Hier „Erfolgsstory“ und dort „Bildungsoffensive“ usw., aber in der Sache nichts geschehen lassen, eine Verliebtheit in die eigenen Themen wie „Verlässliche Grundschule“ usw. Da muss man vielleicht mal das eine oder andere hinterfragen.
Ich bin sehr dafür, dass wir die PISA-Studie zum Anlass nehmen, uns wirklich Zeit zu nehmen, zu analysieren, wo es im Argen liegt. Aber bitte keine Schnellschüsse!
Es war nicht in Ordnung, meine Damen und Herren, sozusagen postwendend den Schuldigen auszumachen. Das ist ja ganz einfach: Das sind in diesen Tagen unsere Lehrerinnen und Lehrer. Ich habe nicht verstanden, warum Sie diesen Vorstoß gemacht haben. Wenn Sie in einem Schulsystem irgendetwas verbessern wollen, dann brauchen Sie die 75 000 Lehrerinnen und Lehrer. Kein Handwerksmeister macht den Betrieb oder die Belegschaft schlecht, wenn er sagt: „Leute, es liegt im Argen; im nächsten Jahr wollen wir es alle miteinander besser machen.“ So kann man nicht mit den Leuten umgehen. Sie haben die Unterrichtsversorgung heruntergefahren. Sie haben immer mehr Aufgaben an die Schulen herankommen lassen. Sie
(Zustimmung bei der CDU - Lachen bei der SPD - Plaue [SPD]: Da scheint es aber eine eklatante Leseschwäche bei Ihnen zu geben!)
- Nun regen Sie sich doch nicht auf! Das ist doch Ihre Einstellung zu dem Ganzen! Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie die Karre herumreißen wollen, dann versuchen Sie bitte sehr, die Lehrerschaft wieder für sich zu gewinnen. Man kann sich auch mal entschuldigen!
Meine Damen und Herren, die Kultusministerkonferenz hat verschiedene Maßnahmen beschlossen. Die finde ich gar nicht mal falsch. In der Auslegung dessen möchte ich auf drei Punkte hinweisen, die mir persönlich ganz wichtig erscheinen.
Das eine ist, vielleicht auch den Kindergarten wieder in Richtung schulischer Ausbildung neu zu entdecken.
Im Gesetz steht schließlich auch so etwas wie Bildungsauftrag. Dann nehmen wir ihn doch auch wieder wahr. Dann machen wir das Kita-Wesen nicht zum Sozialfall, sondern nehmen es wieder aus dem Sozialministerium heraus und geben es an das Kultusministerium, damit dort im Wege einer ganzheitlichen Betrachtung wieder eine vernünftige Hinführung der Kleinen zur Grundschule stattfindet.