Protocol of the Session on December 12, 2001

Im Gesetz steht schließlich auch so etwas wie Bildungsauftrag. Dann nehmen wir ihn doch auch wieder wahr. Dann machen wir das Kita-Wesen nicht zum Sozialfall, sondern nehmen es wieder aus dem Sozialministerium heraus und geben es an das Kultusministerium, damit dort im Wege einer ganzheitlichen Betrachtung wieder eine vernünftige Hinführung der Kleinen zur Grundschule stattfindet.

(Plaue [SPD]: Sagen Sie mal, erinnern Sie sich eigentlich an Ihre Rede, die Sie vor einem Jahr gehalten haben? - Frau Goede [SPD]: Nein!)

Der zweite Punkt ist: Ich meine, dass der Haupteingriff im Bereich der Grundschulen wird statt

finden müssen. Es wird immer wieder beanstandet, dass die Grundfertigkeiten nicht vermittelt worden sind. Das beginnt in den Klassen 1 bis 4 in der Grundschule.

(Beifall bei der CDU)

Wir fordern nicht ohne Grund die Wiedereinführung des Grundschullehramts. Vom Einheitslehrer - das wissen Sie; das müssen wir nicht ausdiskutieren - halten wir nicht allzu viel. Wir meinen wirklich, dass - ich sage das einmal so salopp - eine Abkehr von der Spiel- und Spaßpädagogik und von der Sitzkreispädagogik stattfinden muss.

(Zurufe von Frau Dr. Andretta [SPD] und Frau Litfin [GRÜNE])

- Das mögen Sie alle nicht so gerne hören. Ich meine jedenfalls, dass die Kinder in der Grundschule leistungsbereiter sind, als wir es oft gemeint haben. Man darf auch dabei wieder einmal miteinander über Leistung reden.

(Beifall bei der CDU - Wernstedt [SPD]: Das kann man nicht alles aus PISA lesen! - Frau Goede [SPD]: PI- SA behauptet genau das Gegenteil von Ihrer Mottenkiste!)

Rechnen, Schreiben und Lesen müssen sitzen. Das muss durch Üben und Wiederholen im Unterricht passieren, bis es sitzt.

(Plaue [SPD]: Da muss eine richtige Paukschule organisiert werden mit dem Pauker Busemann!)

Das bedeutet auch Konsequenzen für die Stundentafel. Mit vier Stunden Deutsch in der Grundschule werden Sie das nicht schaffen, Herr Plaue. Da muss schon mal draufgesattelt werden.

Wenn Sie die Verlässliche Grundschule als Erfolgsmodell bezeichnen, kann ich nur sagen: Sie akzentuieren dieses Erfolgsmodell mit mehr Betreuung. Wir sagen: Wir begegnen dem mit der Forderung nach mehr Unterricht. Mehr Unterricht ist die Forderung der Stunde, nicht Betreuung.

(Beifall bei der CDU - Frau Dr. An- dretta [SPD]: PISA gelesen und nichts verstanden! - Zuruf von Frau Harms [GRÜNE])

Der letzte Punkt, bei dem wir gerne einen Eingriff sehen würden, ist die Schulstruktur. Dazu kann ich

nur sagen - DIPF hat es uns gesagt -, wir brauchen keine Orientierungsstufe. Wenn wir von der Abschaffung reden, dann aber bitte nicht im Wege einer Luftnummer, wie wir es vor vier Wochen erlebt haben, sondern mit konkreten Maßnahmen. Das Ganze umzuetikettieren und wieder als Förderstufe laufen zu lassen, ist ein Weg, den wir nicht mitgehen können.

(Beifall bei der CDU)

Herr Busemann, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Meine Redezeit ist abgelaufen. Dann kann ich nur noch sagen: Abkehr von allen integrativen Modellen. Integrative Modelle fördern das Mittelmaß, aber nicht die Spitze und tun nichts für die Schwachen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von Frau Litfin [GRÜNE] und Frau Som- fleth [SPD])

Sie können sich doch jederzeit melden und reden, Frau Kollegin. Das ist doch in diesem Hause ganz einfach.

(Zuruf von Frau Harms [GRÜNE])

Herr Kollege Wulf hat jetzt das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PISA-Untersuchung hat offensichtlich Recht: Das Leseverständnis ist in Deutschland nicht sehr gut entwickelt. Das ist gerade durch den Beitrag - -

(Die Übertragungsanlage im Plenar- saal verursacht ein Störgeräusch - Zu- rufe von der CDU-Fraktion: Wir kön- nen nichts hören!)

Eine Sekunde bitte. Das müssen wir eben klären.

(Zuruf von Frau Pawelski [CDU]: Die Anlage piept wieder!)

- Jetzt ist es besser. Wir fangen noch einmal an. Jetzt laufen die fünf Minuten Redezeit.

Es piept schon wieder. - Das Leseverständnis ist in Deutschland offensichtlich tatsächlich nicht hinreichend entwickelt. Das wurde gerade durch den Beitrag des Kollegen Busemann deutlich. Denn er hat PISA offensichtlich nicht gelesen oder aber nicht verstanden.

(Beifall bei der SPD - Plaue [SPD]: So ist es! - Zuruf von Mühe [SPD])

Es geht nicht darum, uralte Rezepte wieder aus der Mottenkiste herauszuholen. Sein Beitrag weist klar darauf hin, dass er von Grundschulpädagogik keine Ahnung hat, wenn er das als „Spiel- und Spaßpädagogik“ oder als „Sitzkreispädagogik“ bezeichnet. Er sollte wirklich einmal in die Grundschulen gehen und sehen, wie dort tatsächlich gearbeitet wird, bevor er solche Sprüche von sich gibt.

(Beifall bei der SPD)

Die PISA-Untersuchung hat aber noch etwas anderes sehr deutlich gemacht - das ist bereits angedeutet worden -: Es gibt in Deutschland einen sehr engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenz. Das ist tatsächlich die dümmste Kombination, die man sich leisten kann. Das ist in der KMK sehr deutlich gemacht worden. In keinem anderen Industrieland ist es nun einmal so, dass die soziale Herkunft so entscheidend ist wie in Deutschland.

(Frau Pawelski [CDU]: Was habt ihr dagegen gemacht?)

Kanada, Finnland, Südkorea, Schweden und Japan schaffen es, herkunftsbedingte Nachteile auszugleichen. Wer jedoch in Deutschland aus der Unterschicht kommt, hat offensichtlich viel geringere Chancen, zum Abitur oder zu höheren Bildungsabschlüssen zu kommen.

(Frau Körtner [CDU]: Weil er in der Grundschule nicht gefördert wird!)

Das ist nun einmal so. In allen anderen Ländern, in denen Spitzenleistungen erzielt werden - bessere als in Deutschland -, gibt es Ganztagsschulen.

(Zuruf von Frau Hansen [CDU])

Die Kinder werden in den meisten anderen Ländern nicht wie in Deutschland bereits als Zehnjährige auf verschiedene Schulformen verteilt. Diese frühe Auslese ist offensichtlich der falsche Weg.

Wir werden mit der von uns geplanten Schulreform genau diesen Erkenntnissen folgen, Frau Litfin, indem wir das gemeinsame Lernen aller Schülerinnen und Schüler in der Form der Förderstufe bis zur sechsten Klasse beibehalten und

(Zuruf von der CDU: Das ist gut zu hören!)

den Aspekt des Förderns und Forderns - Herr Busemann, vielleicht sollten Sie zuhören - entwickeln. Wir wollen natürlich Leistung; das ist keine Frage. Aber wir wollen auch Leistung, die nicht nur mit Anstrengung entwickelt wird, sondern auch mit Spaß und Freude. Schule soll auch Spaß machen und Leistung bringen. Beides ist der entscheidende Punkt.

(Zuruf von Frau Körtner [CDU])

Mit dem Förderplan, den wir ab der dritten Klasse entwickeln, soll deutlich gemacht werden, wo die Schwierigkeiten oder Probleme der Kinder liegen und worin ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten liegen. Das ist das Rezept, das wir anbieten. Wir wollen das Fördern in den Mittelpunkt stellen. Darum heißt es auch „Förderstufe“. Das ist kein Etikettenaustausch, sondern dahinter steckt ein eindeutig anderes Konzept.

(Beifall bei der SPD)

Mit den Mitteln, die wir in den nächsten Jahren für die fünften und sechsten Klassen einsetzen werden - bis zu 30 Millionen DM jährlich -, tragen wir entscheidend dazu bei, das Bildungsniveau zu heben. Wir haben mit der Bildungsoffensive bereits Maßnahmen ergriffen, um die Richtung zu beschreiten, die PISA uns aufgezeigt hat,

(Zuruf von der CDU: Ja, ja!)

z. B. mit dem Programm „Hauptschule stärken“,

(Busemann [CDU]: Das ist unser An- trag! - Zuruf von Frau Vockert [CDU])

mit dem Ganztagsprogramm, das wir in die Wege leiten werden, und dann mit Ganztagsangeboten an 270 Standorten genau in die gleiche Richtung ge

hen, wie es uns andere Länder, die in dieser Hinsicht erfolgreicher sind, vorgemacht haben.