Protocol of the Session on December 12, 2001

Meine Damen und Herren, wir Grünen haben mit ruhiger Hand und als verlässlicher Partner die Innenpolitik auf Bundesebene gestaltet. Es kann nicht nur darum gehen, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen, sondern wir haben in diesem Lande auch etwas zu bewahren. Was wir zu bewahren haben, haben die Bürgerrechtsorganisationen in der Anhörung des Innenausschusses deutlich gemacht. Ich finde es richtig und bin froh darüber, dass viele der im Rahmen der Anhörungen angesprochenen Punkte gestern noch in die Verhandlungen aufgenommen worden sind. Dies ist einzig und allein von der Fraktion der Grünen ausgegangen.

Meine Damen und Herren, ich muss zum Schluss kommen. Lassen Sie mich noch eines zur Rolle der FDP sagen, um auch einmal über Seriosität von Politik zu reden.

(Zuruf von der SPD: Die ist ja gar nicht hier!)

Im Bundesrat ist es - auf Druck der FDP - das Land Rheinland-Pfalz gewesen, das eine Mehrheit für die Verschärfung durchgesetzt hat, nachdem Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein von uns zurückgeholt wurden. Im Bundestag bringt die FDP-Fraktion einen Änderungsantrag ein, der jetzt zum Glück überflüssig ist, und tut so, als sei sie die Bewahrerin von Bürgerrechten.

Meine Damen und Herren, angesichts der unseriösen Art, wie die anderen Parteien mit diesem Thema umgehen, weil es nicht um die Sicherheit der Bevölkerung, sondern um Wahlkampfstrategien geht, wünsche ich mir sehr, dass wir zu einer verfassungsgemäßen und bürgerrechtsorientierten

Politik mit Augenmaß zurückkehren. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Adam, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich greife den ersten Satz des Kollegen Schünemann gerne auf und sage Ihnen: Dieser Innenminister ist ein Minister mit Kraft, Kompetenz und Sachkenntnis.

(Lachen bei der CDU)

Er genießt unser vollstes Vertrauen und hat unsere Unterstützung.

(Beifall bei der SPD - Biallas [CDU]: Das hat er Ihnen doch selber aufge- schrieben!)

- Guten Morgen, Herr Pastor!

Meine Damen und Herren, ich sage allen Ernstes aber auch Folgendes: Sicherheitsdebatten fordern von uns sachliche Auseinandersetzungen und keine polemisch-verbalen Schlagabtausche. Diese Art der Auseinandersetzung verstehen die Bürgerinnen und Bürger draußen nicht, wenn wir über ihre Sorgen und über innere Sicherheit diskutieren.

Ich habe an vielen Debatten im Innenausschuss teilgenommen.

(Biallas [CDU]: Und auch nichts ver- standen!)

- Sie waren Gott sei Dank nicht da, Herr Biallas, aber mit allen anderen haben wir uns sehr sachlich auseinander gesetzt. Ich denke gerne noch an die mahnenden Worte des Vizepräsidenten Herrn Jahn zurück.

Die Kollegin Stokar hat darauf hingewiesen, dass gestern bezüglich des Sicherheitspakets II in Berlin Einigkeit erzielt worden ist. Sie wissen, dass diese Einigkeit auch bedeutet, dass der Bund auf viele Forderungen der Länder - auch auf Forderungen des Landes Niedersachsen - eingegangen ist und dass Forderungen erfüllt wurden. Deshalb gibt es keinen Grund für uns, dem Sicherheitspaket II im Bundesrat nicht zuzustimmen.

Der 11. September hat die Welt verändert. Terrorismus und globalisierte Kriminalität fordern uns alle heraus. Nach diesem 11. September ist alles, was mit innerer Sicherheit zu tun hat, auf den Prüfstand der Machbarkeit, Realisierung und Umsetzung zu stellen und gestellt worden. Das haben wir in Niedersachsen mit großem Ernst und großer Sorge in den Ausschüssen und im Plenum gemacht.

Wir Sozialdemokraten teilen die Herausforderungen in sechs Bereiche ein:

Erstens. Stärkung der Gefahrenabwehr gegen den internationalen Terrorismus.

Zweitens. Verbot extremistischer Organisationen und Ausweisung ihrer ausländischen Mitglieder.

Drittens. Verbesserung des Zivil- und Katastrophenschutzes.

Viertens. Schutz gefährdeter Anlagen.

Fünftens. Entzug der finanziellen Basis des Terrorismus und seiner Organisationen.

Sechstens. Bessere Integration von Bürgerinnen und Bürgern ausländischer Herkunft.

Das alles, meine Damen und Herren, sind für uns Schwerpunkte der Sicherheitspakete, die wir umsetzen werden. Sie wissen, dass diese Punkte im Sicherheitspaket II wiederzufinden sind.

Wir werden morgen in der Haushaltsdebatte die Voraussetzungen dafür schaffen und untermauern, dass das Personal bei der Polizei, beim polizeilichen Staatsschutz, beim Verfassungsschutz, bei den Staatsanwaltschaften und bei den Finanzbehörden deutlich verstärkt wird.

Das Sicherheitspaket II, von dem die Rede ist, beinhaltet eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen zur Anpassung zahlreicher Gesetze an die neue Bedrohungslage. Wie ich gerade gesagt habe, haben die Länder nach den Gesprächen, die auch unser Innenminister in Berlin geführt hat, eigentlich keinen Grund mehr, nicht zuzustimmen.

Meine Damen und Herren von der CDU, in Ihrem Antrag sprechen Sie von nicht vorhandener Courage, Konsequenz und Rückgrat bei der Terrorismusbekämpfung. Sie werfen also dem Innenminister bzw. der Landesregierung Rückgratlosigkeit vor. Ohne Rückgrat handelt derjenige, meine Damen und Herren, der um des eigenen Vorteils wil

len sein Fähnchen in den Wind hängt, ohne sich einer inhaltlichen Diskussion zu stellen. Uns ist das Thema der Terrorismusbekämpfung zu ernst, als dass wir es wie eine Fahne im Wind behandelt sehen wollen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Bartling, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte der CDU-Fraktion eher geraten, diesen Antrag zurückzuziehen, nachdem sie in der letzten Plenarsitzung auch den Antrag zur Terrorismusbekämpfung zurückgezogen hat, weil sie den Eindruck gewinnen musste, dass die Zeit über sie hinweggegangen ist. Das zeigt auch der Redebeitrag von Herrn Schünemann, der nach dem Motto ablief: Ich weiß zwar nicht, wovon ich rede, aber das möglichst laut.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie sind in der Tat nicht auf der Höhe der Zeit; denn das, was Sie als Behauptung in den Raum gestellt haben, wird realisiert. Die zwei Punkte, an denen wir so genannte Verschärfungen dergestalt gefordert haben, dass auch die Landesämter für Verfassungsschutz die Kompetenzen bekommen, die der Bundesinnenminister für das Bundesamt für Verfassungsschutz vorgesehen hatte, werden in dem Gesetzespaket verankert, das noch in dieser Woche vom Bundestag beschlossen wird. Darüber hinaus wird der Ausweisungstatbestand, den wir gemeinsam mit Bayern beantragt haben und der inzwischen im Bundesrat mit 16 : 0 Stimmen bestätigt worden ist, in das Gesetz einfließen.

Das waren die beiden Elemente, über die Sie inhaltlich hätten reden können, wenn Sie überhaupt inhaltlich hätten Stellung nehmen wollen.

(Schünemann [CDU]: Das habe ich doch gesagt! - Gegenruf von Adam [SPD]: Nein, das haben Sie gedacht! Sie sollten vielleicht doch nicht frei sprechen, Herr Schünemann!)

Das wollten Sie nicht, meine Damen und Herren.

Ich will es ganz kurz machen. Obwohl ich Ihnen eigentlich empfehlen wollte, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, den Antrag zurückzuziehen - Sie blamieren sich damit nur -, geben Sie mir die Gelegenheit, Ihnen deutlich zu machen, welche konkreten Maßnahmen Niedersachsen auf den Weg gebracht hat, die inzwischen erfolgen. Eine konkrete Maßnahme besteht z. B. darin, dass wir kurz nach dem 11. September ein Maßnahmepaket aufgelegt haben, das zum Ziel hatte, das Religionsprivileg im Vereinsrecht abzuschaffen. Dieses Religionsprivileg ist im ersten Sicherheitspaket gefallen. Insoweit hat sich heute Folgendes ergeben: Der Bundesinnenminister hat heute nach Abstimmung mit den Innenministern der Länder den so genannten Kalifatsstaat verboten und aufgelöst. Vom Verbot werden neben unter der Bezeichnung „Verband islamischer Vereine und Gemeinden e. V“ in Köln eingetragene Vereine auch deren Teilorganisationen - darunter mehrere in Niedersachsen - erfasst.

In Niedersachsen hat die Polizei heute früh die Verbotsverfügung an die Vereinsfunktionäre der Teilorganisationen des Kalifatsstaates zugestellt. Gleichzeitig wurden ab 6.15 Uhr die Vereinsräume sowie Wohnungen mehrerer führender Vereinsmitglieder durchsucht. Insgesamt waren sieben Objekte und 18 den Vereinen zuzuordnende Personen von den Vollzugsmaßnahmen in Niedersachsen betroffen.

Meine Damen und Herren, ich begrüße diese Maßnahmen ausdrücklich. Sie richten sich gegen den kleinen Teil von 1 % extremistischer Islamisten und nicht gegen die übrigen 99 %.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, können Sie sicher sein, dass der Bundestag und am 20. Dezember auch der Bundesrat das Sicherheitspaket mit den von Niedersachsen beantragten Verschärfungen beschließen werden.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Biallas, Sie erhalten nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung eine zusätzliche Redezeit von drei Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Streit, der hier geführt wird, geht im Wesentlichen um die Frage, ob das Land Nieder

sachsen in der Lage ist, das, was durch seine Landesregierung angekündigt wird, tatsächlich umzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Die zweite Frage ist, ob die die Landesregierung tragende Fraktion in der Lage ist, ihre eigene Landesregierung in dieser schwierigen Frage zu unterstützen. - Das ist in diesem Hause nicht der Fall, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Herr Kollege Adam, wenn der Innenminister hier vorträgt, dass das, was wir in unserem Antrag gefordert haben, im Bundesrat mit 16 : 0 beschlossen worden ist, dann ist es schon dramatisch, wenn wir hier feststellen müssen, dass genau diese Forderungen von Ihrer Fraktion im Innenausschuss mit acht gegen sechs Stimmen abgelehnt worden sind. Das müssen wir hier einmal festhalten.