Protocol of the Session on November 15, 2001

des Landtages überhaupt. Ihm wird von 26 Mitarbeitern zugearbeitet. Es wurde deutlich, dass das Selbstverständnis der dortigen Kolleginnen und Kollegen in diesem Ausschuss doch ein etwas anderes ist. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Erfolgsquote im Interesse der Bürgerinnen und Bürger dort höher liegt als hier bei uns.

Es wäre einmal interessant, der Frage nachzugehen, ob die größere Sachnähe in den Fachausschüssen nicht vielleicht auch ein Hindernis ist, ob man dann nicht doch - gewollt oder ungewollt eher dazu neigt, die Sichtweise der Ministerialbürokratie zu teilen und ob es nicht manchmal besser wäre, von außen einen ganz anderen Blick auf das Anliegen des jeweiligen Bürgers zu richten.

Wir haben in Niedersachsen das Problem, dass unsere Eingabenbehandlung allenfalls dann wahrgenommen wird, wenn wir uns einmal nicht einig geworden sind. Es gibt keine systematische Auswertung und Darstellung, wie sie in allen anderen Landtagen, im Deutschen Bundestag und auch im Europäischen Parlament durch den Petitionsbericht und die Petitionsberichterstattung möglich ist.

Wir sind in Niedersachsen abgeschnitten von der aktuellen Diskussion über die Weiterentwicklung des Petitionsrechts. Wenn Sie beispielsweise einmal auf die Internetseiten des Europäischen Parlaments gehen, dann werden Sie sehen, es ist völlig einfach und problemlos möglich, elektronisch eine Eingabe an das Europäische Parlament zu richten.

Im Bundestag wird seit dem Sommer diskutiert, ob ein Petitionsregister eingerichtet wird, ob man Massenpetitionen beitreten kann, ob diese Massenpetitionen in ihrer Stellung gestärkt werden. Es wird diskutiert, wie wir eigentlich darauf reagieren, dass vermehrt Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge in Privatrechtsformen organisiert werden, mit der Folge, dass das herkömmliche Petitionsrecht nicht mehr greift. Im Bund waren ja die Bereiche Bahn und Post traditionell immer wichtig, auch für Eingaben und Beschwerden der Bürger.

Es gibt eine Vielzahl von Initiativen zu der Frage, wie die Wahrnehmung des Petitionsrechts, das ja immerhin ein wichtiges Grundrecht ist, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger effektiver und wirksamer ausgestaltet werden kann.

Es gibt - auch das will ich noch anmerken - einen hochinteressanten Beschluss des SPD-Bundesvorstands vom März diesen Jahres. Ich will Ihnen diesen Beschluss nicht vorenthalten, obwohl es

sonst nicht meine Art ist, aus SPD-Vorstandsbeschlüssen zu zitieren. Aber dieser Beschluss ist interessant, weil er ausdrücklich fordert, im Interesse neuer wirksamer Beteiligungsrechte für Bürgerinnen und Bürger die Rechte des Petitionsausschusses nachhaltig zu stärken, die Rechte bei Massenpetitionen zu erweitern und insbesondere auch die Möglichkeit vorzusehen, Petitionen eine aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen; über Letzteres haben wir in Niedersachsen lange erfolglos diskutiert. Weiterhin werden in dem Beschluss Anhörungs- und Beteiligungsrechte vor dem Ausschuss selbst gefordert.

Ich habe mir sagen lassen, dem SPD-Bundesvorstand gehört auch ein Mitglied dieses Hauses an, nämlich unser Ministerpräsident Sigmar Gabriel. Er ist ja wiederholt mit Forderungen im Sinne von mehr Politik wagen und nach neuen Instrumenten der Bürgerbeteiligung in Erscheinung getreten. Hier wäre ein Punkt, wo wir versuchen sollten, neue Wege zu gehen.

Vielleicht gibt es ja nur eine Möglichkeit, diese jahrzehntelange Debatte über den Petitionsausschuss zu beenden: indem wir nämlich aufhören zu diskutieren und es einfach einmal ausprobieren. Wie wir Niedersachsen sagen: Versuch macht klug, probieren wir es aus!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Frau Körtner [CDU])

Der Kollege Althusmann spricht für die CDUFraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zunächst sagen, dass es sich dabei, Herr Schröder, gelinde gesagt, um einen milden Affront gegen die Enquete-Kommission „Parlamentsreform“ handelt. Ich frage mich allen Ernstes, warum wir eigentlich bis Mitte des nächsten Jahres mit Anhörungen, mit Wissenschaftlern, mit beratenden Experten eine Empfehlung für das Parlament der nächsten Legislaturperiode abgeben wollen, warum wir uns über Stunden, Tage, Wochen und Monate in die Materie hineinknien, um dann mal eben so salopp hier in Niedersachsen einen Petitionsausschusses einzu

richten, wobei man sich über den Weg und den Zeitpunkt sicherlich immer streiten kann.

Aber eines haben Sie vergessen, lieber Kollege Schröder. Wir waren uns in der Enquete-Kommission „Parlamentsreform“ immer darüber einig, dass der Weg, einen Petitionsausschusses einzurichten, wenn überhaupt, dann nur im Rahmen des gesamten Mosaiks beschritten werden sollte. Zu diesem Mosaik gehören z. B. die Verkleinerung des Parlaments und die Reduzierung der Anzahl der Fachausschüsse von bisher 18 auf zehn. Alle diese Dinge zusammen machen erst den Vorschlag der Enquete-Kommission „Parlamentsreform“ aus. Dann kann sich das Parlament immer noch vorbehalten zu sagen, im Nachhinein hält es diesen Weg nicht für den richtigen und wird ihn deshalb nicht bestreiten.

Insofern ist das, was Sie hier losgelassen haben, ein Schnellschuss, der uns in der Frage, ob ein eigener Petitionsausschusses in Niedersachsen der richtige Weg ist, in keinster Weise weiterführt.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Petitionswesen blickt auf eine lange, auf eine sehr lange Tradition zurück. Ich darf bei einem Blick auf die Historie nur darauf verweisen, dass aus dem Jahr 803 eine Bitte an Karl den Großen zur Befreiung von Geistlichen von dem Kriegsdienst überliefert ist. Das hat sich im Übrigen bis heute gehalten. In der Folgezeit konnten sich die Bürger über ihre Landstände an ihre Fürsten wenden; man könnte fast meinen, das wäre heute noch so.

In Fortführung der Paulskirchen-Verfassung und der Weimarer Verfassung garantiert inzwischen das Grundgesetz in Artikel 17 das Petitionsrecht ausdrücklich. Der Kollege Schröder hat darauf hingewiesen, dass es in den Länderparlamenten ganz unterschiedlich ausgestaltet ist. Seit 1967 existiert es in Niedersachsen nicht mehr. Damit ist Niedersachsen das einzige Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland, das keinen eigenen Petitionsausschuss kennt.

(Zustimmung von Eppers [CDU])

Auch diese Feststellung reicht allerdings immer noch nicht, um zu sagen, ob wir dafür oder dagegen sind. Geben Sie uns doch bitte die Möglichkeit, lieber Kollege Schröder, dies in einer Gesamtempfehlung der Enquete-Kommission entsprechend zu begründen.

Im Jahre 2000 erreichten den Deutschen Bundestag 20 666 Eingaben/Petitionen und in dieser Legislaturperiode bisher rund 4 500 den Niedersächsischen Landtag. Im Übrigen werden weit mehr als 80 % der Eingaben mit „Unterrichtung über die Sach- und Rechtslage“ entschieden.

Der Bundestag hat eigentlich von Anfang an in seiner Geschäftsordnung verankert, dass all die Fälle, die bereits durch Gerichte entschieden sind - ich erinnere mich gut an meine Mitgliedschaft im Innenausschuss -, erst gar nicht den Petitionsausschuss erreichen oder dass eine Eingabe den entsprechenden Fachausschuss erst gar nicht erreichen würde. Wenn wir davon ausgehen, dass die Gerichte unabhängig sind und in dieser Sache rechtmäßig nach Recht und Gesetz entschieden haben, wäre es nämlich gar nicht mehr notwendig, eine entsprechende Eingabe in Niedersachsen im Fachausschuss zuzulassen.

Insofern gibt es sehr viele Argumente für das Für und Wider, die ich einmal nennen will.

Es wird gesagt, in einem Fachausschuss wie in Niedersachsen gäbe es für die Behandlung von Petitionen mehr Sachverstand. Dem kann allerdings entgegen gehalten werden, dass die Bedeutung eines Petitionsausschusses dann höher ist, wenn man ihm eine eigene Stellung gibt und wenn man ihn mit entsprechenden Instrumenten ausstattet, z. B. mit einem Anhörungsrecht oder mit einer Zeugenzitierung. In anderen Bundesländern kann der Petent selber in den Petitionsausschuss gehen und dort auch angehört werden. Ich will nicht sagen, dass das meine Meinung ist, aber das kann die Bedeutung des Petitionswesens insgesamt heben. Ich bitte dabei um eine faire Diskussion.

Die Befugnisse von Petitionsausschüssen gehen in anderen Bundesländern in die Richtung eines Untersuchungsausschusses, mit all den möglichen Instrumentarien des Zugriffs auf Akten usw.

Ich will zu Ihrem Antrag lediglich noch sagen, dass die SPD bisher leider die Enquete-Kommission „Parlamentsreform“ ein wenig dazu benutzt hat, um allein über Geschäftsordnungsfragen zu sprechen. Lassen Sie mich das als vorsichtige Kritik äußern. Mit dem Blick in die Zukunft hoffe ich, dass das verbessert werden kann.

Wir haben drei Aufträge, drei Komplexe. Es war bisher eigentlich Schwerpunkt der Diskussion, wie wir die Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtags verbessern können. Es reicht eben nicht

aus, nur Saalmikrofone aufzustellen, sondern wenn wir Ihrem Beispiel, lieber Kollege Schröder, folgen würden, müssten wir schon heute beschließen, dass wir die Festlegung von Redezeiten aufheben. Auch das wird aller Voraussicht nach eine Empfehlung der Enquete-Kommission sein, sodass sich niemand mehr darauf einstellen kann, wann er denn nun tatsächlich redet und wann nicht.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass die Arbeit der Enquete-Kommission „Parlamentsreform“ konzentriert weitergeht. Wenn wir jetzt anfangen ich will die Saalmikrofone einmal ausdrücklich ausnehmen -, wesentliche Kernfragen sowohl der Geschäftsordnung, aber auch der Verbindung zwischen Land und Bund bis hin zur Europäischen Union oder die gesamten Fragen des Haushaltswesens bzw. der Umstellung des Haushalts unter dem Stichwort LoHN - Leistungsorientierte Haushaltsführung in Niedersachsen; wir werden ganz andere Arten von Haushalten in Niedersachsen bekommen - wie einzelne Mosaiksteine herauszunehmen und sie heute beschließen zu wollen. Dafür lieber Kollege Schröder, werden Sie niemals eine Mehrheit bekommen. Das sollte vielmehr nach Möglichkeit im größtmöglichen Konsens beschlossen werden. In diesem Zusammenhang gilt es nach wie vor auch in den Fraktionen -, die Möglichkeit zu geben, dass Für und Wider der Abschlussempfehlung der Enquete-Kommission „Parlamentsreform“ abzuwägen und eine eigene Entscheidung zu treffen. Mit dem von Ihnen gewählten Weg setzen Sie uns unter einen unglaublichen Zwang, der meines Erachtens der ganzen Sache nicht gerecht wird. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Nun wird die Kollegin Frau Müller die Auffassung der SPD-Fraktion erläutern.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Althusmann, wir stimmen mit Ihnen überein. Wir halten den Zeitpunkt für diesen Antrag nun wirklich nicht für gelungen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich meine, es ist einfach nicht gut, sich aus der noch nicht abgeschlossenen Arbeit der EnqueteKommission einzelne Punkte herauszusuchen und zu Anträgen zu machen. Dann können wir unsere Arbeit praktisch aufgeben und sagen: Jeder pickt sich sein Ding heraus und das war es dann.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Anmerkung oder Ihr vielleicht leichter Vorwurf, wir hätten uns überwiegend mit Geschäftsordnungsdingen befasst, kann eigentlich kein Vorwurf sein. Wir hatten uns darauf geeinigt, mit diesen Punkten zu beginnen. Das haben wir nun erst einmal abgearbeitet. Aber ich denke, das müssen wir nicht weiter auseinander pfriemeln.

Zum Antrag der Grünen: Es ist richtig, Herr Schröder, dass es hierbei nicht so viel Einigung geben wird wie beim vorigen Tagesordnungspunkt; das ist klar. Wenn Sie die Arbeit an Petitionen in diesem Hause so verändern wollen, wie wir es Ihrem Antrag und auch Ihren Begründungen entnehmen, dann will ich mich jetzt ein wenig mit Ihren Begründungen befassen.

Es gibt Punkte, bei denen wir mit Ihnen übereinstimmen. Natürlich ist das Petitionsrecht ein ganz wesentliches Instrument demokratischer Teilhabe der Bürger. Das ist unbestritten. Es ist genauso unbestritten wie das Argument, es sei ein viel genutztes Mittel zur Einflussname auf die politische Willensbildung.

Richtig ist auch, dass alle anderen deutschen Parlamente außer dem niedersächsischen einen eigenständigen Petitionsausschuss haben. Wir sind der Meinung, die Form bzw. das Gremium, in dem die Eingaben der Bürger behandelt werden, sagt doch überhaupt nichts über die Qualität der Bearbeitung dieser Eingaben aus.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind der festen Überzeugung dass die Qualität der Petitionsbehandlung in diesem Hause gut und sachgerecht ist.

In Ihrer Begründung schreiben Sie weiterhin, es würden sich Anhaltspunkte mehren, dass der niedersächsische Beratungsweg einer wachsenden Bedeutung des Petitionsrechts nicht gerecht werde. Ich muss Ihnen sagen, dass wir in unserer Fraktion diese Anhaltspunkte nicht sehen. Auf der anderen Seite heben Sie positiv hervor, dass das Petitionsrecht in anderen Ländern verfassungsmäßig veran

kert oder gesetzlich geregelt sei. Herr Schröder, ich gehe davon aus, dass Sie schon einmal in unsere Landesverfassung geguckt haben. Natürlich ist das Petitionsrecht in unserer Landesverfassung verankert, und zwar in Artikel 26; das ist doch völlig unbestritten.

Alles, was andere Länder in Petitionsgesetzen zur Behandlung von Petitionen festgelegt haben, angefangen von der Kontaktaufnahme zu Petenten, von eigenen Recherchen, von Akteneinsicht bis hin zu der Frage, ob man Finanzfolgen bei Petitionen in Zusammenarbeit mit dem Haushaltsausschuss beschließt, können wir bisher auch schon machen. Wir haben es nur nicht in einem eigenen Gesetz zusammengefasst. Wir haben in der EnqueteKommission angeboten, dass wir all diese Punkte in einem Papier zusammenfassen. Dabei ist es egal, ob man es als Gesetz fasst oder als Richtlinie vorgibt, sondern es kommt darauf an, dass man es nicht an vielen Stellen nachlesen muss, sondern es an einer Stelle hat. Das haben wir Ihnen angeboten und das sollten wir auch machen.

Zu einem nächsten Punkt Ihrer Begründung. Sie behaupten, wir hätten in diesem Land eine viel geringere Anzahl von Petitionen als in anderen Ländern. Der Vergleich mit dem Bund, das ist natürlich so eine Geschichte. In den ersten Jahren dieser Wahlperiode haben etwa 6 000 bis 7 000 Eingaben den Landtag erreicht. Wenn Sie das z. B. an dem messen, was in der Anhörung den Vertretern aus Nordrhein-Westfalen und SchleswigHolstein gesagt worden ist, dann vergessen Sie, dabei auch zu sagen, dass insbesondere in diesen beiden Bundesländern für Petitionen geradezu öffentlich geworben wird. Ich erinnere nur an verschiedene Aussagen während dieser Anhörung, z. B. aus Schleswig-Holstein - O-Ton: Wir, der Petitionsausschuss, gehen mit einem Info-Stand auf Messen und Ausstellung und holen uns unsere Petitionen. Ähnliches wurde uns aus NordrheinWestfalen berichtet.

Man kann nun wirklich bezweifeln, ob es der richtige Weg ist, als Nachweis für die Daseinsberechtigung eines eigenständigen Ausschusses Petitionen zu holen, oder ich könnte auch sagen: Petitionen zu bestellen.

Weiterhin beklagen Sie, dass es bei uns keinen Petitionsbericht gibt und nur eine magere Öffentlichkeitsarbeit. Wir wollen das ändern, auch darüber haben wir bereits in der Enquete-Kommission gesprochen. Wir haben Ihnen gesagt, wie wir es

ändern wollen. Wir wollen einen eigenständigen Petitionsbericht, wir wollen anders aufbereitete Zahlen usw. Alles, was Sie heute in Ihrem Antrag fordern, haben wir in der Enquete-Kommission schon vorgeschlagen. Das Merkwürdige ist, dass Sie sich in der Enquete-Kommission zu allen unseren Vorschlägen ausgesprochen skeptisch geäußert haben, sie jedoch heute selber in Ihre Begründung mit einbringen.

Im Übrigen sind all diese notwendigen Veränderungen auch möglich, ohne dass wir einen eigenen Ausschuss dafür einrichten.