Protocol of the Session on November 14, 2001

Sie ist nämlich die Bedingung für Zwischenlagerungen.

Es muss bei uns und meinetwegen auch anderswo weiter erkundet werden. Wir dürfen diese Erkundungen nicht schleifen lassen. Sie können es der Bevölkerung nicht zumuten, ständig neue CASTOREN dorthin zu schaffen und die Erkundungen nicht fortzusetzen. Das akzeptieren wir nicht!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Lassen Sie mich zum Schluss noch von einem Gespräch berichten, das ich bei der Einweihung der Landesvertretung in Berlin geführt habe.

(Glocke des Präsidenten)

- Ich höre auch gleich auf! - Bei dieser Gelegenheit habe ich einen Kollegen aus der Grünen-Fraktion getroffen, den ich recht gut kenne. Wir haben uns in Berlin getroffen, jeder ein Bier getrunken und uns unterhalten. In diesem Gespräch kamen wir natürlich auch auf Gorleben zu sprechen. Ich habe ihm gesagt: Ich wette mit Ihnen, dass sich die Grünen dann, wenn sie in Deutschland allein die Regierungsverantwortung hätten und ein Endlager erkunden müssten, für das Endlager in Gorleben entscheiden würden. - Der Kollege aus der Grünen-Fraktion erklärte mir: Im Grunde genommen haben Sie Recht, denn es wird nirgendwo mehr etwas Neues angefangen werden. - Frau Harms, wenn man sich darüber im Klaren ist, dann darf man bitte schön in der Region nicht sagen, dass man zwar den CASTOR nicht verhindern könne, man aber den politischen Druck benötige. - Dann richtet sich der Druck gegen die Menschen. Das aber akzeptiere ich nicht! - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Es spricht der Abgeordnete Inselmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei der Polizei bedanken, die mit einer meines Erachtens hervorragenden Strategie, Taktik und mit einem hervorragenden Konfliktmanagement schon Wochen vorher vor Ort für eine Befriedung gesorgt hat und die hier mit einer nach meinem Dafürhalten auch für andere Bundesländer wegweisenden und sehr interessanten Strategie und Taktik vorgegangen ist. Meines Erachtens zeichnet dafür der Gesamteinsatzleiter, Herr Reime, verantwortlich, dem ich ausdrücklich gratulieren und danken möchte.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, dass die SPD-Fraktion auch den Demonstranten Dank sagen sollte, die friedlich demonstriert haben, ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit wahrgenommen haben und die die höchstrichterlich bestätigten Versammlungsverbote akzeptiert haben. Denen gilt mein Dank, weil sie sich als Staatsbürger auf dem Boden des Grundgesetzes befanden.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang mit einer Legende aufräumen, die Frau Harms in ihren Pressemitteilungen immer gerne verbreitet. Das ist kein Unrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschränkung der Versammlungsfreiheit eindeutig bestätigt. Das will was heißen. Wer die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema kennt, der weiß, dass es ein sehr wegweisendes Urteil gewesen ist, mit dem die Verfügung der Bezirksregierung, die Versammlungsfreiheit in einem bestimmten Korridor einzuschränken, bestätigt worden ist.

Meine Damen und Herren, die Grünen verschweigen, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfügung der Bezirksregierung, mit der ihre Fraktionssitzung mit angeschlossener Bürgerfragestunde verboten worden ist, höchstrichterlich bestätigt hat. Auch die Auflagen für die Stunkparaden und sämtliche Auflagen der Bezirksregierung sind von höchsten Gerichten des Landes bestätigt worden. Das macht deutlich, dass diese Landesregierung und die sie tragende Fraktion auf dem Boden des Rechtsstaates behutsam gehandelt haben. Das haben die Gerichte bestätigt. Wir leben hier nicht im Atomstaat und nicht im Unrechtsstaat, so wie es Frau Harms unter Hinweis auf das „Wendländische Landrecht“ immer begründen will.

(Beifall bei der SPD)

In einem Kommentar in der Lüneburger Landeszeitung wird darauf hingewiesen, dass es Gewinner und Verlierer gibt. In der Tat gibt es sie. Die Gewinner sitzen nach Auffassung des Redakteurs, der diesen Kommentar geschrieben hat, aufseiten der Polizei. Das kann man, glaube ich, heute bestätigen. Er verzeichnet allerdings Gewinner auch aufseiten der Demonstranten, die nämlich den CASTOR-Transport verzögert und dafür gesorgt haben, dass der Einsatz sehr teuer wird. Das möchte ich einmal hinterfragen. Entscheidend ist aber, dass der Kommentator sagt: Verlierer sind die Steuerzahler. Das ist in der Tat richtig. Die Verlierer sind die Steuerzahler nicht nur in Niedersachsen, sondern in der gesamten Bundesrepublik Deutschland, weil nämlich erneut immense Kosten für etwas entstanden sind, was im Atomkonsens, wie ich finde, für alle Seiten vernünftig geregelt worden ist. Deshalb wird die Bürgerinitiative LüchowDannenberg auch von uns als SPD-Fraktion im Landtag aufgefordert, auf den Boden des Atom

konsenses zurückzukehren. Die Bürgerinitiative hat im Rahmen des Atomkonsenses die Garantie eines Moratoriums erhalten. Es war eine Forderung aus der Region, die Untersuchungen zu unterbrechen. Zweitens ist es eine Forderung aus der Region und auch der Bürgerinitiative gewesen, ein neues Standortfindungsverfahren zu entwickeln. Dafür ist von der neuen Bundesregierung eine Kommission eingesetzt worden, die uns im Umweltausschuss berichtet hat. Das Verfahren ist relativ weit fortgeschritten. Auch das muss die Bürgerinitiative zur Kenntnis nehmen. Das Verfahren ist beschrieben worden, und die Bürgerinitiative kennt das auch.

Zu dem Moratorium gehört auch die Forderung: Keine weitere Wiederaufarbeitung im Ausland, um die Zahl der Transporte zu reduzieren. Der Bürgerinitiative muss aber auch gesagt und zugemutet werden, dass das, was in La Hague gelagert ist, zurückgeholt werden muss. Wir sind entsprechende völkerrechtliche Verpflichtungen eingegangen. Auch dafür steht der Atomkonsens. Das muss eingefordert werden. Wir erwarten - ich glaube das ist die einzige Möglichkeit für eine Befriedung -, dass auf beiden Seiten Kompromisse eingegangen werden.

Wozu es führt, wenn man der Bürgerinitiative nicht ganz deutlich sagt, wo die Grenzen sind, erleben gerade Frau Harms und die Grünen. Herr Ehmke erklärt, die Politik bzw. der politische Teil des Widerstandes habe sich verabschiedet. Das hat er gestern behauptet, weil die Grünen nachmittags um 16 Uhr nach Hannover gefahren sind. Außerdem sagt Herr Ehmke, er wolle bei der Bundestagswahl mit Rot-Grün und insbesondere natürlich mit den Grünen abrechnen. Diesem weisen Strategen muss man einmal erklären, was seine Form von Abrechnung bedeuten würde. Will er denn eine CDU-geführte Bundesregierung, die sofort sagt „Wir wollen Gorleben, wir wollen keinen Ausstieg aus der Atomenergie“? Ist das eine weise Strategie dieser Bürgerinitiative? Wir müssen diesen klugen Strategen einmal erklären, dass ihre Strategie so klug nicht ist und dass sie zumindest großen Teilen der Bevölkerung in der Region keinen Gefallen tun, so wie sie agieren. Deshalb fordere ich ein Umdenken und eine Rückkehr zu vernünftigen Formen. Wir müssen weg von starren Ritualen, die den Steuerzahler Millionen kosten, die Region aber keinen Schritt voranbringen. Zurück zum Atomkonsens! Zurück zum Machbaren in der Politik!

Ich kann nur hoffen, dass beim nächsten CASTOR-Einsatz das Konfliktmanagement der Polizei gemeinsam mit dem Konfliktmanagement der Landesregierung dazu führen wird, dass wir in der Region neue Formen des Umgangs miteinander finden. Es muss akzeptiert werden, dass die CASTOREN zurückgeführt werden müssen, damit der Atomkonsens schrittweise umgesetzt werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Schwarzenholz für zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Inselmann, man kann doch nicht darüber hinwegsehen, dass der Protest in der Region Gorleben deswegen so heftig ist, weil jeder CASTOR, der dort ankommt, bei den Menschen den Eindruck verstärkt, dass damit Fakten für ein Endlager geschaffen werden, das politisch im Augenblick zwar in eine Art Warteschleife gesetzt worden ist, von dem aber kein Mensch glaubt, dass es nicht kommen werde. Dass das so ist, beweist die Debatte um den so genannten Arbeitskreis Endlager der Bundesregierung, der Spieldebatten und Spieldiskussionen führt, während Sie Schritt für Schritt Fakten schaffen. Sie genehmigen das Endlager für 95 % der radioaktiven Abfälle, also faktisch für alles außer Brennelemente, in Schacht Konrad und betreiben die Inbetriebnahme. Sie schaffen im Raum Gorleben Fakten, Sie schaffen Sachzwänge. Sie wissen, dass, wenn die Entwicklung so weitergeht, das Endlager in Gorleben, ohne dass es eine Alternativdiskussion, ohne dass es eine ernsthafte Standortsuche geben wird, in Betrieb gehen wird. Das ist doch der Hauptgrund dafür, dass Ihnen die Menschen politisch nicht glauben!

Sie sprechen hier von Atomkonsens. Keine einzige Bürgerinitiative, kein Umweltverband, keine Antiatombewegung

(Inselmann [SPD]: Die PDS hat nie- mand gewählt!)

ist an den so genannten Konsensverhandlungen beteiligt worden und hat den Konsens akzeptiert. Es gibt keine einzige Initiative, die dem Konsens politisch zugestimmt oder ihn akzeptiert hätte. Sie befinden sich in völligem Widerspruch zu der gesamten Antiatombewegung in Deutschland. Selbst

Ihre Regierungsverantwortlichen, wie Minister Jüttner, mussten in letzter Zeit immer häufiger zugestehen, dass der langfristige Weiterbetrieb der Atomkraftwerke und alles, was politisch darum herumläuft, eine außerordentlich fragwürdige Angelegenheit ist.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Jetzt wird nämlich auch alles Mögliche an Vorkommnissen bekannt. Es wird deutlich, dass es bei solchen Anlagen keinen wirksamen Schutz gegen Terroranschläge gibt und dass die Betriebsrisiken mit zunehmendem Alter der Anlagen immer größer werden.

Sie werden für den Konsens, den Sie so hoch loben, in Gorleben und in der gesamten Bevölkerung, die atomkritisch ist, keine Zustimmung bekommen.

(Inselmann [SPD]: 98 % Zustim- mung!)

Frau Harms hat noch einmal um das Wort gebeten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich auf die Ausführungen der drei Kollegen eingehen, die gerade gesprochen haben. Herr Inselmann, ich bin froh, dass ich Ihre Kollegin aus der SPD, Hedi Wegener, vor Ort getroffen habe. Das lässt mich nämlich hoffen, dass es in der Sozialdemokratie noch ein paar vernünftige Köpfe gibt.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie sollten einmal mit Frau Wegener, die, wie ich, drei Tage als Demonstrationsbeobachterin vor Ort gewesen ist, über das reden, was sie erlebt hat und wie sich der Rechtsstaat aus der Sicht einer oft unerkannt gebliebenen SPD-Bundestagsabgeordneten dargestellt hat.

(Inselmann [SPD]: Unerkannt? Ein riesiges Schild hatte sie um!)

Herr Kollege Schwarzenholz, ich kann Teile Ihrer Argumentation verstehen, aber ich kann überhaupt nicht akzeptieren, wie abfällig Sie über den Arbeitskreis Endlager reden. Dort wirken Wissenschaftler mit, die auch für Sie - wenn ich Sie einmal als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Schacht

Konrad ansprechen darf - weiterhin als Gutachter tätig sind. Diese Wissenschaftler betreiben dort kein Spiel, sondern eine ernsthafte, unverzichtbare und bislang nicht geleistete Grundlagenarbeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Wojahn, mit einer Bemerkung haben Sie mir so richtig aus der Seele gesprochen. Sie haben nämlich die Begründung für den verzweifelten Versuch vieler Lüchow-Dannenberger geliefert, das zu verhindern, was sie insgesamt auf sich zurollen sehen. Mitte der 70er-Jahre ist nicht von den Grünen - die gab es damals noch nicht -, sondern von Sozialdemokraten und CDU die Entscheidung getroffen worden, einen Salzstock als Endlagerstandort auszuwählen, obwohl damals geologische Gründe dagegen sprachen. Über diesem ungeeigneten Salzstock entsteht oberirdisch ein nationales nukleares Entsorgungszentrum. Das lässt die Menschen befürchten, dass der Salzstock, obwohl er ungeeignet ist, zum Endlager gemacht wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Immer wieder ist diese Entwicklung die Begründung dafür, auf die Straße zu gehen. Ich finde es völlig absurd, die Verantwortung dafür allein den Grünen zuzuschieben. Wir waren damals nicht dabei!

Ich erneuere hier meinen Appell: Lassen Sie uns als niedersächsische Abgeordnete dieses politische Dilemma gemeinsam lösen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lassen Sie uns aufhören, die Polizei die Kartoffeln aus dem Feuer holen zu lassen!

Nun zu den Verboten, zu der Frage, was legal ist, was illegal ist, was mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist und ob es richtig ist, wie mit dem Recht auf Versammlungsfreiheit und dem Demonstrationsrecht umgegangen wird. Ich bin sehr gespannt. Christian Pfeiffer ist in den letzten Tagen vor Ort gewesen. Er hat in der Kirche von Gartow einen eher abstrakten Vortrag über Zivilcourage gehalten. Ich bin beglückt darüber, dass Herr Pfeiffer viele Anregungen von Rechtsanwälten und anderen aufgegriffen und eine ernsthafte Prüfung der vielen Zumutungen, die wir erlebt haben, angekündigt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin gespannt darauf, wie die Landesregierung mit diesem Engagement des Justizministers weiterhin umgehen wird. Ich hoffe, dass dieses Engagement jetzt nicht nur ein Engagement des Bürgers Christian Pfeiffer ist, sondern auch ein Engagement des Justizministers Christian Pfeiffer. Sonst dürfen Politiker solche Besuche vor Ort und solche Ansagen nicht mehr machen. Davon hatten wir in den letzten Jahren nämlich genug. Das letzte prominente Mitglied der Landesregierung, das anlässlich eines Transportes vor Ort war, war unser Ministerpräsident. Dieser hatte damals sehr großes Verständnis für die Motivation der Bürgerinnen und Bürger geäußert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass sich die Lage im Landkreis Lüchow-Dannenberg von März bis heute besonders verändert hat. Die Motive der Bürgerinnen und Bürger sind seit 25 Jahren die gleichen.

Lassen Sie mich - weil jetzt bei Ihnen allen auch die Polizei immer wieder eine große Rolle spielt jetzt auch noch ein paar Worte zur Polizei sagen. Ich bin, ehrlich gesagt, über den Verlauf des Polizeieinsatzes erleichtert gewesen. Ich hatte große Befürchtungen, dass es wegen der von der Polizei so oft angesprochenen Überlastung und Überforderung der Beamtinnen und Beamten in dieser Situation zu einer Eskalation kommen wird. Ich muss Ihnen sagen: Insbesondere Einsätze von Hannoveraner bzw. niedersächsischer Polizei, die ich direkt erlebt habe, sind - obwohl die Zustände sehr schwierig waren und den Beamten die Konflikte mit den Bürgern sehr präsent sind - sehr oft besonnen verlaufen. Eine Ausnahme bildeten die meiner Meinung nach völlig überzogeneN Hunde- und Pferdeeinsätze, über die wir sicherlich noch reden werden. Insgesamt glaube ich aber, dass der Einsatz, der für die Beamten insgesamt wie eh und je eine Zumutung war, tatsächlich besonnen verlaufen ist. Das heißt aus meiner Sicht aber nicht, dass es weiterhin zu verantworten sein wird, für sechs Atommüllbehälter, die von Frankreich nach Deutschland transportiert werden sollen, 15 000 bis 20 000 Polizisten einzusetzen. Meiner Meinung nach ist das eine Unverhältnismäßigkeit der Mittel, die endlich beendet werden muss.