Protocol of the Session on October 26, 2001

Erstens. Wie beurteilt sie die geschilderte Entwicklung vor dem Hintergrund der im März verkündeten Ziele?

Zweitens. Welche Umsetzungsschritte bezüglich der genannten Einzelmaßnahmen sind jeweils erfolgt und mit welchem Ergebnis?

Drittens. Wie sind die aufgeführten Maßnahmen - z. B. der Ausschluss der Förderung - konkret in dem genannten Beispielantrag zur Anwendung gelangt?

Die Antwort erteilt der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Herr Kollege Bartels.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im März dieses Jahres habe ich der Öffentlichkeit ein Maßnahmenprogramm zur „Steuerung der Entwicklung in Veredlungsregionen“ vorgestellt. Bei diesem Programm geht es mir um die Verwirklichung einer nachhaltigen, umweltgerechten und zukunftsorientierten Tierhaltung in den spezialisierten Veredlungsregionen Niedersachsens.

Herr Abgeordneter Klein hat in seiner Anfrage die vier wesentlichen Ziele meines Programms korrekt wiedergegeben:

Es geht erstens darum, volle Transparenz über Menge und Verbleib von Nährstoffträgern in den Veredlungsregionen herzustellen. Zweitens geht es um den Abbau der räumlichen Konzentration von Tierhaltungsbetrieben – wobei der Flächenbindung der Tierhaltung eine besondere Rolle zukommt. Drittens geht es um die Lösung von Raumnutzungskonflikten zwischen Landwirtschaft und kommunaler Entwicklung. Viertens geht es mir um die Verminderung des Risikos der Ausbreitung von Seuchen.

Zur Verwirklichung dieser Ziele habe ich Maßnahmen vorgeschlagen, die kurzfristig umsetzbar sind, und solche, deren Umsetzung einen längeren Atem und die Zustimmung der Mehrheit der Bundesländer erfordert.

Die drei von Herrn Klein an die Landesregierung gerichteten Fragen beantworte ich wie folgt:

Zu 1: Es ist zutreffend, dass in den Veredlungsregionen zurzeit eine große Anzahl von Stallbaugenehmigungen vorliegt, z. B. im Landkreis Vechta etwa 400. Dafür gibt es verschiedene Gründe: angefangen bei einer Vielzahl von Anträgen, die bereits vor März dieses Jahres vorlagen, umfangreichen Antragsüberprüfungen und Nachgenehmi

gungen bis hin zu vorsorglichen Anträgen aufgrund von Ankündigungseffekten auf verschiedenen politischen Ebenen.

Mein Ziel ist nicht Effekthascherei. Mir geht es um die Einleitung einer nachhaltigen, gesteuerten Entwicklung, an deren Ende der wirkliche Ausgleich von Nutzungsinteressen steht.

Ich gehe davon aus, dass sich die Konflikte in den Veredlungsregionen aufgrund des von mir vorgestellten Maßnahmenkonzeptes tatsächlich dauerhaft entschärfen lassen. Dagegen spricht auch nicht die gegenwärtige Entwicklung.

Zu 2: Entgegen Ihren Darstellungen sind inzwischen deutliche Fortschritte bei der Umsetzung der von mir vorgestellten Maßnahmen erzielt worden:

Erstens. Die freiwillige Rahmenvereinbarung zur überbetrieblichen Verwertung organischer Nährstoffe wurde im Juli von allen von mir favorisierten Vertragsparteien unterzeichnet und am 10. Oktober der Öffentlichkeit präsentiert.

Zweitens. Die Kontrollen im Rahmen der Düngeverordnung wurden auf meine Initiative hin erhöht. Bis Ende 2001 werden im Bereich der Landwirtschaftskammer Weser-Ems 765 Kontrollen durchgeführt sein. Die Kontrollintensität wurde insbesondere in den viehstarken Regionen verstärkt.

Drittens. Die Vorschriften zur Gewährung von Beratungshilfen werden zurzeit neu gefasst und befinden sich bereits im Mitzeichnungsverfahren bei den betroffenen Häusern. Zukünftig werden Beratungszuschüsse an die Vorlage eines qualifizierten Flächennachweises gebunden. Diese spezielle Voraussetzung wird im Durchführungserlass der Beratungsrichtlinie festgeschrieben.

Viertens. Für die Investitionsförderung gilt Folgendes: Niedersachsen verfährt bei der Vergabe dieser Mittel schon jetzt restriktiver, als es der Rahmenplan des Bundes zulässt. Es dürfen grundsätzlich 2,5 Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche nicht überschritten werden. Ab 2002 wird diese Grenze auf 2,0 GVE gesenkt. Niedersachsen wird darüber hinaus in Gebieten mit hoher Nutztierdichte, wie den Landkreisen Vechta, Cloppenburg und Emsland, die Förderung im Bereich der Schweine- und Geflügelhaltung ausschließen, es sei denn, dass es sich um emissionsmindernde Investitionen handelt.

Fünftens. Nicht zuletzt auf mein ständiges Drängen hin sind inzwischen vermehrt „informelle Entwicklungsplanungen“ zur Vermeidung von Raumnutzungskonflikten auf kommunaler Ebene angelaufen und werden von der Landwirtschaftskammer Weser-Ems begleitet. Dieses Instrument setzt ausdrücklich auf die Eigenverantwortlichkeit aller Beteiligten.

Sechstens. Das Forschungsvorhaben „Bioaerosole“ ist in vollem Gange. Es war ein Kraftakt, die Kofinanzierung der EU für dieses wichtige Vorhaben sicherzustellen. Aber nun sind alle Verträge unter Dach und Fach. Wir müssen jetzt schon die Geduld aufbringen, bis die wissenschaftlich fundierten Ergebnisse des Vorhabens vorliegen.

Siebtens. Auf meinen Vorschlag hin wurde im Frühjahr dieses Jahres auf der Agrarministerkonferenz in Cottbus auch die Initiative zur Novellierung der Düngeverordnung gestartet. Zurzeit wird auf Referentenebene des Bundes und der Länder die Neufassung der Düngeverordnung vorbereitet. Wir können davon ausgehen, dass dabei die wichtigsten meiner Vorstellungen berücksichtigt werden.

Achtens. Das BMU hat inzwischen den Referentenentwurf zur Novellierung der TA Luft vorgelegt. Das Landwirtschaftsministerium hat daraufhin einen Arbeitskreis gebildet, der sich mit den Änderungsvorschlägen der Bundesregierung befasst, vor allem hinsichtlich der Praktikabilität der vorgesehenen Messverfahren. Denn wie Sie wissen, bezieht sich die TA Luft überwiegend auf Industrieanlagen. Insgesamt werden wir mit der novellierten TA Luft weitere Möglichkeiten zur Steuerung von größeren Tierhaltungsanlagen im ländlichen Raum an die Hand bekommen.

Neuntens - und damit der letzte Punkt -: die Änderung des Bauplanungs- und Raumordnungsrechts. Änderungen in diesem Bereich, u. a. mit dem Ziel einer Entschärfung der Situation in Gebieten mit hoher Tierdichte, sind ebenfalls auf den Weg gebracht worden. Der Entwurf des LandesRaumordnungsprogramms, mit dem zwei Instrumente zur räumlichen Steuerung von Tierhaltungsanlagen durch Regionalplanung eingeführt werden sollen, befindet sich, wie Sie wissen, im Beteiligungsverfahren und wird zurzeit mit den Kommunen und übrigen Trägern öffentlicher Belange erörtert. Ziel ist die Schaffung von Eignungs- und Vorranggebieten zur Steuerung des Neubaus von gewerblichen Tierhaltungsanlagen. Änderungen im

Bereich des Bauplanungsrechts - §§ 35, 201 BauGB sollen von einem interministeriellen Arbeitskreis unter Federführung des Innenministeriums erarbeitet werden.

Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, ist die Umsetzung der von mir vorgeschlagenen Maßnahmen längst in Arbeit. Dass dabei die Initiativen zur Änderung bundes- oder landesrechtlicher Regelungen eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, habe ich am Anfang immer deutlich gemacht. Ich bitte, das auch zur Kenntnis zu nehmen.

Zu Frage 3: Die angesprochene Tierhaltungsanlage in der Gemarkung Dinklage wird nicht aus Mitteln der Agrarinvestitionsförderung bezuschusst - eindeutig!

Außerdem ist zu diesem Einzelfall anzumerken, dass es sich dabei um eine gewerbliche Tierhaltungsanlage handelt, die noch nicht genehmigt ist. Der Stadtrat von Dinklage hat in diesem Zusammenhang über alle politischen Parteien hinweg einstimmig beschlossen, vor der Erteilung der Zustimmung über eine informelle Entwicklungsplanung die Auswirkungen der geplanten Anlage auf die Umgebung zu untersuchen.

Dies ist der richtige Weg zum Erkennen und Lösen von Nutzungskonflikten vor Ort und entspricht dem von mir herausgegebenen Maßnahmenkatalog.

Meine Damen und Herren, abschließend noch auf folgender Hinweis: Zielgerichtete und fachlich ausgewogene Maßnahmen sind vonnöten. Darüber sind wir uns einig. Wesentlich dabei ist, dass die Entscheidungen unter Einbeziehung der vor Ort lebenden und arbeitenden Menschen getroffen werden. Nur so kann man zu dauerhaft tragfähigen Lösungen kommen.

Frau Litfin!

Herr Minister, welche konkreten Maßnahmen zur Verminderung des Seuchenrisikos wurden im Rahmen des von Ihnen dargestellten Konzepts schon ergriffen?

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Abgeordnete, das sind zum einen die Maßnahmen, die ich eben geschildert habe und die mittel- und langfristig ihre Wirkung entfalten. Es sind zum anderen aber auch kurzfristige Maßnahmen, die nicht Gegenstand der Anfrage waren. Viele Maßnahmen, die z. B. die tierische Hygiene, die Hygiene in Stallbauten und die Hygiene von gesamten Hofanlagen betreffen, die aber auch die Beziehungen der Erzeuger und Mäster von Schweinen beispielsweise zu den Zulieferern betreffen, sind geregelt und werden durch ökonomische Anreize über die Tierseuchenkasse gesteuert, sodass wir auch auf diese Art und Weise in Niedersachsen zu einer besseren Seuchenprophylaxe gekommen sind.

Herr Klein!

Herr Minister, in Bezug auf die vorgesehenen Vorrang- und Eignungsgebiete möchte ich Sie gerne fragen: Welche Gründe könnten Ihrer Meinung nach eine Gemeinde veranlassen, solche Vorrangund Eignungsgebiete auszuweisen? Selbst wenn das gelänge, wie wollen Sie verhindern, dass diese Vorrang- und Eignungsgebiete ganz schnell von den gewerblichen Tierhaltern besetzt werden, sodass für die bäuerliche Landwirtschaft keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr bestehen?

Herr Bartels!

Herr Abgeordneter Klein, jetzt möchte ich eigentlich zurückfragen - was ich natürlich nicht darf -: Was wollen Sie eigentlich? - Wir wollen steuern und den Kommunen ein Instrument an die Hand geben - dieser Wunsch ist immer an uns herangetragen worden -, um Baumaßnahmen im Außenbereich ablehnen zu können. Wir haben zwei Instrumente: eines, das ohnehin schon im Baurecht vorhanden ist, aber von den Kommunen aus verschiedenen Gründen nicht genutzt wird - darüber

kann man lange nachdenken -, und ein anderes, das in der Ausweisung von Sondergebieten besteht. Wenn eine Kommune - das ist in diesem Fall die Gemeinde - heute auf ihrem Gebiet ein Sondergebiet ausweisen würde, hätte sie damit sofort den Ausschluss der Privilegierung von gewerblicher Tierhaltung im Außenbereich erwirkt. Das macht bisher aber leider keiner. Alle beklagen, dass es keine Instrumente gibt, aber das Wirksamste nutzen sie nicht.

Das Instrument der Vorrang- und Eignungsgebiete, die Sie angesprochen haben, ist ja nicht der gemeindlichen Ebene, sondern auf der Kreisebene angesiedelt und fließt in die regionale Raumordnung ein. Ich glaube, dass wir den Kommunen damit ein weiteres Instrument zur Verfügung stellen können, um im Einvernehmen mit den Leuten vor Ort einen Eignungsraum festzulegen, der gut geeignet ist, um Tierhaltungsanlagen aufzunehmen. Das heißt umgekehrt aber auch, dass diese Tierhaltungsanlagen in den anderen Regionen, die nicht Eignungsraum sind, außen vor bleiben.

Herr Wenzel!

Herr Minister, welche Regionen in Niedersachsen sind bereit, nach Ihrem Konzept Gülle aufzunehmen, um die „Entwicklung der Veredlungsregion im niedersächsischen Intensivtierhaltungsgebiet zu steuern“?

Herr Abgeordneter Wenzel, das ist keine neue Erfindung, sondern es war schon in der Vergangenheit Praxis, dass es überregionale Verbünde von Regionen gegeben hat, die einen Mangel an derartigen Wirtschaftsnährstoffen haben und sich diesen Nährstoff zugekauft haben. Über die Rahmenvereinbarung haben wir jetzt mehr Transparenz über das, was in einem Betrieb anfällt, für diesen Verkehr geschaffen. Das wird durch den qualifizierten Flächennachweis und durch eine entsprechende Hofbilanz dokumentiert. Bisher konnte ein Betrieb aufnehmen, ohne den Nachweis liefern zu müssen, dass er tatsächlich aufnehmen durfte. Dies wird jetzt durch einen qualifizierten Flächennachweis sichergestellt. Auf diese Weise wird eine völlige Transparenz über die beiden

Partner geschaffen, die ein Geschäft miteinander abgeschlossen haben. Dass es diese Partner gibt - darauf bezog sich ja Ihre Frage - und dass es sie an unterschiedlichen Stellen im Lande gibt, wissen wir. Das wird es auch in Zukunft geben.

Herr Hagenah!

Herr Minister, angesichts der enormen Zahl neu genehmigter Ställe muss man sich damit konfrontiert sehen, dass alle präventiven Maßnahmen scheinbar ins Leere laufen. Deswegen frage ich Sie: Unter welchen Bedingungen fasst die Landesregierung auch Abstockungen von Tierbeständen in bestimmten Regionen ins Auge, wie es in den Niederlanden bereits der Fall ist?

Herr Bartels!

Herr Abgeordneter, wir haben ab dem Jahre 2003 über die Modulation zusätzliche Mittel, mit denen wir im ländlichen Raum auch solche Probleme lösen können. Meine Vorstellung ist, im Rahmen der Modulation eine Absenkung des GV-Besatzes, also des Viehbesatzes pro Hektar Fläche, in diesen Veredlungsregionen zu unterstützen und durch eine entsprechende Förderung eine Absenkung der Tierbestandszahlen pro Betrieb zu bewirken. Diese Förderung geht über die Fläche, hat aber auch den Effekt, dass das Nährstoffaufkommen insgesamt gesenkt wird.

Ich habe ein zweites Instrument und hoffe, dass ich dafür auf Bundesebene Zustimmung bekomme. Dieses Instrument betrifft § 3 der Bundesdüngeverordnung. Ich möchte nicht nur, dass in Veredlungsgebieten - also in den Regionen, über die wir gerade sprechen - nicht mehr - auch nicht mehr auf den überversorgten Böden - Nährstoffe aufgetragen werden dürfen in der Größenordnung des Entzugs - das ist bisherige Praxis und geltendes Recht -, sondern ich möchte, dass wir darunter gehen, sodass wir mittelfristig zu einer Absenkung der Nährstoffversorgung dieser überversorgten Böden kommen.

Herr Wenzel stellt seine zweite Frage. Danach Herr Ehlen.

Herr Minister Bartels, geben Sie mir Recht, dass es notwendig ist, so schnell wie möglich den gesamten Gülletourismus abzubauen, weil wir in einer solchen Situation überhaupt nicht in der Lage sind, die Ausbreitung einer Seuche zu verhindern, wenn das Zeug quer durch das gesamte Land kutschiert wird?

Herr Minister!

Herr Abgeordneter Wenzel, vieles ist natürlich wünschbar. Aber Sie müssen auch darauf schauen, was machbar ist und welche Folgewirkungen das hat. Wenn man das machen würde, was Sie gefordert haben, nämlich insgesamt einen Ausgleich zwischen Überschuss- und Mangelgebieten zu verhindern, würde das insbesondere zulasten der kleinen und mittleren Betriebe gehen.