Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe langsam den Eindruck, den Tagesordnungspunkt könnte man mit dem Vermerk „außer Reden nichts gewesen“ abhaken,
schon deshalb, weil die Sache in Berlin im Rechtsausschuss mit der von mir genannten Formulierung „verunstalten“ behandelt wird.
- Nein, Herr Kollege Stratmann, Sie sind leider nicht richtig informiert. Es tut mir ja so Leid. Was Sie meinen, ist die Berliner Version. Ich habe die Baden-Württemberger Version vorgeschlagen. Genau die ist momentan im Rechtsausschuss auf Bundesebene in der Beratung. Genau diese Formulierung wird von Ihrer Fraktion im Bundestag momentan verwendet. Ich meine, ich habe zu Recht ausgeführt: Wir sind uns einig. Aber die Formulierungen - das sind doch nur Marginalien, über die wir uns hier unterhalten - müssen verfeinert und verbessert werden, damit nicht vor Gericht noch einmal ein Sachverständigengutachten eingeholt werden muss. Denn dann hätten wir gar nichts gewonnen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Also nicht. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann schließe ich jetzt die Beratung.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wenn Sie der Empfehlung des Ältestenrates folgen wollen, den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen mit der Federführung zu beauftragen und den Ausschuss für innere Verwaltung mitberaten zu lassen, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. Möchte jemand dagegen stimmen? - Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Dann haben Sie einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 41: Erste Beratung: Änderung des Richterwahlgesetzes - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2778
Wir kommen zur Einbringung und Beratung. Dazu hat sich Herr Kollege Dr. Biester gemeldet. Bitte schön, Herr Dr. Biester!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bereitschaft des Bürgers, sein Recht nicht selbst in die Hand zu nehmen, sondern es in die Hände von Richterinnen und Richtern zu legen, bedingt, dass jeder Bürger auf die Unabhängigkeit des Gerichts und auf die persönliche und fachliche Eignung des Richters
und darauf vertrauen darf, dass die Rechtsanwendung und die Rechtsfortbildung durch die obersten Gerichte von solchen Richterinnen und Richtern gestaltet werden, die die Besten ihres Standes sind.
Wir wissen aber auch, dass sich nicht alle Entscheidungen eines Gerichts im unpolitischen Raum bewegen, sondern, im Gegenteil, die Politik neigt zunehmend dazu,
getroffene politische Entscheidungen mit Rechtsargumenten anzugreifen und durch Gerichte überprüfen zu lassen. Die Folge ist, dass gerichtliche Entscheidungen immer wieder erhebliche Bedeutung für das politische Handeln haben, sei es, weil getroffene politische Entscheidungen aufgehoben worden sind, oder sei es, dass Gerichte der Politik konkrete Handlungsaufträge erteilen.
In unserem System der Gewaltenteilung ist deshalb die Richterwahl eine höchst sensible Schnittstelle der drei Staatsgewalten. Denn, meine Damen und Herren, wer wählt die Richter und nach welchen Kriterien werden die Richter gewählt? - Die gesetzliche Grundlage, das Richterwahlgesetz, stammt aus dem August 1950. Die letzte Änderung erfolgte 1968. Manche meinen, dieses Gesetz habe
sich in der Vergangenheit bewährt. Andere, zum Beispiel der Deutsche Richterbund, sehen dies anders. Der Deutsche Richterbund äußert öffentlich, dass die Wahlvorschriften in der Praxis Züge der Investitur trügen, rechtlich fragwürdig seien, jedenfalls eines Rechtsstaates unwürdig seien - so eine Pressemitteilung vom 5. Juli 2001.
In der Tat haben wir festzustellen, dass der letzte Wahldurchgang völlig zu Recht nicht nur auf Kritik, sondern auf ungläubiges Unverständnis gestoßen ist. Da macht die schleswig-holsteinische Justizministerin von ihrem Vorschlagsrecht Gebrauch und benennt einen Richter als Kandidaten für den Bundesgerichtshof, über den der Präsidialrat des Bundesgerichtshofs nach seiner Anhörung urteilt: „fachlich nicht geeignet“. Bei den Bewertungsstufen, beginnend mit dem Votum „persönlich und fachlich besonders gut geeignet“ - gleich Note 1 -, ist die Bewertung „fachlich nicht geeignet“ - gleich Note 6; ungenügend - die denkbar schlechteste Bewertung. Trotzdem wird dieser Kanndidat mit der Brechstange durchgesetzt und gewählt.
So kann es nicht verwundern, dass die Öffentlichkeit aufmerkt und dass ein fachlich deutlich besser bewerteter Kandidat Konkurrentenklage erhebt und nunmehr in zwei Instanzen erfolgreich verhindert, dass die Besetzung des Gerichtes mit dem fachlich nicht geeigneten, gleichwohl gewählten Kandidaten erfolgt.
Es kann auch nicht verwundern, dass diejenigen, die sich Gedanken um das Funktionieren unseres Systems der Gewaltenteilung machen, die Frage stellen, wie ein solcher Eklat, der dem Ansehen des obersten Gerichts nachhaltig geschadet hat, in Zukunft vermieden werden kann.
Der notwendigen Reform des Richterwahlgesetzes dient der heutige Entschließungsantrag der CDUFraktion. Wir nehmen zur Kenntnis, dass der Niedersächsische Justizminister Prof. Pfeiffer, vielleicht auch motiviert durch unseren Antrag, diese Fragestellung aufgreift und sich für eine - leider aber marginale - Veränderung ausspricht. Wir begrüßen es, Herr Minister, dass auch Sie Handlungsbedarf sehen. Wir bedauern aber, dass Ihre Reformbereitschaft nicht weiter geht, als es in Ihrer Presseerklärung zum Ausdruck kommt.
Erstens. Das geltende Recht weist den zuständigen Ministern und den Mitgliedern des Richterwahlausschusses das Recht zu, Kandidaten vorzuschlagen. Dieses Recht hat nur dieser Personenkreis. Der Richterwahlausschuss setzt sich aus den 16 Landesministern, die für die jeweilige Gerichtsbarkeit zuständig sind, und einer gleichen Anzahl von Personen zusammen, die vom Deutschen Bundestag bestimmt werden. Das ist also ein closed shop, der bereits von seiner Zusammensetzung her eher die Gewähr dafür bietet, dem politischen und regionalen Proporz zu entsprechen als dem Gebot der Bestenauslese. Das halten wir für falsch.
Warum wird eine freie Stelle des Bundesgerichtshofs nicht ausgeschrieben mit der Folge, dass sich die Besten bewerben können, auch wenn sie möglicherweise keine Connection zum Richterwahlausschuss haben? Die Mehrarbeit, die mit solchen zusätzlichen Bewerbungen verbunden sein wird, will ich dem Richterwahlausschuss schon zumuten, wie auch die Gefahr von vermehrten Konkurrentenklagen, geht es doch immerhin darum, die persönlich und fachlich Besten für unsere obersten Gerichte auszuwählen.
Zweitens. Dem Richterwahlausschuss sollten nicht nur Politiker, Minister und Abgeordnete angehören, sondern auch Richterinnen und Richter sowie Anwältinnen und Anwälte, also Vertreter solcher Berufsgruppen, die mit Gerichten beruflich zu tun haben und deshalb aus der Praxis Erfahrungen in Bezug auf Anforderungsprofile haben. Dass dabei der Einfluss der Politik zurückgedrängt wird, ist erwünscht. Die Anwesenheit von Fachleuten zwingt zu sachlichen und fachlichen Argumenten.
- Herr Plaue, es war nicht unsere Ministerin, die diesen Eklat verursacht hat. Dieser Eklat ist es, der uns dazu zwingt, über diese Dinge nachzudenken.
Wir wollen also, dass sachliche und fachliche Argumente eine maßgebliche Rolle spielen und dass nicht lediglich ein Abnicken politisch getroffener Kompromisse erfolgt.
Drittens. Wir möchten, dass einheitliche Anforderungsprofile erarbeitet werden und dass jede Bewerbung anhand dieser Kriterien gewertet und gewichtet wird und die Bewerbungen gegeneinander abgewogen werden. Natürlich kann man solche Profile für jeden Beruf und damit auch für den Beruf eines Bundesrichters erarbeiten. Die Diskussion über Bewerber ist wesentlich erleichtert und transparenter, wenn sie anhand eines solchen Kriterienkataloges erfolgt.
Viertens. Wir wollen, dass die Mitwirkung des Präsidialrats gestärkt wird. Will sich der Richterwahlausschuss über ein schriftlich vorliegendes, äußerst negatives Votum des Präsidialrates hinwegsetzen,
wie es hier konkret der Fall war, dann ist es ein Gebot des fairen, vernünftigen und würdigen Umgangs miteinander, sich in solchen Konfliktfällen vor der Wahl auszutauschen und diese mündlich im Wahlausschuss zu erörtern.
Im Gegensatz zu Minister Pfeiffer halten wir einen regelmäßigen mündlichen Vortrag des Präsidialrates dort nicht für erforderlich, ja sogar für überflüssig, wo ohnehin Einvernehmen besteht. Aber dort, wo Dissens herrscht, ist in der Tat, wie in unserem Antrag gefordert, ein offener und sachlicher Disput zwischen dem Präsidialrat und dem Wahlausschuss geboten.
Meine Damen und Herren, dies sind unsere Vorstellungen, die wir zur Diskussion stellen. Wir hoffen und erwarten, dass Sie sich dieser Thematik im Interesse des Berufsstandes der Richter und Richterinnen und damit letztlich im Interesse unserer rechtsstaatlichen Demokratie konstruktiv annehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl so, wie der Vorsitzende des Richterbundes, Geert Mackenroth, vor einigen Tagen kritisch angemerkt hat: Das Verfahren - gemeint ist das Verfahren der Wahl der Bundesrichter - trägt Züge
der Papst-Wahl. Mein Vorredner hat sich in gleicher Weise geäußert. Da aber nicht alle - wie ich finde, Gott sei Dank - in diesem Plenum Juristen sind, möchte ich einmal darauf hinweisen, worum es bei dem Verfahren, von dem im Augenblick die Rede ist, überhaupt geht.
Richterstellen an den obersten Gerichtshöfen in Deutschland werden nicht öffentlich ausgeschrieben. Dieser Punkt spielt insofern eine Rolle, als die CDU insoweit einen Vorschlag gemacht hat. Die Entscheidung über einen Kandidaten fällt ein - das ist ein wesentlicher Hinweis an dieser Stelle politisch besetzter und damit demokratisch verantwortlicher Wahlausschuss in geheimer Abstimmung. In diesem Wahlausschuss sitzen 16 Bundesminister bzw. Bundesministerinnen. Diese stimmen in diesem Fall gemeinsam mit der Bundesjustizministerin, Frau Herta DäublerGmelin, über einen Vorschlag ab. Der Ausschuss trägt die Richterkandidaten zunächst vor. Der Präsidialrat eines jeweiligen Bundesgerichts lädt die Personen dann zu Vorstellungsgesprächen ein und gibt ein schriftliches Votum ab. Das ist eine Empfehlung, die für den Ausschuss nicht bindend ist.
Dieses Verfahren gibt es für den Bundesgerichtshof, für das Bundesverwaltungsgericht, für das Bundessozialgericht, für das Bundesarbeitsgericht und schließlich für den Bundesfinanzhof. Beim Verfassungsgericht kommt ein anderes Verfahren zur Anwendung.
Im Gegensatz zu dem, was mein Vorredner gesagt hat, der vor allen Dingen auf einen Einzelfall abgestellt hat, muss ich hier feststellen: Es gibt in Deutschland gute Bundesrichter. Wie sollte es auch anders sein? Schließlich hat es vorher auch eine politische Mehrheit gegeben, die genau nach diesem Verfahren, das wir bislang haben, Bundesrichter ausgewählt und ernannt hat.