Protocol of the Session on October 24, 2001

Herr Minister, einen Augenblick bitte!

Gerne.

(Zurufe: Psst! Psst!)

Bitte sehr, fahren Sie fort!

Was hier von Frau Bockmann bereits gesagt worden ist, möchte ich nachdrücklich unterstreichen. Wir hatten Gelegenheit, die Anstaltsleiter bei einer Fachtagung danach zu befragen, was sie von diesem Gesetzentwurf halten. Die Diskussion war eindeutig. Sie lehnen es ab, in die Rolle eines Staatsanwalts zu kommen, weil sie der Meinung sind, dass solch eine Rolle ihrem eigentlichen Auftrag nach dem Strafvollzugsgesetz widerspricht. Staatsanwälte müssten gegebenenfalls eine solche Funktion übernehmen, nicht sie. Sie sagen natürlich, dass die schlichte Verweigerung von Therapie bei Geltung dieses Gesetzes nicht mehr vorkommen wird, weil die Straftäter wissen, was ihnen dann blüht. Damit würde das Gesetz Anpassung fördern und nicht geeignet sein, angemessen darauf zu reagieren, dass jemand gefährlich ist.

Der Vorwurf von Herrn Wulff, wir würden gefährliche Sexualtäter nicht konsequent genug hinter Gittern halten, ist im Übrigen aus einem zweiten Grund absurd. Gerade in Niedersachsen wird sorgfältiger als in jedem anderen Bundesland geprüft, ob Sexualtäter, die sich in Sicherungsverwahrung befinden, vielleicht irgendwann einmal an Vollzugslockerungen teilhaben können. Wir sind das einzige Land, das als Voraussetzung für Vollzugslockerungen zwei unabhängig voneinander erstellte Gutachten verlangt, die beide positiv übereinstimmen müssen. Nur dann kann über Vollzugslockerungen nachgedacht werden. Deswegen kann ich mit Fug und Recht behaupten: Wir kümmern uns wirklich engagiert darum, die Si

cherheit zu erhöhen, wenn es um die Reaktion auf gefährliche Sexualtäter geht.

In seinem sehr sachlichen Beitrag hat uns nun der Abgeordnete Stratmann - er hat sich erfreulich abgehoben von der Polemik seines Fraktionsvorsitzenden - die Hand gereicht, wenn wir denn zusammenarbeiten wollen. Ich sage Ja, wenn es um die Bundesgesetzgebungsebene geht. Da können wir miteinander reden, wie dieses Gesetz gegebenenfalls zu formulieren ist. Ich muss Nein sagen, wenn er mit seiner Fraktion auf dem Kurs bleiben will, dass das auf Landesebene zu regeln sei.

Ich will die Zeit nutzen und etwas ansprechen, was ich eigentlich vor der Mittagspause sagen wollte. Aber ich wurde gebeten, das zurückzustellen und nachmittags vorzubringen. Ich möchte ganz kurz auf etwas eingehen, was Herr Wulff sehr missverständlich falsch formuliert hat. Er lobte mich gewissermaßen dafür, dass ich in den Jahren 1995, 1996 und 1997 der einsame Rufer in der Wüste gewesen wäre, der sich für die Kronzeugenregelung eingesetzt hätte. Die SPD hätte sich damals nicht dafür ausgesprochen. Das musste sie damals auch nicht. Wir hatten nämlich in dieser Zeit, was Herr Wulff offenbar nicht weiß, eine Kronzeugenregelung, die bis zum Jahr 2000 gegolten hat. Insoweit war auch das schlichte Polemik.

Wenn er danach meinte, auch jetzt gäbe es keine Unterstützung, sage ich: Wir sehen doch gerade, dass das anders ist. Ich gebe zu: Der Koalitionspartner in Berlin hat es aus sehr respektablen rechtsstaatlichen Erwägungen heraus zunächst abgelehnt, mit sich über eine neue Kronzeugenregelung reden zu lassen. Aber das hat sich geändert. Ich freue mich, dass wir hier inzwischen auf einem Kurs sind, der eine Einigung erwarten lässt, und dass wir mit einem eigenen Gesetzentwurf hierzu einen kleinen Beitrag leisten konnten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist gut, dass das Präsidium nicht die Inhalte kontrollieren darf, die Mitglieder der Landesregierung hier vortragen. Ihr besonderes Bedürfnis ist verständlich, nachdem Sie heute Mittag nicht zum Zuge gekommen sind. Ich mache nur darauf aufmerksam, dass wir jetzt einen anderen Tagesordnungspunkt haben.

Dazu wollte der Kollege Stratmann noch einmal sprechen. Er erhält zwei Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Herr Minister, jeder von uns freut sich, wenn er gelobt wird, aber manchmal muss das Lob auch von der richtigen Seite kommen.

(Plaue [SPD]: Manchmal bringt einen das um!)

Ich möchte hier nur feststellen - das meine ich jetzt wieder in allem Ernst -, dass ich sehr wohl erhebliche Unterschiede zwischen dem Beitrag Ihrer Kollegin Bockmann und Ihrem Beitrag festgestellt habe.

(Zustimmung bei der CDU)

Insoweit freue ich mich darüber, dass Sie zumindest inzidenter hier zum Ausdruck gebracht haben, auch Sie seien der Meinung, man müsse diese Gesetzeslücke vermutlich schließen

(Möhrmann [SPD]: Seien Sie doch nicht immer so genau! Jetzt loben Sie auch wieder so, wie man das nicht machen sollte!)

oder zumindest intensiv prüfen, ob sie einer Schließung bedarf.

(Zuruf von Plaue [SPD])

Bei der Kollegin Bockmann hatte ich das Gefühl, dass sie von vornherein in Bausch und Bogen unseren Antrag hier ablehnt und wieder so argumentiert wie vor einigen Wochen, nämlich vor allem verfassungsrechtlich.

(Frau Körtner [CDU]: Das war das Schlusszitat!)

Ich sage noch einmal: Wir können über diese Fragen streiten. Das hilft uns aber nicht weiter, sondern Sie müssen klar bekennen, was Sie wollen. Das haben Sie, liebe SPD-Fraktion, in dieser Debatte nicht getan. Wollen Sie auch die Möglichkeit von vornherein ausschließen, das so etwas passiert und nicht erst bis zu diesem Zeitpunkt warten, oder wollen Sie das nicht? Der Minister hat gesagt, ihm sei die Möglichkeit schon Grund genug, hier etwas zu machen. Das hat die SPDFraktion so nicht zum Ausdruck gebracht. Das nehmen wir zur Kenntnis.

Wir sind erneut etwas traurig darüber, dass wir dieses Thema heute so abschließen, weil wir schon der Meinung sind, dass wir auf die Bundesregierung viel stärker hätten Einfluss nehmen können, wenn wir denn der Auffassung sind, dass sie auch zuständig ist. Das geschieht nun nicht. Was wir heute letztlich beschließen, ist kein Opferschutz, sondern genau das Gegenteil davon. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Debatte ist wieder in Gang gekommen. Frau Kollegin Bockmann erhält zwei Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stratmann, bitte nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, dass der Entwurf eines Landesgesetzes zur Diskussion stand. Genau dazu habe ich konkret Stellung genommen.

Im Übrigen möchte ich Ihnen, da Sie an der bundesgesetzlichen Regelung so interessiert sind, mitteilen, dass es einen Beschluss der Justizminister gibt, der genau in diese Richtung geht. Herr Professor Pfeiffer hat ihn eben vorgestellt. Darüber hinaus hat der Bund auch ganz andere Regelungskompetenzen als wir. Er braucht sich nämlich nicht an die konkrete Gefahr eines Polizeigesetzes zu binden, sondern hat den so genannten Hangtäterbegriff. Hier sprechen wir über eine ganz andere Ebene. Ich wollte mich nicht dem Vorwurf „Thema verfehlt“ aussetzen, sondern bei Landeskompetenzen bleiben und nicht die Bundeskompetenzen vorwegnehmen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Als Dritter im Bunde hat der Kollege Schröder für eine Minute das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sicherungsverwahrung, bekanntlich 1933 eingeführt, ist aus verschiedenen Gründen ein höchst problematisches Rechtsinstitut. Wenn man überlegt, ob es Sinn macht, hier zu nachträglichen

Entscheidungen zu kommen, ist die erste Voraussetzung - ich glaube, das hat auch Herr Minister Pfeiffer angesprochen - der Nachweis einer Regelungsnotwendigkeit. Gibt es den Bedarf für diese Regelung? - Der ist bis heute nicht erkennbar. Wenn der Bedarf erkennbar wird, werden wir die Letzten sein, die sich einer bundesweiten Regelung entgegenstellen, dass das eben für Menschen gemacht werden muss, bei denen die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung vorliegen, weil mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden muss, dass sie schwerste Straftaten begehen.

Ohnehin ist es fraglich, ob es denn Sinn macht, bereits zum Zeitpunkt der letzten Hauptverhandlung die Entscheidung über eine spätere Sicherungsverwahrung zu treffen. Die Menschen verändern sich in den Jahren der Haft, manchmal auch zum Positiven. Insoweit macht es durchaus Sinn, auch im Interesse der Betroffenen darüber nachzudenken, hier eine Entkoppelung in einem rechtsstaatlichen Verfahren vorzusehen.

Nur ist die Frage, um die es hier geht, auf Landesebene ein Gesetz zu machen für eine Fallgruppe, deren Existenz bisher noch nicht einmal nachgewiesen ist. Das kann niemand mit klarem Kopf mitmachen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich kann jetzt die Beratung schließen. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen zustimmen will und damit den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich frage nach den Gegenstimmen. Nach Stimmenthaltungen. - Ich stelle fest, das Erste war die Mehrheit.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 13: Entwurf eines Vorschaltgesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Drs. 14/2770

Die Fraktionen sind übereingekommen, dass dieser Gesetzentwurf hier nicht diskutiert, sondern gleich überwiesen wird, und zwar, wenn Sie einverstanden sind, federführend an den Ausschuss für Wissenschaft und Kultur, mitberatend an die Ausschüsse für Verwaltungsreform und öffentliches Dienstrecht bzw. für Haushalt und Finanzen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke sehr. Das war die ausreichende Mehrheit.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 14: Zweite Beratung: Standortoffensive Biotechnologie Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1891 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr - Drs. 14/2710

Der Antrag der CDU-Fraktion wurde in der 59. Sitzung am 11. Oktober 2000 an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass wir gleich mit der Beratung beginnen können.

Das Wort in der Beratung hat die Kollegin Frau Goede.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag „Standortoffensive Biotechnologie Niedersachsen“ der CDU-Fraktion ist in den vergangenen Monaten mehrmals diskutiert worden, selbstverständlich im Plenum und natürlich im zuständigen Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr. Dabei ist eklatant deutlich geworden,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

dass dieser Antrag längst überholt ist, weil die Förderung der Biotechnologie seit Jahren höchste Priorität in Niedersachsen genießt und alle Forderungen, die in dem CDU-Antrag formuliert sind,

abgearbeitet sind. Darum haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der zum einen der aktuellen Lage, d. h. der Realität, entspricht und zum anderen in die Zukunft gerichtet ist.

Wir wissen, dass die Biotechnologie zusammen mit der IuK-Technologie zukunftsweisend ist und dass sie das ökonomische Wachstum der nächsten Jahre prägen wird. Die Anwendungsfelder sind vielfältig und außerordentlich bedeutsam. Medizin, Pharmazie, Lebensmittelwirtschaft, Bioverfahrenstechnik und Umwelttechnologie, Förderung der Gesundheit, nachhaltige Produktion und Umweltschutz sowie die nachhaltige Sicherung von Arbeitsplätzen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze sind an die Entwicklung dieser Zukunftstechnologie gebunden. Darum ist es richtig, dass die Landesregierung seit Jahren die Entwicklung der Biotechnologie intensiv unterstützt.

Die Biotechnologie in Niedersachsen verdankt ihre rasche Entwicklung dem gezielten Ausbau der Forschungsinfrastruktur, einer aktiven Unternehmerschaft, dem gezielten Einsatz von Wirtschaftsund Technologieförderinstrumenten und der Einbindung in aktive Netzwerke.