Meine Damen und Herren, würden wir dem Vorschlag der Grünen folgen und das Realsplitting einführen, so würde das zu einer erheblichen Mehrbelastung unserer jetzt bereits stark belasteten Finanzämter führen. Das Realsplitting würde jeden Ehepartner zu einem selbständigen Steuerfall machen.
Meine Damen und Herren, der Ansatz in dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist die Besserstellung von Familien und ein verbessertes Betreuungsangebot. Dieser Ansatz wird sicherlich von vielen hier im Hause unterstützt.
Die gemeinsame Linie könnte eine Reform des Ehegattensplittings sein. Der ursprüngliche Ansatz beim Ehegattensplitting passt so nicht mehr in die heutige Zeit. Wir müssen auch steuerrechtlich auf veränderte gesellschaftliche Situationen reagieren.
Meine Damen und Herren, dabei wird nach meiner Auffassung allerdings nicht die gänzliche Abschaffung des Ehegattensplittings herauskommen, sondern eine reformierte Fassung. Wir haben nicht vor, uns an ein fertiges Konzept der Grünen anzuhängen. Wir wollen das Thema umfassend behan
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ehegattensplitting dient der Entscheidungsfreiheit innerhalb der Familie, ob und in welchem Umfang sich ein Ehepartner beispielsweise für die Betreuung von Kindern, für die Fürsorge oder die Pflege von Familienangehörigen entscheidet. Es basiert auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes und ruht damit auf verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Fast 90 % aller Familien profitieren von diesem Ehegattensplitting.
Die Ehe ist eine auf Dauer angelegte Wirtschaftsund Risikogemeinschaft, also eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft, in der man die Risiken, aber auch die Chancen miteinander teilt und in der man die Entscheidung wirklich frei treffen können muss, ob man ganztags oder halbtags arbeitet, wer denn arbeiten möchte oder wer die Hausarbeit, die Pflege von Angehörigen oder die Betreuung der Kinder übernimmt und somit zu Hause bleibt. Diese Frage ist in der Familie zu entscheiden.
Wir haben 1996 diese Frage hier schon einmal in aller Gründlichkeit aus Anlass eines Antrages der Grünen diskutiert. Ich darf Ihnen etwas aus dem Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vorlesen. Frau Pothmer hat ja ihren Antrag zum Teil daraus entliehen; einige Formulierungen sind sogar fast deckungsgleich.
Da ist von verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten die Rede. Die Mitarbeiter des Institutes sind eigentlich unverdächtig, dass sie dort etwas Falsches hineinschreiben. Ich sage das nur deshalb, weil Sie
„Die Veranlagung von Ehegatten soll eine an dem Schutzgebot des Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz und an dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit und der Leistungsfähigkeit im Sinne des Artikels 3 Abs. 1 Grundgesetz orientierte Besteuerung der Ehe gewährleisten. Weiterhin ist das ebenfalls verfassungsrechtlich verankerte Sozialstaatsprinzip Prüfungsmaßstab.“
„Die verfassungsrechtliche Untersuchung des Ehegattensplittings kommt zu dem Ergebnis, dass diese Form der Ehegattenbesteuerung weder gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Schutzes von Ehe und Familie nach Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz noch gegen das Gleichheitsgrundrecht im Sinne des Artikels 3 Abs. 1 Grundgesetz verstößt. Weiterhin wird es dem Sozialstaatsprinzip gerecht.“
Meine Damen und Herren, hierbei handelt es sich also um eine verfassungsgemäße Besteuerung von Ehegatten. Die Ehegatten haben die Möglichkeit, in dieser Frage selber zu entscheiden, wie das Einkommen der Familie erwirtschaftet wird. Es gilt die Feststellung, dass über 80 % der Familien davon betroffen sind. Sie von den Grünen haben in Ihrem Antrag geschrieben, dass bei einer Veränderung hin zum Realsplitting zunächst einmal 19 Milliarden DM Mehreinnahmen entstehen.
„Mehreinnahmen“ heißt nichts anderes, dass hier zwar von einer Familienförderung die Rede ist, dass aber eine gigantische Umverteilung geplant ist. Hier ist nichts anderes geplant, als dass man den Betroffenen - das sind bis zu 90 % der Familien und der Ehepartner - zunächst einmal diese 19 Milliarden DM wegnimmt, um sie dann möglicherweise auf anderen Wegen - vielleicht auch für andere Zwecke - für die Familienförderung wieder zur Verfügung zu stellen.
Ich möchte Ihnen einmal darstellen, was es bedeuten würde, wenn es zu einer Realisierung des Familienrealsplittings käme. Ich will dabei auch die Kinder mit einbeziehen. Die 19 Milliarden DM
beziehen sich ja auf das Ehegattenrealsplitting; d. h. die Kinder sind außen vor. Käme es zu einer Realisierung des Familienrealsplittings - das wird auch in dem Gutachten vorgeschlagen - mit einem Unterhaltsbetrag von 27 000 DM und einem unschädlichen Betrag von 15 000 DM sowie einem Unterhaltsbetrag von jeweils 9 600 DM für jedes Kind, dann würden beispielsweise bei Haushalten mit zwei Kindern insbesondere jene Haushalte im Vergleich zur bisherigen Regelung begünstigt, in denen die Ehepartner annähernd gleich viel verdienen.
„Ein Familienrealsplitting würde vor allem die Haushalte treffen, in denen nur ein Ehepartner zum Haushaltseinkommen beiträgt. Im Falle der Haushalte mit zwei Kindern bleibt die finanzielle Situation bis zum Einkommen von 30 000 DM unverändert. Sie erhalten, weil sie keine oder nur eine geringe Steuer zahlen, Kindergeld in derselben Höhe wie bisher. Danach beginnt der Bereich der Mehrbelastung.“
Ich möchte Ihnen jetzt etwas zu den Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte sagen. Dieses Familienrealsplitting - das andere, haben wir ja gehört, sind 19 Milliarden DM - hätte in der hier unterstellten Form - Realsplitting für Ehepartner, 27 000 DM, unschädlicher Betrag 15 000 DM und 9 600 DM jeweils für ein Kind - Mehreinnahmen von 13 Milliarden DM zur Folge. Man sieht also, dass man unter dem Vorwand der Familienentlastung den Familien zunächst einmal insgesamt 13 Milliarden DM entzieht.
Frau Pothmer, Sie führen ja immer wieder an, dass aufgrund des Ehegattensplittings die Frauen gedrängt würden, keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der optimal erzielbare Betrag liegt bei etwas über 19 000 DM.
Das steht im Gutachten. Auch das kann ich vorlesen. Es mag ja sein, dass das alles falsch ist. Aber Sie haben doch auch sonst alles daraus zitiert.
„Nach dem Steuertarif 1998 erreicht der Splittingvorteil bei einem zu versteuernden Einkommen von 240 000 DM für ein Ehepaar mit nur einem Einkommensbezieher das Maximum von 22 843 DM.“
„Durch die für das Jahr 2002 vorgesehene Senkung der Steuersätze würde der Splittingvorteil auf 19 299 DM reduziert.“
Frau Pothmer, das ist genau das Sozialneidsbeispiel: gut verdienender Anwalt, gut verdienender Arzt - oder wer auch immer -, Frau bleibt zu Hause, pflegt das Haus und spielt im Übrigen Golf und Tennis.
Das ist nicht das Beispiel, mit dem Sie begründen können, dass Frauen davon abgehalten werden, erwerbstätig zu sein. Die Frage stellt sich ganz anders.
- Nein, dann hören Sie einmal gut zu. Wir haben es mit folgender Situation zu tun: Es gibt 3,5 Millionen Arbeitslose. Viele, die wegen der Kindererziehung einige Jahre aus dem Beruf ausgeschieden sind, stellen sich dann mit 40, 45 oder 50 Jahren die Frage, ob sie wieder erwerbstätig sein sollen oder nicht. Dieser Personenkreis wird auch vom Ehegattensplitting erfasst.
- Es fällt Ihnen schwer, zuzuhören. - Diese gesamte Gruppe hat keine Chance, ins Erwerbsleben zu kommen; diese gesamte Gruppe würde dadurch in erheblichem Maße benachteiligt werden.
Ich sage nicht, dass wir nicht darüber nachdenken sollten, ob das Ehegattensplitting in bestimmten Bereichen einer Reform bedarf. Man kann sich auch durchaus vorstellen, darüber nachzudenken,
ob das so bleiben muss, dass diejenigen, die eine saubere Gütertrennung vereinbart haben - damit da ja nichts schief geht -, auch noch sauber das Ehegattensplitting durchführen können, damit sie jede Mark an Steuerersparnis mitnehmen. Wir können uns auch vorstellen, dass wir über andere Bereiche diskutieren. Nur, ich möchte noch ein bisschen mehr wissen. Ich möchte vor allen Dingen wissen, wie sich denn Ihr Realsplitting auswirkt. Bisher ist es so, dass die Bezieher niedriger Einkommen dadurch erhebliche Nachteile haben. Ich frage - weil ja doch etliche Ausschüsse betroffen sind -: Was hindert uns denn daran, Frau Pothmer, wenn wir bei dieser Frage sagen „Da gehen wir nicht mit Vorurteilen heran; da machen wir eine Anhörung und laden entsprechende Fachleute in den Ausschuss ein“?
Dann sehen wir ja, welche Auswirkungen das hat. In dieser Anhörung möchte ich dann aber auch einmal erfahren, wie der Wert der Familie in der Gesellschaft insgesamt zu bemessen ist. Ich meine, wir haben allen Grund, uns deutlich dafür auszusprechen, dass die Institution Ehe durch den Staat geschützt und gefördert wird.
Dass es viele gibt, die sich dafür entscheiden, anders als in einer Ehe zusammenzuleben, ist völlig klar. Das ist auch in Ordnung, und darüber will ich auch gar nicht urteilen. Nur muss man zugeben: Das ist keine auf Dauer angelegte Wirtschafts- und Risikogemeinschaft. Wenn Sie in dem Antrag festhalten, dass von dem Realsplitting auch Paare, die unverheiratet zusammenleben, betroffen sein könnten, dann müssen Sie natürlich zunächst einmal gesetzlich festlegen, dass diese einen wechselseitigen Unterhaltsanspruch haben; denn das ist heute ja gar nicht der Fall. Wer sich nicht zu dieser Verpflichtung bekennt, der kann natürlich auch nicht begünstigt werden.
Meine Damen und Herren, ich hätte noch Vieles dazu zu sagen, aber wir werden das ja noch in den Ausschüssen entsprechend diskutieren und dann sicherlich zu einer Entscheidung kommen. Aber ich kann Ihnen sagen: Wir werden am Ehegattensplitting festhalten, sind aber natürlich für Reformen in bestimmten Bereichen offen.
(Beifall bei der CDU - Frau Pothmer [GRÜNE]: Die reine Männerriege, die applaudiert hat! - Coenen [CDU]: Wenn Sie keine Argumente mehr ha- ben, dann kommen Sie mit so einem Quatsch!)