Protocol of the Session on June 13, 2001

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Ihrer Sucht, gekünstelt-witzige Titel formulieren zu wollen, um so die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, haben die Grünen diesmal wirklich ein Eigentor geschossen.

(Beifall bei der SPD)

Sie beziehen sich mit ihrem komischen Titel auf die alte Bauernweisheit: Kräht der Hahn auf dem Mist... Auf dem Mist - wen meinen Sie eigentlich damit? Meinen Sie damit unsere Schulen, oder meinen Sie etwa die Tatsache, dass durch die Bildungsoffensive zusätzlich 100 Millionen DM jähr

lich in die qualitative Verbesserung unserer Schulen fließen?

(Beifall bei der SPD)

Ihr Vergleich geht voll daneben. Sie sollten sich bei den Betroffenen entschuldigen

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

und das nächste Mal bei der Formulierung des Titels einer Aktuellen Stunde auf Ihre albernen Sprichwortverdrehereien verzichten. Entscheiden Sie sich, was Sie eigentlich wollen, bevor Sie versuchen, den Ministerpräsidenten zu kritisieren.

Sie regen sich einerseits auf, der Diskurs sei eine Farce, und das Ergebnis sei schon festgelegt, und andererseits monieren Sie ganz genau das Gegenteil, nämlich nach dem Motto: Die Schulform ändert sich, oder sie bleibt wie sie ist. Natürlich ist das so. Warum sollten wir sonst eine Untersuchung und einen einjährigen Diskurs durchführen?

Frau Kollegin Seeler, man kann Sie sehr schlecht verstehen. Bitte gehen Sie ein bisschen näher an das Mikrofon.

In Wirklichkeit ärgert Sie doch etwas ganz anderes. Es ärgert Sie, dass Herr Gabriel mit der Fortsetzung der Bildungsoffensive und deren Absicherung im Haushalt Ihr liebstes Wahlkampfthema geklaut hat.

(Beifall bei der SPD)

Da wurde in den Veranstaltungen im Rahmen der Schulstrukturdebatte eine bessere Unterrichtsversorgung angemahnt. Die Wünsche der Betroffenen wurden von der Landesregierung ernst genommen und erfüllt. Durch die Bildungsoffensive wurden zudem zusätzlich 500 Stellen im Jahre 2000 geschaffen. Im Jahre 2001 werden weitere 600 Stellen und im Jahre 2002 noch einmal zusätzlich 500 Stellen zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung geschaffen. Zusätzliche 300 Stellen werden ab 2002 zur Sicherung des naturwissenschaftlichen Unterrichts an den Gymnasien, zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Begabungen und zur Verbesserung der Ganztagsangebote finanziert. Ebenfalls ab 2002 werden 200

Stellen für Förderstunden und sozialpädagogische Maßnahmen an Haupt- und Realschulen für die pädagogische Arbeit eingesetzt werden. Um die Rahmenbedingungen für das Fördern und Fordern in den Jahrgängen 5 und 6 zu verbessern, werden im Jahre 2002 10 Millionen DM und ab 2003 20 Millionen DM jährlich zur Verfügung gestellt und dies alles neben N 21, Lernen unter einem Dach, neben den Mitteln für 1 000 Stellen für die flächendeckende Einführung der Verlässlichen Grundschule und neben den Einstellungen, die bisher schon stattgefunden haben.

Solch ein qualitativ durchdachtes und finanziell abgesichertes Konzept trifft die Opposition natürlich. Da kann ich nur sagen: Glück gehabt, Bildung! Pech gehabt, Opposition! Gut gekräht, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei den GRÜNEN - Frau Harms [GRÜNE]: Das war ja originell!)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Busemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Titel der Aktuellen Stunde ist natürlich sehr amüsant, das Problem, das dahinter steht, aber natürlich nicht. Frau Seeler, wer muss sich hier wohl entschuldigen? Wer hat denn die ganze Schullandschaft in den letzten zwölf Monaten durcheinander gebracht? Doch wohl nicht die Opposition! Das waren doch wohl Sie.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Deswegen ganz kurz: Was Mist ist, muss auch Mist genannt werden.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, es ist einfach so: Wer anderen eine Ideenskizze schreibt, fällt selbst herein. Genau an dem Punkt sind Sie angekommen. 12. August 2000: Es wurde ein großartiges Programm vorgelegt. Dabei war natürlich bekannt, dass die Opposition am Folgetag ein qualifiziertes Modell zur Schulpolitik vorstellen sollte und wollte. Folglich musste dann diese Ideenskizze her. Es war wieder einmal so: Der Prophet namens

Gabriel hat den Berg wirklich riesig kreißen lassen, und siehe da, am Ende kam wieder nur eine kleine Maus dabei heraus. So ist es auch diesmal, und so war es übrigens auch letzte Woche.

(Beifall von Abgeordneten der CDU - Zuruf von Plaue [SPD])

- Herr Plaue, nun halten Sie einmal die Luft an. Sie sollten einmal überlegen - es geht dabei nicht nur um die Bildungspolitik, sondern auch um andere Bereiche der Politik -, wie beleihungsfähig der Ministerpräsident denn ist, wenn er einmal etwas sagt. Wie beleihungsfähig ist er denn in allen Politikfeldern?

(Plaue [SPD]: Sie werden nicht mehr ernst genommen, Herr Busemann!)

Er plustert sich immer großartig auf, kündigt großartig etwas an, und nach einigen Monaten wird es wieder zurückgenommen. Das ist ein ernstes Thema; damit müssen Sie sich auseinander setzen.

(Beifall bei der CDU)

Schauen wir uns diese Ideenskizze einmal näher an. Frau Litfin hat dieses Thema ja auch angetippt. Es gab großartige Ankündigungen im Blick auf die Sekundarschule im ganzen Land, wie toll das alles sei und, und, und. Was ist aber nun dabei herausgekommen? - Sie haben landesweit derbe Kritik eingesteckt und überall zu hören gekriegt.

(Plaue [SPD]: Sie vor allen Dingen!)

Bei Podiumsdiskussionen haben Sie schlecht abgeschnitten. Teilweise sind Ihre Leute gar nicht hingegangen.

(Zurufe von der SPD)

- Regen Sie sich einmal ab! - Nun ist wieder nur die besagte kleine Maus herausgekommen: ein freundliches Kooperationsmodell auf freiwilliger Basis. Das hört sich immer wunderbar an. Die Frage wird in den nächsten Monaten sein: Ist damit vielleicht ein Trojanisches Pferd in den Stall gestellt worden? Wenn die Zeiten wieder einmal günstiger sind, werden Sie vielleicht sagen: Dann machen wir doch wieder unsere Sekundarschule daraus. - Wir werden das genau beobachten.

Eines will ich Ihnen aber sagen - das gilt für Herrn Gabriel und auch für Sie, Herr Plaue -: Sie haben die Schullandschaft reichlich durcheinander gebracht. Schüler und Eltern in Niedersachsen sind

nicht eine Verfügungsmasse für sozialdemokratische Bildungspolitiker. Damit sollten Sie etwas pfleglicher umgehen.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Aber wohl für reaktionäre Leute wie Sie?)

Die Ganztagsbetreuung sollte sozusagen als Geschenk auf die Sekundarschule obendrauf. Vor einem Jahr hieß es: Ganztagsbetreuung überall und für alle. Damals hatte Herr Aller schon einen Schluckauf bekommen und gefragt: Um Gottes Willen, wie soll ich das alles bezahlen? Mittlerweile rudern Sie in diesem Bereich zurück. Von der CDU zu lernen ist ja nicht unbedingt verkehrt.

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD - Plaue [SPD]: Von der CDU lernen heißt verlieren lernen, Herr Kollege!)

Jetzt kommen Sie auf moderate Modelle zurück. Ich kann Ihnen nur sagen: Irgendwann wollen wir von Ihnen auch einmal Tantiemen haben. Es geht nicht an, dass Sie ständig bei uns abschreiben.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben auf diesem Gebiet jedenfalls ein bisschen dazugelernt.

Nun zum Stichwort „Abitur nach Klasse 12“. Hören Sie mit irgendwelchen Wackelpeterlösungen auf: freiwillig so oder freiwillig anders. Die Schulpolitik, welche die Schullandschaft in Niedersachsen prägt, muss verlässlich sein. Der Weg führt in Richtung Abitur nach Klasse 12. Streben Sie auf diesem Wege Einheitlichkeit an. Das Abitur nach Klasse 12 sollte es dann auch überall geben. Es ist machbar. Andere haben uns das bewiesen.

Stichwort „Orientierungsstufe“. Am Donnerstag und Freitag letzter Woche haben wir jene 20 Seiten lesen können. Man fragt sich angesichts dieser Ausführungen: Kommt noch ein Wort zur Orientierungsstufe? Wohin geht die Reise denn nun? Nichts, überhaupt nichts ist dazu zu lesen. Was ist denn bei Ihnen los? Haben Sie dazu keine Meinung? Der Ministerpräsident hatte doch schon ein paar gute Ideen zu diesem Thema. Er hat irgendwann einmal gesagt: Es kann irgendwie nicht richtig sein, dass Niedersachsen das einzige Land mit einer Orientierungsstufe in Deutschland sein soll. Dazu kann ich nur sagen: Recht hat er. Hoffentlich

hält er dies aber auch durch. In dieser Hinsicht habe ich bei Ihnen große Bedenken.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin, in Ziffer 5 des in der letzten Woche vorgelegten Papiers ist von Fördern und Fordern in den Jahrgangsstufen 5 und 6 die Rede. Das ist in Ordnung. Das ist aber zugleich das beste Argument gegen die Orientierungsstufe. Deswegen sage ich Ihnen als Christdemokrat: Weg mit der Orientierungsstufe! Dann sind Sie auf der sicheren Seite.

(Beifall bei der CDU)

Die Frage in diesen Tagen wird sein - und zwar nicht nur im Bereich der Bildungspolitik, sondern generell -: Ist dieser Ministerpräsident beleihungsfähig, oder plustert er sich nur auf, und es kommt am Ende nichts als heiße Luft heraus? Können wir von ihm überhaupt verlässliche Politik in Niedersachsen erwarten?

Schließlich noch ein Wort zur Bildungsoffensive. Das hat schon bei Glogowski angefangen und reicht jetzt hin bis zu Gabriel. War dies in der letzten Woche die vierte, fünfte oder sechste Bildungsoffensive? Man kommt gar nicht mehr nach. Vor lauter Offensiven kommen Sie gar nicht mehr zum Toreschießen.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt warten Sie auf mit 3 100 neuen Lehrern. Wenn wir es uns genauer anschauen, ergibt sich, dass 1 500 schon aus dem Vorjahr eingerechnet werden. Einige hundert werden für die Folgejahre mit eingerechnet. Wir freuen uns über jeden Lehrer. Sie wissen ja, welche Forderungen wir haben. Wir freuen uns über jede Mark mehr für den Bildungsbereich. Jetzt bieten Sie für dieses Jahr 1 100 zusätzliche Lehrerstellen an. Meine Damen und Herren, das glaube ich erst dann, wenn die alle wirklich in der Schule sind. Vorher glaube ich Ihnen nichts.