Tagesordnungspunkt 19: Das ungewollte Erbe der Atomkraft: Deutscher Atommüll rollt zurück aus Frankreich - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2281 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/DIE Grünen –Drs. 14/2326
Die SPD-Fraktion hat beantragt, diesen Antrag ebenso wie den Änderungsantrag der Fraktion der Grünen ohne Beratung an die Ausschüsse zu überweisen. Da wir hierüber nicht mehr abzustimmen brauchen, lasse ich nun über die Ausschussüberweisung abstimmen.
Federführend soll sich der Ausschuss für Umweltfragen und mitberatend sollen sich der Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr sowie der Ausschuss für innere Verwaltung damit befassen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Staatskanzlei verfassungsgemäß organisieren und Verwaltungsreform bündeln statt zersplittern - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/2285
Die Redezeiten sind Ihnen sicherlich schon bekannt: SPD zehn Minuten, CDU zehn Minuten, Grüne zehn Minuten, Landesregierung fünf Minuten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Niedersachsen ist auf dem Weg von der Einparteienregierung zur Einmannregierung. Ministerpräsident Gabriel meint, dass er alles kann, zumindest besser als seine Minister, und dass er alles darf, seit er an der Spitze der Landesregierung steht. Das selbstherrliche Vorgehen des Ministerpräsidenten zeigt einen erschreckenden Mangel an Unrechtsbewusstsein und Achtung gegenüber unserer Verfassung und den rechtlichen Rahmenbedingungen. Das kann das Parlament so nicht zulassen.
Wir müssen auf die Einhaltung der Verfassung, die Einhaltung von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie eine inhaltliche Übereinstimmung von Anspruch und Wirklichkeit im Handeln der Landesregierung bestehen. Es kann nicht sein, dass der Ministerpräsident meint, sich über all diese Vorgaben, die wesentliche Grundpfeiler unserer demokratischen Gesellschaftsordnung sind, hinwegsetzen zu können.
Seine unbestrittenen Fähigkeiten als Vollblutpolitiker rechtfertigen noch lange keine Ein-MannShow ohne alle Regeln an Stelle einer rechtskonformen Regierungsarbeit. Demokratie kann nur funktionieren, wenn sich alle an die gleichen Regeln halten, Herr Ministerpräsident. Das soll nicht heißen, dass es aus unserer Sicht keine Veränderungen des überkommenen rechtlichen Rahmens geben darf, wenn es dafür gute Gründe gibt. Diese Regeln können aber nur aufgrund einer demokratisch legitimierten Debatte und Entscheidung geändert werden, nicht aber, weil sie einem Einzelnen - sei er auch Ministerpräsident - gerade ungelegen kommen. Was Sie tun, Herr Gabriel, ist einfacher Rechtsbruch. Das ist Arroganz der Macht.
Korrigieren Sie die Ernennung des Ministers Senff. Der Abgeordnete Gabriel wollte das Kabinett seinerzeit verkleinern. Unter dem Ministerpräsidenten Gabriel hat die Landesregierung nun aber einen Minister mehr. Der Landesrechnungshof hat eindeutig festgestellt, dass "Ihr gewähltes Organisationsmodell nicht mit Art. 37 Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung vereinbar" ist. Die vom Ministerpräsidenten beabsichtigte Stärkung
des Arbeitsbereichs Bundes- und Europaangelegenheiten ist zwar auch aus unserer Sicht richtig, doch diese Aufgabe kann vom Ministerpräsidenten auch persönlich wahrgenommen werden, während die laufenden Geschäfte von einem Abteilungsleiter oder Staatssekretär geführt werden.
Damit entspräche die Organisation der im Organigramm der Staatskanzlei dargestellten und offenbar auch gewollten Weisungsabhängigkeit vom Ministerpräsidenten einer verfassungskonformen Umsetzung.
Herr Ministerpräsident, nehmen Sie auch die unsinnige Zerschlagung der Lenkungsgruppe Verwaltungsreform in der Staatskanzlei und die Verlagerung zentraler Aufgaben der Reform in die Ministerien zurück. Korrigieren Sie den erheblichen Rückschritt für die Effektivität und Durchsetzungskraft der notwendigen Reform. Korrigieren Sie das Signal, das Sie damit gegeben haben, dass in dieser Legislaturperiode keine ernsthaften Reformprojekte mehr angepackt werden sollen.
Der Beauftragte für die Staatsmodernisierung und seine Stellvertreterin sind bei Ihnen in der Staatskanzlei jetzt nicht nur fast ohne Mitarbeiterstab, sondern ohne ihre hervorgehobenen Aufgaben und Kompetenzen auch deutlich geschwächt. Was hat Sie nur dazu veranlasst? - Sollte der Staatsmodernisierer den Ministerien zu stark erschienen sein? Dann hätte sich der Ministerpräsident im Kabinett vor ihn stellen müssen. Das wäre seine Aufgabe gewesen. Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, ihn aber deshalb kalt gestellt haben, weil Sie mit seiner Arbeit unzufrieden sind, dann wäre ein Austausch von Personen das einzig richtige Mittel gewesen. Die von Ihnen gewählte Lösung ist nicht sachgerecht und verschwendet Steuergelder durch hoch dotierte Führungskräfte ohne Stab. Ohne zentrale Steuerung und beim Ministerpräsidenten angesiedelte Verantwortung für den Prozess wird die Verwaltungsreform schnell ins Stocken geraten.
Neben dieser destruktiven Zersplitterung der Reform richtet sich ein weiterer Aspekt der jüngsten Kabinettsumbildung direkt gegen die Mitwirkungsbereitschaft der Beschäftigten am Reformprozess im Landesdienst. Die Umbesetzung des Personals zwischen den Ministerien erfolgte in einem Hauruck-Verfahren ohne Beteiligungsmöglichkeiten der Personalräte, obwohl aus Ihrem
Hause angekündigt worden war, sich für Versetzungen in jedem Einzelfall Zeit nehmen zu wollen. Das ist nicht nur Wortbruch, sondern dies richtet sich auch gegen verbriefte Rechte der Personalvertretungen. Damit sind die Personalvertretungsrechte vom Ministerpräsidenten in Person missachtet worden. Die klagen dagegen. Dies muss durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens mit Berücksichtigung aller Beteiligungsrechte korrigiert werden, bevor Sie durch Gerichtsbeschluss dazu gezwungen werden.
Die Landesregierung muss zukünftig eine größere Gleichbehandlung aller Ebenen der Landesverwaltung bei Verwaltungsreform und Kosteneinsparung sicherstellen. Ministerien und Staatskanzlei sind gleichermaßen wie der übrige Verwaltungsdienst in einer kontinuierlichen Aufgabenkritik und Effektivierung zu verschlanken. Insbesondere die Staatskanzlei darf als Führungsebene bei sich ändernden Aufgaben nicht einfach aufgebläht werden. Wenn Aufgaben neu und verstärkt aufgrund politischer Schwerpunktsetzungen wahrgenommen werden sollen, so ist dies durch reduzierten Aufwand an anderer Stelle auszugleichen. Der Ministerpräsident muss in seinem Hause mit gutem Beispiel vorangehen.
Daher sollten Sie in dieser Wahlperiode eher noch zehn Personalstellen abbauen, wie Sie dies auch von vielen anderen fordern, anstatt zehn zusätzliche Mitarbeiter zur Aufstockung Ihrer Spiegelreferate in der Staatskanzlei aus den Fachministerien abziehen zu wollen.
Herr Ministerpräsident, korrigieren Sie diese unrühmliche Kette von Fehlentscheidungen. Die vermeintliche Ruhe, die Sie zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl wohl herstellen wollen, indem Sie die Verwaltungsreform einfach abbrechen und zunächst einmal alles dem Lauf der Dinge überlassen, kann sich schnell als Bumerang erweisen, weil Sie damit Ihr Reformziel, nämlich den Personalumbau, nie erreichen werden. Verwaltungsreform läuft ohne aktive Steuerung und aktives Vorgehen durch die Staatskanzlei zwangsläufig gegen die Wand. - Vielen Dank.
Sie aber weiterhin versuchen, Kaugummi in den Plenarsaal zu werfen, dann muss ich Sie bitten, sofort die Tribüne zu verlassen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hagenah, haben Sie Ihren Antrag noch mit „Verwaltungsreform“ und Ähnlichem überschrieben, so haben Sie sich eben durch ihre Rede aber wieder einmal entlarvt. Gestern hatte ich noch den Eindruck, dass Sie unberechenbar sind. Sie sind aber sehr berechenbar. Ihnen geht es hier nicht um die Sache, sondern nur um Gesudel und um Anmache des Ministerpräsidenten, um sonst gar nichts.
- Frau Pothmer, ich nehme solche Worte nur dann in den Mund, wenn solche Vorlagen gegeben werden, wie dies eben der Fall gewesen ist. Ich halte dies für völlig unangemessen. Das hat mit der Sache nichts zu tun. Sie wollen sich mit der Sache überhaupt nicht auseinander setzen. Deshalb müssen Sie auch eine solche Antwort bekommen.
Meine Damen und Herren, hier wird an ein Ereignis angeknüpft, dessen Ursprung mittlerweile eineinviertel Jahre zurückliegt. Im Rahmen seiner Regierungsbildung und der damit einhergehenden Neu- und Umstrukturierung von politischen Schwerpunktfeldern hat unser Ministerpräsident im Dezember 1999 u. a. den Aufgabenbereich Bundes- und Europaangelegenheiten in die Staatskanzlei geholt und sogleich mit der Ernennung Wolfgang Senffs zum Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten in der Staatskanzlei deutlich gemacht, welch hohe Bedeutung er diesem Themenfeld beimisst. Die Landesregierung hat dem vorliegenden Antrag mit Genugtuung entnommen, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diese Bedeutung nunmehr offenbar auch erkannt hat.
Der fortschreitende europäische Einigungsprozess - ich nenne nur ein paar Stichworte: EUOsterweiterung, europäische Verfassung, EUBinnenreform, die wachsende Bedeutung Europas in allen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Bereichen - verlangt nicht nur eine formale Zusammenführung der Kompetenzen für Europaangelegenheiten in der Staatskanzlei. Diese Landes
regierung will die Mitwirkungsrechte der Länder verstärken und die Interessen Niedersachsens auf europäischer Ebene intensiver wahrnehmen, d. h. wirklich mitreden und gestalten. Dies bedarf der ganzen Kraft, des vollen Einsatzes sowie des Engagements eines politischen Entscheidungsträgers. Aus diesem Grunde hat sich der Ministerpräsident seinerzeit entschieden, einen Minister für Bundesund Europaangelegenheiten in der Staatskanzlei zu berufen und ihn mit dieser wichtigen Aufgabe zu betrauen. Bei dieser Ausgestaltung hat er sich von dem Gedanken leiten lassen, das erforderliche Ziel mit einer im Sinne der Verwaltungsreform schlanken Lösung zu realisieren, und bewusst darauf verzichtet, ein wesentlich kostenintensiveres eigenständiges Ministerium zu bilden.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hält diese Entscheidung weiterhin für richtig und fühlt sich in dieser Auffassung auch dadurch bestätigt, dass z. B. Nordrhein-Westfalen - immerhin ein Land, in dem Ihre Parteifreunde mit in der Regierung sind - im Sommer letzten Jahres unserem Beispiel gefolgt ist und die gleiche Organisationskonstruktion für die Staatskanzlei gewählt hat. Auch eine Reihe anderer Länder - ich nenne hier beispielhaft Bayern, Hessen, Thüringen - hat gleiche oder ähnliche Organisationsstrukturen. Selbst im Bundeskanzleramt hat es schon Minister unterhalb des Bundeskanzlers gegeben. Nirgendwo sind bisher ernsthafte Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit erhoben worden.
Aus den Reihen dieses Hauses wurden solche Bedenken niemals erhoben. Sie wurden nicht erhoben im Rahmen der Bestätigung der Landesregierung im Dezember 1999. Sie wurden auch nicht erhoben im Jahre 1994, als schon einmal ein Minister der Staatskanzlei - ich erinnere an den geschätzten langjährigen Kollegen Willi Waike - vier Jahre lang dort seine Arbeit getan hat, und zwar ausgezeichnet.
Im Übrigen, meine Damen und Herren, hatte der Landesrechnungshof seinerzeit offenbar keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Jedenfalls hat er sie mit keinem Wort verlauten lassen. Nicht einmal, als der Landesrechnungshof seine Auffassung zu diesem Thema bei der Beratung des Haushaltsplanentwurfs für 2001 in einer Haushaltsausschusssitzung dargelegt hat, ist dieses Thema von den Ausschussmitgliedern aufgegriffen worden.
Nun auf einmal greifen Sie vom Bündnis 90/Die Grünen dieses Thema auf, und es wird deutlich, was ich am Anfang gesagt habe: Es geht Ihnen nicht um die Sache, sondern nur darum, die Landesregierung, insbesondere den Ministerpräsidenten, vordergründig zu attackieren.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat mit ihrer Organisationsentscheidung vom Dezember 2000 die zentrale Bedeutung der Staatsmodernisierung als wichtigen Teil der Landespolitik bestätigt. Daher gibt es weiterhin einen Beauftragten für Staatsmodernisierung. Der hat - anders, als Sie von Bündnis 90/Die Grünen es unterstellen - auch weiterhin eine wichtige Aufgabe im gesamten Reformprozess wahrzunehmen. Entsprechend der Koordinationsfunktion der Staatskanzlei gegenüber allen Ressorts ist dies auch im Aufgabenfeld der Staatsmodernisierung bzw. Verwaltungsreform wahrzunehmen. Das ist übrigens nichts Neues.
Wir haben aber aufgrund der Erfahrungen in den vergangenen zwei Jahren die Kompetenzen neu geordnet. Dabei haben wir uns von der Überlegung leiten lassen, wer was am besten kann. Deshalb wurden die Aufgaben der Verwaltungsreform, also der Binnenmodernisierung, im Innenministerium zusammengeführt. Dies ermöglicht eine sinnvolle Verknüpfung mit den herkömmlichen, in meinem Hause wahrgenommenen Aufgaben des Innenministeriums als Organisationsministerium.
Eine weitere enge Verzahnung zu bisherigen Aufgaben des Innenministeriums besteht mit der Entscheidung, im Rahmen der Verwaltungsreform ein Regionalmanagement in Niedersachsen einzuführen. Dieses Instrument wird bei den Bezirksregierungen erprobt, die bekanntlich meiner Dienstaufsicht unterstehen. Auch wegen der starken Bezüge zur kommunalen Aufgabenwahrnehmung ist dieses Projekt in meinem Ressort bestens aufgehoben.
Mein Ressort war schließlich schon bisher zuständig für übergreifende Projekte der Personalentwicklung und für den Reformarbeitsmarkt. Auch hier hat sich herausgestellt, dass die Verknüpfungen mit der Verwaltungsreform so eng sind, dass eine Zusammenlegung dieser Aufgaben in einer Hand geboten war.
Daneben bleibt das Finanzministerium im Rahmen der Staatsmodernisierung bzw. der Verwaltungsmodernisierung aus der Natur der Sache heraus für die betriebswirtschaftlichen und haushaltsrechtli
chen Bestandteile der neuen Steuerungsmodelle - ich nenne hier nur beispielhaft die KostenLeistung-Rechnung, die Budgetierung und das Controlling - zuständig. Ich glaube nicht, meine Damen und Herren, dass irgendjemand in diesem Hause ernsthaft die Auffassung vertritt, das Finanzministerium sei hierfür nicht das richtige Ressort.
Die Steuerung des Gesamtprozesses der Staatsmodernisierung, die ressortübergreifende Aufgabenkritik und die Durchführung von Diskursprojekten bleiben weiterhin in der Staatskanzlei angesiedelt. Hinzu gekommen sind neue Aufgaben wie die Umsetzung des Gender-Mainstreaming-Ansatzes im Reformprozess und die länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Erledigung von ressortübergreifenden Aufgaben. Dies alles sind Aufgaben, in denen die ressortkoordinierenden Aspekte so offenkundig sind, dass sich eine Zuordnung zur Staatskanzlei aufdrängt.
Diese Aufgabenstellung macht deutlich, dass der Beauftragte für Staatsmodernisierung auch weiterhin wichtige und hervorgehobene Aufgaben und Kompetenzen wahrnimmt. Die gegenteilige Bewertung im Entschließungsantrag der Grünen kann ich nicht nachvollziehen.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist immer für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Beamtinnen und Beamten eingetreten. Diesen Nachweis müssen wir nicht mehr erbringen.