Protocol of the Session on March 15, 2001

(Hagenah [GRÜNE]: Wieso wird das dann beklagt?)

Im Zuge der Regierungsumbildung vom Dezember letzten Jahres galt es auch, die Schwerpunkte und Aufgaben einiger Ressorts neu zu schneiden und an die inhaltlich neuen Ziele der Ministerinnen und Minister anzupassen. Außerdem machten in einigen Fällen fachliche Bewertungen diese Änderungen erforderlich. Um die Landesregierung schnell auszurichten und arbeitsfähig zu machen, ist in diesem Fall der Weg gewählt worden, über eine Organisationsentscheidung Aufgaben und Personal unmittelbar umzugliedern; dies auch nur, sofern es sich um geschlossene Organisationseinheiten handelte.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

In den übrigen Fällen, sofern es sich um Einzelpersonen und deren Aufgaben handelte, wurde der Weg der Abordnung oder der Versetzung gewählt. Ob der von uns beschrittene Weg ein Verstoß gegen die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen darstellt, wird gegenwärtig in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geprüft.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir noch einen Hinweis: In einem Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Personalräte und der betroffenen Ressorts hat der Ministerpräsident diesen angeboten, dass mögliche problematische Einzelfälle so behandelt werden sollten, als ginge es um Abordnungen und Versetzungen. Niemand sollte durch die gewählte Form der Entscheidung in seinen individuellen Erwartungen, z. B. im Rahmen von begonnenen Auswahlentscheidungen oder Beförderungsmaßnahmen, negativ betroffen werden.

Zum letzten Punkt des Entschließungsantrags: Die Staatskanzlei hat die vorrangige Funktion, die Arbeit der Ressorts zu koordinieren. Daneben werden dort politisch gewichtige Aufgaben, die einer unmittelbaren Steuerung durch den Ministerpräsidenten bedürfen, angesiedelt. Die Art und Intensität, wie diese Funktion der Staatskanzlei wahrgenommen werden soll, unterliegt vorrangig der Einschätzung durch den Ministerpräsidenten. Es handelt sich um eine Frage der politischen Zielsetzung und des Controlling ihrer Umsetzung. Dies kann nicht allein an Grundsätzen der Organisationstheorie gemessen werden. Die so genannte Ressortkoordinierung der Staatskanzlei schafft die Voraussetzungen für die Arbeit des Ministerpräsidenten. Ihre Funktionsfähigkeit liegt im unmittelbaren Interesse der gesamten Landesregierung. Je schneller und präziser der Ministerpräsident informiert wird und je schneller und präziser die Ressorts umgekehrt über Auffassungen und Zielsetzungen unterrichtet werden, umso besser. Wir müssen bei allen Sparnotwendigkeiten Sorge tragen, dass die Funktionsfähigkeit gegeben ist. Darum geht es der Landesregierung. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Schönen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, Herr Kollege Wulff hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich gerade noch einmal vergewissert, ob Herr Bartling in seiner Rede auch nur einen einzigen plausiblen Grund dafür genannt hat, dem Antrag der Grünen in allen vier Punkten nicht zuzustimmen. Wir haben nicht einen einzigen Grund gehört, warum das, was die Grünen beantragen, nicht zutrifft.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Es zeigt sich damit erneut, dass die Ankündigung, die Verwaltung effektiver, bürgernäher zu machen, sie zu modernisieren, nichts als leeres Gerede seitens des Ministerpräsidenten ist. Das hat sich durch die Stellungnahme des Präsidenten des Landesrechnungshofs deutlich gezeigt.

Der Präsident des Landesrechnungshofs ist der bisherige Staatsmodernisierer. Wenn der Ihnen in allen Punkten zu dem, was der Ministerpräsident gemacht hat, erklärt „Das ist verfassungswidrig, das ist unökonomisch, das ist unsinnig und wird zu Kompetenzrangeleien führen“, dann zeigt das, dass hier ein Ministerpräsident am Werke ist, der sich den ganzen Tag über um sich selbst und seine Wirkung kümmert, der sich aber für das Land und die Landesverwaltung überhaupt nicht interessiert,

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der GRÜNEN)

wie wir an dem sehen können, was er macht. Wenn er meint, er könne alles besser, könne alles alleine, er müsse die Minister kontrollieren, wenn sich Minister händeringend an die Journalisten wenden und bitten müssen „Schreibt doch mal darüber, dass er uns noch mehr Leute abziehen will in seine Staatskanzlei“, dann ist doch der Punkt erreicht, an dem das Parlament sagen muss: Lieber Gabriel, du überziehst, du gehst zu weit, du gehst nicht nur über die SPD-Fraktion hinweg, du gehst mit der Dampfwalze über das Land hinweg, und das wollen wir in diesem Land nicht!

(Starker Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN - Lachen bei der SPD)

Der Landesrechnungshof nennt in seiner Stellungnahme das, was Sie tun, nämlich die Aufgaben jetzt zum Teil ans Innenministerium abzugeben, sie zum Teil in der Staatskanzlei mit dem Staatsmodernisierer und dessen Vertreter zu belassen, sachlich unbegründet und Kompetenzprobleme vorprogrammierend. Der Landesrechnungshof sagt zu der Planung, die Raumordnung und Landesentwicklung an die Staatskanzlei abzugeben, dass hier nahegelegen hätte, die Aufgaben zu bündeln, sie im Innenministerium zusammenzufassen, damit man wirklich mit schlanker Organisationsform an einer Stelle alle Verantwortlichkeiten hat, nicht aber an mehreren Stellen unterschiedliche Verantwortlichkeiten mit all den Kosten, Personalstellen und den Brüchen, die dann im Verwaltungshandeln auftreten. Das sagt Ihnen der Rechnungshof in beeindruckender Deutlichkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt entstehen in den betroffenen Ministerien wieder neue Kleinstabteilungen und werden neue Referate geschaffen. Es wird gegen alle selbstgesetzten Organisationsgrundsätze verstoßen, die man sich im Rahmen der Verwaltungsreform gesetzt hat. Was nützen aber Grundsätze, die man aufstellt, wenn sie bereits bei der ersten Nagelprobe übergangen werden? Was nützen Grundsätze, wenn man sie propagiert und dann das Gegenteil der eigenen Grundsätze in der tatsächlichen Politik umsetzt?

Ich zitiere jetzt Herrn Gabriel, den heutigen Ministerpräsidenten. Seien wir jetzt einmal fair und ehrlich miteinander: Den kannte 1996 niemand.

(Zurufe von der SPD)

- Wie Sie sich hier aufführen! Da gilt der alte Grundsatz: Benehmen ist Glücksache. Sie haben in den letzten Tagen und Wochen eine dauerhafte Pechsträhne.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich zitiere jetzt - auch wenn Sie das heute aufregen mag - Ihren Ministerpräsidenten von vor vier Jahren.

(Biel [SPD]: Herr Wulff, lesen Sie mal in den Protokollen nach, ob Sie immer ein ganz artiger Abgeordneter gewesen sind! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

- Nun bestätigen Sie doch nicht meine Aussage, dass Sie gerade Pech haben!

(Zustimmung bei der CDU)

Ich zitiere jetzt den Ministerpräsidenten. Herr Gabriel sagt:

„Es ist eine schlichte Wahrheit jeder Verwaltungsreform: Je größer die Zahl der Ministerien, Abteilungen, Referatsgruppen und Referate ist, umso mehr wird die dort zu erledigende politische Führungsarbeit ausdifferenziert. Sie wird bürokratischer, schwerfälliger und teurer, selten aber besser.“

Dem haben wir nichts hinzuzufügen. Das ist genau korrekt. Sie tun aber das Gegenteil dessen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Dann sagte Herr Ministerpräsident Gabriel, als er noch Abgeordneter war und als er noch auffallen - und nicht, wie später, umfallen - wollte:

„Eine moderne und schlanke Landesregierung kann auch von sieben Ministern erfolgreich geführt werden.“

Jetzt, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, machen Sie den Abgeordneten Wolfgang Senff zum Europaminister, obwohl nach Meinung des Landesrechnungshofs ein Staatssekretär oder Abteilungsleiter Gleiches hätte verantworten können.

(Beifall bei der CDU)

So Dankbarkeit für Steigbügelhalter nach der Glogowski-Affäre auf Kosten des Steuerzahlers zu belohnen, ist unverantwortlich. Das ist das Gegenteil dessen, was wir brauchen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Wir erwarten, dass Sie den Verstoß gegen Artikel 37 der Verfassung rückgängig machen, dass Sie aus dem Gutachten Konsequenzen ziehen und dass Sie endlich damit anfangen, Doppelarbeit durch Spiegelreferate zu vermeiden, dass Sie nicht im Detail steuern wollen, dass Sie sich auf Richtlinienkompetenz beschränken und nicht Management by Homecomputer machen, dass Sie auf Vertrauen und Führung setzen statt auf Misstrauen und Ausführung. Sie können nicht ständig Frau

Jürgens-Pieper und andere beim Friseur überraschen, sondern Sie müssen irgendwann auch mal akzeptieren, dass die Minister einen eigenen Verantwortungsbereich haben, für den sie hier geradezustehen haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Ich zitiere jetzt aus dem Papier Gabriel/Oppermann. Wir haben das noch bei uns liegen, während andere das schon längst verbuddelt haben. Der spätere Ministerpräsident Gabriel schrieb damals:

„Wir haben zwar kein Geld mehr für Naturschutzprojekte, aber Personal für so genannte Spiegelreferate in Ministerien, die dazu neigen, die Arbeit anderer Ministerien zu überwachen, scheinen wir immer noch zu haben.“

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wer so etwas schreibt, der muss - wenn Frau Goede den Ausdruck gestattet - auf Schizophrenie untersucht werden. Man kann doch nicht vor vier Jahren die richtige Überzeugung haben und jetzt hier das Gegenteil behaupten. - Da muss selbst Herr Wegner lachen, wenn ich das hier richtig beobachte.

Besonders empörend für uns ist, dass in diesen Tagen im Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungsgesetz über mehr Beteiligung, mehr Mitwirkung, über Einbringung von Beschäftigten geredet wird und dann diese Entscheidungen innerhalb von Stunden übers Knie gebrochen werden, ohne mit einem gesprochen zu haben, um einfach zu beweisen: Man ist beratungsresistent. Die Leute, die in der Landesverwaltung Ahnung haben, interessieren den Ministerpräsidenten überhaupt nicht. Er weiß es, und er macht es. - Leider macht er es falsch. Das ist die Tragödie, die wir zu beklagen haben.

(Starker Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Das ist nahezu wie bei Ludwig dem XIV.: L’Etat c‘est moi - der Staat bin ich. So wird der Staat zur Beute gemacht. Ich, der MP, weiß genau, wie es kommen muss, und so mache ich es dann halt, die anderen haben das zu ertragen und hinzunehmen.

(Plaue [SPD]: Das ist so etwas von komisch, Herr Kollege, Sie sollten bei Louis de Funès auftreten! - Weitere Zurufe von der SPD)

Sie sollten auch mal die modernen Möglichkeiten der Informationstechnik nutzen und nicht weiter fusionieren und konzentrieren, sondern Sie sollten mal dezentralisieren. Sie sollten die Bezirksregierungen nicht aufblähen und zu anonymen Regulierungs- oder Regionalbehörden machen, sondern Sie sollten mal den Landkreisen, der kommunalen Ebene, mehr Aufgaben und Verantwortung zuweisen, statt immer weiter oben die Wasserköpfe zu schaffen.

Die Staatskanzlei kam 1989 mit 131 Stellen aus. Heute sind es 244, und Sie wollen mindestens zehn weitere Stellen in der Staatskanzlei schaffen. Damit gehen Sie ab von Staatsmodernisierung und Verwaltungsreform.

(Möllring [CDU]: Dann brauchen wir ja wirklich einen Neubau!)

Es ist einfach ein Hohn, zu erklären, Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen hätten größere Staatskanzleien. Meine Damen und Herren, wenn wir deren Verschuldung, deren Beschäftigungssituation und deren Erfolge hätten, dann könnten wir auch über solche Staatskanzleien reden. Wenn ich ein Unternehmen habe, das Schwierigkeiten aufweist, dann wird das Unternehmen nicht dadurch erfolgreich, dass ich mir das große Auto dessen anschaffe, der ein erfolgreiches Unternehmen hat. Das ist die Unlogik in Ihren Plänen.