Protocol of the Session on March 14, 2001

Das bringt keinen einzigen neuen Auftrag. Frau Ministerin, Sie mögen sich noch so sehr darum bemühen, in Niedersachsen faire Wettbewerbsbedingungen zu erreichen – was die Bauwirtschaft zuvörderst braucht, ist Geld für Investitionen; denn nur das bringt Aufträge. Da hilft die Frage, wie wir die 2,50 DM, die noch zu vergeben sind, in unserem Land ganz gerecht verteilen, nicht weiter.

(Beifall bei der CDU)

Wir stellen in allen Bereichen sehr starke Auftragseinbrüche fest, und das gilt auch in diesem Jahr noch. In diesem Jahr ist – das sagen die Experten voraus – mit Einbrüchen in der Bauwirtschaft um bis zu einem Drittel zu rechnen. Nachdem wir bereits in den letzten Jahren eine erhebliche Zahl von Arbeitsplätzen in diesem Bereich verloren haben, ist es dringend notwendig, der Bauwirtschaft eine Perspektive zu geben. Dazu sollten alle Instrumente, die dafür geeignet sind, herangezogen werden. Meine Damen und Herren, wir sollten den größten Wirtschaftszweig in unserem Lande auch ohne schlechtes Wetter nicht im Regen stehen lassen. Reichen Sie der Bauwirt

schaft den Sonnenschirm, damit sich die Leute im Sommer, wenn sie pflichtgemäß auf der faulen Haut liegen, weil sie keine Aufträge haben, nicht noch die Haut verbrennen!

(Beifall bei der CDU – Beckmann [SPD]: Das war eine freie Rede von Herrn Decker!)

Damit ist die Besprechung zum zweiten Thema der Aktuellen Stunde beendet.

Wir kommen zu

c) Mehr Wettbewerb auf der Schiene - Neue Weichenstellung durch die Bundesregierung - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/2315

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schurreit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind an einer historischen Wende in der Bundesverkehrspolitik beteiligt. Insofern haben wir in unserem Antrag, über den wir uns wohl auch einig sind, deutlich gemacht, dass mehr Wettbewerb auf der Schiene gleichzeitig eine neue Weichenstellung in der Bundesverkehrspolitik bedeutet, die in ihrer Tragweite gar nicht ausreichend bewertet werden kann.

Ich bin der Meinung, dass diese Entscheidung, nämlich ganz konkret eine Trennung zwischen Netz und Schiene vorzunehmen, auch reif gewesen ist.

(Zustimmung von Plaue [SPD])

Sie ist angesichts der heutigen Realität notwendig; denn die Bahn – das muss ich schon sagen – ist ihrem Anspruch, eine Kundenbahn zu sein, in keiner Weise gerecht geworden. Mit dieser Vision, die Bodewig auf einem grünen Bundesparteitag dargestellt hat – da besteht wohl ein übergreifender Konsens –, haben wir eine Chance, da weiterzukommen.

Zunächst möchte ich doch noch einmal einige Fakten deutlich machen, die zeigen, warum es so wichtig ist, diesen Schritt, nämlich die Trennung von Netz und Schiene, zu gehen.

Erstens. In der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung ist, was die Schiene anbetrifft, ohne Zweifel ein unwahrscheinlich hoher Nachholbedarf erzeugt worden – das ist wohl auch bei den Christdemokraten unbestritten –, weil man über Jahre hinweg immer wieder zu wenig in das Schienennetz investiert hat. Ich möchte nur die Zahlen für 1996, nämlich 6 Milliarden DM, und 1997, nämlich 6,5 Milliarden DM, in Erinnerung rufen; benötigt hat die Bahn aber immer 9 Milliarden DM oder 10 Milliarden DM. Das hat sich am Ende gerächt. Das Schienennetz ist marode. Es gibt Langsamfahrstrecken in einer Größenordnung, die nicht erträglich ist, die wir wohl auch alle gemeinsam nicht akzeptieren.

Eine zweite Bemerkung. – Der Bundesverkehrswegeplan ist – ich kann nicht aufhören, immer wieder darauf hinzuweisen – über Jahre hinweg mit mehr als 80 Milliarden DM unterfinanziert gewesen. Maßnahmen, die als notwendig erachtet worden sind, auch in vorrangiger Priorität, sind nicht realisiert worden. Insofern war es eine Verpflichtung für uns und für die neue Bundesregierung, diese Erblast endlich abzuräumen.

(Zustimmung von Plaue [SPD])

Eine dritte Aussage. – Aus den UMTS-Milliarden können wir jeweils 2 Milliarden DM pro Jahr, in den nächsten drei Jahren also 6 Milliarden DM, zweckgebunden für die Verbesserung der Schieneninfrastruktur und auch der Straßeninfrastruktur einsetzen. So etwas geschieht ja nicht Jahr für Jahr, und das ist eine riesige Chance. Wir müssen uns noch Gedanken darüber machen, wie das kurzfristig praktisch umgesetzt werden soll, auch unter dem Gesichtspunkt dessen, was hier eben schon anklang, nämlich Stützung der Baukonjunktur.

Einen vierten Fakt möchte ich auch noch einmal deutlich machen. – Auf der Schiene fährt im Personenverkehr und auch im Güterverkehr beinahe zu 100 % die Bundesbahn. Das heißt: Es gibt keine Möglichkeit für Dritte, auf der Schiene sozusagen diskriminierungsfrei eigene Angebote zu machen, was aber notwendig wäre.

(Unruhe)

Unsere Volkswirtschaft ist auf eine Konkurrenzsituation angewiesen. Erst dann gibt es eine Senkung der Preise, eine Verbesserung des Angebots und eine bessere Chance des Umsteuerns.

(Vizepräsident Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Pällmann-Kommission hat uns deutlich gemacht, dass wir in den nächsten Jahren bis 2015 im Personenverkehr mehr als 25 % und im Gütertransport mehr als 60 % Zuwachs zu gewärtigen haben. Wir müssen also eine Antwort auf die Frage geben, in welcher Weise wir dies organisieren. Bodewig hat sehr deutlich gemacht, dass er sich vorstellen kann, die Probleme der Zukunft, was Wasserweg, was Schienenweg, was Straße anbetrifft, in einer Finanzierungsgesellschaft, aus einem gemeinsamen Pool, zu lösen. Die Finanzierungsgesellschaft – das ist wohl auch schon gemeinsam angedacht worden – kann mit privatem Geld aufgefüllt werden. Man kann Akquisition betreiben insofern, als man eine staatliche Zielorientierung formuliert, aber privates Geld mit einbindet. Diese Finanzierungsgesellschaft kann für Maßnahmen in allen Bereichen - Wasserweg, Schiene, Straße – eingesetzt werden.

Bodewig hat auch sehr deutlich gemacht, dass wir ab dem Jahr 2003 eine nutzerbezogene Schwerlastabgabe für den Transport von Gütern auf der Straße kassieren werden, die in einer Größenordnung von ca. 2,8 Milliarden DM bis 3 Milliarden DM eine weitere kontinuierliche Auffüllung dieses Finanzierungspools möglich machen kann.

Summa summarum: Mit der angestrebten Trennung von Netz und Schiene bekommen wir in der Zukunft mehr Wettbewerb, was wir begrüßen und was wir alle auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger wollen.

(Glocke des Präsidenten)

Wir werden eine kostengünstigere Struktur insgesamt haben. Wir werden auch einen schnelleren Verkehr auf den bestehenden Strecken insgesamt vorfinden. Es ist schlicht eine zukunftsgerichtete Neuorientierung der Bundesverkehrspolitik. In dem Sinne bitte ich Sie, dass wir uns in diesem Parlament auch in der Zukunft einig darüber sind, dass wir vor allem die niedersächsischen Interessen, was die Schiene, den Wasserweg und die Straße angeht, auf einer gemeinsamen Linie vertreten. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin Dr. Knorre, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung stimmt mit der SPD-Fraktion voll darin überein,

(Hagenah [GRÜNE]: Das ist aber ein Glück! – Frau Pothmer [GRÜNE]: Das ist eine große Überraschung!)

dass die durch den Bundesverkehrsminister angekündigte Trennung von Netz und Betrieb einen Paradigmenwechsel in der Politik für die Schiene darstellt. Die Landesregierung begrüßt diese Position des Bundesverkehrsministers ausdrücklich.

(Beifall bei der SPD)

Der Bundesverkehrsminister hat zu Beginn seiner Amtszeit vorsichtig zu erkennen gegeben, dass er dieses Thema sehr offen diskutieren wird. Die Landesregierung hat von Anfang an diese Linie unterstützt. Wir begrüßen also, dass es eine klare Aussage zur Grundsatztrennung von Netz und Schiene gegeben hat und jetzt die Prüfung anläuft, in welchen konkreten Umsetzungsschritten das vollzogen werden kann.

Warum sind auch wir für mehr Wettbewerb auf der Schiene? - Es sind zwei Punkte, die wir immer im Blick haben müssen. Erstens versprechen wir uns davon natürlich zunächst einmal eine echte Angebotsverbesserung für die Bahnkunden. Mehr Wettbewerb führt zu einer Verbesserung des Angebotes, wie wir am Beispiel der Nord-West-Bahn in Niedersachsen exemplarisch sehen können. Der zweite Punkt ist natürlich aus Sicht des Landes als Besteller von solchen Verkehrsdienstleistungen interessant: Wir wollen ein besseres PreisLeistungs-Verhältnis haben, wenn wir mit Wettbewerbern reden können.

(Beifall bei der SPD)

Um es vereinfacht zu sagen: Wir wollen mehr Leistung für unser Geld. Deswegen ist für uns der Wettbewerbsgedanke so wichtig.

Jetzt läuft der Prozess der Prüfung, wie die Trennung von Netz und Betrieb konkret umgesetzt werden kann. Das wird etwa bis zum Jahre 2004 dauern, ehe das umgesetzt werden kann. So lange

können wir nicht einfach nur warten, sondern wir werden weiter darauf dringen, dass der diskriminierungsfreie Zugang zum Netz so weit wie möglich schon jetzt realisiert werden kann. Deswegen begrüße ich ausdrücklich auch die Überlegungen des Bundesverkehrsministers, schon in der Zeit bis zur konkreten Umsetzung der Trennung von Netz und Betrieb hinsichtlich des Netzzugangs und der Trassenpreise Schritte einzuleiten mit dem Ziel, dass wir mit faireren Wettbewerbsbedingungen arbeiten können.

Auch Niedersachsen wird die Zeit nicht ungenutzt lassen. In der Zwischenzeit werden auch wir unseren Kurs fortsetzen und das, was wir für mehr Wettbewerb auf der Schiene machen können, tun. Unser Ziel ist es, zwei bis drei Wettbewerber für die DB AG in Niedersachsen zu haben. Dazu werden wir attraktive Strecken im Lande ausschreiben. Dies tun wir gerade. Wir fordern Wettbewerber der Deutschen Bahn AG auf, Angebote abzugeben. Wir tun dies nicht nur für irgendwelche Randstrecken, sondern auch für attraktive Strecken, beispielsweise für die Strecken Hamburg – Uelzen und Hamburg – Bremen. Ich verspreche mir davon, dass wir dadurch schon jetzt Zeichen für mehr Wettbewerb setzen können und nicht auf die Bundesentwicklung warten müssen.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine, Niedersachsen hat Mittel und Instrumente, die Schiene attraktiv zu machen. Wir werden, auch wenn es für die DB AG ungewohnt ist, auf einmal mit Wettbewerbern leben zu müssen, diese Linie konsequent weiter verfolgen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Knorre. - Herr Kollege Wenzel, Sie haben das Wort für bis zu zweieinhalb Minuten.

(Wenzel [GRÜNE]: Wie lange?)

Zwei Minuten und 31 Sekunden!

(Wenzel [GRÜNE]: Mehr nicht?)

Sie können mit mir auch nicht handeln. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich über den Mut, den der Verkehrsminister und der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag bewiesen haben. Wir stehen vor einer einschneidenden Reform. Erstmals geht ein Verkehrsminister daran, die Fehler der Bahnreform, die es bei einem solch großen Reformvorhaben natürlich gibt, zu korrigieren. Ich freue mich, dass die Trennung von Netz und Betrieb und vor allem die Nutzerfinanzierung angekündigt wurden. Das wird erhebliche Veränderungen mit sich bringen und ein großer Schritt nach vorne sein. Aber das wird noch lange nicht der Durchbruch sein. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Chancengleichheit für die Bahn. Es sind hohe Investitionen notwendig, um allein 4 000 Stellwerke, die älter als 40 Jahre sind, auszuwechseln. Es gibt 3 000 Langsamfahrstellen - stellen Sie sich das einmal auf den Autobahnen vor! –,

(Möllring [CDU]: Das haben wir doch! Sie müssen einmal auf der Au- tobahn fahren!)

und es müssen mehr als 30 000 von 100 000 Weichen saniert werden. Ich freue mich auch, dass es, entgegen den Nachrichten, die heute durch die Presse gegangen sind, im Vorfeld dieser Diskussion auch mit Herrn Mehdorn hinsichtlich der Veränderungen im Aufsichtsrat und dieser Frage offenbar eine Verständigung gegeben hat. Ich hoffe, dass es tatsächlich so ist, weil ich finde, dass es wichtig ist, in dieser Frage auch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bahn an einem Strang zu ziehen.