(Dr. Schultze [SPD]: Wo kommen die denn wohl her? Wer hat das alles verlottern lassen? – Beckmann [SPD]: 16 Jahre lang!)
Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat in der vergangenen Woche die Einsatzbereitschaft und damit die Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland massiv in Zweifel gezogen und dies einerseits mit der Bundeswehrreform und andererseits mit den bis an die Grenze gehenden Belastungen im Kosovo und in Bosnien begründet. Das, meine Damen und Herren, ist auch für uns in Niedersachsen ein höchst bedenkliches Signal; ich werde gleich noch näher darauf eingehen.
Hinzu gerechnet werden müssen sämtliche Personalkosten der Bundeswehr. Hinzu gerechnet werden muss eine Deckungslücke von 7 Milliarden DM für 180 Euro-Fighter. Hinzu gerechnet werden muss die Deckungslücke für das Transportflugzeug der Bundeswehr, das noch angeschafft werden soll. Meine Damen und Herren, ich persönlich habe immer geglaubt, dass es länger dauern würde, bis Sie die Bundeswehr vor die Wand gefahren haben. Über diesen Zustand sind wir inzwischen hinaus.
(Zustimmung bei der CDU - Möhr- mann [SPD]: Das müssen Sie aber in Berlin diskutieren, Herr Kollege! Da müssen Sie in den Bundestag einzie- hen!)
Selbst der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck fordert jetzt ein Programmgesetz. Das müsste Sie eigentlich aufhorchen lassen. Er traut seinem eigenen Bundesverteidigungsminister nicht mehr.
Man muss sich das einmal vorstellen! Jetzt wird darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht sinnvoll wäre, den Dollarkurs auszunutzen. Eingestellt worden ist in den Verteidigungshaushalt damals ein Kurs von 2,19 DM. Im Moment liegt er aber bei 2,09 DM. Das könnte in diesem Jahr immerhin noch zu einer Einsparung in Höhe von 5 Millionen DM führen. Nicht eingerechnet sind mögliche Kursschwankungen bis zum Ende des Jahres. Aber das mag ein Geheimnis des Bundesverteidigungsministers sein.
Aber es kommt noch viel schlimmer, Herr Dr. Domröse. Geräte, Kettenfahrzeuge, Flugzeuge oder was auch immer, so der Bundesverteidigungsminister, könnten von Verbänden, die außer Dienst gestellt würden und aufgelöst würden, jetzt ja nicht mehr genutzt werden und bräuchten nicht mehr gewartet zu werden.
In den Kasernen, in den Liegenschaften, die unsere Kommunen erwerben sollen, sollen Milliardeninvestitionen einfach mal so vor sich hin rosten. Wenn das der richtige Weg sein soll!
wenn es sich - das ist richtig - um bundespolitische Themen handelt, von höchstem Interesse. Jetzt will ich Ihnen ganz genau erklären, warum.
Erstens. Eine hoffnungsvoll in Aussicht gestellte großartige Gegenfinanzierung Ihres Minikonversionsprogramms für Niedersachsen wird kaum zu erreichen sein. Aber das fordern wir hier von Ihnen ein.
Sie müssen alles unternehmen, damit der Bund mit einer vernünftigen Gegenfinanzierung auch eine entsprechende Kompensation in Niedersachsen schafft. Das ist angesichts von UMTSLizenzerlösen in Höhe von mehr als 100 Milliarden DM auch möglich.
Zweitens. Der Bund braucht Geld. Er braucht sehr viel Geld. Das heißt: Die Kommunen in Niedersachsen werden die Kasernenanlagen nicht mal eben so geschenkt bekommen, wie das die Grünen in ihrem Antrag schreiben, so nach dem Motto „verbilligt abgeben“. Ganz so wird es nicht funktionieren. Der Bund wird jetzt leider feilschen, weil er eben dieses Geld braucht. Aber wir erwarten, dass die Bundesregierung den betroffenen Kommunen in Niedersachsen bei der Vergabe, bei der zukünftigen Weitergabe der Kasernenliegenschaften entsprechende Unterstützung leistet.
Meine Damen und Herren, das Ende der Fahnenstange – das ist eine Befürchtung – ist nicht erreicht. In absehbarer Zeit werden wir erneut über die Wehrpflicht debattieren, und wir werden das alte Ziel der SPD, nämlich die 200 000-MannArmee in Deutschland, erneut diskutieren. Ich befürchte: Das wird schon in gar nicht allzu langer Zeit auch wieder mit Standortreduzierungen in Niedersachsen einhergehen.
Vielleicht für alle zu guter Letzt noch ganz wenige Zahlen. Deutschland hat im Verhältnis zu seinen Verbündeten nicht zu viele Soldaten. Mit Stand 1999 kamen auf 1 Million Einwohner in Frankreich 6 078 Soldaten, in den USA 5 173 Soldaten, in Italien 5 153 Soldaten, und in Deutschland werden es nach der Reform 3 400 Soldaten sein.
(Zuruf von der [CDU]: Hört, hört! – Dr. Domröse [SPD]: Wir werfen auch keine Bomben auf unsere eigenen Be- obachter! – Unruhe)
Lassen Sie mich zum Schluss vielleicht etwas Allgemeines, vielleicht auch Nachdenkliches, jedenfalls mir persönlich sehr Wichtiges sagen. – Was unserem Land fehlt, Herr Dr. Domröse, und durch, wie ich finde, eine sehr kurzsichtige und vielleicht auch wenig professionelle Sicherheitspolitik noch gefördert wird, ist eine ernsthafte Debatte darüber, was uns unsere Sicherheit in unserem Land überhaupt noch Wert ist.
Es gehört zur außen- und sicherheitspolitischen Normalität des größten Nato-Landes in Westeuropa, denke ich, dass wir Streitkräfte haben, dass diese ein Machtinstrument sind, dass wir diese vorhalten müssen, um entsprechendes Gewicht auf der weltpolitischen Bühne zu haben, um Entschlossenheit und Stärke auch tatsächlich demonstrieren zu können und auch zu wollen. Das internationale Gewicht unseres Landes wird sich trotz Globalisierung und E-Commerce auf lange Sicht noch aus der Kombination politischer, wirtschaftlicher und militärischer Macht ergeben.
Im Rahmen der Europäischen Union haben wir uns immer zu Mehraufgaben verpflichtet. Mich macht erschrocken – mein letzter Satz -, wie leichtfertig diejenigen, die noch 1994 im Zusammenhang mit AWACS-Einsätzen und Marineunterstützung in der jugoslawischen Adria von Interventionsarmee und Nato-Imperialismus gesprochen haben, heute über die Interventionsfähigkeit der deutschen Bundeswehr mal eben lamentieren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Rede des verteidigungspolitischen Sprechers der Opposition im Stadtrat von Lüneburg
habe ich immer darauf gewartet, dass er die Kurve kriegt und zum Landesbezug kommt. Ich habe aber festgestellt, dass er gar keine Kurve kriegen wollte, um zum Landesbezug zu kommen, sondern er wollte uns das vortragen, was er auf der Heeresoffiziersschule oder wo auch immer irgendwann einmal gehört hat.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich gleich zu Beginn meiner Rede etwas betonen, was eigentlich alle Demokraten in diesem Hause einigen müsste. Die sicherheitspolitische Lage in Mitteleuropa hat sich grundlegend verändert, und weil sie sich verändert hat, müssen wir reagieren. Ich sage: Meine Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass sich die sicherheitspolitische Lage verändert hat.
Meine Damen und Herren, wenn man sich mit Bundeswehrangehörigen auseinandersetzt - das mache ich sehr häufig -, dann gewinnt man ganz schnell den Eindruck, dass ein breites Einvernehmen darüber besteht, dass die Bundeswehr modernisiert und ihre Struktur den neuen Gegebenheiten angepasst werden muss.
Nur mit einer neuen Struktur wird die Bundeswehr ihren künftigen Aufgaben auf der Grundlage der sicherheitspolitischen Verpflichtungen im Bündnis und in Europa gerecht werden. Weil das so ist, meine Damen und Herren, ist völlig unumstritten, dass dazu eine organisatorische und personelle Neuausrichtung der Bundeswehr notwendig ist. Wenn ich die bisherigen Reden von Herrn Althus
mann zu diesem Thema würdige, dann muss ich davon ausgehen, dass die Union den weiteren personellen Aufbau und nicht den personellen Abbau der Bundeswehr will.