Protocol of the Session on February 23, 2001

(Unruhe)

dann frage ich mich natürlich: Wo bleibt der Anreiz, wirklich etwas zu verändern, so etwas wie diese Agrarwende dann auch einzuleiten? – Wir müssen hier wirklich sehr darauf achten, dass Hilfen für die betroffenen Betriebe auch immer einhergehen mit Maßnahmen, die zur Umstellung in der Tierhaltung, zur Umstellung des Gesamtsystems beitragen, damit nicht alles so weiter geht wie bisher – nur mit dem Unterschied, dass der Staat sämtlicher Löcher füllt. – Ganz abgesehen von den doch noch sehr vagen Finanzierungsvorschlägen des Kollegen gibt es aus meiner Sicht auch noch keinen richtigen Deckungsvorschlag dafür.

Ich möchte hier noch einmal das Stichwort Kohortentötung ansprechen, weil Sie es auch so betont haben, Herr Kollege. Ich bitte Sie noch einmal, diesbezüglich den Landwirten nicht falsche Versprechungen zu machen und sie auch nicht in falschen Hoffnungen zu wiegen. Da beziehe ich mich auch auf das, was Sonnleitner, Niemeyer und andere sagen. Wir können die Kohortenlösung erst dann umsetzen, wenn wir den Test am lebenden Tier haben,

(Frau Hansen [CDU]: Hat die Schweiz auch noch nicht!)

wenn wir Klarheit über die Übertragungswege haben. Solange wir das nicht haben, gilt doch nach wie vor, dass alle Tiere, die das gleiche Futter bekommen haben, dass alle Tiere, die im gleichen Stall gestanden haben, dass alle Tiere, die auf der gleichen Weide gestanden haben, möglicherweise eben auch betroffen sein können.

(Biestmann [CDU]: Unverständlich, dass die Grünen so eine Position ein- nehmen!)

Sie können das jedenfalls heute nicht ausschließen.

(Frau Hansen [CDU]: Tun wir auch nicht!)

So lange – das sollten wir dann auch ehrlicherweise sagen – kommen wir um die Schlachtung, um die Tötung ganzer BSE-Bestände nicht herum. Hören Sie auf, den Landwirten

(Frau Pothmer [GRÜNE]: Sand in die Augen zu streuen!)

- danke schön – Sand in die Augen zu streuen! Sie tun damit den Landwirten keinen Gefallen, und Sie tun sich selbst damit auch keinen Gefallen, weil Sie letztlich Ihre Glaubwürdigkeit darüber verlieren. – Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Der Kollege Biestmann hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für mich ist unerklärlich, Herr Klein, dass die Grünen in der Frage der Tierethik diese Position einnehmen.

(Zustimmung von Hoppenbrock [CDU])

Es kann nicht wahr sein, dass wir bei Diskussionen um den Verfassungsrang bestimmter Fragen immer die Tierethik nennen, dass wir bei Tierhaltungsverordnungen und Tierhaltungsbestimmungen immer die Tierethik voranstellen, dass wir aber dann, wenn Tiere artgerecht gehalten worden sind, keine andere Lösung finden, als sie zu vernichten und zu verbrennen. Das kann es nicht sein!

(Beifall bei der CDU)

Die Politik muss in der Lage sein, ernsthaft über andere Lösungen nachzudenken. Dass es andere Lösungen gibt, zeigen die Beispiele der Schweiz und Bayerns.

(Klein [GRÜNE]: Die hatten zehn Jahre Vorlaufzeit!)

- Es gibt keine Patentlösungen, Herr Klein, aber es gibt durchaus andere Möglichkeiten. Nach diesen Möglichkeiten suchen Sie nicht,

(Stolze [SPD]: Sie auch nicht!)

und darüber bin ich sehr überrascht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mir weitere umfangreiche Bemerkungen zu BSE verkneifen, weil ich dazu auch nicht mehr die Zeit habe.

Lassen Sie mich jetzt noch einige grundsätzliche Anmerkungen zur Problematik der Tierarzneimittel machen. In der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion wird allzu oft übersehen, dass es in den vergangenen Jahren viele einschneidende Veränderungen in der Landwirtschaft und in der Ernährungswirtschaft gegeben hat. Einschneidende Maßnahmen zur Sicherung der Lebensmittelsicherheit sind von der CDU in Regierungsverantwortung auf den Weg gebracht bzw. aus der Opposition heraus mitgetragen worden. Wir haben uns auch zu der Forschung nach den Ursachen für BSE kritisch geäußert und haben uns dabei zu unserer Politik bekannt.

(Stolze [SPD]: Nennen Sie Beispiele!)

Ich erinnere daran, dass wir Herkunftsnachweissysteme, die Verbesserung der Futtermittel- und der Tierhaltungsverordnungen, der Pflanzenschutzbestimmungen, der Transportrichtlinien und des Düngemittelrechts sowie vieles andere mehr auf den Weg gebracht haben. Es wird weitere Initiativen zur Verbesserung des Verbraucherschutzes und zur Wiederherstellung des Vertrauens unserer Verbraucher in heimische Produkte und zur Bündelung der Kompetenzen für den Verbraucherschutz geben müssen. Dies muss mit einer Ausweitung der staatlichen Kontrollmechanismen in allen gesetzesrelevanten Bereichen der Ernährungswirtschaft einhergehen. Die Devise muss lauten: Wir brauchen gute Gesetze, effektive Kontrollen und harte Strafen. Darüber hinaus muss die Politik mehr Mittel für Wissenschaft und Forschung bereitstellen, damit politisches Handeln nachhaltiger wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir halten den illegalen Einsatz von Antibiotika und Hormonpräparaten in der Tierhaltung für unerträglich.

(Beifall bei der CDU)

Den entsprechenden SPD-Antrag - ich sage das offen -, der darauf abzielt, alle Möglichkeiten zu nutzen, um den Überwachungsdruck zu erhöhen und den Einsatz bestimmter Stoffe auf das Maß medizinisch notwendiger Therapien zu begrenzen,

können wir nur begrüßen. Wir stellen uns im Ausschuss in konstruktiver Weise einer offenen Diskussion. Die CDU hält es für notwendig, den Einsatz der vier verbliebenen Antibiotika in der Prophylaxe bzw. als antibiotische Leistungsförderer so bald wie möglich europaweit zu verbieten.

(Beifall bei der CDU - Klein [GRÜ- NE]: Im nationalen Alleingang?)

- Nicht im nationalen Alleingang! - Wir nehmen die Bedenken der Wissenschaft ernst, dass ein nachhaltiger Einsatz dieser Stoffe als Futterzusatz zur Entwicklung gesundheitsgefährdender Resistenzen im humanmedizinischen Bereich beitragen kann. Hinsichtlich des Einsatzes illegaler Tierarzneimittel, vorwiegend in der Schweinemast, ist meines Erachtens der Begriff Schweinemastskandal zumindest für Niedersachsen nicht haltbar.

(Beifall bei der CDU)

Niedersachsen ist - das hat die Beantwortung der Dringlichen Anfrage gestern hier ergeben - nicht die Drehscheibe für den Handel mit illegalen Tierarzneimitteln in Deutschland.

Die Rückstandsproben bei geschlachteten Tieren gaben landesweit nur in 0,37 % der Fälle Anlass zu Beanstandungen. Ein Beispiel: Im veredlungsstarken Landkreis Vechta betrug der Anteil der Fälle mit Rückständen beim Hemmstofftest nur 0,12 % und bei den erweiterten Rückstandsuntersuchungen bei geschlachteten Schweinen 0,00 %.

Wir halten es für notwendig, darauf zu drängen, dass die Rückstandskontrollpläne zuverlässig nicht nur EU-weit notifiziert werden, sondern auch EUweit Anwendung finden. Dies ist zum Schutze des Verbrauchers unabdingbar.

Wir freuen uns auf eine offene Diskussion über dieses Thema und bringen uns konstruktiv ein. Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Brauns, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Thema haben wir im letzten Plenarsitzungsabschnitt sehr ausführlich beraten.

Allerdings haben Sie von der CDU damals keinen Betrag genannt. Das haben Sie heute getan, indem Sie einen Betrag von 120 Millionen DM genannt haben.

(Kethorn [CDU]: Weil ihr nicht zu Potte kommt!)

Ich komme nachher noch darauf zu sprechen.

Meine Damen und Herren, die BSE-Krise hat die Landwirtschaft und die fleischverarbeitenden Unternehmen in eine existentielle Krise gebracht und zu einer tiefen Verunsicherung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern geführt. Wir müssen alles tun, um die BSE-Krise zu beenden.

Ministerpräsident Gabriel hat in seiner Regierungserklärung zum Thema BSE im letzten Tagungsabschnitt die Situation umfassend beschrieben, Wege aufgezeigt, wie wir aus der Krise herauskommen können und wollen, und ein Finanzierungskonzept vorgelegt.

(Möllring [CDU]: 10 Millionen DM!)

In Niedersachsen sind ca. 4 000 Rindermastbetriebe betroffen. Diese Betriebe sind in der Regel Familienbetriebe und sind unverschuldet in eine schwierige Notsituation geraten. Aber auch die niedersächsische Milchviehhaltung mit ihren mehr als 2 200 Betrieben gerät unter Druck, weil sich die Verwertungsmöglichkeit der Kälber und Alttiere verschlechtert und sie dadurch starke Einbußen hinnehmen müssen. Auch die fleischverarbeitenden Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten geraten zunehmend in Schwierigkeiten. Insgesamt arbeiten in diesen Betrieben ca. 21 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie geraten nun unter Druck und kämpfen um ihre Existenz.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat alle notwendigen Schritte eingeleitet, um allen in Not geratenen landwirtschaftlichen und fleischverarbeitenden Betrieben zu helfen.

(Oestmann [CDU]: Na, na!)

Herr Kollege Brauns, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Möllring?

Nein, ich möchte im Zusammenhang ausführen.