Herr Abgeordneter Stolze, einen Moment bitte! Herr Golibrzuch, Ihre Mitarbeiterin darf nicht auf einem Abgeordnetenplatz sitzen.
Antibiotika dürfen nicht nur nicht in Futtermittelzusatzstoffen, sondern auch nicht bei Prophylaxe, Metaphylaxe oder Therapie für den gesamten Stallbestand verwendet werden. Gegen eine therapeutische Behandlung gibt es nichts einzuwenden, wenn sie nicht sofort die Behandlung des gesamten Bestandes nach sich zieht.
Am 15. November haben wir hier noch von Herrn Ehlen gehört, unser deutsches Rindfleisch sei absolut sicher.
Die Mediziner warnen vor zunehmender Unwirksamkeit von Antibiotika. Resistente Bakterien nehmen zu. Unstrittig ist es, dass Antibiotika, die Schweinen, Rindern und Geflügel verabreicht werden, dieser Entwicklung enorm Vorschub leisten. Ich kann immer nur wieder darauf verweisen, was in diesem Zusammenhang die Wissenschaft sagt.
Die Aussage dazu von Professor Kamphus von der Tierärztlichen Hochschule halte ich für skandalös. Er sagt, die Humanmedizin habe die Gefahren selbst verschuldet. Es mag ja sein, dass in der Humanmedizin zu viel Antibiotika angewendet werden. Dies rechtfertigt aber nicht den Einsatz in der Tiermast, wodurch dieses Problem um ein Vielfaches verschärft wird.
Unsere landwirtschaftlichen Methoden bestimmen die Gesundheit des Menschen. Das Unglück ist nur, dass in allen Ländern der Erde eine hohe Mauer die landwirtschaftliche Fakultät von der
medizinischen Fakultät trennt, sogar wenn es sie beide an derselben Universität gibt. Dies gilt es mit aller Konsequenz zu ändern. Nur dann haben wir in unserer Gesellschaft eine Chance.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Antrag zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und zur Mitberatung an den Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen zu überweisen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche zu dem Antrag der CDUFraktion „BSE-Krise - Soforthilfeprogramm für die niedersächsische Landwirtschaft und die fleischverarbeitenden Unternehmen“. Wir werden in der Aussprache gleich noch aus unserer Fraktion den Kollegen Biestmann und die Kollegin Hansen hören, die Stellungnahmen zu den von den anderen Fraktionen in diesem Zusammenhang eingebrachten Anträgen abgeben werden.
Meine Damen und Herren, die Verbraucher in unserem Land haben Anspruch auf qualitativ einwandfreie und möglichst hochwertige Nahrungsmittel. Der Staat, also Land und Bund, hat durch klare Regeln und strenge Kontrollen sicherzustellen, dass die Vorschriften zum Schutz der Verbraucher strikt eingehalten und Verstöße dagegen mit harten Sanktionen belegt werden. Dabei hat das Vorsorgeprinzip eine große Bedeutung. Nur dann kann übrigens auch Vertrauen in die Güte landwirtschaftlicher Produkte bewahrt bzw. wiederhergestellt werden. Was sich in Deutschland im Zusammenhang mit den ersten deutschen BSEFällen bis heute ereignet hat, geht in vielerlei Hinsicht weit über das hinaus, was aus Gründen der Gefahrenabwehr oder Vorsorge notwendig gewesen wäre.
Es ist eine Massenhysterie entfacht und immer wieder neu geschürt worden, die sich zuerst und am brutalsten gegen diejenigen gerichtet hat, die nicht die Täter, sondern die Opfer in diesem Ge
sondern in besonderer Weise auch viele Politiker, z. B. der Bundeskanzler mit seiner Verurteilung der deutschen Landwirtschaft insgesamt und seiner pauschalen und falschen Gleichsetzung von konventioneller Landwirtschaft und Agrarindustrie.
Es war der Kanzler, der das als Erster gemacht hat, Herr Kollege; es waren nicht die Bauernvertreter.
Das Auftreten von BSE in einzelnen Betrieben hat mit der Struktur und der Größe des jeweiligen Betriebes offensichtlich überhaupt nichts zu tun. BSE trifft, wie wir aus anderen Staaten wissen und wie wir in Deutschland wohl auch bald feststellen werden, sowohl Betriebe, die konventionell arbeiten, als auch so genannte Ökobetriebe.
Eine Versachlichung der Diskussion ist allerdings auch im europäischen Kontext unbedingt notwendig. Agrarpolitik in Deutschland ist nämlich längst europäische Politik mit einheitlichen europäischen Regelwerken, die im nationalen und regionalen Bereich umzusetzen sind. Im europäischen Binnenmarkt kann ich deutsche Produkte von Produkten aus anderen Mitgliedstaaten nicht ohne weiteres abschotten oder gar die Verbraucher vom Verzehr im Ausland erzeugten Fleisches abhalten. Die Verbraucher entscheiden selber nach den Kriterien Preis und Qualität, was sie kaufen wollen.
Meine Damen und Herren, die Situation der Landwirtschaft in Deutschland und bei uns in Niedersachsen hat sich in den zurückliegenden drei Monaten dramatisch verschlechtert. In Niedersachsen gibt es ca. 17 000 landwirtschaftliche Familienbetriebe, die im Haupterwerb Rinder halten. Diese Familienunternehmen sind von der BSE-Krise im Bereich der Landwirtschaft am härtesten betroffen. Viele stehen vor dem finanziellen Ruin, weil sie die Schlachttiere nicht mehr zu einem fairen Preis verkaufen können und weil z. B. die Gebühren für
Tests und Beseitigung des Risikomaterials nicht aufzubringen sind. Viele sind in ernsten Liquiditätsschwierigkeiten und können das Futter für die Tiere, die unverkäuflich im Stall stehen, oft nicht mehr bezahlen.
Hinzu kommt die psychische Belastung, weil niemand - niemand! - ausschließen kann, dass bei der Schlachtung nicht auch aus seinem Bestand ein Tier positiv getestet wird. Dann würden die Ergebnisse langjähriger Zucht und Aufbauleistung vollständig ausgelöscht. Das Familienunternehmen müsste ganz neu von vorne anfangen.
Meine Damen und Herren, die BSE-Krise betrifft darüber hinaus den ländlichen Raum und das ganze Land. Die Betriebe der Landwirtschaft im vor- und nachgelagerten Bereich stellen nach der Automobilindustrie die meisten Arbeitsplätze in Niedersachsen. Niedersachsen ist das Agrarland Nr. 1 in Deutschland. Aus Niedersachsen kommen in Deutschland die meisten Kartoffeln, die meisten Schweine, die meisten Truthähne und auch 20 % des deutschen Rindfleisches.
Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen. Im Arbeitsamtsbezirk Vechta stellt die Ernährungsindustrie 11,1 % aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Rechnet man die Landwirtschaft selbst dazu und z. B. die Bereiche Futtermittel, Landhandel, Landmaschinen, Stalltechnik und andere, kommt man darauf, dass weit mehr als ein Drittel aller Arbeitsplätze in Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen direkt von der Landwirtschaft abhängt.
Dies gilt ähnlich für den gesamten ländlichen Raum in Niedersachsen. Alle Arbeitsmarktberichte aus den niedersächsischen Arbeitsamtsbezirken sprechen bereits für den Januar 2001 von Entlassungen und Kurzarbeit wegen der BSE-Krise. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Wochen leider verstärken. Jede ernste Krise der Landwirtschaft ist zumindest in Niedersachsen eine Krise des ländlichen Raumes.
Der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion fordert deshalb das Land und den Bund auf, im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den niedersächsischen Landwirten und dem fleischverarbeitenden Gewerbe in dieser existenzbedrohenden Krise zu
Unser Antrag zielt auf schnelle und ohne großen bürokratischen Aufwand zu gewährende Hilfen für die betroffenen landwirtschaftlichen Familienbetriebe und den vor- und nachgelagerten Bereich, insbesondere in der Fleischverarbeitung, und fordert darüber hinaus Investitionen in die Erforschung der BSE und ihrer Übertragungswege.
Insgesamt sollen nach unseren Vorstellungen mindestens 120 Millionen DM an Landeshilfen im Jahre 2001 zur Verfügung gestellt werden. Wer in dieser existentiellen Notlage tausender kleinerer und mittlerer Unternehmen in unserem Land wirklich ernsthaft helfen will, der wird dieses Geld aufbringen können, wenn er nur will.
Weil uns gleich sicherlich vorgehalten werden wird, wir forderten wieder einmal etwas, was nicht zu finanzieren sei, verweise ich darauf, dass der Haushaltsabschluss 2000 bald vorliegen wird und dass die Experten - nicht nur die in unserer Fraktion, sondern auch die in dem Ministerium, das dafür zuständig ist - mit einem doch relativ guten Überschuss von 600 bis 700 Millionen DM rechnen. Wenn wir das Geld aus dieser Rücklage verwenden, dann hätten wir hier die Finanzierung gesichert.
Das so genannte Soforthilfeprogramm des Landes in Höhe von nur 10 Millionen DM für alle von der BSE betroffenen Bereiche ist, wie uns in zahllosen Veranstaltungen mit Bauern im ganzen Land immer wieder vorgetragen wird, kraftlos und wird als peinliche Shownummer des Ministerpräsidenten abgetan.
Die internen Aufbesserungen dieses Programms durch das Landwirtschaftsministerium beweisen, dass die Fachleute in der Regierung dies ähnlich beurteilen.
Im Einzelnen, meine Damen und Herren, werden wir unseren Antrag ausführlich im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten behandeln. Deshalb nenne ich jetzt nur Eckpunkte:
Erstens. Das von der Landesregierung angekündigte Existenzsicherungsprogramm ist auf 70 Millionen DM aufzustocken, wobei die Hilfe für den einzelnen Betrieb bis zu 50 000 DM betragen soll.
Zweitens. Wir fordern ein Liquiditätshilfeprogramm mit zinsgünstigen Überbrückungskrediten für in Not geratene Betriebe, abgesichert durch Landesbürgschaften. Dazu veranschlagen wir für vier Jahre jeweils 15 Millionen DM.
Drittens. Wir fordern, dass die Kosten der BSETests so lange vom Land übernommen werden, bis Rechtslage und Finanzierung auf nationaler und europäischer Ebene geregelt sind. Unser Ziel ist die Kostenträgerschaft für die Tests durch EU, Bund und Länder.
Viertens. Wir fordern, dass die Kosten der schadlosen Beseitigung von Kadavern und Schlachtabfällen bis zu einer Neuregelung vom Land zu tragen sind. Unser Ziel ist die Kostenträgerschaft durch Bund, Länder und Landkreise unter Einbeziehung der Tierseuchenkasse.
Fünftens. Wir fordern ein niedersächsisches BSEForschungsprogramm, das mit nationalen und internationalen Programmen zu vernetzen ist. Darüber hinaus muss auch der Bund in die Pflicht genommen werden, auf diesem Gebiet intensive Forschungen finanziell zu unterstützen.