Protocol of the Session on February 22, 2001

Wir möchten, dass nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs zusammengestellt wird, wie die Lage ist, und wir möchten, dass wir dann die Gespräche weiterführen. Wir meinen, vieles spricht dafür, dass diese Gespräche auf Augenhöhe weitergeführt werden sollen. Das heißt, wir wünschen uns eine Mediation, die durch eine unabhängige Moderation geleitet und fortgeführt wird. – Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Restredezeit der CDU-Fraktion von einer Minute möchte nun der Kollege Schirmbeck nutzen.

(Eveslage [CDU]: Ich hatte mich ge- meldet! – Heiterkeit bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Evers-Meyer, ich fand es schon besonders bemerkenswert, dass gerade Sie als amtierende Landrätin – also als jemand, der auf der kommunalen Seite ganz besondere Verantwortung trägt – hier eine solche Rede hält.

(Zuruf von Frau Elsner-Solar [SPD])

Sie sollten einmal Ihren Kollegen Endlein fragen, wie es dazu gekommen ist, dass die kommunale Verschuldung bei den Kassenkrediten mittlerweile fast 3 Milliarden DM beträgt. Diese 3 Milliarden DM haben sich im Wesentlichen dadurch angesammelt, dass uns seit 1996 jährlich 500 Millionen DM weggenommen worden sind – und zwar verfassungswidrig, wie das zwischenzeitlich zweimal vom Staatsgerichtshof deutlich gemacht worden ist.

(Plaue [SPD]: Sie kriegen gleich eine Rüge vom amtierenden Präsidenten! – Weitere Zurufe von der SPD)

Frau Kollegin Evers-Meyer, wenn Sie sagen, bisher seien von uns keine Vorschläge gemacht worden, wo man sparen könne, dann sage ich Ihnen, welche Vorschläge wir gemacht haben. Die Mittelinstanz bzw. die oberen Behörden – ob Sie die obere Wasserbehörde, die obere Abfallbehörde oder die obere Naturschutzbehörde nehmen -, von denen hunderte, um nicht zu sagen tausende Bedienstete im Land unterwegs sind, die weniger Sachverstand haben als die Leute in den Landkreisen vor Ort, sind überflüssig.

(Zuruf von Frau Leuschner [SPD] – Unruhe bei der SPD)

Wenn Sie uns davon befreien, dann können die Kommunen in eigener Verantwortung ihre zentralen Aufgaben wahrnehmen. - Das wollen Sie nicht hören. Aber nur, wenn Sie hier ganz konkret ansetzen, haben Sie überhaupt die Chance, den Kommunen Lösungsmöglichkeit für die Zukunft aufzutun. Sonst gibt es nämlich auf kommunaler

Ebene zukünftig Chaos, und Sie als Landesregierung tragen dafür die Verantwortung.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt und erbitte Ihre Aufmerksamkeit für die Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für innere Verwaltung zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion der CDU ablehnen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das Erste war die Mehrheit.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Erhaltung des Schienenpersonenfernverkehrs in der Fläche des Landes Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/2209

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, sofern Sie den Saal verlassen wollen, bitte ich Sie, das etwas ruhiger zu tun.

Der Antrag wird vom Kollegen Dinkla eingebracht. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion bringt den Antrag "Erhaltung des Schienenpersonenfernverkehrs in der Fläche des Landes Niedersachsen" nicht als Pflichtübung ein. Wir sind auch der Überzeugung, dass das keine Nische in der Verkehrspolitik ist, sondern dass dieses Thema in der politischen Diskussion höchste Priorität haben muss. Der Fernverkehr darf nach unserer Auffassung nicht länger Manövriermasse sein. In Niedersachsen haben wir über Jahre hinweg gespürt, dass von Monat zu Monat und von einem Fahrplanwechsel zum nächsten scheibchenweise Verschlechterungen eingetreten sind.

Meine Damen und Herren, auf Bundesebene muss endlich einmal exakt definiert werden - das ist ein

Ziel unseres Antrags -, was schienengebundener Fernverkehr eigentlich ist. Es gibt zurzeit für viele Bereiche Regelungen: Es gibt das Regionalisierungsgesetz. Die Länder haben das ÖPNV-Gesetz gemacht. Es gibt das Schienenwegeausbaugesetz. Aber es fehlt bislang für den Fernverkehr auf der Schiene die gesetzliche Regelung. Das mahnen wir bei dieser Diskussion ausdrücklich an. Insofern besteht hier auf Bundesebene erheblicher Regelungsbedarf.

Die Deutsche Bahn - wir alle wissen das; ich könnte es mir fast sparen - verfolgt nach meiner Überzeugung die falsche Strategie. Mit der Streichung der InterRegio-Strecken, der Streichung der Reise- und Servicecentren brechen Strukturen in der Fläche weg, die auf Dauer nicht wieder eingebaut werden können. Das trifft Niedersachsen verkehrspolitisch im Mark.

Nach den Vorgaben und Diskussionen, die wir gehabt haben, steht auch fest, dass von den jetzt 180 Millionen Fahrkilometern bereits beim Fahrplanwechsel 18 Millionen wegfallen sollen. Ende 2003 wird dann der Gesamtabschied des InterRegio eingeläutet, weil dann noch einmal 23 Millionen Zugkilometer wegfallen sollen.

Wegen der prognostizierten Verkehrszuwächse müssen wir auch aus ökologischen Gründen mehr Verkehr auf die Schiene bringen. Dabei wissen wir alle, dass beim Güterverkehr bis zum Jahre 2015 ein Plus von 60 % angesagt ist, dass es beim Personenverkehr, beim Individualverkehr ein Plus von mehr als 20 % sein wird. Vor diesem Hintergrund sind wir gefordert, über intelligente Lösungen nachzudenken mit dem Ziel, mehr Verkehr als bislang auf die Schiene zu bringen.

Im Zuge der Bahnreform ist zum 1. Januar 1994 das Grundgesetz geändert worden und ist damit auch die Aufgaben- und Ausgabenverantwortung zwischen Bund und Ländern im Bereich der Eisenbahn neu geregelt worden. Aber 1994 ist in Artikel 87 e Abs. 4 des Grundgesetzes auch festgeschrieben worden, dass der Bund zu gewährleisten hat, dass dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, wirklich und eindeutig Rechnung getragen wird.

Damit trägt nach meiner Überzeugung eindeutig der Bund die Aufgaben- und Ausgabenverantwortung für den Schienenpersonenfernverkehr. Die Länder dagegen tragen die Aufgaben- und Ausgabenverantwortung für den Schienenpersonennahverkehr. Hier ist, meine ich, eine ganz eindeutige Regelung getroffen. Wir sind der Überzeugung, dass auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf der Länder Bayern und Baden-Württemberg diese Vorschrift in quantitativer Hinsicht, eben auch die Kriterien "Wohl der Allgemeinheit" und „Verkehrsbedürfnisse“, konkretisiert wird.

Meine Damen und Herren, im Gegensatz dazu hat der Bund für den Schienenpersonenfernverkehr wie auch für den Güterverkehr bislang weder ein Ausführungsgesetz erlassen, noch - das ist das Entscheidende - stellt er die Haushaltsmittel bereit. Ziel des Gesetzentwurfes, für den wir jetzt um Zustimmung werben, ist es, ein Verkehrsangebot im Schienenpersonenfernverkehr für Niedersachsen zu gewährleisten, das in Quantität und Qualität dem vorhandenen Verkehrsbedürfnis entspricht und in allen Landesteilen gleichwertige Eisenbahnangebote aufrechterhält.

(Schurreit [SPD]: Das ist nicht euer Antrag!)

Ohne das Eingreifen der Bundesregierung ist der Gewährleistungsauftrag des Bundes im Schienenpersonenfernverkehr verletzt, weil die Planung der DB AG im Schienenpersonenfernverkehr eine flächendeckende Versorgung mit Verkehrsleistungen im Schienenpersonenfernverkehr nicht mehr gewährleistet. Die flächendeckende Versorgung mit dem Schienenpersonenfernverkehr ist nach meiner Überzeugung wirklich das Rückgrat des von den Ländern zu verantwortenden Schienenpersonennahverkehrs. Das müssen wir diskutieren, weil wir gerade im Flächenland Niedersachsen die Gesamtkonzeption sehen müssen. Ich will bei der Gelegenheit natürlich auch anmahnen, dass die Landesregierung nach wie vor nicht in der Lage ist, ein vernetztes System, ein vernetztes Konzept über alle Verkehrsbereiche schlüssig zu erstellen. Wir reparieren immer und befassen uns mit bestimmten Teilerscheinungen, Mosaiksteinen, aber das Gesamtkonzept für das Flächenland Niedersachsen im Bereich der Verkehrspolitik fehlt eindeutig.

Der Bund darf mit einer Politik der Verweigerung der Verantwortung in vielen Regionen nicht zum Totengräber des Schienenpersonenfernverkehrs in

der Fläche werden. Anspruch und Wirklichkeit klaffen hier sehr, sehr weit auseinander. Deshalb ist auch dringender Handlungsbedarf gegeben.

Bei der Gelegenheit der Diskussion zu diesem Thema will ich auch noch das einfließen lassen, was sicher am Rande mit diskutiert werden wird. Das sind die Ergebnisse der PällmannKommission. Ich kann nur hoffen und wünschen, dass das, was in dieser Kommission richtungweisend erarbeitet worden ist, nicht irgendwo im Rundordner landet oder keine Beachtung mehr findet. Wir sind gut beraten, uns politisch sehr intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Ich will einen Punkt aus dem Gutachten zitieren, weil er in meinen Augen sehr wichtig ist. Herr Kollege Schurreit, wir haben das bei anderer Gelegenheit schon angesprochen. Hier heißt es:

"Die Einbeziehung des Netzes in das privatunternehmerische Risiko ist deshalb gleichbedeutend mit einer Verhinderung der Kapitalmarktbörsenfähigkeit der DB AG. Die Rückführung des Netzes in unmittelbares staatliches Eigentum ist die klarste und ehrlichste Lösung. Sie trägt dem staatlichen Willen Rechnung, auch in Zukunft über das Schienennetz Verkehrs-, Struktur- und Regionalpolitik zu betreiben und seine Schrumpfung auf eine betriebswirtschaftlich in vollem Umfang tragfähige Konstellation nicht zuzulassen."

Ich glaube, das ist auch das Interesse des Landes Niedersachsen, das damit eindeutig zum Ausdruck kommt.

Es gibt weitere Probleme, die mit diskutiert werden müssen. Es gibt Zwischenbilanzen der Bahnreform. Der zuständige Fachausschuss des Deutschen Bundestages in Berlin hat dazu im Oktober 2000 eine Anhörung durchgeführt. Unter anderem haben dort die Professoren Evers und Ilgmann gesagt: Reform der Reform - das war da das Stichwort -, der DB-Konzern kann nicht die Schularbeiten des Bundes als Eigner und Rahmengesetzgeber erledigen. - Das ist wohl ein wichtiger Hinweis. Das spiegelt sich auch in unserem Antrag wider.

Bei der Gelegenheit will ich etwas erwähnen, was auch bei der Anhörung deutlich geworden ist. Ich will es vor allem deshalb erwähnen, weil immer

wieder der Vorwurf kommt, die alte Bundesregierung habe eigentlich viel zu wenig getan, auch bei der Bahnreform, auch im Hinblick auf die finanziellen Leistungen.

(Schurreit [SPD]: Finanzielle Aus- stattung!)

Die alte Bundesregierung hat - wenn ich den Barwert aller Verpflichtungen errechne, die der Bund übernommen hat - einen dreistelligen Milliardenbetrag geleistet. Allein die Pensionsansprüche der DB (alt) betragen 80 Milliarden DM, die vom Bund bei der Bahnreform insgesamt übernommen worden sind.

Ich will aber auch noch einen anderen Punkt ansprechen. Zu der Diskussion über die künftige Struktur der Bahn gehört auch etwas, was schon diskutiert worden ist, als noch vor 1994 die Konzepte entwickelt worden sind. Das Credo, das heißt der strategische Ansatz der Regierungskommission Bundesbahn, damals unter Leitung von Herrn Sassmannshausen, war Wettbewerb auf der Schiene. Auch das darf nicht in Vergessenheit geraten. Bislang gibt es in weiten Bereichen nur eine, wenn man so will, verbale Aufgeschlossenheit, aber doch längst nicht den Drive, den wir eigentlich alle erwarten.

In der folgenden Gesetzgebung zur Bahnreform - das will ich gerne zugeben - ist dieser Ansatz aber auch nicht konsequent genug verfolgt worden. Die institutionellen Voraussetzungen für mehr Wettbewerb reichen auch heute nur begrenzt aus.

Ich sage bei dieser Gelegenheit aber auch Folgendes: Die angekündigte rot-grüne Wende zum fairen Wettbewerb zwischen allen Verkehrsträgern ist bis heute auch nur ein leeres Versprechen geblieben.

Wettbewerb nach Gutsherrenart wollen wir auf der Schiene nicht. Wir sind der Überzeugung - es gibt in Niedersachsen Beispiele dafür -, dass das ein Weg ist, wie wir zu Veränderungen kommen können. Es genügt also nicht, unter der Kontrolle des DB-Konzerns einige Wettbewerber auf uninteressanten Relationen fahren zu lassen, sondern hier muss man wirklich darüber nachdenken, welche Möglichkeiten bestehen, Dritte in verstärktem Umfang in den Wettbewerb einzubinden.

Was den Börsengang angeht - auch das darf ich bei dieser Gelegenheit einfließen lassen, weil hier ein Widerspruch besteht -, wird die Öffentlichkeit mit unterschiedlichen Positionen der DB AG konfron

tiert. Auf der einen Seite sagt der Vorstandsvorsitzende Mehdorn, das Netz müsse zwingend unter dem Dach der DB Holding bleiben. Auf der anderen Seite schreibt der Aufsichtsratsvorsitzende Dieter Vogel in einem Brief im letzten Jahr genau das Gegenteil. Er behauptet, wegen des Netzes werde der Börsengang scheitern.

Ich bin der Letzte, der hier apodiktisch sagen würde, dass das Netz aus diesem Verbund zwingend heraus muss. Aber ich glaube, man kann durchaus über andere Teillösungen nachdenken, gerade für Niedersachsen als Flächenland; denn man muss sich Folgendes vor Augen halten: Unser Schienennetz hat eine Länge von insgesamt 37 000 km. Es gibt 32 000 Eisenbahnbrücken. Manche Brücke stammt noch aus der Epoche von Gerhart Hauptmann und seinem „Bahnwärter Thiel“. Die Höhe des Anlagevolumens - insgesamt 240 Milliarden DM - macht deutlich, welch gigantischer Abschreibungsbedarf besteht, welche finanzielle Masse erforderlich ist, um dieses zum Teil wirklich marode Schienennetz in einem guten Zustand und aktionsfähig zu halten.

Was für Niedersachsen nach wie vor fehlt, meine Damen und Herren, sind - ich habe es vorhin gesagt - intelligente Lösungen für einen optimierten Schienenverkehr. Die dauerhafte, auch gesetzliche Absicherung eines attraktiven, eines wachsenden Schienenpersonenfernverkehrs durch den Bund, der dafür zuständig ist und die Verantwortung übernehmen muss, ist ein wichtiger Baustein für ein zukunftsorientiertes Mobilitätskonzept für das Flächenland Niedersachsen.

Wir haben das leidvolle Kapitel „Bahnverkehr der Zukunft“ x-mal im Plenum und in den Ausschüssen diskutiert. Nach meiner Überzeugung gibt es hier keine Diskussionsdefizite, sondern Lösungsdefizite. Das ist das Entscheidende, und deshalb mahne ich das bei dieser Gelegenheit auch ausdrücklich an.