beim Verbraucherschutz und beim Gesundheitsschutz, und das muss auch die Leitlinie für die weitere Bearbeitung sein. - Danke sehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wähnten wir uns nicht alle halbwegs in Sicherheit und glaubten, in Sachen BSE richtig gehandelt zu haben? - BSE-Schnelltests auf freiwilliger Grundlage haben uns dazu veranlasst, zu glauben, dass Deutschland BSE-frei sei, bis am 24. November in Deutschland zwei BSE-Fälle aufgetreten sind. Der Fall des in SchleswigHolstein geborenen und aufgewachsenen Tieres, das am 22. November geschlachtet und einem freiwillig veranlassten Schnelltest unterzogen wurde, rüttelte uns alle auf. Im BSE-Referenzlabor der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen wurde der Verdacht auf BSE bestätigt. Bezüglich des zweiten Tieres besteht weiterhin Klärungsbedarf.
Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, waren in Deutschland bereits Mitte der 90er-Jahre fünf BSE-Fälle bekannt. Allerdings handelte es sich um nicht in Deutschland geborene Tiere. Ein hohes Auftreten von BSE-Fällen gibt es im Vereinigten Königreich, in Portugal, in der Schweiz und, wie die jüngste Entwicklung gezeigt hat, in Frankreich. Weitere Länder mit BSE-Fällen sind die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Irland. Ich will damit sagen, dass wir quasi in ganz Europa mit diesem Problem zu kämpfen haben.
Die große Frage, die sich stellt, ist die Frage nach der Herkunft von BSE und möglichen Übertragungswegen. Eine mögliche Ursache für die Übertragung der Krankheit soll die Verfütterung von kontaminiertem Tiermehl sein. Die Wiederverwertung von infiziertem Ausgangsmaterial von Schafen und später von Rindern, das an Rinder verfüttert wurde, hat im Vereinigten Königreich bereits Anfang der 80er-Jahre mit einer Änderung des Herstellungsverfahrens bei Tiermehl die BSEKrankheit ausgelöst. Diese Änderung bestand u. a. in einer Senkung der Verarbeitungstemperatur auf unter 133 Grad Celsius. Dieses Verfahren der
Tierkörperbeseitigung stellte im Gegensatz zu dem in Deutschland seit langem praktizierten Verfahren eine Abtötung des Erregers nicht sicher.
Ein weiterer wichtiger Aspekt in der BSEDiskussion ist die Frage nach dem wirkungsvollen Schutz vor BSE. Fachleute gehen davon aus: Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht. Trotzdem kann aber das Risiko minimiert werden.
Meine Damen und Herren, der Vorfall in Schleswig-Holstein hat bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu einer starken Verunsicherung geführt. Die Reaktionen in der Öffentlichkeit haben dies überdeutlich gezeigt. Auch die Kaufzurückhaltung und die teilweise unberechtigten Vorwürfe gegenüber dem Berufsstand der Ernährungsindustrie belegen dies. Es ist zu befürchten, dass bei der Landwirtschaft, im Landhandel und in der lebensmittelverarbeitenden Industrie auch in Niedersachsen viele Arbeitsplätze gefährdet sind. Auch das sollten wir, Herr Klein, in der Gesamtdiskussion berücksichtigen.
Deshalb müssen wir alles unternehmen, um ein Höchstmaß von Verbraucher- und Gesundheitsschutz durchzusetzen und in der Öffentlichkeit für eine umfassende und sachliche Aufklärung über die tatsächlichen Risiken und Gefahren zu sorgen. Wir müssen allerdings auch wissen, dass Niedersachsen keine Insel ist und dass BSE nicht nur in Niedersachsen und in der Bundesrepublik, sondern europaweit gleichermaßen bekämpft werden muss. Ansonsten werden wir nicht zum Ziel kommen. Aus diesem Grunde haben wir in unserem Antrag einen Katalog von Forderungen formuliert, die schnellstmöglichst umgesetzt werden sollten und müssen, um das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurückzugewinnen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und die Niedersächsische Landesregierung haben entgegen anders lautenden Behauptungen sofort reagiert und umgehend gehandelt. Die Landesregierung hat mit Beschluss vom 21. November 2000, also noch vor dem Vorfall am 22. November, die sofortige Einführung von BSESchnelltests beschlossen. Alle geschlachteten Tiere im Alter von mehr als 30 Monaten sind zu untersuchen. Dies ist mit Kosten in Höhe von mehr als 37 Millionen DM verbunden. Es sind alle Maßnahmen getroffen worden, die erforderlichen Untersuchungskapazitäten bei den Untersuchungs
ämtern in Oldenburg und Hannover schnellstmöglich sicherzustellen, um alle Schlachttiere untersuchen zu können. Die Schnelltests bei geschlachteten Tieren im Alter von mehr als 30 Monaten ergänzen die epidemiologischen Untersuchungen und erweitern den gesundheitlichen Verbraucherschutz.
Ein weiterer wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang ist die dringend notwendige Weiterentwicklung von Schnelltests. Es müssen Blutproben lebender Tiere untersucht werden können, damit infektiöses Eiweiß schon bei jüngeren Tieren nachgewiesen werden kann. Das ist wichtig.
Das Gesetz über das Verbot des Verfütterns, des innergemeinschaftlichen Verbringens und der Ausfuhr bestimmter Futtermittel ist beschlossen. Damit wird das Tiermehl aus der Futtermittelkette verschwinden. Für das Land Niedersachsen entstehen zusammen mit den Kosten der Tierkörperbeseitigung Kosten in Höhe von 184 Millionen DM. Das sind nur Schätzungen.
Es ist nun besonders wichtig, dass verstärkt Futtermittelkontrollen auf unerlaubte Beimischungen erfolgen, dass das Verfütterungsverbot von Tiermehl eingehalten wird und dass auch die ordnungsgemäße Beseitigung von Tiermehl umgesetzt wird. Wir setzen uns darüber hinaus dafür ein, dass das Futtermittelrecht novelliert wird, um die Inhaltsstoffe zu begrenzen und sie für den Abnehmer transparenter zu deklarieren.
Ich betone noch einmal, meine Damen und Herren: Verbraucherschutz hat Vorrang und genießt oberste Priorität. Deshalb muss, wie in unserem Antrag gefordert, eine sachliche und fachliche Aufklärung unter Einbeziehung der Verbraucherorganisationen und des Landesgesundheitsamts über die Risiken und Gefahren für Menschen bei der Verbreitung von BSE erfolgen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen eine teilweise Neuorientierung der Agrarpolitik mit neuen Zielen und veränderten Schwerpunkten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass dieses große Ziel nur gemeinsam mit den Ländern, mit dem Bund und mit der EU, aber vor allen Dingen mit allen relevanten gesellschaftlichen Kräften umgesetzt werden kann. Erste Ansätze sind zu verzeichnen. Dazu zwei Beispiele:
Die EU hat mit ihrer Agrarreform vom März 1999, der Agenda 2000, eine zweite Säule - ländliche Entwicklung, Umwelt - eingerichtet, in der die
Lebensmittelsicherheit zu einem herausragenden Schwerpunktthema der EU wird. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Berlin wird neu organisiert. Es wird einen neuen Schwerpunkt und eine eigenständige Abteilung Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit und Veterinärfragen geben. Des Weiteren werden dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit neuen Schwerpunkten in den Bereichen Ökologie, Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit neue Aufgaben zugeordnet.
Zur Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik gehört eine europaweite tiergerechte und flächenbezogene Tierhaltung und eine extensive Landbewirtschaftung. Der ökologische Landbau muss einen höheren Stellenwert bekommen. Die finanziellen Rahmenbedingungen bei der Umstellung müssen noch weiter verbessert werden. Dazu gehört auch die Vermarktungs- und Absatzorganisation. Auch diese Punkte sind Bestandteil unseres Antrags. Ich möchte darauf verweisen, dass die bisher im Landeshaushalt dafür zur Verfügung gestellten Mittel nie ausgeschöpft worden sind. Das ist einerseits bedauerlich, andererseits aber auch ein Zeichen dafür, dass wir uns mehr dafür einsetzen müssen.
Wir streben nach wie vor unser Ziel eines zehnprozentigen Anteils des ökologischen Landbaus an, damit die nachhaltige Landbewirtschaftung sichergestellt wird.
Herr Kollege Brauns, der Kollege Schirmbeck, der eine Wanderung durchs Haus gemacht hat, möchte Ihnen gern eine Frage stellen - nachdem er sich wieder hingesetzt hat.
Abschließend noch ein Wort zur Finanzierung der Kosten der Testverfahren und deren Weiterentwicklung sowie der durch das Verfütterungsverbot von Tiermehl entstehenden Kosten. Wir sind der Auffassung, dass der Bund und die EU an den Kosten beteiligt werden müssen, damit die Landwirtschaft noch eine Zukunftsperspektive hat. Die
vorliegenden Anträge aller Fraktionen deuten darauf hin, dass der Wille da ist, dieses Thema gemeinsam anzugehen und gemeinsam zu einem guten Erfolg zu führen. Ich glaube, die Beratungen im Fachausschuss werden dieses dann zeigen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir dieses Thema am Mittwochmorgen behandelt haben, klang das Ganze noch wie ein Panikorchester mit einer von Ihnen komponierten Chaossymphonie, Frau Kollegin Harms.
Die Debatte, die wir heute Nachmittag führen, hebt sich bisher wohltuend davon ab. Bisher! Was noch kommt, ist offen.
Lassen Sie mich zunächst darauf hinweisen, meine Damen und Herren: Ich rede jetzt nur zur Drucksache 2048. Das Problem dabei ist - der Kollege Klein hat es schon gesagt -: Es geht hier um zwei völlig getrennte Sachverhalte, aber wir beraten sie gemeinsam.
Sicherlich würden wir über den Antrag in der Drucksache 2048 nicht reden, wenn es die BSESituation nicht gäbe. Das ist kein Vorwurf, zumal sich heute alle Welt, und zwar auch diejenigen, die von den Dingen nun wirklich nichts verstehen, bemüßigt fühlt, Aussagen zu BSE zu machen, ohne sich auch nur im Entferntesten über die Ursache und ihre Auswirkungen im Klaren zu sein. Es geht ja nicht nur um ein paar Entschädigungszahlungen, die hier und dort möglicherweise eingefordert werden. Die Verwerfungen, die diese überhastete Reaktion volkswirtschaftlich ausgelöst hat, sind erst in Umrissen erkennbar.
Wir diskutieren zurzeit vor dem Hintergrund, dass die Ursache, die in Deutschland zu dieser Hysterie - ich sage das bewusst so - geführt hat, nicht bekannt ist.
Lieber Herr Klein, Sie gründen alle Ihre Überlegungen zum notwendigen Umbau der Landwirtschaft einzig und allein auf die Philosophie: Das kann nur der ökologische Landbau schaffen. Aber berücksichtigen Sie: Ein Krankheitsfall in einem ökologischen Betrieb, und Ihr ganzes Weltbild bricht zusammen.
- Hier kommt gerade das Stichwort: Das - glücklicherweise importierte - Tier mit dem Namen Cindy ist auf einem Biobetrieb groß geworden und gehalten worden.
(Stolze [SPD]: Nachweislich nicht, Herr Oestmann! - Klein [GRÜNE]: Das gehört zu den Legenden, die ich angesprochen habe!)
Wenn in der Diskussion zu der Drucksache 2048 immer wieder dieser Gegensatz zwischen der ordentlichen, biologischen, dynamischen Landwirtschaft und der industriellen Landwirtschaft konstruiert wird, dann, meine Damen und Herren, hätte ich gerne einmal von einem von Ihnen gehört, wo er denn wohl die Grenze zwischen anständig, ordentlich und verwerflich ziehen will?
(Klein [GRÜNE]: Ich habe es genau definiert! - Frau Harms [GRÜNE]: Das ist doch identifiziert! Sie wissen ja gar nicht, worüber Sie reden! Sie sind doch jetzt das Chaos!)
Wenn wir über Größen diskutieren, dann kommt ja selbst Ihre BSE-Philosophie ins Schleudern. In der ausgesprochen kleinbäuerlich strukturierten Schweiz ist BSE wesentlich häufiger ausgebrochen als in der Bundesrepublik. Ich will das nicht überhöhen, und ich bin auch voller Zweifel, wie wir dieses Problem lösen werden. Aber eines ist klar: Wir werden es nicht lösen nach der Devise: Ich weiß alles, und deshalb wird das so gemacht. Ich unterstelle Ihnen das nicht; denn Sie sind ja intelligente Leute. Aber das Übel dieser Welt besteht
(Beifall bei der CDU - Frau Harms [GRÜNE]: Unglaublich, und das in dieser Situation! „Augen zu und durch!“, das ist die Parole!)
Im Übrigen - das ist hier schon gesagt worden und auch ohne Widerspruch geblieben -, wenn wir hier immer meinen, wir müssten die Menschen dazu bringen, sich gesünder zu ernähren, und das könnten sie nur aus ökologisch erzeugten Produkten: Es steht doch jedem frei, in den ökologischen Landbau einzusteigen. Das macht doch auch jeder, der sich davon mittel- und langfristig eine halbwegs belastbare Perspektive erhofft. Das sind doch nicht alles Glaubenstäter, sondern die versuchen doch, nüchtern abzuwägen, ob das was bringt oder ob das nichts bringt. Es ist bisher ja eigentlich auch niemandem gelungen, einen signifikanten Qualitätsunterschied zwischen diesen beiden Produktionslinien nachzuweisen. Das ist eine Glaubensfrage, und Glauben heißt nicht Wissen.
Ich will das nicht verteufeln, ich will das nicht kleinreden. Nur, ich möchte diesen Absolutheitsanspruch, der darin zum Ausdruck kommt, relativieren.