Wir fordern: Wenn man hunderte von Millionen DM mehr Steuern einnimmt, dann müssen diese Steuermehreinnahmen verwendet werden,
um die Nettoneuverschuldung zu reduzieren, und dann darf die Nettoneuverschuldung nicht auf 3,4 bzw. 3,8 Milliarden DM, also auf Rekordniveau, getrieben werden.
Wenn Steuermehreinnahmen in Millionenhöhe zur Verfügung stehen, sollten sie für Zukunftsinvestitionen verwandt werden, und zwar für Investitionen in zusätzliche, junge Lehrer, denn die Zukunft unseres Landes Niedersachsen hängt von der jungen Generation, von ihrem Wissen, ihrer Qualifikation ab. Wenn man wenig unterrichtet, bekommt man mangelhafte Ergebnisse, und wenn man mehr unterrichtet, bekommt man bessere Ergebnisse.
Deshalb haben wir zwei Vorschläge in den Mittelpunkt unserer Überlegungen gestellt. Der erste Vorschlag lautet, die Unterrichtsgarantie in Niedersachsen wieder zu erfüllen. Der Unterricht, der von Ihnen mehrfach gekappt worden ist, der aber erteilt werden müsste, muss erteilt werden. Darauf hat die junge Generation mit ihren Eltern und Großeltern einen Anspruch.
Der zweite Vorschlag lautet: Wenn man im laufenden Haushaltsjahr nahezu 700 Millionen DM mehr einnimmt, als die Steuerschätzung ausgesagt hat, dann sollte man daraus das jetzt fällig werdende EXPO-Defizit von 750 Millionen DM abtragen, ohne die Neuverschuldung zu erhöhen, statt das EXPO-Defizit auf die nächsten Jahre aufzuteilen und dann jährlich bis zu 100 Millionen DM für Zinsen und Tilgungen aufwenden zu müssen.
Das ist die Basis. Die Basis unserer Überlegungen ist die Mehrheit in Berlin, die wir für eine gerechte Verteilung des EXPO-Defizits mit geschaffen haben, wobei uns ein Verhältnis von drei Vierteln zu einem Viertel lieber gewesen wäre. Vorschläge zur Verwendung von Steuermehreinnahmen und zum Teil sehr unpopuläre Haushaltskürzungen im Umfang von 200 Millionen DM waren die Grundlage für uns, hier sehr genau und sehr präzise die Vielzahl von Einzelvorschlägen an das HaushaltsIst des auslaufenden Jahres anzugleichen, um damit die Spielräume der Regierung für ihr Ausgabeverhalten zu vermindern. Das Ergebnis dieser Überlegung ist, die Nettoneuverschuldung auf
2,6 Milliarden DM zu senken, das EXPO-Defizit zu bewältigen und die Finanzierung von 3.000 zusätzlichen Lehrern zum Schuljahresbeginn 2001 darzustellen. Das ist die Konzeption der Opposition.
Eines ist auch klar: Die Lehrer brauchen wir jetzt und nicht etwa als Wahlkampfgeschenke oder Wahlkampfschlager im Jahre 2002 oder 2003, denn die Kinder haben es nicht verdient, erneut wie 1994 und 1998 für taktische Spielereien missbraucht zu werden.
Wir müssen natürlich auch den Blick über den Tellerrand hinaus auf andere Bundesländer richten, die zum Teil in den nächsten Jahren die Nettoneuverschuldung bis auf Null herunterfahren bzw. ihre Nettoneuverschuldung in den nächsten Jahren reduzieren, anstatt, wie es Niedersachsen macht, einen Sonderweg, einen Irrweg zu beschreiten und die Nettoneuverschuldung weiter steigen zu lassen.
Für die Unterrichtsgarantie sind uns alle Anstrengungen wert, weshalb wir Sie von der Sozialdemokratie auffordern, über Ihren eigenen Schatten zu springen und zu zeigen, dass Sie bereit sind, ein Signal für unser Land, aber auch für die gesamte Bundesrepublik Deutschland zu setzen.
Dieses Signal ist wichtig, weil wir im Wettbewerb um die Besten wieder mitspielen wollen. Die Besten, die heute ein Lehramtsstudium abschließen, gehen in andere Bundesländer auf ganze Stellen darauf komme ich am Ende meiner Rede noch zurück -, und die anderen bleiben und müssen händeringend geworben werden, auf die wenigen ausgeschriebenen Stellen zu gehen. Daran, ob Sie bereit sind, das Unterrichtsfehl zu bekämpfen, wird sich zeigen, ob Sie nur reden oder auch zum Handeln in der Lage sind und das mitzumachen, was das Land jetzt braucht.
Wir sollten uns nicht täuschen: Niedersachsen war der größte Nutznießer von zehn Jahren deutsche Einheit. Wir hatten die längste innerdeutsche Grenze. Wir haben viele Einwohner in den vergangenen zehn Jahren hinzugewonnen. Aber im Jahre 1999 - ausweislich des Statistischen Bundesamtes vor wenigen Wochen - liegen wir auf dem
16. Platz aller 16 Bundesländer bei der saldierten Bilanz von Zu- und Abwanderung. Wir haben im Jahre 1999 die meisten Einwohner verloren, doppelt so viele wie der vorletzte auf dem 15. Platz. Vor uns rangieren die neuen Bundesländer, z. B. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, SachsenAnhalt und Brandenburg. Und sie sind nicht etwa weit hinter uns. Wir wissen, welche Probleme dort durch Bevölkerungsverluste auf dem Arbeitsmarkt, im Bereich der Lebensqualität und der Standortsicherung auftreten. Aber offensichtlich empfinden Menschen seit einigen Jahren, dass sie anderswo bessere Arbeitsbedingungen, bessere Bildungsmöglichkeiten, bessere Lebensperspektiven und Lebensqualität haben als bei uns.
Sie können sagen: Es ist immer die Aufgabe der Opposition, das Land schlecht zu reden. - Nein, ich trage hier die Statistik des Statistischen Bundesamtes vor, und ich erwarte, dass sich die Landesregierung der Diskussion stellt, warum das so ist, woran das liegt und warum man zu einer Politik kommen muss, die uns nicht so unattraktiv darstellt.
Zukunftsweisende Landespolitik kann Politik nicht als Schaubühne betrachten, sondern muss daraus Konsequenzen ziehen, dass wir eine alternde Gesellschaft sind, und zwar mit immer mehr 80-, 90und 100-Jährigen, worüber wir uns freuen, aber mit weniger 5-, 15- und 25-Jährigen. Die, die wir haben, sollten wir in unserem Land halten, optimal qualifizieren und sollten somit auf die junge Generation und auf die Zukunft unseres Landes setzen. Im Bereich der Bildungs- und Ausbildungspolitik setzen Sie aber die völlig falschen Signale.
In einem der zahlreichen Interviews des Ministerpräsidenten im „Weser-Kurier“ vor wenigen Tagen gab es die Aufforderung, die Opposition möge doch einmal belegen, was angekündigt, aber nicht vollzogen sei. Da fällt es uns natürlich leicht, eine endlose Liste aufzuzählen. Wenn aber in der Einjahresbilanz des Ministerpräsidenten keine Zahlen zur Verschuldung und zur Nettokreditaufnahme stehen, sondern nur gesagt wird „Wir wollen weiter Personal reduzieren“ - das war es –, dann kann ich nur sagen: Werden solch niedrige Hürden aufgebaut, so kann ich ohne große Anstrengung aus dem Stand jede Hürde überspringen. Nehmen wir aber das, was gesagt worden ist, was nicht in der Einjahresbilanz steht - Herr Ebisch, Sie haben Falten auf der Stirn, weil Sie ja im Zweifel an
einem solchen Unsinn mitwirken müssen, wenn Leistungsbilanzen aufgestellt werden, obwohl es keine Leistungen zu verkünden gibt -, dann müssen wir einmal das betrachten, was der Ministerpräsident gesagt hat, als er noch nicht Ministerpräsident war, was er gesagt hat, bevor er antrat und als er antrat. Er hat gesagt: Wir müssen Jahr für Jahr die Nettokreditaufnahme reduzieren. - Ergebnis: Fehlanzeige! Weiter hat er gesagt: Wir müssen die Neuverschuldung reduzieren und die Landesfinanzen sanieren. - Fehlanzeige! Er hat gesagt: Wir müssen die Personalausgaben absenken - Fehlanzeige! -, die Zahl der Ministerien verringern Fehlanzeige! -, mehr Investitionen für die Zukunft des Landes einsetzen - Fehlanzeige! Wir haben in Niedersachsen die niedrigste Investitionsquote seit 54 Jahren.
Wir müssten eine durchgreifende Reform der Verwaltung betreiben, moderne Wirtschaftspolitik machen, eine neue Bildungspolitik betreiben, die die Menschen teilhaben lässt. Wir bräuchten 2.000 zusätzliche Lehrer, die versprochen worden sind. Nichts davon findet sich in dem Haushaltsplanent für das Jahr 2001 wieder. Das ist ein Wortbruch gegenüber der Bevölkerung in Niedersachsen, den wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Sie müssen schon den Mathematikunterricht in Niedersachsen ganz abschaffen, wenn Sie erreichen wollen, dass nicht mehr zwischen 500 Lehrerstellen, die Sie im Haushalt haben, und den 2.000 Stellen, die Sie versprochen haben, differenziert werden kann. Das allerdings können wir noch sehr gut auseinander halten.
Die „Braunschweiger Zeitung“ hat ein Interview veröffentlicht, in dem etwas über den Regierungsstil des Ministerpräsidenten zu lesen war. Ich zitiere:
„Es ist besser, zehn Entscheidungen zu treffen, von denen fünf oder sechs richtig sind, als wenn zehn Entscheidungen überhaupt nicht getroffen werden. Dann hätte man zehn falsche getroffen.“
Wir wollen ja um die Besten ringen und mit den Besten konkurrieren. Wenn jemand auf den Gipfel will und vier- oder fünfmal danebentritt, dann erreicht er nie die Gipfelspitze. Er stürzt bei dem
ersten, zweiten, dritten oder vierten Fehltritt ab. Ich halte einen solchen Politikstil, zehnmal herumzuballern, um dann zu gucken, ob man etwas getroffen hat oder ob man in die eigenen Reihen geschossen hat, geradezu für abenteuerlich.
Deshalb ist die Überschrift, die heute in einer wichtigen Zeitung steht, korrekt: Selbst die Eigentore werden selbst geschossen. - Man kann nicht einfach herumballern und dann gucken, was man daraus macht, was man damit erreicht und wen man getroffen hat. Vielmehr muss man schon wissen, wohin man will.
Der Politik steht unendlich viel Sachverstand zur Verfügung. Ich halte es für einen großen Fehler, in die Öffentlichkeit die Ironie zu setzen, Politiker, wir alle, seien Universaldilettanten und verständen von allem ein bisschen und von nichts richtig viel. Ich glaube, Herr Gabriel, wir sollten anerkennen, dass wir enormen Sachverstand in der Ministerialbürokratie, in den Ministerien, in den Verbänden, in den Vereinen und in der Öffentlichkeit haben. Nur, den Willen und den Mut, diesen Sachverstand zu nutzen, muss man schon selbst aufbringen. Den kann man sich nicht einkaufen oder beschaffen. Genau dieser Mut fehlt Ihnen. Insofern sind Sie allein zu Haus, sitzen an Ihrem PC und machen Niedersachsen auf CD-ROM als Planspiel oder Politikübung. Das ist aber kein Politikersatz. Das ist das, was wir nicht brauchen können.
Bei der CD-ROM der Landtagsverwaltung kann man spielen und Verschiedenes ausprobieren. Es gibt sogar zwei Schwierigkeitsgrade. Aber eine Kabinettsumbildung kann man so nicht betreiben. Man kann nicht neue Leute präsentieren, wenn die anderen noch gar nicht zurückgetreten sind. Man kann nicht von einem großen Wurf sprechen, dann aber den Berg kreißen und Mäuschen gebären lassen. Man kann auch nicht, wie Sie sich über Ihren Regierungssprecher eingelassen haben, sagen, die neuen Minister seien doch Farbtupfer, das seien Lichtlein am Tannenbaum.
Früher ging es hier nicht um Lichtlein am Tannenbaum, sondern früher ging es hier einmal um Qualifikation und Kompetenz. Darum sollte es auch in Zukunft wieder gehen.
Im Übrigen, Herr Plaue, wird bei uns der Weihnachtsbaum zwischen dem 6. Januar und Ende Januar weggeräumt. Sie wollen doch sicherlich zumindest die 100 Tage erreichen, die Ihre neuen Minister Schonfrist genießen.
- Herr Plaue, Sie haben das Glück und den Segen der Jahreszeit, denn zu Weihnachten werfen sogar Zwerge lange Schatten, wenn die Sonne tief steht. Das ist Ihr Vorteil.
Bevor ich von dem geschätzten Präsidenten einen Ordnungsruf erhalte, will ich darauf hinweisen, dass es hierbei um ein literarisches Zitat von Karl Kraus handelt und deswegen nicht ordnungsruffähig ist.
Ich verlasse mich da ganz auf den Präsidenten. Das ist Ihre Art und Weise, eine Kabinettsumbildung zu betreiben, wie wir das bis in die Mittagsstunden hinein erlebt haben. In Interviews erklärte der Ministerpräsident: Es gab bei uns einige, die sich für kabinettsreif hielten. Aber das waren ausschließlich Männer. - Damit sagt er ja, dass es in der SPD-Fraktion nur noch drei Gruppen gibt: Frauen, die nicht kabinettsreif sind, Männer, die sich für kabinettsreif halten, und eine immer größer werdende Zahl derer, die schon im Kabinett waren.