Protocol of the Session on December 13, 2000

(Unruhe)

Die angehörten Sachverständigen haben zwar das Anliegen, mögliche finanzielle Bindungen der Abgeordneten an Dritte noch transparenter zu machen, zum Teil begrüßt. Sie haben aber zugleich darauf hingewiesen, dass auch durch noch so perfektionierte gesetzliche Verhaltens- und Transparenzregeln das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Abgeordneten und Inhaber politischer Ämter nicht ohne weiteres vergrößert werde, dass dieses Vertrauen vielmehr vom politischen Auftreten der Abgeordneten selbst abhänge.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Diese Auffassung teilt die weit überwiegende Mehrheit in den Ausschüssen. Bei den angehörten Sachverständigen wie auch bei der weit überwiegenden Mehrheit der Ausschüsse bestand auch Einigkeit darüber, dass Abgeordnete - anders als z. B. Regierungsmitglieder, die als solche stets die Interessen des ganzen Landes wahren müssen Vertreter von Interessen, z. B. der ihres Wahlkreises, sein dürfen.

(Zuruf von Schirmbeck [CDU])

Nicht nur die weit überwiegende Mehrheit in den Ausschüssen, sondern auch die angehörten Sachverständigen haben im Übrigen erhebliche Bedenken gegen eine umfassende Verpflichtung der Abgeordneten zur Offenlegung aller Einkünfte neben ihrer Abgeordnetenentschädigung gehabt.

Zum einen - ich komme gleich zum Schluss könne sie Personen, die weiterhin einem Beruf nachgehen wollten, von einer Kandidatur abhalten, da viele eine vollständige Offenlegung ihrer privaten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht akzeptierten. Insoweit bestehe die Gefahr, dass sich insbesondere freiberuflich oder selbständig Tätige nicht um ein politisches Mandat bewerben würden und eine weitere unerwünschte „Verbeamtung“ des Parlaments gefördert werde. Zum anderen könnten Standesrecht oder die Interessen Dritter verletzt werden, wenn die Dritten und ihre Verhältnisse wie es für die Offenbarung von Interessenverknüpfungen wohl notwendig wäre - als Quelle der Abgeordneteneinkünfte genannt werden müssten.

Namens des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen bitte ich Sie daher, dieser Beschlussempfehlung in der Drucksache 2080 zuzustimmen.

(Zustimmung von Dr. Domröse [SPD])

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort hat jetzt der Herr Kollege Dr. Biester.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf erklärt sich eigentlich aus der Zeit seiner Entstehung. Ich will sie einmal so bezeichnen: die Post-Glogowski-Zeit. - Wir haben darüber diskutiert, welche Verfehlungen von dem früheren Ministerpräsidenten begangen wurden. Es war ein Rücktritt erfolgt. Es war ein Untersuchungsausschuss eingerichtet worden. Das ganze Maß dessen, was da geschehen war und was sich in der Begründung des Entwurfs mit der Vokabel „Verfilzung“ wiederfindet, war zutage getreten. In der Situation haben die Grünen gemeint, dieses Thema auch politisch aufarbeiten zu sollen und über die bereits bestehenden Regelungen dazu, was ein Abgeordneter anzuzeigen hat und was nicht, hinaus neue Regelungen schaffen zu sollen, eine Verschärfung herbeiführen zu sollen in der Frage, was anzeigepflichtig sein soll und was nicht.

Meine Damen und Herren, ich sage ganz bewusst, vielleicht auch gerade als Jurist: Es gibt Dinge, die man gesetzlich nicht regeln kann. Sie können Netze manchmal nicht so feingesetzlich weben, wie das erforderlich wäre, um das, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf erreichen wollen, auch tatsächlich zu regeln.

Ich sage ein Weiteres ganz bewusst: Es gibt aus meiner Sicht auch Dinge, die man gesetzlich nicht regeln sollte.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf machen Sie praktisch eine Ausnahme zur Regel.

(Unruhe)

Sie unterstellen im Ergebnis, dass jeder Abgeordnete latent gefährdet ist, hier Fehler zu begehen. Sie unterstellen praktisch indirekt, dass ein Wertekodex bei den Abgeordneten nicht oder nicht mehr vorhanden ist. Das ist schlicht und ergreifend falsch. Ich glaube, dass jeder von uns, der hier im

Niedersächsischen Landtag sitzt, auch ohne diesen Gesetzentwurf ganz genau weiß, was er als Politiker an eigenem Tun verantworten kann und was er nicht verantworten kann. Wer diese Einsicht nicht hat oder wem diese Einsicht im Verlaufe eines Mandats verloren gegangen ist, den holt die Wirklichkeit - das haben wir in mehreren Fällen gesehen - sehr schnell ein. Unser demokratisches System hat Vorkehrungen, um hier selbstheilend zu wirken. Auch die Presse ist in dem Zusammenhang als Regulierungsorgan ausdrücklich zu erwähnen.

Es ist bereits von der Berichterstatterin gesagt worden, welche Wirkungen ein solcher Gesetzentwurf haben könnte. Es wird jetzt schon häufig darüber geklagt, dass es viele Abgeordnete in diesem Parlament gibt, denen es relativ leicht fällt, aus einem Beruf heraus in die Politik zu gehen, weil sie eine sichere Rückkehrmöglichkeit haben, z. B. öffentlicher Dienst, Funktionär in einer Partei oder in einer Gewerkschaft. Wir wissen aber ganz genau, dass es auch viele gibt, die nicht die Sicherheit haben, zurückzukehren, z. B. selbständig Tätige, freiberuflich Tätige. Diese haben erhebliche Probleme, sich vor dem Hintergrund der damit verbundenen wirtschaftlichen Unsicherheiten um ein politisches Mandat zu bemühen. Wenn Sie jetzt diesem Personenkreis auch noch auferlegen wollen, alle Einkünfte, egal aus welchen Quellen, hier offenzulegen und anzuzeigen und diese dann in Drucksachen veröffentlichen wollen, dann ist das für diesen Personenkreis ein weiteres Argument dafür, sich sehr genau zu überlegen, ob sie ein Mandat anstreben sollen oder nicht. Das wird zu weiteren Veränderungen in der Zusammensetzung eines Parlamentes führen, was wir nicht für gut halten.

Sie begründen das mit zwei Argumenten, die wir beide für falsch halten. Sie sagen zum einen: Wenn sie uns die anderen Einnahmen anzeigen, dann wird eine eventuelle Mehrbelastung offenkundig. Unserer Meinung nach sollte jeder Abgeordnete für sich entscheiden, ob er sich mehrfach belasten will oder nicht. Sie führen aus, dass das politische Mandat darunter leiden könnte. Ich sage Ihnen: Ein Abgeordneter, der sein politisches Mandat nicht mehr ordnungsgemäß ausübt, weil er darüber hinaus andere Dinge tut, wird sehr schnell von der Wirklichkeit eingeholt und mit seinem eigenen Ortsverband bei der Aufstellung für die nächste Wahl erhebliche Probleme haben. Auch das ist durch das System selbstheilend geregelt.

Zum anderen sprechen Sie in Ihrer Begründung das so genannte arbeitslose Einkommen an. Das ist ein sehr gefährlicher Begriff, weil er fast die Tendenz hin zu einem Bestechungstatbestand hat. Sie wollen dieses arbeitslose Einkommen mit Anzeigepflichten und Veröffentlichungspflichten aufdecken. Das ist schlicht falsch. Das können Sie gar nicht. Wenn Sie einen Freiberufler, einen Selbständigen zwingen, zu sagen „Ich verdiene jährlich den Betrag X aus meiner Praxis, die ich noch habe“, dann wissen Sie nicht, ob das arbeitsloses Einkommen ist oder ob das mit Arbeit verbunden war. Wenn Sie das wissen wollen, dann müssen Sie sagen: Sagen Sie mir, von wem Sie für welches Mandat welches Geld bekommen haben. - Nur dann können Sie feststellen, woher der Geldfluss kommt. Aber auch dann können Sie immer noch nicht kontrollieren, ob es ein arbeitsloses Einkommen oder ein anderes Einkommen ist. Denn dann müssten Sie in jedem Einzelfall prüfen, ob diesem Entgelt, das gezahlt worden ist, eine entsprechende Arbeitsleistung entgegensteht. Das ist unsinnig, unmöglich, und es ist, wie ich versucht habe, für meine Fraktion klarzumachen, nicht erforderlich, in einer solchen Form einzuwirken.

Ich möchte zusammenfassen: Wir halten den Gesetzesvorschlag für ungeeignet, das von den Grünen erstrebte Ziel zu erreichen. Wir halten ihn auch für nicht erforderlich, weil wir meinen, dass das System, so wie es besteht, und zwar mit den Anzeigepflichten, ausreichend ist. Wir vertrauen darauf - ich meine, das sind wir alle unserem Berufsstand schuldig -, dass jeder von uns in diesem Hause weiß, was er zu tun und zu lassen hat.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat der Kollege Schröder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Biester, es war eine überraschende Kehrtwende, die Sie und Ihre Kollegen aus der CDUFraktion, aber auch aus der SPD-Fraktion innerhalb eines halben Jahres vollzogen haben. Ich will einmal ein wenig in der Zeit zurückgehen.

Es gab einmal einen tüchtigen SPD-Landtagsabgeordneten, der als junger Wilder und als Querdenker galt, weil er sich nicht scheute, Besitzstän

de und andere heilige Kühe infrage zu stellen. Mit anderen jungen Wilden schrieb er ein Papier, wonach es mitunter notwendig sei, auch einmal ins eigene Fleisch zu schneiden. Gemeint war damit, Eigeninteressen zurückzustellen, damit Politik glaubwürdig ist. Einem Redakteur der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" diktierte er in die Feder, er sei durchaus dafür, dass alle Parlamentarier ihre Nebenbeschäftigungen ebenso wie Aufsichtsratsmandate angeben und sagen, wie viel Geld sie dafür bekommen.

Das ist gerade 14 Monate her. Der weitere Verlauf ist bekannt. Ich kann es mir wohl ersparen, dazu weitere Ausführungen zu machen. Unser junger Wilder wurde ein immer gefragterer Gesprächspartner in unzähligen Talkshows und Interviews zu der Frage, wie Politik verlorenes Vertrauen zurückgewinnen kann, wie das Vertrauen in die Interessenneutralität, in ein sachgerechtes Agieren der Politik wiedergewonnen werden kann, wie man Interessenverflechtungen und einer Vermischung privater und amtlicher Belange entgegenwirken kann. Eine der gängigen Antworten auf diese Fragen war: Mehr Transparenz schafft Vertrauen.

Im Februar haben wir gewissermaßen als Schnelltest diesen Gesetzentwurf vorgelegt, und die Haltung der beiden großen Fraktionen dazu war geradezu erwartungsgemäß. Es wurde nämlich auf beiden Seiten des Hauses gesagt: Im Prinzip wollen wir das, wir finden das richtig, aber der Datenschutz lässt das leider nicht zu. Die Grünen haben unter anderem dafür gesorgt, dass wir ein starkes und strenges Datenschutzrecht haben. Deshalb geht das nicht. - Der Kollege Wulff erklärte z. B. am 16. Februar: Ich bin für Transparenz über Politikereinkünfte. Er warnte aber davor, den Datenschutz zu übergehen. Auch der Kollege Plaue sagte, er habe überhaupt keine Probleme mit einer Offenlegung der Art und der Herkunft von Einkommen aus selbständiger und nicht selbständiger Tätigkeit, um dann - das ist die eigenartige Art, in der Herr Plaue argumentiert - zu dem Problem zu kommen, das bei Freiberuflern die Grenzen vielleicht zu eng gesteckt sind und eine großzügige Offenlegung notwendig wäre.

Im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen gab es eine Anhörung, in der der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Herr Nedden, unseren Gesetzentwurf kurz und klar für datenschutzkompatibel erklärt hat. Ich möchte zitieren, was Herr Nedden im Rahmen dieser öffentlichen Anhörung gesagt hat:

"Ich halte die vorgeschlagene Regelung in dem Entwurf der Grünen, um das Ergebnis vorwegzunehmen, im Wesentlichen für datenschutzkonform. Das mag Sie überraschen, aber nach meiner Auffassung sind die Grenzen, die hier sicherlich zu berücksichtigen sind, durch die vorgesehenen Regelungen eingehalten.“

So weit, meine Damen und Herren, Herr Nedden. Was wird heute passieren? - Wir werden eine Wende um 180 Grad erleben. Wir haben das eben schon beim Kollegen Biester erlebt. Ich glaube, Frau Kollegin Bockmann wird sich ähnlich äußern. Die SPD hat nämlich gesagt: Es mag ja datenschutzrechtlich gehen, aber politisch wollen wir es nicht mehr. So viel zum Thema „mehr Politik wagen“. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Bockmann, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnungspunkte 8, 9 und 10 sind ja ineinander verzahnt.

(Schirmbeck [CDU]: Nein, nein, nein! - Weitere Zurufe von der CDU)

Gestatten Sie mir deshalb einige grundsätzliche Anmerkungen.

(Schirmbeck [CDU]: Wenn Ihr euch nicht rechtzeitig meldet, dann dürft Ihr euch nicht wundern! - Beckmann [SPD]: Herr Präsident, was sagen Sie dazu?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren - -

Frau Kollegin, fahren Sie fort.

Es geht um Resultate aus der Anhörung. Lassen Sie mich bitte deshalb in diesem Zusammenhang einige Anmerkungen machen.

Erstens. Es ist hier der Eindruck erweckt worden, als habe bei dieser Anhörung eine große Einigkeit darüber geherrscht, dass es z. B. eine Unvereinbarkeit von Ministeramt und kommunalem Mandat gebe. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang den ehemaligen Präsidenten des Landesrechnungshofes, Herrn Heiner Herbst, zitieren, der zu dieser Problematik salopp sagte:

"Sie halten die Füße eher auf dem Boden,"

- also die Minister

"wenn sie auch Erfahrungen auf der kommunalen Ebene sammeln konnten."

Der Politikwissenschaftler Prof. Naßmacher hat in diesem Zusammenhang ausgeführt:

"Ich bin für Grauzonen. Ich bin deswegen für Grauzonen, weil ich glaube, dass die Grauzonen Stellen sind, an denen die Presse ihr Skandalbedürfnis abarbeiten kann."

Das zur Einigkeit im Ausschuss.

Die zweite Forderung, Herr Kollege Schröder, war die, dass das Bundesgesetz auf das Landesgesetz übertragen werden solle, nämlich dass eine Unvereinbarkeit des kommunalen Mandates zur Ministerebene hergestellt werden solle. Ich darf Sie aber darauf hinweisen, dass eine der Bundesregelung entsprechende Regelung bereits im Landesgesetz enthalten ist. Im Landesgesetz ist in § 5 Abs. 2 Satz 2 fixiert, dass Minister in dieser Funktion keine Ehrenämter wahrnehmen sollen. Insofern geht Ihre Argumentation ins Leere.

Der nächste Punkt, den der Herr Kollege Biester angesprochen hat - ich kann ihm nur zustimmen -, ist, dass der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Abgeordnetengesetzes ungeeignet ist, Vertrauen in der Bevölkerung zu schaffen. Er kann Vertrauen deshalb nicht schaffen, weil er relativ undifferenziert ist und Spekulationen zulässt. Ich möchte dafür nur ein Beispiel geben.

In den Bericht sind nach dem Gesetzentwurf Spenden und Einkünfte nur dann aufzunehmen, wenn sie nach ihrer Höhe Hinweise auf für das Mandat bedeutsame Interessenverknüpfungen geben können. Unkonkreter und auslegungsbedürftiger geht es nun wirklich nicht, Herr Kollege Schröder; und das, obwohl gerade Sie als Grüne immer Entbüro

kratisierung, Vereinfachung und Transparenz von Gesetzen fordern.