Zur heutigen Sitzung ist Folgendes zu bemerken: Wir beginnen mit der Fragestunde - Tagesordnungspunkt 26. Es folgt Tagesordnungspunkt 2 - Eingaben -, und zwar die Behandlung der strittigen Eingaben. Anschließend setzen wir die Beratung in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt von der Landesregierung der Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Herr Senff, und der Justizminister, Herr Dr. Weber, und von der Fraktion der CDU Herr Meier und Frau Zachow.
Frage 1: Warum werden Gründe für Nichteignung von Schacht Konrad und Gorleben von der BDE nicht freigegeben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Salzgitter-Zeitung“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 6. Oktober 2000, dass der frühere stellvertretende Leiter des Schacht-Konrad-Projektes bei der Deutschen Gesellschaft für den Bau und Betrieb von Endlagern (DBE), Volker Eyssen, derzeit daran gehindert wird, von ihm erkannte Gründe zu benennen, die nach seiner Auffassung zwingend zur Nichtgenehmigung der Endlagerprojekte Schacht Konrad und Gorleben führen würden.
Eyssens Anwälte erklären laut dem Pressebericht, dass Eyssen diese Gründe aber derzeit niemandem verraten dürfe, weil ihm sonst Schadenersatzforderungen in Millionen- oder sogar Milliardenhöhe durch seinen früheren Arbeitgeber, die DBE, drohen würden. Zu der Reaktion des Niedersächsischen Umweltministeriums berichtet die „Salzgitter-Zeitung“:
„Nachdem Eyssen sich Dr. HansGeorg Babke, in der Propstei Salzgitter-Bad für das Endlager Konrad zuständig, im Vertrauen auf dessen Schweigepflicht offenbart hat und jener die Fakten von einer darauf spezialisierten Rechtsanwältin bewerten ließ, ist nun auch Landesbischof Christian Krause aktiv geworden.
Am 26. Juli schickte der Bischof einen persönlichen Brief an Jüttner. Der Minister möge doch, bat Krause, Eyssen ein Schreiben zukommen lassen, das geeignet ist, die DBE von Schadenersatzforderungen Abstand nehmen zu lassen. Doch alles, was Eyssen Ende September bekam, ist der Brief eines Ministeriumsmitarbeiters, der ihn auffordert, ‚etwaige Sachinformationen, die möglicherweise der Planfeststellungsbehörde bisher nicht bekannt sein könnten, vor Abschluss des Verfahrens bis zum 15. Oktober 2000 zur Kenntnis zu geben‘. Weiter
heißt es in dem Schreiben: ‚Sollte die Offenlegung der Ihnen zur Verfügung stehenden Informationen der vorhergehenden Zustimmung Ihres ehemaligen Arbeitgebers oder Dritter bedürfen, bitte ich Sie, entsprechende Vorklärungen in eigener Verantwortung vorzunehmen.‘
‚Mehr kann man einfach nicht machen als Planfeststellungsbehörde‘, sagt Jüttner-Sprecherin Jutta KremerHeye.“
Dieser Bericht hat in der betroffenen Region erhebliche Zweifel daran geweckt bzw. verstärkt, dass in diesem Genehmigungsverfahren tatsächlich allen Sicherheitsfragen mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und Genauigkeit nachgegangen wird. Da die Frage nicht geklärt werden kann, ob die von Herrn Eyssen behaupteten zwingenden Gründe für die Nichtgenehmigung von Schacht Konrad zutreffend sind, sind deren Offenlegung und gründliche Prüfung erforderlich.
Da die DBE im Auftrag der antragstellenden Bundesregierung handelt und es sich um eine bundeseigene Gesellschaft handelt, hat die Bundesregierung ausreichend direkte Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten, um die Aussagemöglichkeit für Herrn Eyssen zu schaffen. Das Niedersächsische Umweltministerium ist wiederum als Genehmigungsbehörde verpflichtet, allen Fragen nachzugehen, die Zweifel an einer Genehmigungsfähigkeit von Schacht Konrad begründen könnten. Gegenüber dem antragstellenden Bund hat das Land die Möglichkeit, ihn zur Mitwirkung an diesen Überprüfungen zu veranlassen. Dazu gehört auch, dass direkte und indirekte Mitarbeiter des Bundes zur Offenlegung von Erkenntnissen veranlasst werden, die einer möglichen Genehmigung entgegenstehen. Da Herr Eyssen zu dieser Aussage bereit ist, fehlt es derzeit nur an der Zustimmung des Bundes und seiner Beauftragten.
Sollte die Bundesregierung oder sollten die untergeordneten Bundesbehörden und deren beauftragte Unternehmen dies weiter verweigern, dann ist das Umweltministerium in Hannover durch den Antragsteller offensichtlich an einer weiteren Bearbeitung des Genehmigungsantrages gehindert. Ein Abbruch oder zumindest eine Unterbrechung des Planfeststellungsverfahrens wäre die zwingende Folge.
1. Welche Schritte will sie einleiten, um die vollständige Einbeziehung der von Herrn Eyssen behaupteten Erkenntnisse in das Planfeststellungsverfahren zu ermöglichen?
2. Was hat das Umweltministerium gegenüber dem Antragsteller im Konrad-Verfahren unternommen, um diesen zu veranlassen, Herrn Eyssen eine unzensierte und freie Aussagemöglichkeit gegenüber der Plangenehmigungsbehörde zu ermöglichen?
3. Ist die Landesregierung bereit, die Arbeiten im Planfeststellungsverfahren abzubrechen oder zumindest so lange ruhen zu lassen, bis Herrn Eyssen die Aussagemöglichkeit gegenüber dem Niedersächsischen Umweltministerium eingeräumt wurde?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der ehemalige Projektleiter für Schacht Konrad bei der DBE, Herr Eyssen, war bereits 1997 an das Niedersächsische Umweltministerium herangetreten mit dem Hinweis, er verfüge über besondere Kenntnisse zu Schacht Konrad. Da das Umweltministerium als Planfeststellungsbehörde an allen Sachinformationen interessiert ist, die für das Planfeststellungsverfahren von Bedeutung sein können, wurde Herr Eyssen schon damals aufgefordert, seine Kenntnisse darzulegen. Die DBE reagierte 1997 ebenfalls auf ein Schreiben ihres ehemaligen Mitarbeiters in dem Sinne, dass die DBE keine prinzipiellen Einwände gegen eine Weitergabe seiner Erfahrungen mit dem Projekt habe.
Nachdem sich Herr Eyssen im Mai dieses Jahres an einen Pfarrer der evangelisch-lutherischen Landeskirche gewandt hatte und dieser sein Anliegen vortrug, wurde er vom Niedersächsischen Umweltministerium im persönlichen Gespräch und schriftlich erneut gebeten, sein Wissen darzulegen. Auch dem Wunsch des Landesbischofs der evangelisch-lutherischen Landeskirche Braunschweig nach einer Vermittlung zwischen DBE und Herrn Eyssen wurde entsprochen: Das Umweltministerium informierte die DBE und das Bundesamt für Strahlenschutz als Antragsteller des Projekts Schacht Konrad darüber, dass sich Herr Eyssen
durch etwaige Regressforderungen seines ehemaligen Arbeitgebers bislang gehindert sehe, sein Wissen preiszugeben.
„Wie wir Ihnen bereits in unserem Schreiben vom 28.11.1997 mitgeteilt haben, sehen wir Sie nicht gehindert, Erklärungen zu den Projekten Konrad und Gorleben abzugeben, soweit diese Relevanz für die Genehmigungsverfahren der Projekte Konrad und Gorleben haben. Insoweit wiederholen wir unsere Auffassung, dass es Ihnen freisteht, sich zu den Projekten zu äußern. Schadenersatzrechtliche Nachteile werden insoweit nicht für Sie entstehen.“
Herr Eyssen teilte dem Niedersächsischen Umweltministerium danach telefonisch mit, dass er die Aussage der DBE für unzureichend halte und sich weiter gehindert sehe, die geforderten Informationen offen zu legen.
Das Bundesamt für Strahlenschutz wurde vonseiten der Planfeststellungsbehörde auf diesen Sachverhalt hingewiesen und um Stellungnahme gebeten. In einem Telefongespräch zwischen mir und dem Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz - das liegt einige Wochen zurück - waren wir uns einig, dass alles getan werden muss, um möglicherweise relevante Informationen für das Genehmigungsverfahren zu erhalten. Dies hat das Bundesamt in seiner schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Niedersächsischen Umweltministerium bestätigt und ein weiteres Schreiben der DBE an Herrn Eyssen veranlasst. In diesem Schreiben der DBE vom 13. November dieses Jahres an Herrn Eyssen heißt es wörtlich:
„Da wir an den Informationen interessiert sind, über die Sie nach Ihrer Aussage bezüglich der Endlagerprojekte Konrad und Gorleben im Hinblick auf deren Genehmigungsfähigkeit verfügen, stellen wir Sie einvernehmlich mit dem BfS ausdrücklich von Schadenersatzansprüchen jeder Art frei.“
„Damit sollte nach meinem Eindruck Herr Eyssen nun die auch von der DBE zugesicherte Möglichkeit haben, sein Wissen uneingeschränkt offenbaren zu können.“
Nun noch ein paar Worte zum Verfahrensrecht. Das Umweltministerium hat unter Beachtung der verwaltungsverfahrensrechtlichen Untersuchungsgrundsätze als zuständige Planfeststellungsbehörde die Pflicht, auch nach Abschluss der Öffentlichkeitsbeteiligung, die bereits in den Jahren 1991 bis 1993 stattfand, alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen. Die Pflicht gilt bis zum Zeitpunkt einer abschließenden Entscheidung im Verfahren. Voraussetzung hierfür ist jedoch in jedem Fall eine inhaltliche Konkretisierung relevanter Sachverhalte. Dies gilt auch in dem hier vorliegenden Fall, dass ein Dritter Zulassungshindernisse sieht. Entsprechende inhaltliche Angaben fehlen im vorliegenden Fall jedoch bisher völlig.
Vor diesem Hintergrund hat das Niedersächsische Umweltministerium alle möglichen Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung ergriffen. Darüber hinaus ist das MU als zuständige Planfeststellungsbehörde, insbesondere angesichts vollständig fehlender inhaltlicher Angaben, nicht berechtigt, Verfahrensunterbrechungen ohne sachliche Begründbarkeit vorzunehmen.
Zu den Fragen 1 und 2: Das MU hat angesichts einer bisher bloß vorgetragenen Behauptung, über bedeutsame Informationen zu verfügen, alle ihr als Planfeststellungsbehörde zukommenden Möglichkeiten ausgeschöpft, um eventuell bisher nicht bekannte Sachverhalte in die Prüfung des Planfeststellungsverfahrens einzubeziehen. Der Landesregierung stehen darüber hinaus keine Instrumente zur Verfügung, mit denen Aussagen Dritter erzwungen werden können oder mittels derer auf etwaige nachwirkende arbeitsvertragliche Pflichten zwischen Privatunternehmen und deren ehemaligen Arbeitnehmern eingewirkt werden könnte.
Soweit bis zum Abschluss des laufenden Planfeststellungsverfahrens noch neue inhaltliche Erkenntnisse auftauchen sollten, wären diese selbstver
Zu Frage 3: Ohne Vorliegen dafür notwendiger sachlicher Gründe bestehen keine rechtlichen Möglichkeiten zur Unterbrechung des laufenden Planfeststellungsverfahrens.
Herr Minister, wenn ich Ihre Antwort richtig verstanden habe, dann ist veranlasst worden, dass dieses Schreiben vom 13. November herausgegangen ist. Ich frage Sie: Wären Sie auch bereit, persönlich mit Herrn Eyssen Kontakt aufzunehmen, um zu klären, ob er auf der Grundlage dieses Schreibens, das ja nun erst ein paar Tage alt ist, bereit ist, seine Aussage zu machen, vor allem vor dem Hintergrund, dass Herr Eyssen gegenüber den Medien erklärt hat, das Hauptproblem sei, dass nach den entsprechenden aktienrechtlichen Bestimmungen die Entscheidungsgremien in der DBE die entsprechenden Beschlüsse fassen müssten, um sicherzustellen, dass tatsächlich eine Freistellung von Schadenersatzforderungen erfolgt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich Herrn Schwarzenholz schon länger kenne und den Sachverhalt ebenso, habe ich die Frage allerdings verstanden.
Vorbemerkung, Herr Schwarzenholz. – Ihr Einwand legt nahe, dass wir erst durch Ihre Anfrage überhaupt auf den Gedanken gekommen sind, diesem Sachverhalt nachzugehen. Dieser Eindruck ist rundherum falsch. Ich habe mit Landesbischof Krause in den letzten Monaten mehrmals wegen des Vorgangs telefoniert. Es bedurfte nicht Ihrer Mündlichen Anfrage, um uns zu veranlassen, dieser Sache intensiv nachzugehen.