Protocol of the Session on November 16, 2000

Bei dieser Diskussion geht es mir darum, dass das Instrumentarium NFG 30 Jahre lang hervorragend funktioniert hat. Sonst wäre es viel früher infrage gestellt worden. Das Parlament konnte offensichtlich damit umgehen. Wenn es ergebnisorientiert diskutiert hat, hat es auch das Instrumentarium akzeptiert. Das wird erst dann infrage gestellt, wenn offensichtlich die Idee aufkommt, man könne mit einer solchen Diskussion auch politische Vorteile erreichen. Diese politischen Vorteile erreicht man aber nur dann, wenn man ausreichend Geld hat. Das ist die Entscheidung, von der ich vorhin gesprochen habe, Herr Golibrzuch. Sie verknüpfen die NFG-Debatte - Ausfinanzierung der derzeit aufgelaufenen Summen in der NFG mit dem, was Sie hier als Patentrezept dargestellt haben. Das geht nach dem Motto: Dann trennen wir einmal die NFG-Debatte von der allgemeinen Situation der Landesfinanzen. - Das ist aber das, was unsolide in der Diskussion ist. Das muss dann auch an der richtigen Stelle gesagt werden.

Der entscheidende Punkt wird also sein, ob es uns gelingt, in der relativ kurzen Zeit mit dem Landesrechnungshof eine tragfähige Lösung zu finden. Sie muss - davon gehe ich dann aus - auch möglichst viele Jahre halten und verfassungskonform sein, genauso wie die alte Regelung, deren Verfassungskonformität bis jetzt nicht infrage gestellt worden ist. Das wird auch nicht allein durch eine Behauptung so bewiesen.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Golibrzuch, bitte!

Herr Aller, ich bedanke mich für die am Schluss doch versöhnlicheren Töne. Ich will noch einmal deutlich sagen, warum jetzt die NFG so interessant für uns geworden ist. Es gab den zitierten Beschluss des Landtages - quasi in Form einer Selbstbindung - von 1992, dass man die NFG auslaufen lässt, dass die Maßnahmen, die seinerzeit dort geparkt waren, abgewickelt werden, im Übrigen aber - das war die Selbstverpflichtung - keine neuen Projekte mehr in die NFG hineinverschoben werden sollten. Von diesem Grundsatzbeschluss der Selbstverpflichtung des Landtages ist diese Landesregierung in den letzten Jahren abgerückt, hat neue Verpflichtungen zur Finanzierung der Kapitaleinlage des Landes bei der Warenterminbörse und Clearingbank Hannover geplant. Man hatte angedacht, hier die Finanzierung der A 31 einzubringen. Davon hat man möglicherweise Abstand genommen. Es war schlussendlich auch daran gedacht, hier die Finanzierung des EXPODefizits abzuwickeln. Nach den Einwänden des Rechnungshofes hat man das fallen gelassen. Von daher ist es natürlich richtig, darüber zu reden, ob man diese Form der Kreditfinanzierung weitertreiben lassen möchte.

Wir sind gern bereit zu suchen - auch wenn wir es mit Instrumenten anderer Länder vergleichen, die nach meiner Kenntnis nicht in dieser Weise organisiert sind -, ob man hierfür eine adäquate Alternative findet. Wir sind ausdrücklich auch bereit, dann über eine Gegenfinanzierung für die Ablösung der NFG-Darlehen zu reden. Ich meine schon - das sollten Sie dann vielleicht auch akzeptieren -, dass natürlich die Steuermehreinnahmen des laufenden Jahres, die Sie ja der Rücklage zuführen möchten, während die Nettoneuverschuldung unverändert hoch bleibt, genutzt werden sollten, an dieser Stelle Landesschulden zu tilgen, indem man diese NFG-Darlehen ablöst und diese Projekte in den Haushalt zurückholt.

Ich freue mich darauf, dass wir darüber auch mit dem Finanzminister im Ausschuss diskutieren können.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wenn Sie diesen Antrag zur federführenden Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr überweisen möchten, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - So haben wir beschlossen. Vielen Dank.

Wir kommen zum nächsten Punkt unserer Tagesordnung, nämlich zu

Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung: Eingreifen statt Wegsehen - Konsequentes Handeln gegen Schulschwänzen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 14/1987

Der Antrag wird durch die Kollegin Frau Vockert eingebracht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schulschwänzen macht Schule und führt zu immer mehr Schandtaten von Schülerinnen und Schülern. Meine Damen und Herren, wir reden hier nicht vom Schulschwänzen, wie Sie es vielleicht noch kennen, wie es vielleicht zu unserer Jugendzeit noch war, wenn man etwa eine Mathearbeit nicht mitschreiben wollte oder wenn einem der Lehrer nicht gefiel. Nein, das Schulschwänzen von heute hat eine ganz andere soziale Dimension, eine ganz andere Problematik und einen ganz anderen Sprengstoff.

Die Schülerinnen und Schüler, die heute die Schule schwänzen, sind zunehmend Aussteiger aus unserem deutschen Bildungssystem. Sie sehen für sich selbst keine Zukunftsperspektiven mehr, keine Zukunftschancen. Sie verweigern sich, weil sie keine Bindung mehr haben. Es wird immer wieder - das als Stichwort dazu - der Zerfall der Familien diskutiert. Sie verweigern sich aber auch, weil sie keine gemeinsamen Wertvorstellungen mehr haben.

Meine Damen und Herren, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es sich hierbei nicht um eine kleine Gruppe handelt. Es sind in der Schule nicht nur einige wenige. Nach Schätzungen sind es bundesweit ca. 70.000, eher noch mehr, darunter 10.000 Totalverweigerer.

Wir von der CDU-Fraktion haben Ihnen deshalb hier und heute diesen Antrag auf den Tisch gelegt.

Wir sind der Auffassung, dass wir hier nicht wegsehen dürfen, sondern dass wir eingreifen müssen. Fest steht, meine Damen und Herren, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Schulschwänzen, Jugendkriminalität und Jugendgewalt gibt. Der neue Justizminister Dr. Pfeiffer

(Meinhold [SPD]: Professor Dr. Pfeiffer!)

hat hierzu eine Studie erstellt. Herr Meinhold, Sie haben sie mit Sicherheit gelesen. Herr Pfeiffer kommt zu dem Ergebnis, 13,5 % der Hauptschüler in Hannover schwänzen. In Stuttgart liegt der Anteil bei 7,8 %, in München bei nur 5,9 %. Ich will die Zahlen jetzt nicht weiter ausführen. Herr Pfeiffer kommt zu dem Ergebnis, dass es grundsätzlich ein Nord-Süd-Gefälle gibt. Er erklärt sich dieses Gefälle damit, dass es in Bayern intakte soziale Netzwerke gibt. Der neue Justizminister sagt, deutlich mehr süddeutsche Kinder leben in intakten Familien, und die Kontrollinstrumente der Behörden sind nach Auffassung Pfeiffers auch effektiver.

Hinzu kommt sein Eindruck - auch das finde ich interessant -, dass Hauptschulen im Süden noch echte Hauptschulen sind und keine Restschulen ein interessanter Satz.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Das hat er aber nicht als Minis- ter gesagt!)

Ich meine auch, dass der neue Justizminister hier Recht hat. Ich wünsche mir, dass er sich mit seinen bildungspolitischen Vorstellungen auch innerhalb der SPD - Frau Ministerin, Sie lächeln - entsprechend durchsetzen wird. Dann kommen wir auch bildungspolitisch und damit auch jugendpolitisch einen weiten Schritt nach vorne.

(Beifall bei der CDU)

Schließlich kommt der neue Minister in seiner Studie auch zu dem Ergebnis, dass über die Hälfte des Schulschwänzens von Lehrern nicht als solches erkannt wird. Wenn es dann allerdings bemerkt wird - auch das ist interessant -, hat das zu keinen weiteren Konsequenzen geführt. Deswegen, meine Damen und Herren, Herr Kollege Fasold, besteht hier dringender Handlungsbedarf. Hierbei kommt der Schule eine Schlüsselrolle zu.

Was kann man tun? Nach unserer Auffassung müssen Lehrkräfte - ich hoffe, dass wir mindestens

da Konsens bei der Ausschussberatung erzielen werden - bereits beim ersten Anzeichen von Schulschwänzen erzieherisch eingreifen. Sie müssen Gespräche anbieten, auf Konsequenzen des Fehlverhaltens eindeutig hinweisen. Dabei sind Eltern, Schüler und Lehrkräfte gemeinsam gefordert. Es gibt in einzelnen Schulen schon ganz tolle Projekte, bei denen man tatsächlich verbindliche Regeln für das Schulleben festgezurrt hat.

Auch mit diesem Antrag wollen wir erreichen, dass so etwas weiter initiiert wird und dass diese fantastischen Projekte vorangebracht werden. Selbstverständlich gehört für uns auch dazu, dass schulpolitisch notwendige Richtungsentscheidungen getroffen werden. Ich rufe noch einmal das Zitat des neuen Justizministers in Erinnerung. Wir brauchen nämlich echte Hauptschulen, und wir brauchen nicht, wie es diese Landesregierung will, die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen. Das ist der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU - Wulf [Olden- burg] [SPD]: Genau das Gegenteil!)

Ich merke, dass da ein bisschen Unmut ist. Ich möchte Ihnen, Herr Wulf, einmal sagen, wie Ihr neuer Minister das in Niedersachsen vorhandene Schulsystem beurteilt. Das hat er uns damals in einer öffentlichen Anhörung gesagt. Ich zitiere Herrn Dr. Pfeiffer:

„Die Lehrer in den Hauptschulen, die die völlig demotivierten Verlierer der Orientierungsstufen übernehmen müssen, tun mir leid. Das Problem sind die Orientierungsstufen, in denen die jungen Menschen, die auf dem Weg zur Realschule und zum Gymnasium nicht mithalten können, zu Verlierern zugerichtet werden, weil sie zwei Jahre lang mit den begabteren, besser geförderten Erfolgskindern verglichen werden.“

So Herr Pfeiffer. Ich zitiere weiter:

„Ich wäre dafür, daß diese Schulform abgeschafft wird, weil sie die WinnerLoser-Kultur aus meiner Sicht auf die Spitze treibt, indem sie eine große Zahl von jungen Menschen zu lange einem unfairen Wettbewerb aussetzt.“

(Dinkla [CDU]: Wenn Gabriel das gelesen hätte, dann wäre der nicht Minister geworden!)

Herr Pfeiffer sagt aufgrund seiner umfangreichen Untersuchungen weiter:

„Wir wissen alle, daß es Begabungsunterschiede gibt und daß von daher einige zur Hauptschule und andere zum Gymnasium gehen.“

(Wernstedt [SPD]: Auch im Gymna- sium gibt es unterschiedliche Bega- bungen!)

- Selbstverständlich. Das streitet Herr Pfeiffer nicht ab, und das streiten auch wir nicht ab. Es gibt Unterschiede. Die beste Förderung ist begabungsgerecht.

(Wernstedt [SPD]: Sie haben nicht zugehört, was ich gesagt habe! Im Gymnasium!)

- Doch! Hören Sie mir zu Ende zu, Herr Wernstedt! - Deshalb sagt Herr Pfeiffer:

„Das ist nun einmal so, wenn man nicht durch das Angebot der Gesamtschulen die Unterschiede, die man akzeptieren muß, zukleistern will.“

Mit Ihrem Angebot, mit Ihrem Weg, jetzt wieder Sekundarschulen einzurichten, hin zur Gesamtschule, kleistern Sie zu und lassen eben kein begabungsgerechtes und leistungsdifferenziertes Schulwesen zu, was ich sehr bedaure. Ich meine, dass der zukünftige Minister Pfeiffer eindeutig Recht hat. Ich hoffe, dass er sich im Kabinett durchsetzen wird, denn wir brauchen kontinuierliche, langzeitlich angelegte Bildungsgänge. Die haben wir in der Hauptschule, in der Realschule und im Gymnasium.

Die Lehrer müssen die Zeit haben, um insbesondere die Jugendlichen pädagogisch begleiten zu können, die ins Abseits rutschen können. Hier setzt die Prävention an. Ich meine, dass es notwendig ist, den Gedanken der Prävention als Leitgedanken aller Maßnahmen, wie wir ihn in unserem Forderungskatalog durchsetzen wollen, zu sehen. Wir benötigen konsequent ein Konzept, das aber für die einzelnen Gegebenheiten vor Ort maßgeschneidert ist. Ich gehe davon aus, dass wir uns einig darin sind, dass sich das Problem in der Großstadt oder

in Ballungsgebieten anders als in ländlichen Räumen darstellt.

Deshalb gibt es auch den Modellversuch in Hannover, den wir durchaus begrüßen, was bekannt ist. Dort werden schulschwänzende Kinder und Jugendliche gezielt von Polizeikräften angesprochen. Die Schulen und die Erziehungsberechtigten werden über den Sachverhalt informiert.

Meine Damen und Herren, hierbei handelt es sich nun wirklich überhaupt nicht um Kriminalisierung. Es hat in keiner Weise etwas mit Repressalien zu tun. Hier werden den Kindern und Jugendlichen Hilfen angeboten. Wir wollen, dass das nicht nur in Hannover oder an anderen Modellstandorten geschieht. Es muss vielmehr unsere Zielsetzung sein, dass wir diesen Kindern landesweit Hilfestellung geben, und zwar gemeinsam, gemeinsam mit Eltern, Lehrkräften, aber auch mit der Polizei.

(Beifall bei der CDU)

Selbst wenn wir mit Herrn Minister Bartling der Meinung sind, dass die Polizei ihre Grenzen hat, so hat uns insbesondere auf der NetzwerkVeranstaltung in Hameln die Geschäftsführerin der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe, die im Übrigen immer auf der Seite der Jugendlichen steht, sehr deutlich und klar gemacht, Herr Minister - insbesondere auch Ihnen -, dass die Polizei eine hohe Glaubwürdigkeit bei jungen Menschen hat und eben auch eine zentrale Rolle als erster Ansprechpartner bei Konflikten einnimmt. Auch deshalb sollten wir neben den Erziehungsberechtigten und der Jugendhilfe die Polizei dort in die Präventionsarbeit einbinden, wo es passt.

Es gibt tolle Modellprojekte. Diese Modellprojekte werden hier mit Sicherheit noch aufgezählt werden. Ich weiß nicht, wer für die Landesregierung in die Bütt geht oder ob die SPD die Modelle alle aufgeschrieben bekommen hat.

(Zuruf von der SPD: Wir sind hier nicht beim Karneval!)

Ich nenne das Modell „Pate“ bei der Polizeiinspektion in Delmenhorst, das Modell „Jugendgerichtshilfe“ ebenfalls bei der Polizeiinspektion in Delmenhorst, das Antigewaltprojekt in Hannover, das Projekt in Wolfsburg oder das Projekt in Gifhorn, wo lernschwache, benachteiligte Schüler von Hauptschulen unterstützende Maßnahmen erhalten.

Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen müssen diese auch in anderen niedersächsischen Kommunen umgesetzt werden. Wir haben das eingefordert und fordern das heute ganz massiv ein. Selbstverständlich gehören die Präventionsräte - ich habe es eben genannt, Herr Meinhold - mit dazu. Diese Instrumente müssen mit eingebunden werden. Es kann aus unserer Sicht aber nicht sein, dass es bei diesen einigen wenigen Modellprojekten, die bereits laufen, bleibt. Viele machen es sich sehr leicht, indem sie alles auf die Präventionsräte abwälzen und damit auch die Verantwortung an der Garderobe abgeben oder in diesem Fall auf die Landespräventionsräte oder die örtlichen Präventionsräte abschieben und überhaupt nicht überprüfen, ob das am Ende durchgesetzt wird. Deshalb sind wir der Meinung, dass die Landesregierung gefordert ist.