Protocol of the Session on October 12, 2000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich auf die Petition 2611 der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg. Worum geht es? Wieder einmal haben wir das Thema „mehr Autonomie für die Hochschulen“. Der Senat der Universität wendet sich gegen bestimmte Maßnahmen der Landesregierung, da diese der Zielsetzung des Modellvorhabens zur globalen Steuerung von Hochschulhaushalten zuwider laufen würden. Insbesondere werden bei der Einbeziehung der Hochschule in zentrale Steuerungsmaßnahmen des Landes die Punkte Liegenschaftsmanagement, Verlagerung von Zuständigkeiten an das Informatikzentrum Niedersachsen, Zentralisierung des Einkaufs von Telekommunikationsleistungen und Energie sowie Anbindung an das zentrale Haushaltsvollzugssystem aufgeführt.

Die nicht ausreichende Weiterentwicklung der Finanzautonomie in den Bereichen Baumaßnahmen und Übertragbarkeit der Mittel werden vonseiten des Senats der Universität ebenfalls bemängelt.

Meine Damen und Herren, in der Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur ist wenig Neigung vorzufinden, den einen oder anderen Kritikpunkt noch einmal zu überdenken. Da wurde nach dem Motto vorgegangen: Wir sind bereits auf dem besten Wege. – Das mag nicht verwunderlich sein, hat doch bereits 1998 der Wissenschaftsminister Oppermann mehr Autonomie für die Hochschulen zum Ziel seines Handelns erklärt. Genau das Gegenteil wird durch das nunmehr beschlossene zentrale Liegenschaftsmanagement beim Finanzministerium sowie die Bündelung beim Einkauf von Leistungen in den Bereichen der Telekommunikation und der Energie bewirkt.

Die Chance, in diesen Feldern durch Sponsoring vor Ort Mittel für andere Zwecke innerhalb des Budgets frei zu bekommen, wird den Hochschulen verwehrt. Für die insbesondere auf den mittleren Ebenen der Hochschulen zu verzeichnende Motivation, Kosten einzusparen, dürfte auch dies keineswegs förderlich sein.

Nebenbei bemerkt: Auch aus den Reihen der SPD wurde das zentrale Liegenschaftsmanagement als nicht systemgerecht eingestuft.

Hinsichtlich der Entscheidung der SPD im Ausschuss auf „Sach- und Rechtslage“ möchte ich Sie, werte Vertreter und Vertreterinnen der SPDFraktion, an die Worte Ihres Kollegen Harald Groth zu dem Thema „mehr Autonomie für die Hochschulen“ von gestern erinnern: Wir sind im Diskurs mit den Hochschulen. – Uns, der CDU, wurde vorgeworfen, wir würden künstliche Kontroversen anzetteln. Sofern Sie tatsächlich schon ernsthaft im Diskurs mit eben diesen Hochschulen stehen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, so spricht sicherlich nichts dagegen, diese Petition einer Hochschule der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Oder sollten es nur künstliche Diskurse sein, die Sie im Lande führen?

(Beifall bei der CDU)

Zur gleichen Eingabe hat das Wort der Abgeordnete Wulf (Oldenburg).

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir führen natürlich keine künstlichen Diskurse, Frau Schwarz, sondern wir und natürlich insbesondere ich sind in einem steten Gespräch mit der Leitung der Hochschule in Oldenburg, der Carl von Ossietzky Universität. Selbstverständlich ist uns das Anliegen des Senats bekannt. Sie können davon ausgehen, dass wir die Punkte, die der Senat in seiner Petition zum Ausdruck gebracht hat, schon längst mit den verantwortlichen Personen auch des Ministeriums besprochen haben.

Bei allem Verständnis für das, was der Senat der Hochschule formuliert hat, gibt es allerdings niedersachsenweit übergeordnete Gesichtspunkte, die hier eine Rolle spielen. Natürlich befindet sich die Universität in Oldenburg als eine von drei Hochschulen, die durch den Globalhaushalt schon über ein gewisses Maß an Freiheit verfügen, in einer besonderen Situation. Von daher argumentiert sie natürlich anders als andere Hochschulen im Lande, die sich noch sehr stark unter staatlichem Einfluss befinden. Daher ist es verständlich, wie die Oldenburger Hochschule hier argumentiert. Natürlich hat sie schon ein gewisses Maß an Freiheit, und

selbstverständlich hat sie auch ein Interesse daran, diese Freiheit zu erhalten.

In dem Rahmen, in dem wir vorhaben, das Hochschulgesetz zu novellieren – wir hoffen, dass Sie diesen Weg mitgehen -, wird dies erfüllt werden. Das heißt, die Oldenburger Hochschule wird mit einem neuen NHG genauso agieren können, wie sie dies in ihrer Petition zum Ausdruck gebracht hat. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es nun einmal so - das müssen Sie sehen -, dass beispielsweise in den Bereichen der Liegenschaftsverwaltung, der Telekommunikation und des Strombezugs in der Summe der zentrale Einkauf bzw. die zentrale Verwaltung für das Land kostengünstiger ist. Das ist ein Fakt.

Natürlich gibt es vor Ort in Einzelfällen auch andere Bedingungen. Auch das ist klar. Im Einzelfall, auch für Oldenburg, kann das, z. B. was den Strombezug angeht, bedauerlich sein. In solchen Fällen kommt es darauf an, zwischen Hochschule und Ministerium noch einmal darüber zu reden, ob nicht Kompensationen geschaffen werden können. In der Summe jedoch, für das Land betrachtet, stehen die übergeordneten Interessen an erster Stelle. Von daher haben wir uns bei dieser Eingabe für „Sach- und Rechtslage“ entschlossen. Dafür plädiere ich. Das beantrage ich auch.

(Schirmbeck [CDU]: Dafür hast du aber lange gebraucht!)

Zu einer anderen Eingabe hat Frau Stokar von Neuforn das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich auf die Eingabe 2936 – Aufenthaltsgenehmigung für Hasan Sevimli. Hasan Sevimli ist ein 18-jähriger Kurde, der sich zurzeit im Kirchenasyl der Bremer Friedensgemeinde befindet. Seit seinem 14. Lebensjahr ist Hasan in Delmenhorst zur Schule gegangen. Dort hat er bis zur drohenden Abschiebung bei seinen Verwandten gelebt.

Meine Damen und Herren, gestern haben wir den SPD-Antrag „Schule ohne Hass“ diskutiert. Die heutige SPD-Realität lautet: Schule ohne Hasan. Im staatlichen Umgang mit ihrem Mitschüler Hasan haben die Schülerinnen und Schüler Unmenschlichkeit und Fremdenfeindlichkeit erlebt. Ich glaube, kein pädagogisches Konzept, das Sie

hier diskutieren, wird diese Erfahrung, die diese Schülerinnen und Schüler konkret gemacht haben, auslöschen können.

Meine Damen und Herren von der SPD, der „Aufstand der Anständigen“, den Bundeskanzler Schröder so vehement gefordert hat, fand in Delmenhorst statt. Er richtete sich aber nicht gegen rechte Schläger, sondern gegen SPD-Kommunalpolitiker,

(Plaue [SPD]: Was soll das jetzt wie- der? – Lachen bei der CDU)

die - so der Kommentar des „Delmenhorster Kreisblattes“; ich zitiere - „im Willen zu unerbittlicher Härte den jungen Kurden bis in das hochsensible Kirchenasyl verfolgen“.

(Plaue [SPD]: Auf diese Art und Wei- se arbeitet ihr den Rechten in die Hände; aber ganz gewaltig!)

Meine Damen und Herren, zu keinem Zeitpunkt war Hasan untergetaucht, wie Sie das im Innenausschuss behauptet haben. Die Anständigen in Delmenhorst hatten Hasan versteckt, als die Abschiebung drohte. Sie haben für ihn Kirchenasyl gesucht, und sie haben es gefunden, damit sein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht fortgesetzt werden kann.

Meine Damen und Herren, Sie empören sich hier völlig zu Unrecht.

(Plaue [SPD]: Ich empöre mich über diese Rede! Eine unglaubliche Rede!)

Das sage ich gerade Ihnen, Herr Plaue. Die zahlreichen Paten, die Hasan unterstützen, kommen aus der Mitte der Gesellschaft in Delmenhorst.

(Plaue [SPD]: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun!)

Sie können ja einmal Ihren Kollegen fragen. Bei den Paten handelt es sich um die Lehrer, um Künstler aus dem Ort und um einige wenige Kommunalpolitiker. Einer der prominentesten Paten ist seit wenigen Tagen Günter Grass. Günter Grass sagte in diesem Zusammenhang: Der Ruf „Ausländer raus“ steht nicht nur auf Hauswänden. Vielmehr seien rechte Schlägerkolonnen das Echo einer Politik, die Asyl verweigere und Waffenlieferungen an die Türkei zulasse. Das sagte Günter Grass auch in Richtung auf die SPD.

(Zuruf von Plaue [SPD] - Gegenruf von Frau Harms [GRÜNE]: Er wird von euch nur akzeptiert, wenn euch das ins Zeug passt! Ihr seid so Genos- sen!)

Meine Damen und Herren, Hasan ist kein Einzelfall. Er wurde, wie viele andere Kurden auch, von seinen Eltern nach Deutschland geschickt, damit er nicht in den kurdischen Konflikt gezogen wird. Hasan hat einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt. Bislang ist in der ganzen Türkei nicht einem einzigen Antrag entsprochen worden. Aber es gibt viele Kriegsdienstverweigerer, die sich in türkischen Gefängnissen befinden.

Hasan begründet seinen Antrag: In keiner Armee möchte ich an einer Waffe ausgebildet werden, und schon gar nicht in einer Armee von Mördern und Totschlägern. Als Soldat kurdischer Herkunft würde auch mir befohlen, in meinem eigenen Land zu morden und zu brandschatzen; und dies auch gegenüber meinen eigenen kurdischen Landsleuten.

Meine Damen und Herren von der SPD, für Hasan hätte es eine Lösung gegeben, wenn nicht Ihr Bundesinnenminister Schily genauso wie sein Vorgänger Kanther sich geweigert hätte

(Biel [SPD]: Das ist auch Ihrer!)

- nein, das ist nicht meiner -, die europäische Kinderschutzkonvention zu unterschreiben.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie können sich Ihre europapolitischen Showreden hier im Parlament schenken, wenn Sie als Sozialdemokraten noch nicht einmal bereit sind, die europäischen Menschenrechtsstandards einzuhalten. Sparen Sie sich hier Ihre Europareden!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Eveslage [CDU])

Meine Damen und Herren, die Bremer Polizei hat sich geweigert, das Amtshilfeersuchen aus Niedersachsen zu erfüllen. Die Bremer Polizei ist in das Kirchenasyl gegangen und hat gesagt: Wir haben ein Interesse an einer humanitären Lösung. Das Amtshilfeersuchen aus Niedersachsen wird von der Bremer Polizei nicht durchgesetzt. Hasan wird nicht aus dem Kirchenasyl geholt.

Ich habe Sie im Innenausschuss gebeten, diese Petition für drei Monate zurückzustellen, damit eine Lösung gefunden werden kann. Hasan landet als Kriegsdienstverweigerer, wenn er abgeschoben wird, beim türkischen Militär. Er wird im Nordirak eingesetzt werden. Dieser Junge hat keine Überlebenschance.

Meine Damen und Herren, die niedersächsische Praxis, keine minderjährigen Kurden abzuschieben, weil es zu kompliziert ist, sie an das Jugendamt zu übergeben, aber sie, wenn sie 18 sind, an das türkische Militär auszuliefern, versetzt mich in Wut. Hier ist eine Grenze für Verhandlungen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich fordere Sie auf, hier und heute ein Zeichen zu setzen, wirklich einmal Gesicht zu zeigen und diese Petition der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, damit in den Gesprächen, die wieder begonnen haben, eine Lösung gefunden werden kann. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Plaue [SPD]: Eine ganz miese Rede war das! – Gegenruf von Möllring [CDU]: So sollte man das nicht abtun! – Plaue [SPD]: Genauso, mein Freund! – Möllring [CDU]: „Mein Freund“? Das wüsste ich aber!)

Zu dieser Eingabe hat sich nun der Kollege Collmann zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu den Eingaben 5683/13, 183/14 sowie 2936/14.

Zu den beiden erstgenannten Eingaben, also 5683/13 und 183/14, beantrage ich die Rücküberweisung an den zuständigen Innenausschuss, weil sich zu einigen Fragen noch zusätzlicher Beratungsbedarf ergeben hat.

Nun zur Eingabe 2936/14. Ich darf zunächst einmal, meine Damen und Herren, einige Daten nennen: Am 16. November 1996 reiste Hasan als 14jähriger ein. Erst fast ein Jahr später wurde ein Asylantrag gestellt. Dieser wurde mit Datum vom 17. Juni 1998 abgelehnt. Eine Klage, die dagegen

erhoben wurde, wurde mit Datum vom 9. Dezember 1999 rechtskräftig abgewiesen.

Im Februar 2000 beantragte Hasans Rechtsanwalt eine Aufenthaltsbewilligung zwecks Erreichung des Schulabschlusses – nun hören Sie gut zu – Klasse 9. Seinerzeit wurde im Zusammenhang mit diesem Antrag die Erklärung abgegeben, dass Hasan nach Abschluss des 9. Schuljahres freiwillig aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen werde. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Hasan in Klasse 9. Es war also logisch, dass er unter normalen Umständen bis Ende des Schuljahres Mitte 2000 den Abschluss erreichen würde. Das ist auch geschehen. Gleichwohl hat die Stadt Delmenhorst aus formalen Gründen am 2. Juni den Antrag von Hasans Anwalt abgelehnt. Aber das hat immerhin vom Februar bis zum 2. Juni gedauert. Daran wird deutlich, dass die Stadt Delmenhorst - völlig anders, als dies von meiner Vorrednerin dargestellt worden ist - sich sehr, sehr großzügig verhalten hat. Ich unterstreiche das hier ausdrücklich. Hasan erreichte den Abschluss der Klasse 9. Das Ziel des Anwalts war also erreicht.

Dann plötzlich ergab sich der Antrag auf weitere Aufenthaltsgenehmigung. Es sind Petitionen eingereicht worden. Am 21. Juli wurde ein Asylfolgeantrag gestellt. Bereits am 2. August dieses Jahres hat das Bundesamt diesen Antrag abgelehnt. Diese Ablehnung wurde am 14. August vom Verwaltungsgericht Oldenburg durch eine entsprechende Entscheidung bestätigt. Am 15. August tauchte Hasan unter.

(Zuruf von Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE])