Protocol of the Session on October 11, 2000

Da ich aber von Ihnen keine Rückmeldung bekommen habe, möchte ich natürlich gerne die Gelegenheit wahrnehmen, über die erfolgreiche Steuerpolitik der Bundesregierung zu reden.

(Dinkla [CDU]: Das muss aber nicht sein!)

Die Bundesregierung hat mit dem Steuerentlastungsgesetz und dem Familienleistungsgesetz begonnen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Familien zu entlasten. Ferner hat sie mit dem Steuersenkungspaket die Unternehmen entlastet. Das ist ein Gesamtpaket, meine Damen und Herren von der CDU, das sich sehen lassen kann und das Sie in 16 Jahren Regierungszeit nicht schnüren konnten.

(Beifall bei der SPD)

Die Gesamtsumme der beschlossenen Entlastungen für kleine und mittelständische Betriebe ist sehr viel höher als die Belastungen aus den Maßnahmen zur Gegenfinanzierung.

(Eppers [CDU]: Das stimmt nicht!)

Was für Handwerk und Mittelstand zählt, sind nicht nur die AfA-Tabellen, sondern sind erstens die Nettoentlastungen bei den Steuern und zweitens die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

(Plaue [SPD]: Eben!)

Dazu gehören die Rückführung der Staatsquote, die Senkung der Sozialversicherungsabgaben und die Investitionen in die Zukunft unseres Landes. Unstrittig ist, dass zur Gegenfinanzierung des Steuersenkungsgesetzes auch die Anpassung der amtlichen Abschreibungstabellen gehört. Diese Gegenfinanzierung hat der Bundesrat bei Verabschiedung des Steuersenkungsgesetzes ausdrücklich gefordert. Ich habe leider vorhin nicht die Bundestagsdrucksache mitbekommen, die Herr Finanzminister Aller angeführt hat. Er sprach von der alten Regierung. Ich habe einen neuen Gesetz

entwurf, also nicht von der alten Bundesregierung, sondern vom 14. März 2000. Ich weiß jetzt nicht, ob wir über den gleichen Gesetzentwurf reden. Da steht: Zur Finanzierung werden weitere Steuervergünstigungen eingeschränkt oder abgebaut. - Da ich nicht weiß, ob es der gleiche Gesetzentwurf ist, möchte ich es doch vorlesen: Verminderung der Abschreibungssätze für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens,

(Möhrmann [SPD]: Aha!)

für Gebäude des Betriebsvermögens und Wegfall der degressiven Abschreibung auf Wohngebäude des Privatvermögens.

(Möhrmann [SPD]: Sieh an!)

Unter „C. Alternativen“ steht: Keine.

(Plaue [SPD] und Möhrmann [SPD]: Ah!)

Ich meine, dass damit deutlich wird, dass das, was Sie heute kritisieren, auch Ihre Forderung oder zumindest die Forderung Ihrer Kollegen und Kolleginnen der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag ist.

(Plaue [SPD]: Was schert mich mein Geschwätz von gestern!)

Das heißt, auch Sie beziehen die Anpassung der AfA-Tabellen in die Gegenfinanzierung mit ein. Es war in allen Stellungnahmen zu hören, dass Sie einer Mehrbelastung von 3,5 Milliarden DM zustimmen.

Sie scheinen außerdem aus Ihrem Gedächtnis verdrängt zu haben - in Ihrer Rede haben Sie es allerdings angeführt -, dass der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 19. November zur Auslegung des § 7 des Einkommensteuergesetzes entschieden hat, dass bei der Festlegung von Abschreibungsregeln in AfA-Tabellen im Regelfall allein auf die technische Nutzungsdauer abzustellen sei. Meine Damen und Herren von der CDU, ich möchte noch einmal deutlich sagen: Diese Rechtsprechung erfolgte in Ihrer Regierungszeit, und in Ihrer Regierungszeit haben die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder im April 1998 beschlossen, sämtliche AfA-Tabellen nach den Vorgaben der BFH-Rechtsprechung zu überarbeiten. Es handelt sich also um ein bereits in der letzten Legislaturperiode im Einvernehmen mit allen Ländern begonnenes Vorhaben auf Verwaltungs

ebene, bei dem es um Auslegung und Anwendung geltenden Rechts geht.

Wir haben eben vom Herrn Finanzminister Aller das Ergebnis des gestrigen Gespräches aller Steuerabteilungsleiter gehört. Sie hätten es in der „Frankfurter Rundschau“ schon nachlesen können: Bund und Länder steuern Abschreibungskonsens an, Abteilungsleiter einigen sich auf Höchstbelastung durch neue AfA-Tabellen, kürzere Nutzungsdauer für Computer. Letzter Abschnitt: Die Industrie- und Handelskammern werteten den jetzt gefundenen Kompromiss der Abteilungsleiter als wichtigen steuerpolitischen Erfolg.

(Beifall bei der SPD - Plaue [SPD]: Hört, hört! - Heineking [CDU]: Dann war Ihr erster Vorschlag auch nicht in Ordnung! Das müssen Sie mir doch bestätigen! - Gegenruf von Plaue [SPD]: Willi, du hast wieder nicht hingehört! Das war euer Vorschlag! - Weitere Zurufe - Glocke des Präsi- denten)

Ich möchte die CDU auch auf ihre eigene Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag vom 5. Oktober 1999 zur Neufassung der AfA-Tabellen verweisen. Alle Fragen, Forderungen und Behauptungen Ihres hier vorliegenden Antrages wurden bereits in dieser Kleinen Anfrage gestellt bzw. aufgestellt und dann umfassend beantwortet. 27 Fragen waren von Ihnen vorgegeben worden, u. a auch Fragen, die Sie heute hier stellen.

(Zuruf von Dinkla [CDU])

- Man sollte vielleicht auch einmal andere Drucksachen lesen, nicht nur die des Landtages. - Unter anderem ging es dabei auch um die Frage: Wie verhalten sich die neuen Abschreibungszeiten für Wirtschaftsgüter gegenüber denen in anderen Industrienationen? Und vor allen Dingen ging es auch um die Frage nach dem zukünftigen Entscheidungsspielraum der Finanzämter. Es sollte auch erwähnt werden, dass die Finanzämter im Einzelfall ihren Entscheidungsspielraum behalten, z. B. wenn der Unternehmer eine kürzere Nutzungsdauer für ein Wirtschaftsgut nachweist.

(Dinkla [CDU]: Es wäre noch schö- ner, wenn das nicht so wäre!)

Meine Damen und Herren, in der letzten Plenarsitzung waren es die Benzinpreise. In dieser Plenarsitzung sind es die AfA-Tabellen. - Heiße Luft,

ohne sich inhaltlich mit bereits Bekanntem zu beschäftigen.

(Beifall bei der SPD)

Sie ignorieren Rechtsprechung,

(Heineking [CDU]: Das ist eine Un- terstellung! Können Sie das belegen?)

Sie vergessen Ihre eigenen Konzepte, was kein Verlust ist, aber Sie vergessen auch Ihre eigenen Stellungnahmen, Gesetzentwürfe und Anfragen. Sie haben 16 Jahre Steuerpolitik so gestaltet, dass am Ende bei der Steuerlast eine riesige Kluft zwischen der mittelständischen Wirtschaft einerseits und der exportierenden Großwirtschaft andererseits entstanden ist.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die jetzige Bundesregierung redet nicht nur von Entlastung, sondern sie hat sie auch in Steuergesetzen umgesetzt, und dies bereits innerhalb kürzester Zeit.

Ich kann also nur noch einmal appellieren: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück. Sonst werden Sie in der Beratung im Ausschuss feststellen, dass sich im Grunde genommen alles erledigt hat, was in Ihrem Antrag steht, und das wäre peinlich.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun der Kollege Golibrzuch.

(Plaue [SPD]: Er kann das alles ei- gentlich nur noch bestätigen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesfinanzhof ist mehrfach erwähnt worden. Ich finde, dass das, was die Maßgabe dieser Rechtsprechung war, vernünftig gewesen ist, nämlich zu hinterfragen, inwieweit die Abschreibungszeiträume für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens denn noch an die technische Nutzungsdauer angelehnt gewesen sind. Ich meine, insoweit sind wir uns auch einig. Was danach kam, finde ich ebenfalls logisch: Die Betriebsprüfer sind ausgeschwärmt und haben versucht, auf einer möglichst breiten Datenbasis zu hinterfragen, wie es denn nun mit der technischen Nutzungsdauer

der unterschiedlichen Wirtschaftsgüter in den verschiedenen Branchen aussieht.

Mit dem ersten Ergebnis, das die Finanzverwaltung in neuen Tabellen zusammengefasst hat, kann man in der Tat nicht zufrieden sein. Ich finde, Herr Aller, es gehört schon zu einer ehrlichen Debatte, zu sagen, dass sich zumindest in einem ersten Schritt - darauf zielt ja der Antrag der CDUFraktion ab - die Neufestsetzungen der Finanzverwaltung verselbständigt hatten. Sie waren ausdrücklich nicht mehr von der Frage nach wirtschaftspolitischer Verträglichkeit geprägt, sondern sie waren ausschließlich fiskalisch motiviert. Insofern ist aber auch klar, dass das, was von der Finanzverwaltung entwickelt worden ist, im politischen Lager - nicht nur bei der CDU, sondern von vornherein auch bei den Koalitionsfraktionen in Berlin - keine Zustimmung gefunden hat. Die Grünen-Finanzexperten - Christine Scheel, Oswald Metzger - waren die Ersten, die darauf hingewiesen haben. Hans Eichel und Gerhard Schröder haben sich dann dieser Auffassung angeschlossen, zu sagen, dass es bei der ursprünglichen Festsetzung bleibt und dass die Wirtschaft durch neue Tabellen, die ja im Übrigen nicht durch Gesetz, sondern auf dem Verwaltungswege festgelegt werden, nicht stärker als mit 3,5 Milliarden DM belastet werden soll.

Ich räume unumwunden ein, dass die Umsetzung der Vorschläge der Verwaltung zu einer Mehrbelastung in der Größenordnung von bis zu 12 Milliarden DM oder 15 Milliarden DM hätte führen können. Das ist ausdrücklich politisch nicht erwünscht gewesen. Wir als in diesem Falle rotgrüne Bundesregierung hätten damit die steuerpolitische Wirkung und auch die wirtschaftspolitische Wirkung der großen Steuerreform konterkariert. Aus dem Grunde ist dieser Vorschlag der Finanzverwaltung zu den Akten gelegt worden.

Es gab dann eine längere Diskussion. Der Finanzminister hat ja den Stand von gestern reflektiert. Es gibt jetzt die Maßgabe, dass man - immer noch angelehnt an die Vorgabe des Bundesfinanzhofes, nämlich die technische Nutzungsdauer der einzelnen Güter zu hinterfragen - mit der fiskalischen Obergrenze einer Mehrbelastung von 3,5 Milliarden DM, mit der auch der Deutsche Industrieund Handelstag einverstanden ist, neue Tabellen entwickelt. Ich bin gerne bereit, dass man sich diese Tabellen dann noch einmal anschaut. Insofern finde ich auch nicht, dass der Antrag überflüssig ist. Im Gegenteil: Eine Opposition sollte so

etwas immer einmal machen, zumal ja der Antragschluss schon letzte Woche war, also bevor die Arbeitsgruppe getagt hat. Ich finde allerdings, dass man mit dem, was aus der gestrigen Sitzung bekannt geworden ist, sehr zufrieden sein kann, und das darf man auch als CDU einmal sagen.

(Eveslage [CDU]: Dass Sie das so formulieren, finde ich gut!)

Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass etwa die Abschreibungszeiträume für Kombiwagen oder für Büromöbel verlängert werden. Das ist auch im Hinblick auf die Einnahmesituation der Länder und des Bundes erfreulich, die hiervon sehr wohl auch etwas haben. Ich finde es genau in Ihrem Sinne vernünftig zu sagen: Die Abschreibungszeiträume für Computer betragen nicht mehr vier Jahre oder gar sechs Jahre, wie von der Arbeitsgruppe vorgeschlagen, sondern nur noch drei Jahre. Dann ist es doch auch klug zu sagen: Wir wollen eine ähnliche Regelung auch für die Software.

Lassen Sie uns insofern im Ausschuss noch einmal darüber reden. Ich halte uns jedenfalls einig darin, dass man diese 3,5 Milliarden DM Mehreinnahmen für den Staat bei der Wirtschaft schon erlösen möchte, und zwar auch im Sinne des zitierten Gesetzentwurfes der CDU/CSU-Fraktion. Wir sind uns auch einig, dass das ein Deckel, eine Obergrenze ist. Auf dieser Basis können wir uns dann über die konkrete Ausgestaltung der Abschreibungstabellen verständigen. Das halte ich vielleicht sogar für eine gute Grundlage für einen einstimmigen Landtagsbeschluss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt und erbitte Ihre Unterstützung für die Überweisung der Vorlage an die Ausschüsse zur weiteren Beratung, und zwar an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zur federführenden Beratung und Berichterstattung, und die Mitberatung soll im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr erfolgen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist dann so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkte 27 und 28 auf, die vereinbarungsgemäß zusammen behandelt werden:

Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung: Europa ist das, was wir daraus machen Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 14/1894