Protocol of the Session on October 10, 2000

(Unruhe bei der CDU)

34 Gefangene aus der Jugendvollzugsanstalt ausgebrochen sind, dass im Jahre 1984 38 Menschen aus dem Erwachsenenstrafvollzug ausgebrochen sind, ohne dass dafür politische Konsequenzen gefordert worden sind, und zwar aus vernünftigen Gründen nicht gefordert worden sind, weil wir uns darüber unterhalten müssen, welches die Gründe von Ausbrüchen sind, und in der Tat sachlich darüber zu diskutieren haben, was man tun kann, damit es zu solchen Ausbrüchen nicht kommt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Seit der Amtsübernahme durch die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hier in Niedersachsen, seit 1990, ist die Zahl der Gefangenenausbrüche rückläufig.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Das belegen die Zahlen eindeutig, und das hat auch ein Stück weit damit zu tun, dass wir die Siche

rungsmaßnahmen in den uns von Ihnen marode übergebenen Gefängnissen verbessert haben.

(Beifall bei der SPD - Heiterkeit bei der CDU)

Zum Schluss komme ich auf den eigentlichen Kern dieser Debatte zu sprechen. Kollege Busemann hat in der Öffentlichkeit mehrfach verbreitet - und zwar in einer Art und Weise, die ich persönlich als menschenverachtend bezeichne -:

(Beifall bei der SPD)

„Mit Ihnen, Herr Minister Weber, brauchen wir uns gar nicht mehr zu beschäftigen; Sie werden sowieso zurückgezogen.“ - Herr Kollege Busemann, wie Sie mit Menschen umgehen, macht mir eines klar: Sie haben inhaltlich nichts auf der Pfanne und versuchen, Personen anzugreifen. Ich sage Ihnen aber: Wir stellen uns vor unseren Justizminister, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der SPD - Oh! bei der CDU)

Das Wort hat der Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich gibt es in demokratischen Staaten, die Strafvollzug anordnen und Justizvollzugsanstalten vorhalten, auch immer wieder Probleme im Strafvollzug, und es gibt natürlich auch immer wieder Ausbrüche. Das ist - darauf hat der Kollege Schröder zu Recht hingewiesen - der Preis für diejenigen, die auch im Strafvollzug Demokratie und Menschenrechte gelten lassen wollen und die akzeptieren, dass Fehler möglich sind - bei Bediensteten, bei denen, die etwas mit dem Strafvollzug zu tun haben, und sicherlich auch bei den politisch Verantwortlichen.

Die Frage ist, wie wir damit in der öffentlichen Debatte umgehen. Versuchen wir, den Eindruck zu vermitteln, dies sei ein unsicheres Land, oder versuchen wir, den Eindruck zu vermitteln, absolute Sicherheit könne - von welcher Partei auch immer - gewährleistet werden, und bemühen wir uns - ich meine, das ist der Kern der Aufgabe des Justizministers und der Landesregierung -, die Sicherungsmaßnahmen in dem Rahmen, in dem es Recht und Verfassung zulassen, so auszubauen,

dass sie die Gefahren, die sich aus dem Strafvollzug und möglichen Ausbrüchen ergeben, so weit wie möglich minimieren? - Ich meine, dass die Niedersächsische Landesregierung und insbesondere Justizminister Dr. Weber dies hinreichend getan haben. Dafür möchte ich einige Belege anführen.

Zwischen 1980 und 1990 - für die, die es vergessen haben, zur Erinnerung: das war der Zeitraum, in der in Niedersachsen die Partei regiert hat, für die Herr Stratmann eben meiner Meinung nach moderat gesprochen hat und für die sich Herr Busemann öffentlich weniger moderat geäußert hat - wurden in Niedersachsen 206.779.000 DM für die Verbesserung der Sicherungsmaßnahmen im Strafvollzug aufgewandt. Das sind im Durchschnitt der zehn Jahre pro Jahr etwas mehr als 18 Millionen DM gewesen. Zwischen 1990 und 2001 - d. h. in der gleichen Zeitspanne - sind 272 Millionen DM ausgegeben worden - mehr als 24 Millionen DM jährlich. Die Steigerung der Ausgaben für Sicherungsmaßnahmen im Strafvollzug beträgt in Niedersachsen immerhin mehr als 31 % - das ist fast ein Drittel mehr, meine Damen und Herren, als es die damalige Regierung für nötig befunden hat, und die Gefängnisse waren da, wo sie überaltert sind, damals in nicht wesentlich besserem Zustand als heute.

Ich gebe zu, es gibt in einem Punkt einen Unterschied zwischen den beiden Regierungen: Diese Regierung hat es jedenfalls nicht für nötig gehalten, in einzelne Gefängnisse auch noch Löcher zu sprengen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben mit Dr. Weber einen Minister, der in dem hoch sensiblen und teilweise brisanten Bereich des Justizvollzugs stets helfend, souverän und beruhigend mit den Mitarbeitern des Strafvollzuges gemeinsam zufrieden stellende Lösungen sucht und Entscheidungen verantwortet, der kompetent stets nach neuen Wegen und besseren Ergebnissen im Strafvollzug sucht und in der Kriminalitätsbekämpfung bei den Bediensteten eine hohe Anerkennung und großes Vertrauen erworben hat.

(Möllring [CDU]: Warum bei Ihnen nicht?)

Es liegt im Interesse des ungestörten Fortgangs der in den letzten Jahren deutlich verstärkten und sehr erfolgreichen Bemühungen um moderne Organisa

tionsformen sowohl in der niedersächsischen Gerichtsbarkeit als auch im Strafvollzug mit sicheren Vollzugsanstalten, wenn künftig unangemessene, in fast berechenbaren Zeitabständen wiederkehrende Angriffe auf die politische Führung der niedersächsischen Justiz umgehend beendet werden.

(Beifall bei der SPD)

Die Organisationsinstrumentarien in allen Bereichen der Justiz - d. h. Gerichtsbarkeit und Vollzug - sind in der Amtszeit dieses Justizministers deutlich überschaubarer gestaltet und verbessert worden, wodurch nicht nur die Arbeitsabläufe verkürzt worden sind, sondern auch die Arbeitsfreude der Bediensteten in dieser sicherlich schwierigen Arbeit deutlich gewachsen ist.

Schließlich möchte ich mitteilen, dass der Minister in den letzten Tagen mit den Leitern der niedersächsischen Vollzugsanstalten diskutiert und ihnen gegenüber erklärt hat, dass die bisherigen Baumaßnahmen an den Vollzugsanstalten mit deutlich verstärkter Ausbruchssicherheit von entsprechenden Sicherungsmaßnahmen in den Anstalten flankiert werden müssen, um der Gefahr von Geiselnahmen zu begegnen. Es ist daher nach meiner Auffassung eine unzulässige Verdrehung der Argumente, wenn der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion von der Notwendigkeit einer neuen Philosophie in der Strafvollzugspolitik spricht.

(Möllring [CDU]: Das hat euch wohl getroffen! - Busemann [CDU]: Das geht ins Mark!)

Bei allem Verständnis - ich verstehe, dass Sie sich darüber aufregen - will ich Ihnen aber nicht vorenthalten, Herr Busemann, dass alles, was ich eben vorgetragen habe, aus einem Brief des Hauptpersonalrats der Justizvollzugsanstalten in Niedersachsen stammt und dass alle - ich wiederhole: alle - Leiter der niedersächsischen Justizvollzugsanstalten diese Position mir gegenüber schriftlich vertreten haben.

Ich habe etwas daraus vorgelesen, was diejenigen zum Strafvollzug sagen, die es in der Praxis erleben und nicht vom heimischen Schreibtisch aus beurteilen, wie der Justizvollzug möglichst in die politische Auseinandersetzung hineingezogen werden kann. - Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der SPD)

Herr Busemann, dies ist ein Schreiben, das sich an Sie persönlich richtet: Bei allem Verständnis für politische Auseinandersetzung im Wettbewerb der Parteien haben wir - das sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Strafvollzugs - den Wunsch, dass Sie die bisher erfolgreichen Bemühungen um beschleunigte Verfahrensabläufe und moderne Arbeitsmethoden in der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie in der Justizverwaltung weiterhin unterstützen und die auf einen humanen und sicheren Strafvollzug gerichtete Politik des Justizministers Weber nicht durch unangemessene Anwürfe im parteipolitischen Hader stören lassen. - Das ist die Position.

(Beifall bei der SPD - Oh! bei der CDU - Zuruf von Busemann [CDU])

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme sofort zum Schluss.

Es heißt dann weiter: Im Auftrag aller Anstaltsleiter der niedersächsischen Justizvollzugsanstalten teile ich Ihnen - das ist an mich gerichtet gewesen diese Einschätzung unseres Ministers und unseren Dank mit.

Meine Damen und Herren, diese Beurteilung müsste solchen Besserwissern in der Öffentlichkeit - egal, an welchem Schreibtisch sie sitzen - die Schamesröte ins Gesicht treiben, wenn es um die niedersächsische Strafvollzugspolitik geht.

(Starker Beifall bei der SPD)

Herr Busemann, der Brief endet mit der Bemerkung: Das sollte und musste einmal gesagt werden. - Ich meine, dem ist nichts hinzufügen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Wulff.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es eines Beweises für die Richtigkeit der Einlassung von Herrn Busemann bedurft hätte, dass wir uns nicht mit dem Justizminister auseinander zu setzen haben, dann

war dies die Einlassung des Ministerpräsidenten, der für den Justizminister geantwortet hat, welcher selber offensichtlich dem Parlament gegenüber nicht Stellung nehmen wollte.

(Beifall bei der CDU - Oh! bei der SPD - Plaue [SPD]: Das kann doch wohl nicht wahr sein! Das ist doch wohl eine Frechheit! Das ist doch un- verschämt, was Sie da machen!)

- Wissen Sie, was man bei uns im Emsland dazu sagen würde, wie Sie sich hier aufführen, Herr Plaue? Bei uns sagt man dazu: Die lautesten Kühe geben die wenigste Milch.

(Beifall bei der CDU - Plaue [SPD]: Das mag ja sein! Reden Sie mal in dem Ton weiter! Dem Justizminister persönlich kann man nur gra- tulieren: Denn mit dieser Rede sind Sie natürlich über das Jahr 2003 hinaus - wenn die SPD die Wahlen gewinnen würde, was aber nicht zu er- warten ist - im Amt, (Heiterkeit bei der CDU - Mientus [SPD]: Das ist wie Pfeifen im Walde!)

weil Sie unkündbar geworden sind, da Sie sozusagen das Fanal für erfolgreiche Justiz- und Strafvollzugspolitik in diesem Lande darstellen.

(Zuruf von der SPD: Kommen Sie doch mal zur Sache!)

Herr Weber, faktisch ist aber für uns das Beunruhigende, dass zweierlei zusammenkommt: Einerseits übernimmt der Ministerpräsident wegen erwiesener Unfähigkeit seiner Minister ein Ressort nach dem anderen. Das Kultusressort hat er übernommen, das Justizressort übernimmt er, und wir sind gespannt, welcher Minister demnächst vorgeführt wird.

(Beifall bei der CDU)

Andererseits bestreitet er in der Sache selbst - das macht uns sehr besorgt - erhebliche Defizite im Bereich des niedersächsischen Strafvollzugs.

(Zuruf von Adam [SPD])