Wir haben dort insbesondere nachts zu wenige und zum Teil demotivierte Leute, die unter Beförderungsstaus und Wiederbesetzungssperren zu leiden haben, die alleine und im Stich gelassen werden
und die in baulichen Zuständen arbeiten müssen, die den modernen Anforderungen des Strafvollzugs nicht genügen.
Die Zahlenspielereien, die hier immer wieder vorgetragen werden, enthalten auch immer Absichtserklärungen. So sollen - eben ging es um den Zeitraum bis 2001 - jetzt sozusagen erkannte Defizite im nächsten Jahr bzw. in den nächsten Jahren durch bestimmte Investitionen wettgemacht werden. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Sie es waren, die 1990 als eine der ersten Maßnahmen der damaligen rot-grünen Landesregierung Gefängnisneubauten, die geplant, planfestgestellt, genehmigt und finanziert waren, gestrichen haben, weil Sie diese für überflüssig hielten.
Worum geht es uns? - Uns geht es darum, dass der Strafvollzug neben anderen Aufgaben zwei Aufgaben zu erfüllen hat. Das eine ist der Schutz der Bevölkerung. Der ist nicht gegeben. Wenn die Polizei in Oldenburg erklärt „Diese Täter werden wir vermutlich demnächst wieder einmal aufgreifen, weil sie nach den Erfahrungen, die man mit dieser Tätergruppe gemacht hat, unverzüglich ins Heimatland zurückkehren, wieder einreisen und neue Straftaten begehen werden“, dann werden also weitere Menschen Opfer von Straftaten werden - so erwarten es die Experten der Polizei -, bevor man der Täter wieder habhaft wird. Das andere ist der Strafanspruch des Staates. Ein Angehöriger desjenigen, der ermordet wurde - wie im Falle Hildesheim -, hat ein Anrecht darauf, dass wir alles dafür tun, dass der Täter hinter Schloss und Riegel gebracht wird und diese Tat gesühnt und vergolten wird, auch in Form des Strafvollzugs.
Da kann ich nur sagen, dass ich es unerträglich finde, dass die Sozialdemokraten diese Verharmlosung und Verniedlichung der Grünen mitmachen. Wenn Sie selbst in einem fünfminütigen Redebeitrag darauf hinweisen, dass der Richter die Gefangenen getrennt untergebracht sehen wollte, er diesen richterlichen Trennungsbeschluss aber wieder aufheben musste, weil ihm glaubhaft versichert worden ist, dass das in Niedersachsen nicht machbar sei, weil die Anstalten überfüllt seien und diese Trennung nicht ermöglichen würden, dann ist das alleine schon Grund für eine Aktuelle Stunde und dafür, einen Skandal an die Wand zu malen.
Dass Sie hier so locker und süffisant von der Verwendung falscher polizeilicher Ermittlungsbilder von Inhaftierten reden würden, wenn drei Demonstranten in Gorleben mit drei anderen verwechselt worden wären, das bezweifle ich einmal. Fragen Sie sich einmal morgens sehr kritisch beim Blick in den Spiegel, ob Sie genauso gelassen, verharmlosend und verniedlichend wären, wie Sie hier eben aufgetreten sind, wenn einer der großen Rechtsextremisten in Deutschland inhaftiert worden und anschließend durch einen Ausbruch freigekommen wäre und hinterher hier im Landtag sozusagen harmonisch gesagt werden würde: So etwas kommt halt vor; das gibt es immer einmal; gehen wir zur Tagesordnung über.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wulff, ich rede deshalb, weil die Justizpolitik des Landes Niedersachsen keine Politik eines einzelnen Ministers ist, sondern eine der Niedersächsischen Landesregierung. Bei Ihnen ist das so, dass Sie gelegentlich - insofern verstehe ich die Süffisanz nicht ganz - Sprecher für alles und nichts brauchen und dann Herrn Busemann vorschicken. Wir wollen klarmachen - das ist der Grund, warum ich hier rede -, dass dies die Verantwortung der gesamten Regierung ist.
Wogegen wir uns wehren, meine Damen und Herren, ist, dass mit der Gefährdung der Bevölkerung und mit dem Ausbruch von Kriminellen - was in einer Demokratie leider nicht verhinderbar ist Politik gegen einzelne Minister gemacht wird. Dagegen wollen wir uns wehren.
Es ist - ich kann nichts dafür, Herr Kollege Wulff nun einmal so, dass in Ihrer Regierungszeit mehr ausgebrochen wurde, weniger Geld für die Siche
rung ausgegeben worden ist und - was noch viel schlimmer ist - die Aufklärungsquoten bei der Kriminalitätsbekämpfung wesentlich geringer gewesen sind. Es ist doch der entscheidende Unterschied, dass in Niedersachsen mit dem, was Sie immer bekämpft haben - Reformen in der Polizei und im Strafvollzug -, die Aufklärungsquote heraufgegangen ist, die Ausbruchsquote heruntergegangen ist und wir mehr Geld für Polizei und für Strafvollzug einsetzen, als Sie es für nötig gehalten haben.
Deshalb werden wir, Herr Kollege Wulff, es natürlich nicht zulassen, dass Sie der Öffentlichkeit den Eindruck vermitteln, man könne in diesem Land nicht sicher leben.
Ich wäre ja froh, wenn alle Reden, die da kämen, so bedächtig gehalten werden würden, wie das der Kollege Stratmann zu Recht getan hat, weil er natürlich einer Ihrer Justizpolitiker ist, die wissen, wie groß die Verantwortung ist, wenn man über diesen Bereich öffentlich redet.
- Nein, Herr Kollege Wulff, wir werden das hier im Parlament so lange richtig stellen, wie Sie solche Behauptungen erheben.
Ich bin sicher, dass die gesamte Regierung und die gesamte SPD-Fraktion solche Angriffe abwehren werden.
Inzwischen gibt es doch mancherlei gemeinsame Veranstaltung zwischen Grünen und CDU im Landtag. Es sollte doch selbst Sie verunsichern, wenn bei einem solchen Thema die zweite Oppositionspartei in diesem Land zu mehr Sachlichkeit und Ruhe auffordert und dort offensichtlich mehr Sachverstand über Strafvollzug beheimatet ist als in Ihrer Fraktion.
Zum Schluss möchte ich zu einem Zwischenruf von Ihnen, Herr Kollege Wulff, eine Anmerkung machen: Wissen Sie, wer am wenigsten Milch gibt? - Die Ochsen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den investiven Leistungen zur Herstellung von mehr Sicherheit in den niedersächsischen Justizvollzugsanstalten war bereits die Rede. Ich nenne Ihnen aber dennoch noch einmal die Gesamtsumme, über die wir eigentlich sprechen: Es handelt sich um sage und schreibe deutlich mehr als 500 Millionen DM. Herr Möllring, wenn Sie davon reden, dass Ihnen das bekannt ist, dann sollten Sie das dann, wenn Sie öffentlich zu Fragen des Vollzugs Stellung nehmen, nicht immer verschweigen; denn das ist eine Leistung, die der gesamte Landtag mit verantwortet und die natürlich nur möglich ist, weil man die Prioritäten mit diesem großen Ausrufezeichen beim niedersächsischen Justizvollzug gesetzt hat, obwohl sich jeder wünschen würde, dass diese große Ausgabe nicht an der Stelle nötig wäre, sondern an anderer Stelle getan werden könnte.
Meine Damen und Herren, 500 Millionen DM sind aber nicht alles, was da an Leistungen zu Buche schlägt. Während wir 1990 noch etwa 3.000 Beschäftigte im Justizvollzug hatten, gehen wir in diesem und im nächsten Jahr auf 4.000 Beschäftigte zu. Diese Zahl setzt sich aus zwei großen Blöcken zusammen, nämlich aus den neuen Stellen, die Jahr für Jahr zusätzlich in den Haushalt eingestellt worden sind, und aus der großen Zahl von Stellen, die in den beiden letzten Jahren hinzugekommen sind, namentlich diejenigen rund 500 Stellen, die für Anwärter vorgesehen sind, welche in den neuen Anstalten demnächst ihre Arbeit versehen werden. „Die neuen Anstalten“ meint nicht irgendein Wolkenkuckucksheim für die Zukunft, sondern das bedeutet noch in diesem Jahr einen Bezug der neuen Justizvollzugsanstalt in Oldenburg. Das wird in der Folge außerdem bedeuten, dass wir die Anstalten in Sehnde und im Raum Göttingen ebenfalls hinzubekommen werden.
Diese Maßnahmen, meine Damen und Herren, werden personell wie investiv dazu beitragen, dass man in der Öffentlichkeit in der Tat von einem Mehr an Sicherheit im Niedersächsischen Justizvollzug sprechen kann.
Ich füge noch eines hinzu: In der politischen Auseinandersetzung mag man ja gelegentlich bei den ausgewählten Mitteln nicht sonderlich wählerisch sein. Aber ich habe die dringende Bitte an Sie, Herr Busemann - nicht in meinem Interesse oder im Interesse von Politik -, im Interesse derjenigen, die in den Anstalten ihren Dienst tun und ihn dort hervorragend tun, auch einmal anzuerkennen, dass sie das machen,
und nicht in zwei Reden dem einen den moderaten Teil zu überlassen und sich dann, wenn Sie eine Zeitung finden, dem Vollzug und der Justiz insgesamt gegenüber in nach meinem Geschmack unverantwortlicher Weise propagandistisch zu äußern und Ihren Zuhörern, Lesern oder auch Ihrem öffentlichen Publikum allgemein wenig von den Realitäten zu vermitteln. Das hätten Sie besser machen können. Es gibt im Vollzug noch viel zu tun und viel zu kritisieren. Das ist keine Frage. Das tun wir, und wir werden das als Daueraufgabe auch weiterführen,
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Beitrag des Kollegen Wulff lohnt es sich vielleicht, den Blick dahin zu richten, wo die CDU für den Strafvollzug verantwortlich ist. Wenn in unserem Nachbarland Hessen in den vergangenen Jahren ein Gefangener ausbüchste, dann machte die damalige CDU-Opposition solch einen Lärm, als habe der Grüne-Justizminister eigenhändig die Gitter durchgesägt.
Wir erinnern uns: Den Landtagswahlkampf haben Sie nicht nur mit den Schwarzgeldern erlogener jüdischer Vermächtnisse geführt, sondern auch mit
der Ansage, Sie wollten in Hessen den härtesten Strafvollzug Deutschlands einführen. Das Zwischenergebnis zum Anfang dieses Jahres lautet: In nur zehn Monaten CDU-Regierung in Hessen sind mehr Gefangene ausgebrochen als unter vier Jahren Rot-Grün in Hessen.
So viel zum härtesten Strafvollzug Deutschlands. Herr Kollege Wulff, das ist aber nicht die Schuld des Ministers Wagner. Denn Knackis lassen sich das Ausbrechen nicht verbieten, egal ob der Minister rot, grün oder schwarz ist. Ich meine, mit der dümmlichen Aufrechnung von Ausbrüchen, abhängig von Amtszeiten und Parteizugehörigkeit - auch die SPD ist mit ihren Hinweisen auf die 80er-Jahre leider nicht davon frei -, muss Schluss sein, damit wir uns den wirklichen Problemen des Strafvollzugs zuwenden können.
In diesem Zusammenhang, Herr Minister Weber, besteht überhaupt keinen Anlass, sich zufrieden zurückzulehnen und auf die Investitionsvorhaben zu verweisen. Wir haben ja eben eine Laudatio des Ministerpräsidenten gehört, die sich schon fasst wie eine Abschiedsrede bei Aushändigung der Urkunde anhörte. So viel Lob von einem Ministerpräsidenten, der ja sonst keine Skrupel und Rücksichtnahme kennt und gegebenenfalls mit eiserner Hand in die Ressortzuständigkeit eingreift, macht schon nachdenklich. Wenn wir einmal Gelegenheit haben, nicht über Ausbrüche zu reden, sondern über die realen Probleme im Vollzug, die von Überbelegung, von Drogenproblemen, von der Schwierigkeit im Umgang mit einer multikulturellen Gefangenenklientel und von der Notwendigkeit, Sicherheit nicht nur in Beton, Stacheldraht und Überwachungskameras zu buchstabieren, gekennzeichnet sind, dann werden wir bei dieser Landesregierung wohl auch über die Defizite und die Mängel zu reden haben. Das ist dringend notwendig. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt dafür. Aber es gibt keinen Anlass für Ruhe, Selbstzufriedenheit, Selbstgefälligkeit und ein bequemes Zurücklehnen nach dem Motto: Wir haben eine halbe Milliarde DM für neue Zellen investiert. Diese Auseinandersetzung steht noch aus. Die müssen wir noch führen. Aber mit dieser Art und Weise der bisherigen rituellen Auseinandersetzung über Gefängnisausbrüche kommen wir hier nicht weiter. - Schönen Dank.