Protocol of the Session on September 14, 2000

(Zustimmung bei der SPD)

- Ja, das ist bestimmt einmal einen Applaus wert.

(Frau Harms [GRÜNE]: Vielleicht noch einen!)

NatĂŒrlich muss dann auch ĂŒber Geld gesprochen werden. Wie werden den LĂ€nderanstalten Kosten erstattet? - Die Anstalten werden ja ĂŒber GebĂŒhren finanziert. Welche Kosten entstehen ĂŒberhaupt? Werden die Preise fĂŒr Senderechte in voller Höhe in Rechnung gestellt, oder können Selbstkostenpreise ermittelt werden? - Das sind die Fragen, die jetzt geklĂ€rt werden mĂŒssen. Deshalb ist es sinnvoll, dass die LĂ€nderanstalten und die LĂ€nder recht bald in die Verhandlungen mit einbezogen werden. Dabei werden die LĂ€nder sehr genau darauf zu achten haben, wie mit den gebĂŒhrenfinanzierten Programmen als Zulieferung an die Deutsche Welle umgegangen wird.

Noch in diesem Monat, nĂ€mlich am 22. September, trifft sich die Rundfunkkommission der LĂ€nder, in der, soweit ich weiß, das Positionspapier des Bundes zur Kenntnis genommen werden wird. Wir hoffen, mit diesem Antrag auch ein Signal dafĂŒr gesetzt zu haben, dass es jetzt zu GesprĂ€chen und auch zur gemeinsamen Erarbeitung kommt, damit die Deutsche Welle mit einem modernen Profil weiterarbeiten kann.

Diesen Antrag, meine Damen und Herren, haben wir ĂŒbrigens aus Nordrhein-Westfalen ĂŒbernommen. Nordrhein-Westfalen hat sich da von Anfang an stark engagiert; schließlich ist es eines der StandortlĂ€nder der Deutschen Welle.

Wir hoffen auf einmĂŒtige Beratung und Beschlussfassung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Wiegel. - Herr Kollege Pörtner, Sie sind der nÀchste Redner.

Frau PrĂ€sidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass sich ein Landesparlament, in diesem Fall der NiedersĂ€chsische Landtag, mit der Problematik des deutschen Auslandsrundfunks beschĂ€ftigt, scheint fĂŒr Nichteingeweihte möglicherweise auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehbar. Wer aber die kontroverse und höchst engagierte Diskussion in den vergangenen eineinhalb Jahren ĂŒber die Zukunft der Deutschen Welle mitverfolgt und wer sich insbesondere mit dem Positionspapier von Herrn Naumann beschĂ€ftigt hat, der wird nicht umhin kommen, zu sagen, dass es unabdingbar und ganz wichtig ist - auch fĂŒr Landespolitiker -, sich dieser Problematik anzunehmen. Deshalb hat auch meine Fraktion bereits im Oktober des vergangenen Jahres einen entsprechenden Entschließungsantrag mit dem Thema „Zukunft der Deutschen Welle“ eingebracht, der aber damals gleich an den Ausschuss fĂŒr Medienfragen zur federfĂŒhrenden Beratung und Berichterstattung ĂŒberwiesen worden ist, sodass ĂŒber dieses Thema noch nicht öffentlich diskutiert werden konnte. Da beide AntrĂ€ge, nĂ€mlich der jetzt vorliegende SPD-Antrag und unser Antrag aus dem Oktober des vergangenen Jahres, inhaltlich und politisch zusammengehören, möchte ich nun die

Gelegenheit nutzen, einige wesentliche Fakten aus unserer Sicht kurz zu skizzieren.

Erstens. Die finanziellen KĂŒrzungsvorstellungen der rot-grĂŒnen Bundesregierung fĂŒr die Deutsche Welle sahen bzw. sehen fĂŒr das Jahr 1999 Streichungen von 30 Millionen DM und fĂŒr 2000 von 54 Millionen DM vor. Dieses Minus wird sich bis zum Jahre 2003 auf 89 Millionen DM - Frau Kollegin Wiegel hat es eben zurecht dargestellt - erhöhen. Da aus dem eigenen Haushalt noch die Tariferhöhungen, die sich einstellen werden, und die Kosten fĂŒr den Rechteeinkauf erwirtschaftet werden mĂŒssen, wird sich in absehbarer Zeit ein Minus bei der Deutschen Welle von 100 Millionen DM ergeben. Als Konsequenz dieser KĂŒrzungsmaßnahmen ist es schon in der letzten Zeit zu einem radikalen Personalabbau gekommen. Wie der Intendant der Deutschen Welle, Dieter Weirich, vor kurzem öffentlich mitteilte, bedeutet das das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen -, dass in der nĂ€chsten Zeit das Personal bei der Deutschen Welle - aber auch aufgrund anderer Maßnahmen - um 40 % abgebaut wird. Das heißt konkret, dass sechs Redaktionen eingestellt werden und dass die Zahl der Programme von 40 auf 30 reduziert wird.

Bei allen anderen international konkurrierenden Anbietern geschieht das Gegenteil. Zum Beispiel erhöht die BBC in den nĂ€chsten zwei Jahren die Zahl ihrer Programme auf 43. Der durchgefĂŒhrte Personalabbau bei der Deutschen Welle ist einmalig in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Wenn man einmal einen Vergleich mit der Wirtschaft herstellt, dann ist zu Recht erlaubt, darauf hinzuweisen, dass man etwas Ähnliches in der deutschen Wirtschaft nur im Zusammenhang mit Konkursverfahren kennt.

Zweitens. Insgesamt werden die vorgesehenen bzw. schon durchgefĂŒhrten Maßnahmen der Bundesregierung zweifelsfrei zu einem irreparablen Schaden fĂŒr die mediale AußenprĂ€senz Deutschland fĂŒhren.

(Beifall bei der CDU)

Ein derartiger finanzieller Kahlschlag bei dem fĂŒr die Außendarstellung Deutschlands wichtigsten Medium ist deshalb aus der Sicht der Union politisch töricht und absolut nicht zu rechtfertigen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, dieser Sachverhalt, der politisch von Rot und GrĂŒn in Berlin zu verantworten ist, steht in einem eklatanten Widerspruch zu der RegierungserklĂ€rung von Gerhard Schröder,

(Behr [CDU]: Ist nichts Neues!)

in der er darauf hingewiesen hat, dass die auswĂ€rtige Kulturarbeit nach seinen Vorstellungen ausgebaut und gefördert werden sollte. Nun droht aber ein „teutonischer Provinzialismus in der medialen Außendarstellung Deutschlands“, wie es zurecht in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ vom 6. Oktober des vergangenen Jahres heißt, der einer Exportnation wie Deutschland bei Leibe nicht gleichgĂŒltig sein kann.

Drittens. Es ist aus der Sicht der Union politisch nicht nachvollziehbar, dass wir auf der einen Seite im NiedersĂ€chsischen Landtag in absehbarer Zeit, wahrscheinlich im Dezember, ĂŒber eine GebĂŒhrenerhöhung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems in Deutschland, der Inlandsrundfunkanstalten, diskutieren und dann wohl auch beschließen werden, wahrscheinlich in Höhe von 3,33 DM, und dass auf der anderen Seite mit einem anderen Sender, dem deutschen Auslandsrundfunk, so umgegangen wird wie hier. Die Zahlen habe ich genannt. Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist auch dem MinisterprĂ€sidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement (SPD) , zuzustimmen, der Ende des vergangenen Jahres auf Folgendes hingewiesen hat: Der deutsche Auslandsrundfunk mĂŒsse mit den Briten, Franzosen und Amerikanern in der Weltliga spielen, aber nicht in der Provinzklasse. So Wolfgang Clement, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der SPD: Recht hat er!)

- Ja, Recht hat er; aber wie verhalten Sie sich in Berlin?

Viertens. Nun wird es sehr wichtig und interessant. Der damalige SPD-BundesgeschĂ€ftsfĂŒhrer und bis zum letzten Jahr Vorsitzender des Rundfunkrates der Deutschen Welle, GĂŒnter Verheugen, jetzt EUKommissar, hat im Zusammenhang mit dem Gesetz ĂŒber den deutschen Auslandsrundfunk am 16. Juli 1994 im Deutschen Bundestag wörtlich Folgendes erklĂ€rt - ich möchte das zweimal vortragen, weil es so wichtig ist -:

„Auch der Auslandsrundfunk muss ein freier Rundfunk sein. Es darf nicht der Eindruck entstehen, daß der Auslandsrundfunk unter der besonderen Kuratel der jeweiligen Regierung steht.“

Ich habe es langsam vorgetragen; darum wiederhole ich es nicht. - Wenn man jedoch jetzt unvoreingenommen alles das registriert, was der neue Kulturbeauftragte Michael Naumann an politischen Verbalinjurien gegenĂŒber der Deutschen Welle von sich gibt - er stellt z. B. das Fernsehprogramm der Deutschen Welle mit „Dekultivierung“ gleich; in Bezug auf das Hörfunkprogramm sagt er, dass die jetzt noch in einer Sprache senden wĂŒrden, die schon seit 2003 Jahren tot sei, nĂ€mlich Sanskrit -, und das verfolgt, was in diesem Positionspapier steht, dann kommt man nicht umhin, Herrn Naumann wĂ€rmsten zu empfehlen, dass er sich einmal intensiv des Artikels 5 unseres Grundgesetzes annehmen sollte. In diesem Artikel geht es nĂ€mlich um Presse- und Rundfunkfreiheit.

(Beifall bei der CDU)

Das wird auch insbesondere dann deutlich - -

(Schack [SPD]: Was sagt denn Alfred dazu?)

- Der ist ja nicht da; insofern kann er mir nicht antworten; ich bedauere das zutiefst. - Meine Damen und Herren, wenn man sich einmal das Positionspapier von Herrn Naumann ansieht, das die Grundlage fĂŒr Ihren vorliegenden Entschließungsantrag war - die SPD hat wohl medienpolitisch nichts anderes zu tun, als diesen Entschließungsantrag fast wortgleich in allen deutschen LĂ€nderparlamenten einzubringen; leider, Frau Harms, in Nordrhein-Westfalen zusammen mit den GrĂŒnen -, dann kann man nur sagen: Wir mĂŒssen uns intensiv damit beschĂ€ftigen. Dieses Positionspapier der rotgrĂŒnen Bundesregierung erfĂŒllt bei weitem nicht die AnsprĂŒche an ein politisch tragfĂ€higes und konsensfĂ€higes Konzept. In vielen Passagen haben eindeutig Parteipolitiker und nicht an der Sache orientierte Experten die Feder gefĂŒhrt. An einigen Stellen werden zweifelsfrei wesentliche Elemente unserer Verfassung ad absurdum gefĂŒhrt.

Aus unserer Sicht sind insbesondere folgende Formulierungen scharf zu kritisieren: Die Deutsche Welle „habe zukĂŒnftig politische Überzeugungsarbeit zu leisten“. Hier tauchen viele Fragen auf: In welchem Sinne? FĂŒr wen? - Eine weitere Formu

lierung lautet: Die Programminhalte mĂŒssten sich an „politischen Leitentscheidungen ausrichten“. Wer legt das fest? - Wahrscheinlich die Regierung. Wer so etwas will, wie jetzt Rot und GrĂŒn in Berlin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der verletzt die verfassungsmĂ€ĂŸig garantierte Rundfunkfreiheit und die journalistische UnabhĂ€ngigkeit. Er will nichts anderes als einen getarnten Staatsrundfunk, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU - Frau Wörmer- Zimmermann [SPD]: Das ist unge- heuerlich!)

- Das ist nicht ungeheuerlich; lesen Sie doch einmal alle ĂŒberregionalen Tageszeitungen, ob rechts, links oder in der Mitte; fĂŒhren Sie sich einmal einen Artikel in der „FAZ“ vom 1. September oder vom 12. September dieses Jahres zu GemĂŒte; dann wird Ihnen ein Licht aufgehen. - Ein Rundfunk, der nicht staatsfern ist und in dem die Entscheidungsfreiheit der zustĂ€ndigen Gremien und Organe nicht gegeben ist, ist kein öffentlich-rechlicher Rundfunk mehr.

Wenn man in diesem Zusammenhang Parallelen zu anderen internationalen Anbietern herstellt, z. B. Voice of America, Radio France Internationale, dann wird deutlich, was Sie wirklich wollen, weil es nĂ€mlich bei denen so gegeben ist. Sie wollen StaatsnĂ€he und nicht Staatsferne und damit von wichtigen Prinzipien bisheriger grundsĂ€tzlicher medienpolitischer Überzeugungen in Deutschland und vom öffentlich-rechtlichen System abrĂŒcken.

(Beifall bei der CDU – Glocke der PrĂ€sidentin)

- Ich komme zum Ende.

Zum anderen ist es politisch nicht zu verantworten, zunĂ€chst ohne substantielle und konkrete inhaltliche BegrĂŒndung ein FĂŒnftel der Mittel fĂŒr die Deutsche Welle zu kĂŒrzen und diese Rundfunkanstalt anschließend unter Staatskuratel zu stellen. Allein die Reihenfolge dieser VorgĂ€nge ist bezeichnend fĂŒr die beispiellose UnseriositĂ€t der Medienpolitik der rot-grĂŒnen Bundesregierung

(Unruhe bei der SPD)

und wirft ein bezeichnendes Licht auf die wirklichen Absichten, die Rot und GrĂŒn mit der journalistischen Arbeit in der Deutschen Welle verfolgen.

(Zustimmung von Möllring [CDU] – Widerspruch bei der SPD)

Schließlich will ich fĂŒr die Union noch einmal klar herausstellen,

(Glocke der PrÀsidentin)

dass eine engere Zusammenarbeit der Deutschen Welle mit den öffentlich-rechtlichen Inlandsrundfunkanstalten sehr zu begrĂŒĂŸen ist. Dies darf aber nicht als Alibi fĂŒr weitere Einsparungen dienen. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, unmissverstĂ€ndlich klarzustellen, welche zusĂ€tzlichen Mittel sie aufbringen will, um die von ihr selbst geforderten konzeptionellen Verbesserungen zu finanzieren.

Die Zusammenarbeit mit ARD und ZDF und damit mit den BundeslÀndern ist notwendig.

Herr Kollege Pörtner, Sie mĂŒssen bitte zum Schluss kommen.

Ja, noch zehn Sekunden. - Doch ist es darĂŒber hinaus unabdingbar, dass sich der Bund zur originĂ€ren ZustĂ€ndigkeit und Gesamtverantwortung fĂŒr den Auslandsrundfunk klar bekennt. Die rundfunkrechtliche Verantwortung fĂŒr das gemeinschaftliche Gesamtprogramm, unbeschadet der Verantwortung von ARD und ZDF

(Glocke der PrÀsidentin)

fĂŒr die jeweils produzierten Sendungen, muss selbstverstĂ€ndlich bei der Deutschen Welle bleiben. Nur so kann die auswĂ€rtige Medien- und Kulturarbeit Deutschlands, die im Zeichen fortschreitender Globalisierung immer wichtiger werden wird, trotz großer Substanzverluste noch einigermaßen aufrecht erhalten werden. - Danke schön.