Protocol of the Session on September 12, 2000

(Beifall bei der SPD)

Den Vorwurf an das Unternehmen, dass es sich marktwirtschaftlich verhält und dadurch das eintritt, was damals die Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages der SPD und die Vertreter der CDU des Bezirks Braunschweig befürchtet haben, muss man an die Adresse derer richten, die damals nicht zugehört haben. Einen solchen Vorwurf kann man nicht einem Unternehmen machen, das sich jetzt marktkonform verhält, was ich außerordentlich bedauere.

(Eppers [CDU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Eppers?

Sehr gerne.

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Ich würde von Ihnen gerne eine Bewertung hören, wie Sie das Verhalten der Preussag, auch was die Öffentlichkeitsarbeit angeht, einschätzen. Die Menschen, die in den Wohnungen wohnen, sind in den letzten Jahren verschreckt worden. Sie müssen einmal an die denken, die in den Wohnungen sitzen.

Wie lautet denn Ihre Frage, Herr Kollege Eppers?

Ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie das bewerten.

Bitte sehr, Herr Ministerpräsident!

Ich will diese Frage gerne beantworten. Ich weiß ganz genau, dass die Preussag machen kann, was sie will: Dieser Verkauf löst bei den Mietern Angst und Schrecken aus - und dies nicht ganz zu Unrecht. Was ist denn die Erfahrung der Menschen in solchen Wohnungen? - Da wird zu einem Preis möglicherweise an irgendeinen Immobilienhai verkauft. Die Leute, die darin wohnen, haben geringe Einkommen - Rentner, Sozialhilfeempfänger; auch problematische Gebiete sind dabei. Nicht ohne Grund sind die Leerstände relativ hoch. Diese Mieter haben die Sorge, dass hinterher Luxusmodernisierungen vorgenommen werden, um den Kaufpreis wieder hereinzuholen, sodass sie im Zweifel nicht wissen, wo sie ihren Lebensabend verbringen sollen.

Das ist die große Sorge. Deswegen, Herr Kollege Eppers, wollen wir die Wohnungsinhaber, die Mieterinnen und Mieter, genau vor dieser Angst schützen. Weil ich weiß, dass vor einem offenen Verkauf der Wohnungen durch die Preussag am Ende die Sozialbindung der Wohnungen nicht zu halten wäre und auch die Versprechungen nicht zu halten wären, plädieren wir dafür, ein Konsortium aus der NILEG, aus der Allwo, mit dem BHW und der Salzgitter Wohnungsbau zusammen zu bringen, damit wir die Sozialbindung der Wohnungen, den anständigen Umgang mit den Mieterinnen und Mietern auch sicherstellen können.

Jetzt versetzt das Handeln der Preussag die Leute richtig in Ängste. Diese Ängste sind auch berechtigt, wenn man weiß, was auf dem Wohnungsmarkt so alles gemacht werden kann. Ich bin allerdings sehr froh, dass uns die Preussag erklärt hat, wir seien erster Verhandlungspartner, und dass sie sich mit uns auf einen fairen Preis einigen will. Das wird am Ende die Frage sein. Fairer Preis heißt aus meiner Sicht, dass erstens der Zustand der Wohnungen zu bewerten ist, dass zweitens die Leerstände zu bewerten sind und dass wir drittens in einem Paket natürlich endlich dazu kommen müssen, dass die Stadt Salzgitter Entwicklungsflächen bekommt. Da sind wir uns doch einig.

Das bedeutet auch, dass wir keine überhöhten Preise zahlen können, die für andere Zwecke der Preussag möglicherweise sinnvoll sein mögen, aber weder durch Steuermittel noch durch Mittel der Wohnungsbauunternehmen, schon gar nicht durch die Mieterinnen und Mieter zu bezahlen wären. Die wollen wir schützen. Deswegen sage

ich Ihnen: Ich verstehe die Interessen der Preussag, aber ich teile sie nicht. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir haben dafür zu sorgen, dass die Mieterinnen und Mieter dort sicher bleiben.

Deswegen finde ich das Konzept von Herrn Ravens richtig, den wir als Landesregierung beauftragt haben, dieses Konsortium zusammenzustellen. Das Konzept beinhaltet erstens keine Eigenbedarfskündigung, zweitens keine Luxusmodernisierung.

(Möllring [CDU]: Fragen Sie das doch Herrn Schulze, wie der guckt!)

- Herr Möllring, haben Sie ein Interesse daran, dass ich das weiterführe? Dann würde ich das gerne zu Ende bringen. - Erstens keine Eigenbedarfskündigung, zweitens keine Luxusmodernisierung und drittens - noch viel wichtiger - keine Kündigung durch wirtschaftliche Besserstellung, weil man an anderer Stelle mehr Geld bekommen kann. Und das als Ergänzung zum Mietvertrag, und nicht befristet, wie die gesetzlichen Grundlagen sind, sondern unbefristet. Das ist das Angebot des Konsortiums an die Mieter.

Dann wollen wir als Land mit dem Programm "Soziale Stadtteilsanierung" einsteigen. Die Stadt Salzgitter hat das beantragt und braucht das dringend. Sie kennen die Zustände in einem Teil der Wohnungen. Ich finde, mit dem Konzept einer fairen Verhandlung über die Höhe des zu fordernden Preises gibt es genug Fachleute, die das fair bewerten können, nicht nach der Frage, was ist sozusagen in einem offenen Bieterverfahren zu bekommen, sondern was ist der tatsächliche Verkehrswert mit allen Problemen, die diese Wohnungen haben.

Also, zweitens eine Sicherstellung der Mieterinnen und Mieter und drittens Beginn der Stadtsanierung in Salzgitter. Das ist das Angebot der Landesregierung.

Ich bin froh darüber, dass wir das gemeinsam auf den Weg bringen wollen. Ich freue mich über die Unterstützung des Landtages dabei. Ich darf Ihnen versichern, wir haben überhaupt kein Interesse daran, das irgendwie im Streit zu organisieren. Am Ende wird es darauf ankommen - das sage ich Ihnen in aller Offenheit -, dass der öffentliche, der politische und der soziale Druck weiter so groß bleiben wie heute, damit die Sozialklauseln, die in die Verträge - ich sage mal - etwas freundlich

hineingeschrieben worden sind, auch Realität werden und nicht nur auf dem Papier stehen.

Wenn wir uns darauf verständigen können, dann freue ich mich darüber, dass der Landtag unsere Initiativen unterstützt. Aber ich habe die herzliche Bitte, dass wir auch offen mit der Frage umgehen, was denn, wenn man rein ordnungspolitisch diskutiert, am Ende privatisiert werden kann.

Es gibt andere Länder in Deutschland, die sind auch immer vorneweg in der öffentlichen Debatte, dass sich der Staat von Eigentum zu trennen habe. Wenn es darauf ankommt, sind sie froh, dass sie noch Eigentum haben, weil dann die Konzernzentralen da landen oder weil man weiterhin Einfluss hat. Das ist der Grund, warum die Landesregierung das Eigentum an Salzgitter behalten will, auch über die fünf bis sieben Jahre hinaus. Das ist der Grund, warum wir bei Volkswagen beteiligt sein wollen. Das ist der Grund, warum wir die Norddeutsche Landesbank haben und dass wir auch bereit waren, an anderen Punkten einzusteigen und zu helfen, Arbeitsplätze zu sichern, aber auch die sozialen Bedingungen der Menschen in den Städten zu bewahren. Ich wäre froh, wenn dies eine gute Lehre dafür wäre, wie wir uns in Zukunft zu verhalten haben und uns dann bestimmte ideologiebeladene Debatten an solchen Punkten im Landtag sparen könnten.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt der Kollege Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon spannend mitzuerleben, was über die Redebeiträge so alles aus einem gemeinsamen Antrag werden kann. Aber in der Tat, der Fall, der hier vorliegt, ist wirklich zehn, elf Jahre alt. 1989 begann das Ganze. Zu der Zeit hat die CDU in Bund und Land die wesentlichen Fehler gemacht. Die Salzgitter AG wurde eingesetzt, um die Preussag zu retten.

Ich verrate Ihnen nichts Vertrauliches. Ich zitiere einfach die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 5. September 1998. Da wurden nämlich mal eben 33.000 Wohnungen eingebracht – so steht es hier - zum Wert von 454 Millionen DM. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Das ist pro Wohneinheit ein Wert von 15.000 DM, der

damals über den Tisch gegangen ist, weit unter dem Buchwert. Der lag damals schon um das Vierfache höher, bei 1,7 Milliarden DM, und weit unter dem Versicherungswert, 22 mal so hoch, über 10 Milliarden DM.

Da wurde ein Geschenk an die Preussag gemacht, um sie vor dem Konkurs, vor den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu retten. Das waren eindeutig CDU-Bund und CDU-Land. Damals schon zulasten der Zukunft der 14.000 Wohnungsmieter und auch der Wohnungsgesellschaft in Salzgitter.

Dann kommen wir ins Jahr 1998. Da sah sich die Landesregierung aufgrund der Neuausrichtung des Konzerns Preussag gezwungen und genötigt, einzugreifen. Die SPD-Alleinregierung steht hier in der Verantwortung. Wie Minister Waigel damals auch in dem Artikel vom 5. September 1998 auf Anfrage eines SPD-Abgeordneten aus dem Bundestag bescheinigte, habe die Landesregierung, habe die SPD einfach schlampig verhandelt. Deswegen sei es nicht zur Rückgabe der Wohnungen gekommen. Das heißt, auch die SPD als dritter Partner für den gemeinsamen Antrag hat sehr wohl ihre Probleme mit der Verantwortung für das, was heute ansteht. Deswegen sind wohl auch die Formulierungen in diesem gemeinsamen Antrag äußerst gedrechselt. Das Ganze ist eine Mischung aus politischem Kuhhandel und Wirtschaftskrimi.

Jetzt sind wir sehr wohl beraten, in einem gemeinsamen Antrag die Preussag an die Versprechen, die 1989 gemacht wurden, zu erinnern, nämlich diese Wohnungen deswegen so billig anzusetzen - dafür gab es auch eine Begründung -, weil sie unter Sozialbindung standen und auch dauerhaft stehen sollten. Es ist nicht einfach menschliches Entgegenkommen des Preussag-Vorstandes gegenüber der Landesregierung, tatsächlich Gesprächsbereitschaft zu zeigen. Wir werden sie sehr wohl daran messen, dass die Preussag die Wohnung für 15.000 DM bekommen hat und was die Landesregierung heute dafür zahlen muss und wie teuer es sie heute kommen wird, dass sie das nicht schon 1998 geregelt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, ich begrüße es außerordentlich, dass Sie sich hier ganz klar dazu bekannt haben, dass die Landesregierung dazu steht. Aber ich bitte Sie, beachten Sie auch, dass die allermeisten Mieter den individuellen Kauf, der in dem

Antrag mit angeboten wird, nicht wollen, ihn sich nicht zutrauen.

Ermöglichen Sie doch auch genossenschaftliche Lösungen in diesem Zusammenhang. Fördern Sie die Bildung von Genossenschaften dort. Das ist eine Möglichkeit, die wir im Zusammenhang mit sozialer Stadt haben, ohne dass individuelle Verantwortung übernommen werden muss. Damit können auch Trägerschaften gefunden werden, in denen sehr wohl auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Immobiliengesellschaft ihre Zukunft finden sollen.

Dazu stehen wir. Die Kriterien, die der Ministerpräsident genannt hat, stützen wir ebenfalls. Sie sind übrigens mit dem Mieterbund zusammen entwickelt worden. Wenn so die beiden großen Fraktionen in diesem Hause aus ihren Fehlern in der Vergangenheit lernen, dann können wir in diesem Fall hoffnungsvoll sein, dass tatsächlich eine Lösung gefunden wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Kollege Wulff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch noch einmal das Wort ergreifen, weil wir natürlich dankbar dafür sind, dass dieser Punkt auf unseren Antrag hin auf die Tagesordnung genommen wurde und auf unsere Initiative hin eine Entschließung verabschiedet werden kann. Dies dient ausweislich des Textes dem Ziel, das Thema Preussag aus dem parteipolitischen Streit herauszuführen.

Was Sie dort in Salzgitter liefern, macht die Leute zunehmend skeptisch und erhöht nicht das Vertrauen in den Niedersächsischen Landtag. Da war 1998 Herr Selenz der Volksheld bei der Rettung der Preussag, mit einem Mal aber war er der Bösewicht, der gehen musste. Dann war Herr Frenzel damals der Bösewicht hier im Landtag. Ministerpräsident Schröder hat damals gesagt, Herr Frenzel wollte einfach alle Salzgitteraner, die dort arbeiteten, zu Österreichern machen. Dann haben Sie ihn mir nichts dir nichts in den Aufsichtsrat der NORD/LB entsandt.

Das wechselt ein bisschen häufig. Die Menschen in Salzgitter fragen: Wenn da wieder Geheimdiplo

matie geschieht zwischen Herrn Neuber und Herrn Frenzel und Herrn Schultze und Herrn Gabriel - alles Sozialdemokraten -, dann gefällt uns das nicht. Die fragen natürlich: Handelt Herr Schultze als Vorstand der Preussag, oder handelt er als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Landtags?

(Zustimmung bei der CDU)

Das gehört, finde ich, zum Thema Transparenz.

Wenn der Ministerpräsident hier erklärt "Raus aus dem parteipolitischen Streit!", dann kann ich nur sagen: Einen Tag nach meinem Besuch in Salzgitter erschien eine SPD-Anzeige mit folgendem Inhalt: Wehren Sie sich gegen Herrn Frenzel! Solidarisieren Sie sich! - Sozialdemokratie Salzgitter. - Das ist Parteipolitisierung eines Themas! Dafür habe ich kein Verständnis.

Herr Plaue, Sie haben natürlich wieder den Vogel abgeschossen. Sie haben an dem Tag, als ich mich vor Ort informiert und gefordert habe, eine Auffanglösung zu suchen, die NILEG einzubinden, die Wohnbau einzubinden - genau das, was Herr Gabriel jetzt vorhat und bei dem wir ihn unterstützen -, erklärt, Wulff solle da erst einmal hinfahren, habe keine Ahnung vom Thema, habe sich überhaupt nicht dazu zu äußern; denn das gehe das Land überhaupt nichts an; das sei allein Sache der Preussag. Da musste ich Sie erst einmal aufklären, lieber Herr Plaue; Sie konnten sich nämlich gar nicht äußern, weil Sie noch nicht da waren. Ich war da, konnte mich deshalb äußern; auch die Fraktion war da. Wir haben dort vor Ort die Dinge formuliert, die die Landesregierung anschließend aufgegriffen hat. - So geht es wirklich nicht im Umgang miteinander!

(Beifall bei der CDU)

Es gibt noch einen Unterschied zur Landesregierung, und zwar in der Einschätzung der Preussag. Ich habe dort vor Ort gesagt: Das ist eines der ganz wichtigen, der ganz erfolgreichen, der ganz großen Unternehmen Niedersachsens. Wir sind stolz darauf, die Preussag AG mit ihrem Sitz in unserem Land zu haben, zu behalten und expandieren zu sehen. Aber für das Verhalten der Preussag in Salzgitter haben wir überhaupt kein Verständnis. Die Einschätzung von Herrn Gabriel, der sagt, das sei marktwirtschaftliches Verhalten dieses Unternehmens, daran könne man letztlich nichts aussetzen, teile ich nicht. In einer sozialen Marktwirtschaft ist es kein Verhalten, an den Beteiligten

vorbei, über die Betroffenen hinweg, über die Stadt hinweg so zu agieren.

(Beifall bei der CDU)

Jeder von uns stelle sich einmal vor, ein Drittel der Bevölkerung in seinem Wahlkreis, in seiner Heimatstadt wohnte in Wohnungen eines Wohnungsunternehmens, und diese Wohnungen würden kurzfristig zum Verkauf gestellt, ohne den Oberbürgermeister einzubeziehen, ohne den Oberstadtdirektor zu informieren, ohne die Abgeordneten zu informieren, ohne die Betriebsräte zu informieren, ohne die Mietervereinigung zu informieren. Niemand ist informiert worden! Es ist einfach in die Öffentlichkeit gegeben worden: Innerhalb eines Jahres wird das zu Geld gemacht; Rendite zählt; Shareholder-value; Aktionäre wollen Dividende sehen; wir wollen zukaufen; wir brauchen Geld; wir wollen es umsetzen.