Protocol of the Session on September 12, 2000

(Fischer [CDU]: Wir können wieder einige zum Sportabzeichen anmel- den!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir nach der vorhergehenden Debatte, die sehr hitzig geführt worden ist, - -

(Möllring [CDU]: Auch von Ihrer Seite hitzig!)

- Herr Möllring, das wollen wir gar nicht so sehen.

(Möllring [CDU]: Das Stichwort ha- ben Sie doch genannt!)

- Konzentrieren wir uns auf diesen Tagesordnungspunkt und auf Salzgitter, und seien wir froh darüber, dass wir bei diesem Tagesordnungspunkt eine wirklich große Gemeinsamkeit des gesamten Landtags in der Salzgitter-Problematik erreichen können. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir dies auch erreichen werden und dass wir mit dem Niedersächsischen Landtag und allen darin vertretenen Fraktionen einen starken Partner in Salzgitter an unserer Seite haben.

Sicherlich ist der Kollege Eppers ein genauso aufrechter Verfechter der Salzgitter-Interessen wie ich.

(Oh! bei der CDU - Wulff (Osna- brück) [CDU]: Kein Eigenlob!)

- Doch. In diesem Fall kämpfen wir wirklich alle gemeinsam, auch in Salzgitter und im Rat der Stadt Salzgitter.

(Möllring [CDU]: Hat das Herr Schultze auch gewusst?)

- Das weiß auch Herr Schultze. Ich weiß auch, dass Herr Schultze auf der Seite Salzgitters stehen wird. Sie werden mit Sicherheit noch überrascht sein.

Dennoch, meine sehr geehrten Damen und Herren, als die Pressemitteilung der Preussag-Immobilien am 1. August in der Zeitung stand, hat das in Salzgitter eingeschlagen wie eine Bombe. Die Menschen, die Mieter und Mieterinnen in Salzgitter,

sind die Bilder nicht wieder losgeworden, die sie seit 1989 und 1990 mit sich herumtragen. Darin liegt mit ein Grund dafür, dass wir, was die Stadt angeht, in dieser Bredouille stecken.

(Plaue [SPD]: Genauso ist es!)

- Ja, wirklich. Beim Verkauf der sehr profitablen Salzgitter AG an die Preussag damals zu einem Schnäppchenpreis - der Kollege Eppers hat das nicht erwähnt und hat auch die Summe nicht gesagt; ich werde das auch nicht tun; aber es war tatsächlich ein Schnäppchenpreis - gehörten Liegenschaften, unbebaute Grundstücke, die mehr als die Hälfte der Flächenstadt Salzgitter ausmachen, und weit über 20.000 Wohnungen zu dem damals geschnürten Paket, das einem traditionellen niedersächsischen Unternehmen damals kräftig auf die Beine geholfen hat. Es sind aber Salzgitter-Mittel gewesen, die dort hinübergeflossen sind, und wir können es immer noch nicht nachvollziehen, dass der Kaufpreis - die 2,5 Milliarden DM, die das Gesamtpaket ausgemacht haben, sind schließlich öffentlich bekannt - aus politischen Gründen in eine Umweltstiftung nach Osnabrück geflossen ist. Es wäre gut gewesen, wenn diese Mittel, die von den Menschen in Salzgitter hart erarbeitet worden sind, mit der Umweltstiftung in Salzgitter geblieben wären.

(Beifall bei der SPD - Ontijd [CDU]: Es war eine deutsche Umweltstif- tung!)

Aber das ist Schnee von gestern. Unser Blick muss nach vorn gerichtet sein. Ich habe in den vielen Mieterveranstaltungen, die ich begleiten durfte und begleitet habe, festgestellt, wie die Ängste der Mieterinnen und Mieter hochkamen. Die Struktur der Mieterinnen und Mieter in Salzgitter ist dergestalt, dass sie gar nicht auf das Kaufangebot eingehen können und wollen - nicht nur, weil sie vielleicht nicht das Geld haben, sondern weil ihre Lebensplanung eine ganz andere ist. Man zieht nicht in eine Mietwohnung mit der Absicht, diese irgendwann einmal zu kaufen. Aber dennoch sollten diejenigen, die ihre Wohnung kaufen wollen, dies auch tun können.

Ich hoffe auf die starke Unterstützung des Niedersächsischen Landtags, des Ministerpräsidenten, der Landesregierung, aber auch des unter dem Moderator Karl Ravens - einem versierten Mann, der für Qualität steht – gebildeten Konsortiums, dass es das Konsortium sein wird, das der Preussag ein

Kaufangebot unterbreiten wird. Gut ist, dass in diesem Konsortium die Stadt Salzgitter mit ihrer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, der Wohnbau Salzgitter, mit im Boot ist und dass wir dort zu einer entsprechenden Lösung kommen, vor allen Dingen, dass diese Mieter, die seit Jahrzehnten in ihren Wohnungen leben und dort im Großen und Ganzen zufrieden sind, die Sicherheit haben, bis an ihr Lebensende unkündbar in ihrer Wohnung verbleiben zu können, wenn sie sie nicht kaufen wollen. Das wird Auftrag auch des Konsortiums sein, dies mit auszuarbeiten. Ich meine, sie sind allesamt dabei auf einen sehr guten Weg.

Karl Ravens hat mir versichert, dass das Qualitätssiegel, das die Allwo schon in den 90er-Jahren mit dem Niedersächsischen Mieterschutzbund beschlossen hat, in dieses Konsortium übertragen wird und dass den Mietern ein Kündigungsschutz eingeräumt wird, der über die „10 plus 1“-Jahre hinaus bis zum Lebensende andauert, dass es keine Luxussanierung und keine Anmeldung von Eigenbedarf geben wird, um Mieter aus ihren Wohnungen zu vergraulen. Dieses Konsortium bietet meines Erachtens dann die Gewähr dafür, dass wir auf dem Wohnungsmarkt in Salzgitter ein für alle Mal Ruhe einkehren lassen können.

Ich betone ausdrücklich Folgendes - Kollege Eppers hat es gesagt -: Ich will nicht als ständiger Kläger der Stadt auftreten oder Klagerufe ertönen lassen. Aber Salzgitter leidet unter der Situation, dass es niemals eine Erstausstattung hatte. Ein Teil der unbebauten Grundstücke, die für die Stadtentwicklung in der Zukunft so eminent wichtig sind, damit sich diese Stadt entwickeln kann, muss in dieses Paket mit eingeschnürt werden. Es muss also ein Gesamtpaket sein, das aus den Wohnungen und den unbebauten Grundstücken besteht. Dieses Paket muss geschnürt werden. Ich meine, dass wir hier im Niedersächsischen Landtag gemeinsam auf einem guten Wege sind, dass diese Lösung unter Mitwirkung aller Beteiligter greifen wird und dass das Vorhaben zu einem guten Abschluss gebracht wird.

Meine Damen und Herren, aus diesem Grunde begrüße ich als Salzgitteraner diese gemeinsame Unterstützung. Es wird sehr wichtig sein, den Beschäftigten bei der Preussag Immobilien die Sicherheit zu geben, dass ihr Unternehmen nicht zerschlagen wird. Wir haben schlechte Beispiele dafür, wie es dort aussieht, wo aus reinen Spekulationsgründen ganze Siedlungen übernommen worden sind. Deshalb muss vor allen Dingen ge

währleistet sein, dass diese Entwicklung in Salzgitter nicht eintreten wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns in diesem Falle eine gute, eine tatkräftige Allianz für die Stadt Salzgitter bilden. Lassen Sie uns gemeinsam die Interessen der Stadt Salzgitter gegenüber der Preussag vertreten. Ich bin sicher, dass wir dann auch zu sehr guten, zu hervorragenden Ergebnissen gelangen werden. Ich grüße Sie natürlich alle mit einem ganz herzlichen: Salzgitter Glückauf!

(Beifall bei der SPD - Biel [SPD]: Herr Präsident, ich stelle fest, dass diejenigen, die hier Glückauf sagen, noch nie in einem Stahlwerk waren, geschweige denn, dass sie dort gear- beitet haben! Die wissen wohl, wie das geschrieben wird! Aber gearbeitet haben sie dort noch nie!)

Aber mit Hermann Schnipkoweit wart ihr auch nicht zufrieden, obwohl er untertage gearbeitet hat.

(Ministerpräsident Gabriel: Vor der Hacke ist es duster!)

Wir machen jetzt weiter. Der Ministerpräsident hat das Wort. Bitte schön!

Ich dachte, zunächst wäre Herr Hagenah an der Reihe.

(Möllring [CDU]: Der ist ja noch nicht Ministerpräsident!)

- Das wird wohl auch noch ein bisschen dauern!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße den gemeinsamen Entschließungsantrag außerordentlich, weil die Landesregierung froh ist über die Unterstützung durch den Niedersächsischen Landtag bei ihrem Vorgehen zur Sicherung der Interessen der Menschen in der Stadt Salzgitter, aber auch der Entwicklungsinteressen der Stadt Salzgitter, deren Probleme aus ihrer Gründung herrühren, weil sie, wie hier bereits von mehreren Rednern betont worden ist, noch nie im Besitz ausreichender Flächen gewesen ist, die eine Stadt normalerweise braucht. Das hat etwas mit der Gründungsgeschichte der Stadt ab dem Jahr 1942

und den Schwierigkeiten zu tun, in denen sie sich dadurch immer wieder befunden hat.

Lassen Sie mich aber in aller Offenheit sagen, dass ich die Debatte an einer Stelle als ein wenig unehrlich empfunden habe. Man kann nicht auf der einen Seite die Privatisierung der Salzgitter AG und den Verkauf an die Preussag im Jahre 1989 durchsetzen, und zwar so, dass der Immobilienbesitz nicht etwa der Stahl AG zugeordnet wird, sondern dem Konzernbesitz der Preussag zugeordnet wird, dies gegen den Willen der Stadt Salzgitter, gegen den Willen der Beschäftigten der damaligen Salzgitter AG, gegen den Willen von 95 % der Beschäftigten, die damals Umfragen und Unterschriftenkampagnen initiiert haben, gegen den energischen Widerstand der damaligen SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag und gegen den damaligen Widerstand der CDU im Landesverband Braunschweig, die sich im Landtag aber nicht hat durchsetzen können, und diese Privatisierung dann zehn oder elf Jahre später nicht mehr zur Kenntnis nehmen wollen. Denn die Ursachen für die Probleme der Menschen in der Stadt Salzgitter liegen in der Privatisierung des Salzgitter-Konzerns, besser gesagt in der Art und Weise der Privatisierung im Jahre 1989.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, dass man darauf schon hinweisen muss. Ich darf einmal aus der Drucksache 11/3635 des Niedersächsischen Landtages der 11. Wahlperiode vom 16. Februar 1989 zitieren. Dort heißt es:

„Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Die ‚Salzgitter Wohnungs-AG‘ wird aus dem Konzernverbund herausgelöst und als selbständiges Unternehmen geführt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Wohnungs-AG auch in Zukunft ihre Aufgaben als Wohnungsbaugesellschaft wahrnehmen kann und nicht weiter als Finanzmasse für wohnungsbaufremde Aktivitäten des Salzgitterkonzerns benutzt wird.“

Dann heißt es weiter:

„Der Antrag zielt... darauf ab, die Salzgitter-Wohnungs-AG aus dem Konzern herauszulösen und als eigen

ständiges Unternehmen weiter zu betreiben, damit auch in Zukunft ausreichend Mietwohnungen erhalten bleiben und außerdem wieder Wohnungsbau durch das Unternehmen betrieben werden kann.“

Und nun kommt die Begründung:

„Es ist zu erwarten, dass nach Aufhebung der Gemeinnützigkeit weitere Bestände verkauft werden sollen und so letztlich die halbe Stadt Salzgitter zum Verkauf stünde. Damit würden weitere Vermögenswerte, die der Konzern nur treuhänderisch übernommen hat, ihrem Ursprungszweck entzogen.“

Das war ein Antrag der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag. Damals haben die CDU-Fraktion und die Regierung unter Ernst Albrecht diesen Antrag hier im Landtag niedergestimmt, meine Damen und Herren. Das ist die historische Realität.

Deshalb, Herr Kollege Eppers, nur deshalb finde ich Ihren Redebeitrag problematisch. Wenn Sie hier eingeräumt hätten, dass Sie damals einen Fehler begangen haben, und angekündigt hätten, deswegen heute mitzuhelfen, diesen Fehler zu korrigieren, dann wären wir einig gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Des Weiteren, Herr Kollege Eppers, muss ich nur der guten Ordnung halber darauf hinweisen, dass die Staatskanzlei nicht nur den Oberstadtdirektor der Stadt Salzgitter mehrfach über ihr Handeln unterrichtet hat, sondern dass Sie, Herr Kollege Eppers, durch den Staatssekretär der Niedersächsischen Staatskanzlei persönlich über unser Vorhaben informiert worden sind. Ich meine, dass es schon fair wäre, wenn Sie darauf hinweisen würden, dass wir erstens die Stadt Salzgitter eingebunden haben - alles andere macht keinen Sinn - und zweitens auch unser Vorhaben, ein Konsortium zu bilden, Ihnen natürlich bekannt gemacht worden ist.

Ich fände es deshalb sinnvoll, Herr Kollege Eppers, wenn wir uns - dem Geist des Antrages entsprechend - einig wären, dass wir dieses Vorhaben auch nicht so, wie Sie es vorhin angedeutet haben, parteipolitisch nutzen wollen, die Vergangenheit aber Vergangenheit sein lassen wollen, weil wir sie

leider nicht mehr korrigieren können. Das will ich Ihnen gerne zugestehen. Aber dass damals ein massiver Fehler begangen worden ist und dass es damals besser gewesen wäre, wenn man dem Antrag der SPD zugestimmt hätte, ist wohl unstrittig, denn dann hätten wir die Probleme, vor denen wir heute stehen, nicht.

(Beifall bei der SPD)