Protocol of the Session on September 12, 2000

Die Regierung sitzt jetzt in der Falle ihrer eigenen überzogenen Prognosen und ihrer eigenen positiven Sichtweise der EXPO, die sie in den vergangenen Jahren in der Welt und auch in diesem Landtag vertreten hat. Sie sitzt in der selbst gestellten Falle des Zweckoptimismus und blinden Vertrauens. Fahrlässig wurde eine hälftige Teilung des Defizits mit dem Bund vereinbart. Fahrlässig wurde der Wirtschaft, die 20 % an der EXPOGesellschaft hält, eine Defizithaftung über ihren Einstiegsbetrag von 20 Millionen DM erlassen.

Die Versäumnisse des Aufsichtsrates gehen nun in die Milliarden - leider auch für Niedersachsen. Deswegen müssen wir über eine mangelnde Kontrolle und über die Frage, wer wann was gewusst hat, sprechen, um Verantwortlichkeiten zu klären.

Ist es nur Missmanagement, oder ist es auch mangelnde Kontrolle? Ist es möglicherweise sogar gemeinsam von Bund, Land und der Geschäftsführung zu verantworten? Hierüber gibt es widersprüchliche Aussagen. Es sind keine normalen Aufsichtsräte in der EXPO-GmbH gewesen - wie unser Ministerpräsident Gabriel -, sondern hinter ihnen standen die Staatskanzlei und die Ministerien, die auf Augenhöhe Einblick in die Bücher hatten und mitgerechnet haben. Insofern kann man davon ausgehen, dass die eine Hand - also der Aufsichtsrat - jederzeit gewusst haben muss, was die andere Hand - nämlich die Geschäftsführung geplant hat, auf welchen Grundlagen sie geplant hat und wie die EXPO tatsächlich wirtschaftlich dastand.

Wie kann es dann zu diesen Überraschungen kommen, wie sie sich in der Sommerpause für den Ministerpräsidenten ergeben haben? Warum war nicht schon in der Plenardebatte vor der Sommerpause, am 20. Juni, ein offenes Wort von der Landesregierung darüber zu hören, dass es einen Nachschusszwang geben würde, dass die Bürgschaft nicht ausreichen würde und dass es deswegen auch dringend eine Neuklärung der Defizitverteilung zwischen Bund und Land geben muss?

Der Ministerpräsident hat stattdessen nach einem in der „NP“ am 12. August abgedruckten Wortprotokoll auf die Frage „Angenommen, am Ende

der Weltausstellung steht ein Defizit von 1,4 Milliarden Mark, von dem Niedersachsen die Hälfte tragen muss. Damit wäre das Land doch pleite?“ verlauten lassen:

„Ich sage noch einmal: Ich denke nicht, dass Niedersachsen eine Summe in dieser Größenordnung zahlen muss. Außerdem trifft es den Haushalt des Landes nicht. Es wird zu keinerlei Sparmaßnahmen kommen.“

- Herr Ministerpräsident, wie wollen Sie das heute noch aufrechterhalten?

Eine weitere Frage war:

„Aber Sie verhandeln mit Berlin weiter darüber, ob der Bund doch noch den größeren Teil der EXPOSchulden übernimmt?“

Ministerpräsident Gabriel dazu:

„Der Bundeskanzler, der Bundesfinanzminister und ich haben über diese Fragen längst gesprochen und ein Verfahren verabredet, wie es laufen soll.“

„Und wie sieht das aus?“

- Jetzt kommt Gabriels Zauberkasten:

„Das werden wir am 1. November, also am Tag nach dem Ende der Weltausstellung, bekannt geben.“

„Das klingt sehr optimistisch“ – so die „NP“ dazu. Ministerpräsident Gabriel dazu:

„Dafür habe ich auch allen Grund. Für das Land Niedersachsen wird es keine Probleme geben.“

Das war am 12. August. - Nur fünf Tage später kam der blaue Brief von Frau Breuel mit der Nachforderung von 860 Millionen DM, und Herr Volk führte in der Presse, nämlich im „Stader Tageblatt“, aus:

„Unsere Gesellschafter waren laufend über unsere finanzielle Situation informiert.“

Finanzminister Aller sagte am 19. August - also auch eine Woche nach dem Ministerpräsidenten -, dass über die endgültige Verteilung der finanziel

len Lasten zwischen Bund und Land noch nicht entschieden sei.

Was stimmt denn nun, Herr Ministerpräsident? Haben Sie in diesem Moment schlichtweg an mangelnder Information oder an Überschwang und Optimismus gelitten? Werden Sie rechtliche Konsequenzen gegenüber der Nicht-Information der EXPO-Gesellschaft ergreifen oder gegenüber Ihren Mitarbeitern, die Sie nicht rechtzeitig informiert haben, wo doch Herr Volk sagt, das Land sei ständig vollständig informiert worden? - Hierüber erwarten wir heute von Ihnen Aufklärung, und wir erwarten auch, dass das Land daraus Konsequenzen zieht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Möllring das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hagenah, wenn nicht schon der Verdacht bestanden hätte, dass die Grünen die EXPO nach wie vor bekämpfen, hätten Sie eben den Beweis dafür erbracht.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Dass Sie es nicht einmal hinnehmen können, dass 183 Staaten hier bei uns in Freundschaft aufgenommen werden, ein fantastisches Fest machen - -

(Frau Harms [GRÜNE]: Das hat Herr Hagenah doch gesagt, Herr Möllring!)

- Aber warum sagen Sie nicht einmal, dass dies für die ganze Welt ein großer Erfolg ist?

(Starker Beifall bei der CDU)

In Zeiten, in denen wir über Ausländerfeindlichkeit reden, haben wir es hinbekommen, eine Weltausstellung zu organisieren, an der so viele Staaten wie noch nie teilnehmen, auf der Staaten nebeneinander Stände betreiben, die zu Hause in Feindschaft und in Krieg leben. Das ist einfach fantastisch. Deshalb hat sich das schon gelohnt. Das wollen wir alle nicht missen.

(Frau Harms [GRÜNE]: Die Frage ist doch: Wer soll das bezahlen?)

Das sollten Sie von den Grünen auch endlich einmal einsehen.

Was das andere angeht - darin will ich Herrn Hagenah Recht geben; das hätte aber nicht einer Aktuellen Stunde bedurft, sondern das hätten wir auch noch in einer Stunde besprechen können, weil dann nämlich genau das gleiche Thema noch einmal auf der Tagesordnung steht, und zwar nicht von der Fraktion der Grünen, sondern von der Landesregierung beantragt -, brauche ich auch gar nicht lange den Ministerpräsidenten zu fragen, Herr Hagenah, wann er was gewusst hat. Darauf kommt es gar nicht an. Was man hätte wissen können und müssen, wenn man die dritte Volksschulklasse erfolgreich beendet hat, ist doch ganz einfach: Man hat mit 300.000 Besuchern pro Tag gerechnet. Nun stellen Sie sich einmal eine Textaufgabe vor, wie sie im Rechenbuch der dritten Klasse stehen: Ein Veranstalter einer Weltausstellung rechnet mit 300.000 Besuchern pro Tag, es kommen aber nur 100.000. Der Drittklässler muss dann folgende Aufgabe lösen: Frage, Rechnung, Antwort : Die Frage lautet: Wie viele sind nicht gekommen? Die Rechnung lautet: 300.000 100.000 = 200.000. Dann muss er noch diese Antwort finden: Es sind 200.000 der erwarteten Besucher nicht gekommen. Dann wird es allerdings ein bisschen komplizierter, Herr Hagenah.

(Möhrmann [SPD]: Kettensatz oder Dreisatz?)

- Das ist noch nicht einmal Dreisatz. Sie sind doch Lehrer. Dann müssten Sie doch wissen, dass das noch nicht einmal Dreisatz ist. Das ist eine schlichte Textaufgabe. Zum Dreisatz kommen wir jetzt erst.

(Widerspruch bei der SPD - Glocke des Präsidenten)

Wenn man dann sieht, dass man pro Besucher brutto rund 70 DM an Eintritt erwartet hat, dann ist die sich daran anschließende Rechnung recht einfach. Dann haben die 100.000 7 Millionen DM gezahlt, und die anderen 200.000 hätten 14 Millionen DM zahlen sollen. Diese Millionen sind nicht gekommen. Diese 14 Millionen DM ergeben 2,1 Milliarden DM, wenn Sie sie mit 150 Tagen multiplizieren. Das ist eine ganz einfache Rechnung.

Noch einfacher wäre die Rechnung hinsichtlich der Parkplätze zu bewerkstelligen gewesen. Nur, bei

diesen großen Zahlen geniert man sich schon, über 100.000 DM zu reden.

In Folgendem stimmen wir mit Ihnen überein: Wir hätten als Haushaltsausschuss, als Landtag erwartet, dass sich unsere Vertreter im Aufsichtsrat - in diesem Fall der Ministerpräsident -, dass sich aber auch die Vertreter der Bundesregierung und die Vertreter der Wirtschaft im Aufsichtsrat diese plausiblen Rechnungen hätten vorlegen lassen, bevor sie neue Beschlüsse zur EXPO-Finanzierung gefasst hätten, um einen Weg zu finden, wie wir aus dieser Kurve herauskommen und wie wir das Problem gemeinsam schultern werden. Es ist doch klar, dass wir das Problem gemeinsam schultern müssen, denn wir konnten die EXPO ja nicht mittendrin absagen. Deshalb hätte man mit dem Bund verhandeln müssen, bevor man solche Beschlüsse gefasst hat, und hätte sagen müssen: Wie können wir dieses Defizit tragen? - Bei den Olympischen Spielen in München z. B. hat man diese Frage vorher geregelt. Da hat der Bund 50 % des Defizits getragen. Da hat das Land Bayern 25 % des Defizits getragen. 25 % haben die beiden ausrichtenden Städte, nämlich München und Kiel, getragen.

(Frau Pawelski [CDU]: Das wäre für Hannover das Ende! - Zuruf von Mi- nisterpräsident Gabriel)

- Es ist mir klar, dass das mit Hannover nicht machbar ist. Es war schon peinlich genug, dass Herr Schmalstieg stattdessen noch die EXPO melken wollte, weil die Besucher vielleicht einmal einen Schnippel Papier auf die Straße werfen und seine Stadtreinigung das wegfegen muss. Das hätte ich von Hannover auch gar nicht erwartet. Gleichwohl hat man damals eine andere Regelung gefunden. Wir erwarten, dass wir bestens informiert werden. Wir werden am 21. des Monats Herrn Volk im Haushaltsausschuss haben und dann diese Fragen, die im Aufsichtsrat offensichtlich nicht gestellt werden, stellen, damit die Öffentlichkeit erfährt, wie die Finanzierung der EXPO letztlich aussieht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Wegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer hat wann was gewusst? Das ist sicherlich eine spannende Frage. Nur meine ich, dass das nicht die Frage ist, die uns im Moment unter den Nägeln brennt. Diese Frage kann nur jemandem unter den Nägeln brennen, der mit der EXPO nichts am Hut hat.

(Beifall bei der SPD)

Die Frage, die wir uns alle stellen sollten, lautet,

(Schröder [GRÜNE]: Wer soll das alles bezahlen?)

wie wir der EXPO im Moment am meisten helfen, die EXPO am besten unterstützen können und wie wir die EXPO zu dem bestmöglichen Erfolg bringen.

Die Grünen haben daran offenbar kein Interesse. Das war schon immer so. Sie waren immer Gegner dieser Weltausstellung - im Gegensatz zu der SPD-Fraktion, die die Weltausstellung unterstützt hat, und im Gegensatz auch zu mir persönlich. Ich bin bekennender Fan der EXPO-Weltausstellung, und zwar gemeinsam mit vielen anderen Millionen Menschen.