Protocol of the Session on September 12, 2000

Nach unserer Überzeugung muss unternehmensbezogene Wirtschaftsförderung vor allem über die Gestaltung des Steuersystems erfolgen und nicht über ein bürokratisches Antragsverfahren, bei dem am Ende die Firmen am meisten profitieren, die es am wenigsten nötig haben. Lassen Sie mich Folgendes hinzufügen: Dem Fördergefälle entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze - das ist das Argument, das Herr Gabriel vorgestern in die Diskussion gebracht hat - können Sie im Übrigen damit auch nicht begegnen, weil die Zuwendungsgrenzen für die einzelbetriebliche Förderung auch bei aufgestockten Haushaltsansätzen unverändert blieben.

Meine Damen und Herren, gerade Arbeitgeberund Wirtschaftsverbände werden nicht müde, den Staat zum Subventionsabbau zu drängen. Wir möchten diese Verbände beim Wort nehmen und das Geld für eine Absenkung der Neuverschuldung einsetzen. Überhaupt möchten wir, dass ein sozialdemokratischer Ministerpräsident die Wirtschaft an einmal gegebene Zusagen erinnert. Der Unwille vieler - auch niedersächsischer - Unternehmen, sich am Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter zu beteiligen, ist der bekannteste, aber beileibe kein Einzelfall. Versprochen war, dass sich die Managerakademie GISMA nach einer einmaligen öffentlichen Anschubfinanzierung selbst trägt. Herausgekommen ist ein Landeszuschuss von 25 Millionen DM mindestens für die nächsten fünf Jahre. Versprochen war auch, dass die Beteiligungsgesellschaft der Deutschen Wirtschaft wenigstens 20 Millionen DM für den Bau des Deutschen Pavillons auf der EXPO beibringt. Herausgekommen sind auch an dieser Stelle geplatzte Millionenbürgschaften von Bund und Land.

Ich meine, der Wunsch eines Ministerpräsidenten, sich ein wirtschaftsfreundliches Image zuzulegen, schließt doch nicht aus, gegenüber Unternehmervertretern zumindest so energisch aufzutreten wie im eigenen Kabinett.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für meine Fraktion ist die beste Form der Landeswirtschaftsförderung der Ausbau eines leistungsfähigen Bildungssystems. An anderer Stelle zu sparen ist für uns kein Selbstzweck. Die Nettokreditaufnahme zu senken und damit die Zinsausgaben zu bremsen ist für uns nicht Haushaltsmathematik, sondern ist für uns

Voraussetzung dafür, insbesondere in der Bildungspolitik handlungsfähig zu bleiben. Die bisherigen Anstrengungen der Landesregierung reichen hierfür einfach nicht aus.

Natürlich ist es richtig, die Lösung der bildungspolitischen Mängel nicht allein durch mehr Geld zu erwarten. Schulen und Hochschulen verfügen über gewaltige Effizienzreserven, und die muss man sich nutzbar machen. Wir brauchen mehr Geld für die Bildung - öffentliches und privates -, um Niedersachsens Bildungseinrichtungen in Konkurrenz mit anderen Ländern wettbewerbsfähig zu halten. Deswegen werden wir Ihnen, Herr Aller, in Kürze ein Modell zur Neuordnung der Landesbeteiligungen vorlegen, um daraus einen Bildungspool zu finanzieren. Wir wollen mit diesem Geld nicht einfach nur neue Lehrerstellen schaffen, sondern wir wollen, dass dieses Geld direkt an die Schulen und Hochschulen kommt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen diejenigen Schulen belohnen, die sich der Arbeitswelt öffnen. Wenn es für bestimmte Fächer und in verschiedenen Regionen Niedersachsens - Herr Wulff hat es angesprochen, und damit hat er an der Stelle ausdrücklich Recht nicht mehr möglich ist, in ausreichendem Maße Lehrkräfte zu finden, dann benötigen die Schulen freie Mittel, um sich geeignete Personen aus der Wirtschaft einzukaufen. Wir wollen mehr Geld, um unterschiedliche, aber modellhafte Bildungsansätze in den niedersächsischen Regionen zu unterstützen. Wir wollen Regionen des Lernens mit durchaus unterschiedlichen Schulformen, aber vergleichbaren Abschlüssen, und wir wollen keine zentralen Vorgaben, die noch dazu vermeidbare Kosten für die kommunalen Schulträger nach sich ziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es ist nicht seriös, sich für eine Bildungsoffensive mit zunächst 500 und dann später 1.000 neuen Lehrerstellen feiern zu lassen und das Geld dafür im Jahre 2001 bei den Hochschulen einzukassieren. Die Kürzungen in Höhe von 50 Millionen DM im Rahmen des zweiten Innovationspaktes sind nichts anderes als ein zinsloser Kredit, den Sie den Universitäten abgepresst haben. Die 30 Millionen DM so genannter Verwaltungskostenbeiträge sind nicht einmal ein Eigenbeitrag der Studierenden, weil das Geld nicht

an den Hochschulen bleibt, sondern dem Landeshaushalt zugeführt wird.

Meine Damen und Herren, wir wollen mehr in Bildung investieren, wir wollen dafür aber an anderer Stelle zusätzlich einsparen. Warum braucht es in Niedersachsen noch eigenständige Bergbaubehörden? Soll es ernsthaft so bleiben, dass ein Referatsleiter im Sozialministerium mit acht Beschäftigten zwei Besoldungsstufen höher eingruppiert ist als der Leiter einer Justizvollzugsanstalt mit mehr als 500 Mitarbeitern? Was soll das Nebeneinander von Landestreuhandstelle, Agrarstrukturämtern und Kammern in der Landwirtschaftsverwaltung? - Das sind nicht nur unsere Ideen, sondern das waren auch einmal Vorschläge von Sigmar Gabriel, nämlich in der Zeit, als er noch SPD-Fraktionsvorsitzender gewesen ist. Wenn ihm mit dem alten Amt nicht auch die guten Vorsätze abhanden gekommen sind, dann können wir ihn an diese Ideen nur erinnern und ihn ermuntern.

Meine Damen und Herren, der Finanzminister hat betont, dass die niedersächsische Finanzpolitik im Ländervergleich überaus positiv abgeschnitten hat. In der Tat weist das Land inklusive seiner Kommunen mit Ausgaben in Höhe von 7.123 DM pro Einwohner im Jahre 1998 den mit Abstand niedrigsten Betrag aller Bundesländer aus. Dafür können Sie sich nun mit Selbstlob überschütten. Tatsächlich aber gibt es keinen überzeugenderen Beweis für die strukturelle Finanzschwäche dieses Landes.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Ursächlich dafür sind neben den Zins- die hohen Personalausgaben. Mit rund 45 % der Gesamtausgaben sind die Personalkosten inklusive der Landesbetriebe in Niedersachsen höher als in allen anderen Bundesländern. Das größte Problem stellen hierbei die dramatisch steigenden Versorgungslasten dar. Der bisherige Stellenabbau der Landesregierung reicht nicht einmal aus, den Zuwachs an Pensionskosten auch nur auszugleichen. Deshalb muss bei den Personalkosten weiter gespart werden, und das geht nur, wenn man die Beschäftigten dabei mitnimmt, und - das füge ich hinzu - gelegentlich auch die eigenen Parteifreunde.

Meine Damen und Herren, in kaum einem anderen Bereich hat die Landesregierung so viel Vertrauen

verloren wie bei der Verwaltungsreform. Wurden zunächst Reformdividenden gekürzt, so werden jetzt Leistungszulagen kassiert. Wir fragen uns, wie die Bereitschaft für einen begründeten Aufgabenverzicht geweckt werden soll, wenn man die Motivation der besten Mitarbeiter in dieser Weise untergräbt. Wir erwarten von einem Ministerpräsidenten nicht nur Umtriebigkeit, wir verlangen vor allem auch Verlässlichkeit. Dies schließt Einsparungen keineswegs aus, aber man kann nicht jedes Jahr zwischen Reformdividenden und Wiederbesetzungssperren, zwischen Leistungszulagen und Beförderungsstopps hin- und herwechseln.

Es ist unstreitig: Wir müssen bei den Personalausgaben weiter sparen. Wir schlagen deshalb - im Übrigen ja auch nicht zum ersten Mal - vor, wahlärztliche Leistungen bei der stationären Behandlung beihilferechtlich nicht mehr anzuerkennen, so wie das heute schon in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und im Saarland gängige Praxis ist.

Wir brauchen dringend eine Neuregelung des Generationenvertrags, den es nicht nur in der gesetzlichen Rentenversicherung gibt, sondern in anderer Weise auch bei den Pensionen. Wenn man hier nicht sehr schnell zu Lösungen kommt, dann werden im Landesdienst noch sehr viel mehr Stellen gestrichen werden müssen.

Außerdem müssen wir zuallererst und kurzfristig eine Reform der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder durchsetzen, weil nämlich die Belastungen des Bundes, der öffentlichen Haushalte insgesamt, aber auch für die Arbeitnehmer unerträglich werden. Es ist für eine Schreibkraft im Landesdienst eben nicht mehr zumutbar, wenn der Eigenbetrag von heute 130 DM auf dann 262 DM im Monat ansteigen soll.

Ich bin mir ganz sicher, dass solche Forderungen harte Verhandlungen mit Gewerkschaften und Verbänden mit sich bringen, aber es ist alle Mal besser, einmal verbindlich zu erklären, was man will, als jedes Jahr ein neues Folterinstrument zu erfinden.

Meine Damen und Herren, wir wollen strukturelle Einsparungen im Landeshaushalt, und wir haben dazu Vorschläge gemacht. Im Unterschied zur Landesregierung sehen wir keinen Bedarf mehr für Bezirksregierungen in Hannover und Braunschweig, weil sich hier handlungsfähige Regionen herausbilden. Dies wollen wir möglichst rasch

auch in den Regionen Lüneburg und Weser-Ems erreichen. Wir wollen eine Kabinettsverkleinerung, auch weil die Landesregierung beim Sparen Vorbild sein muss und Ministerpräsident Gabriel hier im Wort steht.

Zusammengefasst, Herr Aller, können wir Ihren Enthusiasmus überhaupt nicht teilen. Der Ministerpräsident sorgt zwar für viel Tempo, doch fällt es zumindest uns manchmal noch schwer, die Richtung zu erkennen. Den Kurs für eine Politik des Schuldenabbaues hat Herr Gabriel jedenfalls noch nicht gefunden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, damit kann ich die Beratung zu diesen Tagesordnungspunkten schließen.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wer dafür ist, den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 in der Drucksache 1740 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen sowie an alle Fachausschüsse zur Kenntnis zu überweisen, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist dann so beschlossen.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung des Entwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2001 in der Drucksache 1830. Wer beschließen möchte, diesen Gesetzentwurf zur federführenden Berichterstattung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Sozialund Gesundheitswesen, für Wissenschaft und Kultur, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für innere Verwaltung zu überweisen, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist dann so beschlossen.

Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich bedanke mich für Ihre Mitarbeit. Wir werden unsere Beratung morgen um 10.30 Uhr fortsetzen.

Schluss der Sitzung: 17.39 Uhr.