Protocol of the Session on September 12, 2000

(Wegner [SPD]: Was ist jetzt mit Haushaltsvorschlägen?)

- Ich setze mich mit der Rede von Herrn Aller auseinander. Das müssen Sie schon ertragen.

(Zurufe von der SPD)

- Ich habe ihm das nicht aufgeschrieben.

Die zweite These von Herrn Aller lautete: Wir betreiben Haushaltskonsolidierung.

(Zustimmung von der SPD)

Jetzt sage ich Ihnen dazu die Meinung der Opposition.

(Zuruf von der SPD: Frau Harms wird erst noch sprechen! - Buß [SPD]: Ei- ner Opposition, die zweite kommt noch!)

Wir haben in diesem Jahr noch gar keinen Haushaltsabschluss. Sie haben den Haushaltsabschluss vom 31. Dezember 1999 zurückgehalten. Die Zahlen werden wir in den nächsten Wochen erfahren. Dabei wird sich ergeben, dass es gewaltig steigende Steuereinnahmen zu verzeichnen gibt, und zwar infolge der Lafontaine‘schen Steuerreform; denn wenn man die Gewinnermittlungsvorschriften für den Mittelstand verschärft, wenn man die Abschreibungsbedingungen verschlechtert, dann kommen kurzfristig natürlich mehr Steuern herein, jedenfalls vorgezogene Steuern herein. Wir haben steigende Steuereinnahmen wegen des Exportwachstums infolge des Euro-Verfalls. Wir haben eine EXPO-Sonderkonjunktur in Niedersachsen, insbesondere in der Bauwirtschaft. Wir haben bisher - das ändert sich jetzt ja dramatisch; das wird uns noch zu schaffen machen - historisch niedrige Zinsen. Wir haben erhebliche Einsparungen bei den liberalisierten Telefon- und Strommärkten. Als wir diese Märkte liberalisiert haben, waren Sie ähnlich unruhig, wie dies hier beim Thema Orientierungsstufe der Fall ist, obwohl Sie jetzt die Früchte ernten, die wir damals gesät haben. Aber wir gönnen Ihnen das. Wir haben das ja auch beantragt, damit Sie Nutznießer der liberalisierten Telefon- und Strommärkte sein können. Des Weiteren werden wir im nächsten Jahr Einnahmen aus Sondervermögen haben. Allein die Rückgabe eines Gesellschafterdarlehens bringt uns im nächsten Jahr 125 Millionen DM ein.

Trotz all dieser ungewöhnlichen, zum Teil einmaligen Ereignisse von der EXPO bis hin zur Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens bleibt eine horrend hohe Nettoneuverschuldung von 2,65 Milliarden DM, und dies, obwohl der Ministerpräsident versprochen hat, dass er, wenn er die Möglichkeit dazu haben würde, die Nettoneuverschuldung auch aus moralischen Gründen senken würde.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, wer vor einem solchen Hintergrund besonders günstiger Rahmenbedin

gungen die Nettoneuverschuldung nicht um eine einzige Mark absenkt, sondern für 2001, 2002, 2003 und 2004 diese horrend hohe Nettoneuverschuldung festschreibt, der hat das Ziel, Schulden abzubauen, die Neuverschuldung zu senken und für solide Finanzen zu sorgen, vollends aufgegeben und sollte nicht behaupten, er würde Haushaltskonsolidierung betreiben.

(Beifall bei der CDU - Mühe [SPD]: Wir sind auf die Alternative ge- spannt!)

Ein drittes Argument, das für diese Regierung sprechen soll, war, man würde auf Bundesebene für niedersächsische Interessen kämpfen. Sie hatten anfangs in der Öffentlichkeit geäußert, die Länder müssten an den UMTS-Erlösen beteiligt werden. Dann sind Sie, Herr Aller, offensichtlich zurückgepfiffen worden.

(Minister Aller: Keine Unterstützung bekommen!)

- Keine Unterstützung bekommen? - Darum hätten Sie einmal nachsuchen sollen. Die haben Sie von uns nämlich auf ganzer Linie. Wenn wir als Länder an den Schulden des Bundes im Zusammenhang mit der Herbeiführung der deutschen Einheit beteiligt sind, dann sind wir auch an den Einnahmen des Bundes zu beteiligen. Das ist mehr als gerecht, und jede andere Lösung ist ungerecht.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind dafür, dass man einmalige Einnahmen wie die aus den Lizenzvergaben zur Schuldenreduzierung nutzt, aber bitteschön beim Fonds „Deutsche Einheit“, der uns zugute kommt. Was haben Sie aber gemacht? - Sie haben sich nicht nur einverstanden erklärt, dass dieser Teil nicht abgebaut wird, Sie haben darüber hinaus vereinbart und geben auch das noch als Erfolg aus, dass man die Annuitäten-Absenkung aufschiebt. Die Verlagerung von Lasten in die Zukunft ist die Folge. Ich kann mich noch daran erinnern, was bei der Sozialdemokratie los war, als Waigel das einmal vorgeschlagen hat. Offensichtlich ändert man so schnell den Standpunkt, je nach dem, ob man in der Opposition oder in der Regierung ist. Ich finde das ziemlich erbärmlich.

Wir sind dafür, dass Niedersachsen auf Bundesebene etwas herausholt. Das ist Ihnen auch bei der Steuerreform nicht gelungen. Sie haben zwar mit Rheinland-Pfalz und anderen ein ganz großes

Chaos ein Stück weit abwenden können nach dem Motto: Die haben zehn Peitschenhiebe für den Mittelstand verhängt, erlassen zwei und lassen sich dafür feiern, dass es nur acht sind. Aber im Ergebnis haben Sie für Niedersachsen nichts herausgeholt.

Der Ministerpräsident, Herr Gabriel, hat gefordert, die Kilometerpauschale für Niedersachsen wegen der Ökosteuer zu erhöhen. Da müsste der Schwerpunkt gesetzt werden. Ich habe davon in den Beratungen nichts mehr gehört. Bei Ihnen gibt es zwei Welten, nämlich einerseits die Ankündigungen und Versprechen, andererseits die Wirklichkeit.

Jetzt, am heutigen Tage, ist die halbe Legislaturperiode herum, eine fünfjährige Periode, die der Regierung Zeit geben soll, große Reformen auf den Weg zu bringen und umzusetzen. Sie haben in diesen zweieinhalb Jahren inzwischen drei Ministerpräsidenten gehabt und können Ihren eigenen Rekord durchaus noch brechen bzw. verbessern, aber Sie haben in diesen zweieinhalb Jahren Ihre Versprechungen nicht im Auge behalten. Ihre Versprechungen waren die Sanierung der Landesfinanzen, der Abbau der Verschuldung, die Kürzung der das Land erdrückenden Personalausgaben, die Reduzierung der Ministerien, mehr Investitionen für die Zukunft des Landes, eine durchgreifende Reform der Landesverwaltung, ein Landes-TÜV für die Verwaltung usw. Die Stichworte kann man gar nicht alle aufzählen, wenn man die Redezeit der Opposition im Auge behält. Ihr Haushaltsplan spricht eine gänzlich andere Sprache. Wir werden diesen gigantischen Wahlbetrug, wie man mit den Menschen im Lande umgegangen ist, im Lande selbst thematisieren.

Sie haben die Schulden des Landes in zehn Jahren mehr als verdoppelt: Von 37 Milliarden DM aus etwa 40 Jahren Niedersachsen kommen Sie auf 78 Milliarden DM Schulden, wenn Sie hier 2003 die Plätze räumen werden. Sie nehmen dem Land die Luft zum Atmen.

(Zuruf von Frau Lau [SPD])

Sie sorgen dafür, dass uns keine soliden Finanzen zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, zur Unterstützung des Strukturwandels und zur Finanzierung der Bildungspolitik zur Verfügung stehen.

Noch bevor Herr Gabriel Ministerpräsident war, hat er wörtlich erklärt „Auf Kosten der Urenkel wird Politik betrieben, weil sich der Staat beden

kenlos in der Kreditkasse bedient“ und eine Senkung der Neuverschuldung gefordert. Jetzt, wo er es ändern könnte, stabilisiert er die viel zu hohe Neuverschuldung und türmt den Schuldenberg immer weiter auf.

Bei dem Haushaltsplan mit den EXPO- und Steuerreformrisiken, die geschildert wurden, haben Sie noch einen Abstand zur verfassungsmäßig zulässigen Neuverschuldungsgrenze von 93 Millionen DM. Alles andere haben Sie „UnterlippeOberkante“ ausgeschöpft, obwohl Sie mit einem der letzten Haushalte vor dem Staatsgerichtshof bereits Schiffbruch erlitten haben und wegen Verfassungsbruchs verurteilt wurden.

(Buß [SPD]: Jetzt Ihre Alternative!)

Sie regen sich über manche Rechtsverstöße so gewaltig auf, aber hinsichtlich Ihrer eigenen ständigen Verurteilungen vor dem Staatsgerichtshof habe ich noch keinen von Ihnen einmal selbstkritisch in sich gehen sehen.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt stellen wir fest, dass die Mehreinnahmen des Landes gegenüber dem Jahr 2000 in den nächsten Jahren um 8,053 Milliarden DM steigen werden. Aber Sie tun nichts dazu, diese Mittel einzusetzen, um die Neuverschuldung zu reduzieren. Stattdessen ignorieren Sie alle Ratschläge der Fachleute.

Die Europäische Zentralbank fordert Nachhaltigkeit der Haushaltspolitik, und Sie sagten hier eben: Wir haben wunderbare, stabile Verhältnisse. Sie haben allein im letzten Jahr durch die Bundespolitik die Inflationsrate von 0,6 % auf 1,9 % verdreifacht, und Sie haben eine ganz gefährliche Entwicklung in Gang gesetzt, die Sie auf diese Art und Weise noch weiter forcieren. Wir haben für die Haushaltsberatung alle klugen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die uns sagen, dass die Gesellschaft in Deutschland altert, dass europäische Gesellschaften altern und dass gerade deshalb der Euro unter diesen enormen Anpassungsdruck geraten ist, weil alternde Gesellschaften auch bestimmte Probleme bei ihren Haushalten aufweisen. Sie bereiten das Land auf diese Entwicklung alternder Gesellschaften nicht vor. Auch dies werden wir draußen anprangern.

Wir haben eine Begrenzung der Schuldenaufnahme vorgeschlagen. Das haben Sie abgelehnt, obwohl wir den Landesrechnungshof auf unserer Seite hatten. Sie haben es bis heute nicht geschafft,

die 9.000 zusätzlichen Stellen der ersten Regierungsjahre der SPD in diesem Land auch nur halbwegs wieder zu reduzieren bzw. zu beseitigen. Allein dabei haben Sie 4 Milliarden DM an Steuereinnahmen vergeudet und verschwendet.

Ihre Verwaltungsreform ist gescheitert. Was mich ein bisschen unzufrieden macht, ist, dass Sie nicht einmal im eigenen Bereich die warnenden Stimmen zur Kenntnis nehmen. Dass Sie die Opposition hier seit Jahren nicht zur Kenntnis nehmen, ist eine Frage des Stils von Politik. Aber wenn Ihre Regierungspräsidentin Wolff-Gebhardt erklärt, dass sie unter einem Dickicht, einem Dschungel von Gesetzen, Verordnungen und Reglementierungen leide und dass sie selbst die Landesregierung gebeten habe, bestimmte Bestimmungen vor Ort außer Kraft zu setzen - zumindest zeitweilig -, dann regen Sie sich nicht über den Zustand auf, sondern Sie regen sich darüber auf, dass Frau Wolff-Gebhardt dies in der Öffentlichkeit gesagt hat, und versuchen, sie zurückzurufen und zu malträtieren.

Sie verwechseln Ankündigungen mit Ergebnissen, und Sie erwecken Geschäftigkeit, schaffen dabei aber relativ wenig.

(Zuruf von der CDU: Wo ist der Fi- nanzminister? - Weiterer Zuruf von der CDU: Abgetaucht!)

Neben der zu hohen Nettoneuverschuldung ist das zweite Problem die Investitionsquote. Sie haben das vielleicht noch nicht ausreichend verinnerlicht: Es ist die niedrigste Investitionsquote des Landes Niedersachsen seit 1946. Die Investitionsquote fällt das erste Mal in den einstelligen Bereich, unter 10 %, obwohl Gerhard Schröder als Oppositionsführer in keiner seiner Reden von 1985 bis 1990 den Hinweis vermieden hatte, dass das entscheidende Merkmal für die Qualität eines Haushaltes die Investitionsquote sei.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, so darf man nicht auf Vergesslichkeit setzen. So darf man die Menschen nicht hinter die Fichte führen. Wenn man als Opposition immer sagt, die Investitionsquote sei das eigentliche Qualitätsmerkmal eines Haushalts, dann die Berechnungsgrundlage für die Investitionsquote ständig zu seinen Gunsten verbessert - alles über 5.000 DM ist bei Ihnen schon eine Investition; das hat es früher nie gegeben - und trotzdem auf eine Quote von 9,7 % kommt, die

noch auf 9,3 % fallen wird, dann ist das erbärmlich. Sie investieren im Jahre 2001 selbst in absoluten Zahlen weniger, als die Albrecht-Regierung im letzten ihrer Regierungsjahre 1990 mit 4,213 Milliarden DM investiert hatte.

Ich habe hier häufig vorgetragen: Das Entscheidende für den Wohlstand eines Landes sind eine hohe Investitionsquote und eine niedrige Staatsquote.

(Beifall bei der CDU)

Sie müssen das gänzlich missverstanden haben, weil Sie für genau das Gegenteil sorgen, nämlich für eine hohe Staatsquote und eine niedrige Investitionsquote. Das ist für unser Land im Nord-SüdGefälle verhängnisvoll.

(Plaue [SPD]: Wie war denn die Staatsquote bei Ihrem Regierungschef Kohl?)

Die Steuer- und Abgabenlast, Herr Plaue, ist im Moment bundesweit so hoch wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Sie haben in den letzten zwei Jahren solche Beschlüsse zu Abgaben und Steuern gefasst, dass die Staatsquote angestiegen ist. Bei uns war sie abgesenkt, wenn wir einmal von den Jahren der deutschen Einheit absehen.

(Möhrmann [SPD]: Die haben wir ja jetzt nicht mehr!)

Meine Damen und Herren, Sie kassieren inzwischen in Niedersachsen 1 Milliarde DM aus der Kfz-Steuer, aber Sie geben für Landesstraßen nur 90 Millionen DM aus. Solche Missverhältnisse - den Leuten an jeder Tanksäule das Geld aus der Tasche zu ziehen, aber ihnen nicht im Gegenzug mehr vernünftige Straßen ohne Schlaglöcher zu gewährleisten - sind es, die in diesem Landeshaushalt offenbar werden.

(Buß [SPD]: Frau Merkel hat gesagt: Jedes Jahr fünf Pfennige!)