Protocol of the Session on June 22, 2000

In unseren Schulen wird die sicherheitstechnische Betreuung der Schulbauten und deren Einrichtungen - das ist auch richtig beschrieben worden - von den Schulträgern und deren Fachkräften für Arbeitssicherheit gewährleistet. Sie können uns schlecht vorwerfen, dass wir nicht die Gebäudeschäden an einzelnen Schulen in Niedersachsen kennen. Ich bitte Sie: Was soll das denn eigentlich? Natürlich, wenn ich mir Schulen ansehe, merke ich sehr wohl, dass es einen sehr unterschiedlichen Qualitätsgrad gibt. Aber ich will Ihnen sagen: Es wird eine Menge getan, gerade in den Landkreisen. Wenn Sie sich Schulen angucken, stellen Sie fest: Es sind zum Teil richtige Prachtstücke, die da entstanden sind. Dass manche Kommunen Probleme finanzieller Art haben, wissen Sie auch alle. Sie verantworten das ja auch zum Teil in den Kreistagen mit.

(Frau Vockert [CDU]: Das liegt auch in Ihrer Verantwortung, dass die Kommunen so wenig finanzielle Mit- tel haben! - Gegenrufe von der SPD)

Darüber hinaus, Frau Vockert, nimmt auch der Gemeindeunfallversicherungsverband als Unfallversicherungsträger für Schülerinnen und Schüler die sicherheitstechnischen Überprüfungen vor. Das geschieht alles sehr verantwortlich. Zusätzlich sind für die Lehrkräfte schon die ganze Zeit Sicherheitsbeauftragte an der Arbeit, nämlich in dem naturwissenschaftlichen Unterricht - da ist es ja auch wirklich häufig ein belastender Arbeitsplatz und beim Strahlenschutz, also vorwiegend im Physikunterricht.

Die gesetzlichen Verpflichtungen gehen jedoch über diesen inneren Sicherheitsbereich hinaus, nämlich auch in die Unterrichtsorganisation hinein. Der geforderte Aufbau eines umfangreichen arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Dienstes bedarf in der Tat wegen der Besonderheit des Betriebes Schule der notwendigen Abklärung. Die werden wir auch vornehmen - gar keine Frage. Dann wird es vermutlich zu Beauftragungen oder Beleihungen in dieser Frage kommen. Wer das sein wird, kann ich Ihnen an dieser Stelle noch nicht sagen.

Schülerinnen und Schüler - das muss ich feststellen - sind nun einmal keine Gefahrenstoffe, und Kolleginnen und Kollegen und Eltern sind auch nicht als solche einzuschätzen. Das ist ein Problem. Wir wissen, dass die Belastungen von Lehrkräften aus den sozialen Beziehungen an der Schule und am

Arbeitsplatz Schule herrühren und dass natürlich auch die Organisation von Lern- und Arbeitsprozessen eine wichtige Rolle für die Belastungssituation spielt.

Die gesundheitlichen Probleme bestehen nicht so sehr im klassischen Arbeitsunfallrisiko. In den traditionellen Aufgabenfeldern der Betriebsärztinnen und Betriebsärzte ist das aber der Fall. Entgegen der Großen Anfrage, der aufgestellten Behauptungen und der aufgerüsteten Rede, wie wir heute hier gehört haben, haben wir meines Erachtens einen ausreichenden Kenntnisstand über die gesundheitliche Situation. Es hat diesbezüglich Untersuchungen gegeben. Danach liegen die spezifischen gesundheitlichen Belastungen von Lehrkräften, die allem Anschein nach auch zu dem relativ hohen Anteil an den vorzeitigen Versetzungen in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit führen, insbesondere im psychosozialen Bereich. Hier haben wir mit verschiedensten Maßnahmen angesetzt. Ich will fünf nennen; Sie haben sie zum Teil erwähnt, allerdings in einer sehr diffamierenden Form.

Die eingesetzte Kontaktgruppe „Netzwerk Gesundheitsförderung bei Lehrkräften“ arbeitet schon seit geraumer Zeit und wird auch durch ein Forschungsprojekt der Universität Lüneburg begleitet. Das Forschungsprojekt „Ansätze zur Förderung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit älterer Lehrkräfte“ läuft bei der Universität Lüneburg.

Ebenso haben Sie das Programm KESS erwähnt. Da bewerben sich Lehrkräfte, die das wollen, und werden natürlich durch Multiplikatoren ausgebildet. Was Sie dazu vorgetragen haben, war wirklich unfair.

Der Beitrag, den Niedersachsen zum EU-Gemeinschaftsprojekts „Netzwerk gesundheitsfördernde Schulen“ leistet, haben Sie bereits erwähnt, und die Kontaktgruppe mit Handlungsanleitungen und verstärkter Fortbildung des NLI ebenso.

Seit 1996 haben wir dieses Forschungsprojekt, das ich eben erwähnt habe, mit einer umfangreichen Untersuchung und Befragung von Lehrkräften. Das stellen wir Ihnen im Kultusausschuss wirklich gern zur Verfügung. Seit 1998 wird dieses in Zusammenarbeit zwischen MK und NLI und der Universität Lüneburg realisiert.

Im Übrigen haben Sie die Gesundheitstage erwähnt. Da mag vielleicht ein falscher Termin gewählt worden sein; das will ich zugeben. Aber

auch dafür, meine ich, ist Ersatz geschaffen worden. Die Resonanz auf die Gesundheitstage war entsprechend. Ich bin auch dafür dankbar, dass wir da Unterstützung von Arbeitsmedizinern haben, die sich in dieses Feld mit einbringen, weil das ganz wichtig ist.

Auf einem weiteren Feld haben die Bezirksregierungen wertvolle Arbeit geleistet. Das haben Sie hier auch, jedenfalls in Teilen, dargestellt, nämlich im Bereich der Suchthilfe und der Suchtprävention im Schulbereich. Vielfach ist es gelungen, das Thema zu enttabuisieren und in das Bewusstsein der Personalverantwortlichen zu bringen. In allen Regierungsbezirken bestehen dazu Arbeitskreise. In den regelmäßigen bezirksübergreifenden Dienstbesprechungen hält man sich sozusagen gemeinsam auf dem neuesten Stand.

Mit meinen bisherigen Ausführungen habe ich hinreichend deutlich gemacht, dass es nicht um Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit alleine geht und dass es eben nicht so einfach zu beurteilen ist wie ein PC-Arbeitsplatz, bei dem man weiß, wie die Arbeitsbelastungen sind. Das Generalthema ist für mich Gesundheitsförderung im umfassenden Sinne. Dazu gehören selbstverständlich die Lehrkräfte.

Die Gesundheit ist eine wesentliche Bedingung für eine berufliche Tätigkeit und die Gestaltung des Schullebens. Die Zahl der Frühpensionierungen geht nach der derzeitigen Tendenz zurück. Sie war in der letzten Jahren viel zu hoch; das will ich hier gar nicht verhehlen. Ich meine aber, mit allem, was wir da bisher getan haben, können wir uns sehen lassen. Frau Litfin, ich bitte Sie sehr darum, dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass es kein einfaches und wenig komplexes Thema ist, wie Sie das vorhin darzustellen versucht haben. Wir unterrichten gern über die ausführlichen Ausarbeitungen, die wir dazu gemacht haben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Das Wort hat der Kollege Klare.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, ich fand das ganz und gar nicht einfach und platt, wie Sie es dargestellt haben, was die Kollegin Litfin gemacht hat, sondern

ich fand das sehr detailliert, auf den Punkt gebracht.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Das spiegelt auch das wider, was wir tatsächlich in der Schule erleben, jedenfalls zum Teil. Das war auch nicht pauschal, sondern sehr speziell auf das eingegangen, was in Ihrer Antwort auf die gute Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen „Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz Schule“ geschrieben worden ist.

Ich halte diese Anfrage für sehr wichtig. Damit können wir uns nicht jeden Tag beschäftigen; das ist mir klar. Aber in der Grundsätzlichkeit der Fragen und in der Abwägung der Fragen ist es wichtig, dass wir uns damit auch im Landtag befassen.

Das, was Sie bzw. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Antwort geliefert haben, Frau Ministerin, strotzt vor Allgemeinplätzen, auch vor Ankündigungen, und es strotzt auch vor Nichtbeantwortung einiger Fragen. Damit können wir uns natürlich nicht zufrieden geben. Die Landesregierung hat sich in der Vergangenheit um die gesundheitliche Situation der Lehrer und Lehrerinnen praktisch überhaupt nicht gekümmert. Das ist eine Tatsache, mit der wir uns auseinander setzen müssen und mit der sich auch die Schulen meistens auseinander gesetzt haben, übrigens im Gegensatz zu anderen Bundesländern, in denen man ganz anders an diese Frage des Gesundheitsschutzes herangegangen ist. Wir brauchen aber diese Datenbasis.

Frau Ministerin, ich möchte eines vorweg sagen; Sie kümmern sich ja um diese vielen Dinge: Wenn Sie ein Schreiben von der Montessori-Schule in der Ernst-Sievers-Straße in Osnabrück bekommen, in dem detailliert auf große Probleme hingewiesen wird, was erhebliche Gesundheitsgefahren in den Pausenräumen, Duschräumen, im Sportbereich und in den Sozialräumen betrifft, und es auf dieses Schreiben überhaupt keine Antwort gibt, dann erfüllen Sie Ihre Pflicht nicht. Hier ist das Anschreiben. Es gibt bislang überhaupt noch keine Antwort darauf. Da, wo Gefährdungen vorliegen, müssen Sie eingreifen, vor allem dann, wenn Sie darauf hingewiesen werden.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Frau Litfin hat auf einige Probleme hingewiesen. Deswegen brauche ich das nicht im Detail zu wiederholen, aber ich will einen Gedanken herausgreifen, nämlich die besonderen psychosozialen Belastungen der Lehrkräfte, die tatsächlich ein besonderes Gesundheitsrisiko in sich bergen. Das ist übrigens eine Diskussion, die man auch einmal mit Leuten führen muss, die sich sonst nicht so sehr mit Schule befassen, wenn es um Arbeitsbedingungen und Arbeitszeit von Lehrkräften geht, damit man sich einmal in das hineinversetzen kann, was täglich im Unterricht abläuft, mit den Belastungen, die das in sich birgt.

Es ist übrigens richtig, dass dies nicht nur für Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch für Schülerinnen und Schüler gilt. Ich füge hinzu: Das ist auch in einem Zusammenhang mit den verschlechterten Rahmenbedingungen an den Schulen zu betrachten. Wenn es immer mehr verhaltensauffällige, nicht Deutsch sprechende Kinder in einer Klasse gibt, dann werden die Belastungen eben erheblich größer, weil der Druck auf die Lehrkräfte natürlich ständig wächst. In diesem Zusammenhang ist auch das Stichwort „Burn-out-Syndrom“ mit den wirklich dramatischen Auswirkungen auf die Qualität des Unterrichts zu nennen. Außerdem wurde die große Frühpensionierungswelle angesprochen, die auch erhebliche Auswirkungen auf den Landeshaushalt hat.

Dieses Thema ist im Prinzip verschlafen worden und wird auch weiterhin verschlafen. Es ist auch ein Problem, dass Sie, je mehr Lehrer ausscheiden, und zwar so früh - das ist ja dargestellt worden; ich werde nachher noch kurz darauf eingehen -, umso mehr Probleme in der Zeit des Lehrerausfalls bekommen werden, entsprechend fachausgebildete Lehrer zu bekommen, mit denen dann die Stellen der Lehrer besetzt werden, die frühzeitig ausscheiden.

Die Antworten machen sehr wohl deutlich, dass die Landesregierung in der Frage der Krankheitssituation der Lehrkräfte viel zu wenig weiß und sich im Prinzip auch nicht darum gekümmert hat. Das ist verwunderlich, weil es hierbei um die größte Beamtengruppe in Niedersachsen geht. Von 180.000 Beamten insgesamt sind 75.000 Lehrer. Es kann nicht sein, dass man hier im Prinzip untätig bleibt, wie man es war.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Es kann nicht sein, dass man uns keinerlei Erklärung gibt, warum Lehrer so früh frühpensioniert werden. Es gibt hierfür keine Erklärung. Es wird auch nichts ermittelt. Es kann auch nicht angehen, dass wir keine Informationen darüber bekommen, warum Lehrer wesentlich früher als andere Beschäftigte des öffentlichen Dienstes frühpensioniert werden. Das muss man ermitteln. Wenn man reagieren will, dann muss man das ermitteln.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich gibt es dafür Gründe - ein paar davon kann ich mir auch ausdenken, aber ich will alle Gründe wissen, die dazu führen -, und die kann und muss man ermitteln. So, wie Sie es darstellen, kann es im Prinzip nicht bleiben.

(Frau Körtner [CDU]: Wenn man das ändern will, dann muss man es ermit- teln!)

- Genau. Danke für das Stichwort. Wenn man etwas ändern will, dann muss man wissen, warum die Lehrer in Pension gehen, und dafür muss man es eben ermitteln. - Bislang haben Sie hierbei im Prinzip - ich sage das so deutlich - fahrlässig gehandelt. Das ist nicht nur ein Haushaltsproblem - Frau Litfin hat die Zahlen dargestellt -, sondern das ist aus meiner Sicht auch ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN - Frau Vockert [CDU]: Ja- wohl!)

So kann man mit Lehrern nicht umgehen. Sie haben die höchste Krankheitsrate im Vergleich zu anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Da muss man doch Antworten finden und das den Lehrern klarmachen.

(Frau Körtner [CDU]: Ein volkswirt- schaftliches Problem ist das!)

Jetzt komme ich zu dem Punkt, der mich seit Wochen und Monaten am meisten ärgert. Sie sagen, der hohe Krankheitsstand sei nicht ermittelt worden. Ich zweifle Ihre Aussage an. Jede Schule ermittelt ihren Krankheitsstand.

(Frau Körtner [CDU]: Jawohl!)

Sie muss das machen. Die Bezirksregierungen wissen um den Krankheitsstand in ihren Bereichen, und Sie, Frau Ministerin, geben ihn nicht bekannt. Ich weiß, warum Sie das nicht tun.

(Beifall bei der CDU - Frau Körtner [CDU]: Wir wissen das alle!)

Wenn Sie ihn bekannt geben würden, dann würde der Unterrichtsausfall nämlich tatsächlich um 10 % bis 15 % steigen. Das ist die ganze Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen geben Sie es nicht bekannt, weil dann herauskommen würde, dass an unseren Schulen in Niedersachsen tatsächlich jede vierte Unterrichtsstunde ausfällt und die anderen durch Statistikmanipulationen stattfinden.

(Beifall bei der CDU - Meinhold [SPD]: Herr Klare, das ist eine Unver- schämtheit, was Sie da sagen! Jede vierte Stunde wird nicht mehr gege- ben?)

- Ja, jede vierte Stunde fällt aus. Wenn Sie einmal nach Braunschweig gehen und die Eltern fragen, was die ermittelt haben, und das in Ihre Statistikmanipulationen hineinrechnen, dann kommen Sie auf eine Unterrichtsversorgung von weit unter 80 %, und das heißt: Fast jede vierte Stunde fällt aus. Ich weise Ihnen das auch gerne nach.

Aber bitte geben Sie uns doch die Zahlen, die vorliegen. Dann würden wir doch wissen, um was es geht. Wir haben eine aktuelle Bestandsaufnahme gefordert, und die Zahlen haben wir bis heute noch nicht erhalten. Sie selbst, Herr Meinhold, haben doch dazu gesprochen und attestiert, dass es einen so großen Unterrichtsausfall gibt.

(Meinhold [SPD]: Dann haben Sie mir nicht zugehört!)

Meine Damen und Herren, über die Erkrankungen werden keine Aussagen gemacht, es gibt keine Antworten zu den Fragen 2 bis 5 in Abschnitt I. Auch hier werden die Probleme also verschleiert. So kann man mit Lehrerinnen und Lehrern nicht umgehen, und so kann man auch nicht mit dem riesigen Haushalt umgehen.