Protocol of the Session on June 22, 2000

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass sich nach einem politischen und vielleicht auch administrativen Anschub die Beziehungen von Unternehmern zu Tjumen und Perm deutlich verbessert haben und sich niedersächsische Gesprächs-, aber vor allem auch Wirtschaftspartner engagiert haben. Das wurde gesagt. Deshalb brauche ich das nicht mehr im Einzelnen zu nennen.

Wir haben im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel eine Vielzahl von Projekten in den Partnerregionen fördern können. Sie sind zum Teil schon benannt worden. Auch in dem laufenden Haushaltsjahr sind, so glaube ich, nahezu alle Projekte, die angemeldet worden sind, finanziert worden. Es steht außer Frage, dass man zu jedem

Zeitpunkt und für jede Aufgabe mehr machen könnte, als man jeweils leistet oder sich leisten kann. Die Bereitschaft der Landesregierung, sich hier zu engagieren, ist – ich sagte das bereits eingangs – vorhanden. Wir wollen nach weiteren Möglichkeiten humanitärer Hilfe suchen. Wir wollen den Kulturaustausch fördern, und zwar im Sinne der Partnerschaft, also nicht im Sinne einer Einbahnstraße.

Wir sind uns darüber im Klaren, dass Partnerschaften einen wirtschaftlichen Austausch auch zu unserem Vorteil beinhalten können. Deshalb unterstützen wir das, was hier bislang debattiert wurde. Wir gehen davon aus, dass sich im Ausschuss letzten Endes eine gewisse Einmütigkeit für diesen Antrag herstellen lässt.

Eine letzte Bemerkung zu den Kommunen. So platt dies ist, so richtig ist es auch: Natürlich kann man Partnerschaften nur auf der Basis von Kontakten von Mensch zu Mensch organisieren. Wir organisieren nicht Partnerschaften auf der Ebene von Regierung zu Regierung. Davon mag es genug geben. Ziel der Landesregierung ist die Partnerschaft von Mensch zu Mensch, ist es also, die Partnerschaft vom Kopf wieder auf die richtigen Füße zu stellen. Dazu brauchen wir die Kommunen. Dazu brauchen wir die Vereine und Verbände. Denn dort sind die Menschen, die diese Aufgabe letztendlich wahrnehmen müssen.

Das notwendige finanzielle Engagement des Landes wollen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten – Herr Wenzel, ich kann Ihnen nichts versprechen – so weit optimieren, dass wir den europäischen Förderrahmen, soweit er dafür Mittel bereithält, komplett ausschöpfen.

Ich freue mich darauf, wenn wir in der zweiten Beratung die Ausschussempfehlung vorliegen haben, mit Ihnen die Debatte abzuschließen, um dann in die Arbeit eintreten zu können.

Seien Sie versichert: Wir werden auch schon vorher daran arbeiten. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Damit ist die Debatte beendet. Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sein. Mitberatend sollen der Ausschuss für Haus

halt und Finanzen sowie der Ausschuss für innere Verwaltung sein.

(Eveslage [CDU]: Der Sozialaus- schuss müsste wegen der Sache mit dem Kinderkrankenhaus ebenfalls beteiligt werden. Ich möchte das hiermit beantragen!)

- Es ist der zusätzliche Antrag gestellt worden, auch den Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen mitberatend zu beteiligen. Darüber müssen wir zunächst abstimmen. Wer ist dafür, dass der Ausschuss für Sozial- und Gesundheitswesen auch beteiligt wird? - Das ist die Mehrheit.

Nun bitte ich um das Handzeichen für den federführenden Ausschuss und die soeben unter Einschluss des Sozialausschusses genannten mitberatenden Ausschüsse. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist so geschehen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 36: Erste Beratung: Verstärkte Förderung von freiwilliger gesellschaftlicher Arbeit - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1676

Für die Einbringung hat Frau Kollegin Pothmer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es heute anlässlich der betreffenden Kleinen Anfrage schon einmal gesagt: Die Veränderungen im Bereich des Wehrdienstes haben unmittelbare Auswirkungen auf den Zivildienst. Diese Veränderungen werden zentrale Auswirkungen für den sozialen Bereich haben, weil der Zivildienst in den vergangenen Jahren insbesondere für den Gesundheits- und den Pflegebereich zu einer tragenden Säule geworden war.

(Vizepräsidentin Goede übernimmt den Vorsitz)

Egal wie die konkreten Veränderungen aussehen werden - eines ist völlig klar: Diese Rolle wird der Zivildienst zukünftig und sehr schnell nicht mehr spielen können. Deswegen werden wir uns darüber verständigen müssen, wie diese wichtigen gesell

schaftlichen Aufgaben zukünftig wahrgenommen werden sollen. Bei dem anstehenden Umbau des Sozialsystems wird es wohl - das ist auch sinnvoll - ebenfalls um eine neue Balance in der Aufgabenverteilung zwischen Staat und Gesellschaft gehen. Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Ich bin der Meinung, dass das nicht dazu führen darf, dass den Bürgerinnen schlicht und ergreifend die Aufgaben aufgebürdet werden, von denen der Staat meint, dass er sie zukünftig nicht mehr erfüllen kann. Die Einbrüche, die durch den Wegfall des Zivildienstes auftreten werden, dürfen nicht den Ehrenamtlichen aufgebürdet werden. In vielen Bereichen muss es um die Schaffung neuer hauptamtlicher Erwerbsarbeitsplätze gehen, meine Damen und Herren.

Der Zivildienst hat doch durch die Arbeit gezeigt, dass es zu einer neuen Qualität der Arbeit kommen kann, wenn Professionelle mit Leuten zusammenarbeiten, die aus anderen Bereichen kommen, die andere Blickwinkel haben und die ganz andere Erfahrungen gemacht haben. Das gilt nicht nur für diejenigen, denen diese Arbeit zugute kommt, sondern auch für diejenigen, die diese Arbeit leisten.

Meine Damen und Herren, sowohl Zivildienstleistende als auch junge Leute, die ein Freiwilliges Soziales Jahr abgeleistet haben, betonen immer wieder, dass sie diese Zeit persönlich weitergebracht und sehr stark geprägt hat. Das zeigt: Junge Menschen wollen sich in der Gesellschaft engagieren. Sie sind zu freiwilligen Diensten bereit. Trotzdem werden Jahr für Jahr tausende von jungen Menschen abgewiesen, wenn sie sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr oder für ein Freiwilliges Ökologisches Jahr bewerben.

Meine Damen und Herren, nicht nur die Betroffenen, die zurückgewiesen werden, nehmen Schaden daran, wenn ihnen die Gesellschaft sagt, wir wollen dich nicht, wir brauchen dich nicht, sondern ich meine, dass auch die Gesellschaft daran Schaden nimmt, die dieses soziale Engagement nicht aufnimmt und es für sich nicht nutzbar macht.

Auch ein anderer Aspekt spielt dabei eine Rolle. Wir wissen doch längst, dass weder Universitäten noch Schulen und zum Teil auch die Berufsausbildung nicht mehr in der Lage sind, jungen Leuten die Lernerfahrungen zu vermitteln, die sie eigentlich für das Bestehen in dieser Gesellschaft brauchen. Deswegen müssen auch Erfahrungen durch Phasen freiwilligen Lernens ermöglicht werden.

Ihnen diese Erfahrungen zu ermöglichen, meine Damen und Herren, das ist auch die Aufgabe dieser Landesregierung. Dafür trägt auch sie die Verantwortung.

Der Ministerpräsident hat in seiner ersten Regierungserklärung die Zivilgesellschaft sehr stark betont. Das Sozialministerium hat eine Studie in Auftrag gegeben, in der sie die Bereitschaft zum freiwilligen Engagement abgefragt hat, und zwar mit dem Ergebnis, dass fast 70 % der Niedersächsinnen und Niedersachsen bereit sind, sich unter bestimmten Bedingungen zu engagieren. Dem ist aber leider nichts gefolgt, meine Damen und Herren. Außer einem Meer an unverbindlichen Erklärungen gibt es in diesem Bereich leider keine Handlungen. Stattdessen mischt sich jetzt der Innenminister in diese, wie ich finde, wichtige gesellschaftliche Debatte ein, Herr Bartling, und fordert forsch ein Pflichtjahr für alle jungen Menschen.

(Frau Wörmer-Zimmermann [SPD]: Das ist ja ein Ding!)

Herr Bartling, ich will Ihnen deutlich sagen: Ich bin durchaus der Auffassung, dass ein Staat, der etwas für seine Bürgerinnen und Bürger tut, auch das Recht hat, von seinen Bürgerinnen und Bürgern etwas zu erwarten. Denn ein Staat, der von seinen Bürgerinnen und Bürgern nichts erwartet, bekommt auch Bürgerinnen und Bürger, die nichts mehr oder - je nachdem, wie Sie wollen - alles vom Staat erwarten. Ich gehöre ausdrücklich nicht zu denjenigen, die die Bürgerinnen und Bürger auf die Rolle von Steuer- und Beitragszahler oder von Anspruchsberechtigten reduzieren wollen. Insoweit sind wir uns wohl einig. Ich finde allerdings, Herr Bartling, so lange, wie die Politik und insbesondere diese Landesregierung Jugendliche, die sich freiwillig engagieren wollen, in großer Zahl zurückweisen, fehlt Ihnen als Mitglied dieser Landesregierung jede Legitimation, solche Forderungen an junge Menschen auszusprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Ich meine, dass Ihre Forderung insbesondere den Frauen, die ja immer noch den Sozialdienst der Kindererziehung und den Sozialdienst der Pflege von Alten absolvieren, ein wenig wie Hohn in den Ohren klingen musste.

Es kommt für mich noch eine andere grundsätzliche Frage hinzu, nämlich ob es eigentlich zu einer

entwickelten Zivilgesellschaft passt und ihr entspricht, wenn wir anfangen, obrigkeitsstaatlich Gemeinsinn verordnen zu wollen. Ich bin der Auffassung, dass das eigentlich eine Form ist, die dem Ziel einer Zivilgesellschaft geradezu widerspricht. Wir sind der Auffassung, dass es zunächst einmal die Aufgabe wäre, das Engagement, das es gibt, aufzugreifen. Für das Freiwillige Soziale Jahr und für das Freiwillige Ökologische Jahr brauchen wir dringend mehr Plätze. Wir haben in unserem Antrag eine ganze Reihe von Vorschlägen dazu gemacht, wie diese Plätze ausgebaut werden können. Wir sind der Meinung, dass es eine gute Form wäre, eine Landesstiftung einzurichten. Diese Stiftung hätte die Aufgabe, die Idee eines freiwilligen sozialen Engagement in die Öffentlichkeit zu tragen, aber auch organisatorische Aufgaben zu übernehmen. In dem Stiftungsfonds könnten sowohl öffentliche Gelder als auch private Gelder zusammenfließen. Ich fände es z. B. gut, wenn sich die Landesregierung dazu entscheiden könnte, jede private Mark, die in diese Stiftung fließt, zu verdoppeln. Dann bekämen wir das schnell in Gang. Auch wenn es sehr positiv läuft, wissen wir natürlich, dass es maximal eher ein mittelfristiges Projekt ist, was die Wirksamkeit angeht. Um in dem Bereich zumindest kurzfristig einigermaßen den Bedarf decken zu können, schlagen wir vor, dass ein Landesprogramm Freiwilligenarbeit aufgelegt wird, so wie es das schon in Schleswig-Holstein und in Bayern gibt.

Darüber hinaus haben wir auch Vorschläge hinsichtlich der Attrahierung des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Freiwilligen Ökologischen Jahres gemacht. Es geht um Bonussysteme, um Zertifizierungen und um die Öffnung neuer Tätigkeitsfelder, meine Damen und Herren. Ich will aber deutlich sagen: Wir müssen natürlich neben dieser durchaus reglementierten Form des Freiwilligen Sozialen Jahres oder des Freiwilligen Ökologischen Jahres, das sich ja an junge Leute richtet, auch das Potential an Engagement, das es in anderen Gruppen der Gesellschaft gibt, aufgreifen.

Ich finde, dass andere Bundesländer - hier will ich besonders Baden-Württemberg nennen - das in sehr vorbildlicher Weise getan haben. Wir sind der Meinung, dass die Organisationsstruktur, die sich die Baden-Württemberger für diesen Bereich geschaffen haben, durchaus gut auf Niedersachsen übertragbar wäre. Der Erfolg in Baden-Württemberg gibt uns Recht. Er zeigt nämlich: Freiwilliges Engagement muss zwar von unten wachsen, ist aber wirklich erfolgreich und vertieft sich dann,

wenn es auch von oben unterstützt wird. Das tut die Landesregierung bisher nicht. Dazu haben wir einen Antrag vorgelegt. Ich hoffe, Sie werden diesem Antrag zustimmen. - Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Zu diesem Antrag hat sich Frau Kollegin ElsnerSolar zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau ElsnerSolar!

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind wieder einmal unter uns, wie immer um diese Tageszeit.

Ich bedauere sehr, dass wir diesen Antrag nicht gleich in den Ausschuss haben überweisen können, weil wir viele Themen, die darin angesprochen werden, in der Veranstaltung im Mai behandelt und das auch heute Morgen noch einmal debattiert haben. Wir hätten das dann kompakt und ordentlich zusammen beraten können.

Verstärkte Förderung freiwilliger gesellschaftlicher Arbeit - hinter diese Forderung können sich wohl jeder Politiker und jede Politikerin stellen. Als Begründung die Veränderungen im Zivildienst heranzuziehen ist allerdings einerseits

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

voreilig, und andererseits greift der Ansatz zu kurz. Ich will das auch begründen.

Schon in der Einleitung des Antrags werden das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr mit anderen Formen ehrenamtlichen Engagements vermischt. Ich halte es aber für notwendig, das auch hier deutlich zu unterscheiden.

Es liegt auf der Hand, dass die jungen Leute, die in ein Freiwilliges Soziales oder in ein Freiwilliges Ökologisches Jahr gehen, andere Motive für ihr Engagement haben als Erwachsene oder Frühsenioren, die, oft vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, das Rückgrat der Vereine und Verbände, von Sport bis Denkmalschutz, Gesang und Theater, sind und gesellschaftliches Leben im Flächenland Niedersachsen organisieren. Diese Frühsenioren wiederum sind deutlich zu unterscheiden von den ehrenamtlich tätigen Feuerwehr

kräften, von THW und DRK, die bereit sind, mit Leib und Leben für ihre Mitmenschen einzutreten, und auf Katastrophenhilfe eingerichtet sind. Die vielen Mitglieder in den Fachverbänden der freien Wohlfahrtspflege, die als Anstellungsträger und als Arbeitgeber fungieren und die, wie wir wissen, ein gewaltiges Meinungspotential im Diskurs mit der Politik darstellen, sind ehrenamtlich Tätige, deren Wirken hier nicht vergessen werden darf.

Ich schätze, die Landesregierung wird im Zuge der Beratungen zu dem vorliegenden Antrag noch deutlich machen, dass wir für dieses notwendige und wünschenswerte Engagement in Niedersachsen schon recht ordentliche Rahmenbedingungen haben.

(Frau Jahns [CDU]: Das soll noch besser werden!)

Schließlich hat der gesellschaftliche Konsens bis in die Haushaltsplanberatungen der Ausschüsse hinein gereicht, sodass wir, wenn wir das gekonnt hätten, diesen Bereich prioritär mit zusätzlichen Finanzhilfen hätten versehen können, und dies haben zum Teil ja auch getan. Das wissen Sie, wenn Sie einmal ehrlich sind. - Um auf den Zuruf einzugehen: Natürlich ist das Bessere der Feind des Guten.

Lassen Sie mich jetzt auf Einzelheiten des Antrags eingehen. Zu Nr. I.1 möchte ich darauf verweisen, dass die Ministerin schon im Mai hier dargestellt hat, dass es auf Bundes- und auf Landesebene Arbeitsgruppen gibt, die sich mit den betreffenden Fragen beschäftigen. Ich finde es mal wieder typisch, dass die Kollegin Pothmer die Ergebnisse der Arbeit dieser Arbeitsgruppen nicht abwarten konnte, sondern versucht, mit dem Antrag dem vorzugreifen.

(Frau Vockert [CDU]: Wie lange sol- len wir denn noch warten?)