Protocol of the Session on June 21, 2000

Sie sagten: Wenn der Bericht denn umgesetzt wird, dann sind alle zufrieden.

(Inselmann [SPD]: Das sagen die In- seln!)

Jetzt sage ich Ihnen aber: Wenn er denn umgesetzt wird - ich habe doch deutlich erklärt, wie misstrauisch die sind - -

(Inselmann [SPD]: Sie sind misstrau- isch!)

- Sie machen das doch nur, damit die nicht klagen, damit die Klagefrist verstreicht. Dann können Sie später sagen: Die Umweltverbände haben uns erklärt, das und das müsste noch mit hinein. Dann werden Sie die Schuld nicht einmal auf sich nehmen. Dann werden Sie sagen: Das haben die Umweltverbände erzwungen.

Zum Dollart möchte ich Ihnen einen letzten Satz sagen. Sie sagten, von 1996 wurde heute nicht gesprochen.

(Inselmann [SPD]: Sie haben gesagt: 1996!)

Ich sage Ihnen einen Satz dazu, was Sie schon 1996 vorhatten. Lesen Sie es im Protokoll der Plenarsitzung vom 9. Mai nach.

(Inselmann [SPD]: Ich weiß, was wir vorhaben! Ich war dabei!)

- Hören Sie einmal zu. - Darin steht: Nach Auffassung des Ministeriums - leider ist das jetzt ein anderer Minister, aber vielleicht gilt das ja, was das Ministerium gesagt hat - sei jedoch schon heute klar, dass die Natur nach der getroffenen Grundsatzentscheidung, den Dollart zum Nationalpark zu machen, Vorrang habe. - Was wollen Sie also noch darüber diskutieren, wenn Sie das schon 1996 bekannt gegeben haben?

Im Übrigen haben Sie die Frage zu den Niederlanden bis heute noch nicht beantwortet. Nicht einmal der Minister hat gesagt, ob das geklärt ist. Es hatte Vorrang, dass zumindest geklärt wird, wo die Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden verläuft. Dass Sie den niedersächsischen Teil des Dollart in den Nationalpark „Wattenmeer“ aufnehmen wollen, werden Sie vor Ort noch verkaufen müssen, auch bei Ihren Genossen. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir kommen zur Ausschussüberweisung des Antrages, und zwar federführend an den Ausschuss für Umweltfragen und mitberatend an die Ausschüsse für Wirtschaft und Verkehr, für Freizeit, Tourismus und Heilbäderwesen sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Wer das so beschließen möchte, der kann das durch Handzeichen erkennbar machen. - Das ist dann so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 27: Erste Beratung: Förderung des Radverkehrs - „Masterplan Fiets“ für Niedersachsen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 14/1657

Das Wort hat Herr Kollege Wenzel.

Vielen Dank, Herr Präsident! Der Finanzminister hat schon wieder Befürchtungen, dass es nur an seine Tasche geht, aber ich meine, Herr Aller, wir haben damit noch mehr im Sinn.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Niederlande haben mit

ihrem „Masterplan Fiets“, dem Masterplan für die Entwicklung und Förderung des Fahrradverkehrs, in den letzten Jahren einen beispiellosen Erfolg eingefahren.

(Zuruf von der CDU: Da ist es auch flacher!)

- Niedersachsen ist auch einigermaßen flach. Bei uns ist die höchste Erhebung nicht so ungewöhnlich hoch.

Die Niederlande wollten mit diesem Masterplan den Anteil der Wege, die mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, massiv steigern, und sie haben das auch geschafft. Der öffentliche Personennahverkehr wurde durch die Vernetzung der Verkehrsträger gestärkt, die Sicherheit von Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrern wurde deutlich verbessert, die Diebstahlsicherung wurde vorangebracht, und schließlich wurde viel Wert darauf gelegt, die Kommunikation zwischen allen staatlichen Ebenen, der kommunalen Selbstverwaltung, den Verkehrsunternehmen, Betrieben, Krankenkassen, Schulen, Kindergärten, Einzelhändlern, der Tourismusbranche und auch den Medien zu verbessern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bilanz der Niederlande ist einem einfachen, aber sehr wirkungsvollen Rezept geschuldet: Man hat ein klares Ziel definiert,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

und man hat versucht, alle Akteure zu vernetzen. Ich würde mich freuen, wenn auch wir in Niedersachsen von den Erfahrungen der Niederlande profitieren könnten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Stärkung des Fahrradverkehrs hat in Niedersachsen eine längere Tradition. 1979 hatte sich die CDU-Landesregierung bereits für ein landesweites Radwegenetz engagiert.

(Zustimmung von Eppers [CDU] und Fischer [CDU])

- Das sei hier extra erwähnt, Herr Fischer. - 1990 hat die rot-grüne Landesregierung die Finanzierung des Radwegebaus deutlich verstärkt und eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet.

(Pörtner [CDU]: Aber jetzt?)

Danach hat sich die Kurve hinsichtlich der Finanzen leider wieder etwas abgeflacht, aber deshalb reden wir ja auch über das Thema.

Der Weser-Radweg ist heute wahrscheinlich der am stärksten frequentierte Radweg der Bundesrepublik. Laut Statistik des ADFC fahren hier mehr als 150.000 Radler je Saison. Niedersachsen wird von fünf bundesweiten Radfernwegen durchschnitten, und vier Routen des geplanten „EuroVelo-Netzes“ werden auch durch Niedersachsen führen. 1999 befanden sich mehr als 3 Millionen Bundesbürger auf mehrtägigen Radreisen. Jeder fünfte Urlaub ist mittlerweile ein Fahrradurlaub, sogar jeder vierte Inlandsurlaub ist ein Fahrradurlaub, und auch die Kaufkraft, die hier bewegt wird, kann sich sehr wohl sehen lassen.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das reicht bei weitem nicht aus. Wir müssen in Niedersachsen noch viel tun. Der VCD schlägt als Ziel für einen Masterplan beispielsweise vor, dass der Radverkehrsanteil bis 2010 auf 20 % gesteigert wird. Die Niederlande haben heute schon einen Anteil von 27 % erreicht. Das VCD schlägt vor, dass ein Drittel der Pkw-Fahrten mit einer Länge von weniger als 5 km wenn möglich auf das Fahrrad verlegt wird. Außerdem wird vorgeschlagen, auch das Ziel zu setzen, dass die Zahl der bei Verkehrsunfällen getöteten und verletzten Radfahrer halbiert wird.

Auch im täglichen Verkehr, auf dem Weg zum Einkaufen, zur Arbeit oder ins Schwimmbad, kann das Fahrrad eine wesentlich größere Rolle spielen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. 50 % aller Wege, die mit dem Auto zurückgelegt werden, sind nach einer Analyse des SocialdataInstituts in München kürzer als 5 km. Das ist eigentlich ein sehr erstaunlicher Wert, der sich aber bei verschiedenen Untersuchungen immer wieder bestätigt hat und der zeigt, wo das Potential des Fahrrads liegt.

Wenn man einen relevanten Teil dieser Wege mit dem Fahrrad zurücklegen würde, dann würde zugleich ein wichtiger Beitrag zur verkehrlichen Entlastung der Städte und Dörfer geleistet. Gleichzeitig würde die Mobilität verbessert, weil kein anderes Verkehrsmittel auf kurzen Wegen so schnell und wendig ist wie das Fahrrad. Das gilt auch für Bevölkerungsgruppen, die eben nicht jederzeit ein Auto zur Verfügung haben.

Die Frage, die zurzeit auch diskutiert wird, zumindest in Radfahrerkreisen, lautet: Muss es einen nationalen Masterplan geben, oder ist es besser, einen Masterplan auf Landesebene zu machen? - Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Niederländer haben einen nationalen Masterplan aufgelegt, aber die Niederlande sind von der räumlichen Ausdehnung her auch kleiner. Ich meine, dass hier kein Widerspruch vorliegt, sondern dass vielmehr Synergieeffekte entstehen können. Jede staatliche und kommunale Handlungsebene muss ihre Hausaufgaben machen und muss sich ihre Ziele setzen. Das Land ist näher vor Ort als der Bund. Hier muss das Radwegebauprogramm verbessert und verstärkt werden. Die Fördermöglichkeiten nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz müssen stärker an den Radwegebau angepasst werden; Stichwort beispielsweise „Bagatellgrenze“. Bei der Bestellung des SPNV können Vorgaben zur Fahrradmitnahme, für Bike+Ride-Anlagen, zum Bau von Fahrradabstellanlagen und für die Tarifgestaltung gemacht werden, die über das hinausgehen, was heute schon getan wird.

Im Bereich der Bundesstraßen kann das Land auch deutlich mehr tun. Eine landesweite Beschilderung sollte auf den Weg gebracht werden, etwas, was im Autoverkehr heute schon völlig selbstverständlich ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine Reihe von Kommunen in Niedersachsen, die in ihrem Kompetenzbereich schon Vorbildliches geleistet haben. Dort, wo sich die Räte und Kreistage des Fahrradverkehrs angenommen haben, sind bereits interessante Projekte entwickelt worden. In den Niederlanden wurde viel Wert auf eine Öffentlichkeitsarbeit gelegt, die die besten Konzepte landesweit herausstellt. Denkbar ist beispielsweise die Auslobung eines landesweiten Fahrradpreises für die fahrradfreundlichste Kommune.

Ein anderer Ansatz zur Unterstützung der Kommunen ist die Stärkung der Planungskompetenz. Während in der Regel drei Gebietskörperschaften für Gemeindeverbindungswege, für Kreisstraßen, für Landesstraßen, für Bundesstraßen zuständig sind, hat z. B. der Landkreis Göttingen schon vor längerer Zeit versucht, die Planungskompetenzen auf freiwilligem Wege und in Absprache mit dem Land zu bündeln. Der Landkreis hat neben einem Radwegebedarfsplan ein Lückenschlussprogramm aufgestellt, das die Defizite im Radwegebau für alle Straßenbaulastträger verzeichnet. In Verhandlungen mit dem Land wurde dann darauf gedrun

gen, dass die Prioritäten aus dem Lückenschlussprogramm des Landkreises bevorzugt abgearbeitet werden.

Ich finde, das ist ein interessanter Ansatz, auch wenn er nicht frei von Problemen ist, weil es beispielsweise Definitionsprobleme gibt, wenn es um Winterdienst und Unterhaltungsmaßnahmen oder Ähnliches geht. Ich meine, es würde sich lohnen, diese Erfahrungen aufzugreifen und zu überlegen, ob man den Kommunen nicht ein Angebot machen kann.

Heute ist es doch oft so, dass die so genannte Prioritätenliste herangezogen wird, die kein Mensch kennt, deren Kriterien zwar nicht willkürlich sind, sich aber nicht unbedingt immer an den Prioritäten vor Ort orientieren. Damit käme der so genannte Modellradwegebau zum Zuge, bei dem die Kommune ihre eigenen Vorstellungen einbringen kann, aber auch 50 % zusätzliche Mittel auf den Tisch legen muss, obwohl es sich dabei zum großen Teil um Radwege an Landesstraßen handelt, die eigentlich in der Straßenbaulast des Landes liegen. Ich meine also, diesbezüglich könnten wir den Kommunen entgegenkommen. Hier könnten wir etwas gemeinsam machen. Auch das wäre ein interessanter Ansatz.

Es gibt noch viele weitere Beispiele für eine zukunftsweisende Förderung des Radverkehrs. Ich schlage daher vor, dass wir in die Beratung des Antrages auch die Verbände wie den ADFC, VCD oder den BUND einbeziehen, und ich würde mich freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen könnten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu dem vorliegenden Antrag möchte sich jetzt Herr Minister Fischer äußern. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Blick hinaus zu unseren europäischen Nachbarn ist natürlich immer aufschlussreich. Aber sich in Angelegenheiten des Fahrradfahrens nun gerade auf Holland zu beziehen, ist nicht besonders originell. Denn wir wissen: Den Holländern liegt das Fahrradfahren im Blut.

Herr Wenzel, natürlich wollen auch wir den Fahrradverkehr steigern, den Fahrradtourismus fördern und die Verkehrssicherheit für Radfahrer verbessern. Darin sind wir uns, glaube ich, alle völlig einig. Ich darf daran erinnern, dass wir in der Vergangenheit dafür auch eine ganze Menge getan haben. Leider finde ich im Gegensatz zu Ihren Ausführungen zu Holland hierzu bei Ihnen gar keine Anmerkungen. Deshalb frage ich mich auch, welchen Mehrwert eigentlich ein Masterplan, wie Sie ihn hier ins Spiel gebracht haben, für uns haben soll. Das ist mir aus Ihren Ausführungen nicht ganz klar geworden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Sehen wir uns nun einmal Ihre konkreten Maßnahmenvorschläge an, Herr Wenzel. Erstes Stichwort: „Radwege an Bundes- und an Landesstraßen“. Ich möchte darauf hinweisen, dass mit insgesamt rund 12.000 km Niedersachsen das mit Abstand längste straßenbegleitende Radwegenetz in der Republik hat. Etwa ein Drittel aller Radwege an Bundes-, Landes- und Kreisstraßen liegt in Niedersachsen.

(Aller [SPD]: Sehr gut!)

70 % aller Bundesstraßen und 50 % aller Landesstraßen in unserem Land sind längst mit Radwegen ausgestattet. Daran haben alle früheren Landesregierungen mitgearbeitet. Das muss man hier einmal deutlich sagen. Wir haben in den letzten zehn Jahren 435 Millionen DM in den Radwegebau investiert. Ich will hier noch einmal feststellen: Niedersachsen ist mit Abstand bundesweit das führende Radwegeland.