Protocol of the Session on May 11, 2000

- inzwischen bin ich es auch ganz gern -, meine, das kann der Stadt auch nur gut tun.

Wir als Grüne sind sehr gespannt, wer kommt. Wir sind aber auch gespannt, mit welchen Erwartungen und Fragen zur Weltausstellung die Leute anreisen werden. Wir werden gastfreundlich sein. Wenn Sie die Berichterstattung verfolgen, werden Sie wissen, dass wir uns mit unserem g.E.o. - unserem green EXPO office - allen Interessierten als Scouts durch die EXPO-Stadt Hannover, aber auch als kritische Gesprächspartner anbieten.

Die Themen, von den wir eigentlich immer gehofft haben, dass sie ganz besonders die Aufmerksamkeit der Besucher der EXPO finden werden, sind auch dank des Drucks der Grünen hier in der Stadt nicht gänzlich untergegangen. Die Anforderung

- ich begreife das nicht als Motto, sondern eigentlich als Anforderung -, das Verhältnis zwischen Mensch, Natur und Technik auf seine Brauchbarkeit für das nächste Jahrhundert zu überprüfen, wird unserer Meinung nach von einer Industrieund Architekturausstellung, so, wie die EXPO vorbereitet worden ist, nicht erfüllt.

Woran scheitert eigentlich seit Rio jeder ernsthafte Versuch, soziale und ökologische Nachhaltigkeit als feste Anforderung an politische und wirtschaftliche Entscheidungen zu knüpfen? Wenn sich alle Nationen - auch die, die hierher kommen und hier vertreten sein werden - eigentlich darin einig sind, dass heutige Bedürfnisse nicht auf Kosten künftiger Generationen erfüllt werden dürfen, warum führt dann diese Einigkeit zu keiner Verbesserung für die armen Länder des Südens? Geht es z. B. noch um Afrika, wenn von globaler Verantwortung geredet wird, oder hat sich die Welt angesichts von Hunger, Aids, Dürre, Flut und Krieg - immer wieder Krieg - bereits entschieden, einen ganzen Kontinent einfach untergehen zu lassen? Ist das Ziel von Rio bereits nachhaltig verfehlt? - Das wäre der Stand der Debatte, der sich auch auf der EXPO wieder finden müsste.

Der global dialogue, sozusagen eine grüne Nische auf der EXPO, wird ermöglichen, dass die eigentlichen Zukunftsfragen auf der EXPO zumindest vorkommen. Es ist meiner Meinung nach ein Fehler in Ihrem Konzept, Frau Breuel, dass Sie solchen Ansätzen für eine neue Entwicklungszusammenarbeit - eine nachhaltige Entwicklungspolitik, die Sie in Ihrer Rede sehr breit gewürdigt haben in Ihrem EXPO-Etat nur 3 % des Gesamtetats zur Verfügung gestellt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir werden uns über unser green EXPO office bemühen, diese Themen nach vorne zu stellen, Kontakte zu knüpfen und über die Weltausstellung hinaus auch für uns Netzwerke für die Zukunft und die Diskussion von Zukunftsfragen aufzubauen.

Wie wenig sich die EXPO-Gesellschaft unserer Meinung nach um Nachhaltigkeit bemüht, zeigt sich exemplarisch an der Nachnutzungsdiskussion. Was machen Stadt und Land mit dem wirklich großen EXPO-Erbe? Willkürliche Entwicklungsachsen rund um Messe und Flughafen und ein völlig überdimensioniertes Hotel- und Tagungsangebot - was fängt man damit eigentlich an? Es ist meiner Meinung nach das Gegenteil von nachhal

tiger Entwicklung, wenn nach dem Rummel nicht nur Hannover, sondern die Regionen Harz, Heide und Weserbergland ihre Entwicklung am Nachlass einer Ausstellung orientieren müssen - zwangsweise.

Dass das Finanz- und Wirtschaftskonzept der EXPO nicht aufgeht, dass diese Weltausstellung ein Fass ohne Boden für den Steuerzahler wird, dass alle Versprechen zum wirtschaftlichen Erfolg genauso wie die scheinbare Privatisierung nichts als Wählertäuschung waren, dass die inkonsequente Verkehrsplanung und -lenkung im Chaos mündet, all das ist doch nicht grüne Nörgelei auch wenn Sie den Kopf schütteln und freundlich lächeln, Herr Plaue -,

(Zuruf von Plaue [SPD])

sondern schlicht Stand der Dinge.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es darf doch wohl noch einmal daran erinnert werden, dass zum Zeitpunkt der äußerst knapp ausgegangenen Bürgerbefragung in Hannover von Planern allen Ernstes behauptet wurde, dass kein einziger Besucher mit seinem Pkw zur EXPO anreisen muss. Dass die Bahn nun zusätzlich abkassieren will - hätten wir vor einem Jahr ernsthaft versucht, das zu behaupten, dann hätten Sie alle uns doch als Nestbeschmutzer und Schwarzmaler beschimpft.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, blättern Sie die Presse der letzten Wochen durch: So viele negative Schlagzeilen gab es noch nie. Die haben wirklich nicht die Grünen gemacht, sondern die EXPO selber oder deutsche Unternehmen wie die Bahn.

Es macht bestimmt Spaß, Gäste zu begrüßen, gerade wenn sie aus aller Welt kommen. Aber Anlass zu einer Feierstunde oder zu einer Jubeldebatte heute sehen wir noch nicht.

Frau Breuel, Sie sind die Einzige an der EXPOSpitze, die durchgehalten hat. Herr Wulff hat das richtig gewürdigt. Sie als Frau haben es geschafft. Fast alle anderen sind Ihnen unterwegs abhanden gekommen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wir wissen das durchaus zu würdigen. Aber Sie sind nicht nur die Einzige, die durchgehalten hat,

sondern Sie werden auch bis zum Schluss und darüber hinaus für falsche Versprechungen in Niedersachsen und in Hannover in Verantwortung stehen.

(Oh! bei der CDU)

Dass Sie unsere sämtlichen Briefe in den letzten Wochen nicht beantwortet haben, ist Ihr Stil. Darüber kann man streiten.

(Frau Pawelski [CDU]: Frau Harms, wo sind wir hier eigentlich?)

Ich finde das nicht gut. Aber dass Sie dem Landtag gegenüber Rechenschaft ablegen werden müssen, wenn die EXPO vorbei ist, davor kann Sie auch die Privatisierung der EXPO nicht bewahren.

(Eveslage [CDU]: Wie war das mit Kleinkariertheit?)

Unser Interesse heute - das sage ich ganz ausdrücklich -, unsere Erwartungen und unsere Spannung gilt auch den Gästen. Wir wollen ein weltoffenes und wirklich multikulturelles Klima in dieser Stadt. Wir tragen dazu etwas bei. Das wird uns aber nicht davon abhalten, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger Hannovers und Niedersachsens, von denen wir gewählt worden sind, auch zukünftig wahrzunehmen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, ich bedauere ein bisschen, dass wir nicht verabredet haben, dass Frau Breuel ein zweites Mal das Wort ergreifen kann. Ich möchte jetzt Herrn Schwarzenholz das Wort für bis zu drei Minuten erteilen.

(Unruhe)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Breuel, es war eben tatsächlich etwa die Hälfte der hannoverschen Bevölkerung, und es war ein großer Teil der niedersächsischen Bevölkerung, die die Auffassung vertreten haben,

(Frau Pawelski [CDU]: Zehn Jahre her!)

dass es nicht der richtige Weg ist, Zukunftsvisionen und Zukunftsgestaltung mit den Methoden der Weltausstellung, die im Prinzip das Ingenieursdenken des letzten Jahrhunderts widerspiegelt, auf die Beine zu stellen.

Was jetzt gemacht worden ist, die EXPO als Ganzes, ist kein Beitrag zur Nachhaltigkeitskonzeption, sondern was Sie, sehr geehrte Frau Breuel, dort stellvertretend machen, ist im Prinzip - das ist von Herrn Wulff richtig dargestellt worden - die Politik von Herrn Albrecht, das wirtschaftspolitische und weltpolitische Bild, das diese Regierung damals gehabt hat. Das wird nun mit der EXPO auf die Spitze getrieben.

(Plaue [SPD]: Stand auf und sang die Internationale und ging!)

Die EXPO ist trotzdem ein widersprüchliches Ding. Sie ist auf der einen Seite in ihrer Haupttendenz Ausdruck einer Gigantomanie des Zusammenfassens - im Prinzip an einer Stelle -, die überhaupt nichts mit Nachhaltigkeit zu tun haben kann. Es wird niemals eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung geben, die in dieser Form darauf setzt, Metropolen zu Gestaltungshöhepunkten zu bringen, aber diese Entwicklung letztendlich nicht in die Fläche hineinzutragen.

(Oestmann [CDU]: Sie haben es nicht begriffen!)

Es gibt die andere Seite der EXPO, die sich in vielen dezentralen Projekten ausdrückt, die durchaus - ich meine, das muss man in einer solchen Debatte sehen, auch wenn man nicht in die Schönfärberei des Herrn Wulff verfallen will - positiven Charakter haben. Deshalb möchte ich als Kritiker der EXPO an dieser Stelle ausdrücklich denjenigen, die in diesen Projekten arbeiten, und auch vielen, die als internationale Gäste Vorbildliches leisten, meinen Dank und auch meinen Respekt aussprechen.

(Unruhe)

Das, glaube ich, gehört zu einer solchen Analyse genauso dazu. Die EXPO hat eben mehr als ein Gesicht.

Aber wenn ich mir vor Augen führe, in welcher weltpolitischen Lage die EXPO stattfindet, dann frage ich mich: Welche Antworten gibt sie uns tatsächlich?

(Glocke des Präsidenten)

Wir haben hier heute etwas gehört von der Globalisierung und von dem Stellenwert, den wir im Globalisierungswettbewerb durch die EXPO angeblich gewinnen. Ja, das stimmt. Daran, glaube ich, ist viel Wahres. Es ist eben kein Beitrag dazu, die Entwicklungsländer, die Schwellenländer tatsächlich in einen Prozess der Gleichberechtigung zu bringen. Es ist kein Beitrag dazu, dass wir endlich aufhören, ein Hauptwaffenexportland in der Welt zu sein,

(Zurufe von der CDU: Aufhören! - Unruhe)

das durch seine Waffenexporte in der Spitzengruppe wesentlich dazu beiträgt, dass auf dieser Welt Kriege geführt werden können. Wir erzielen einen wesentlichen Teil unserer Exporterlöse aus Waffengeschäften.

Wenn ich mir vor Augen führe, dass sich die EXPO selbst in einer so kleinen Sache wie der Getränkeversorgung in einen Monopolvertrag mit der Coca-Cola Company begibt, dann frage ich mich: Ist das tatsächlich etwas, was symbolisch für Nachhaltigkeit, für gleichberechtigte Entwicklung stehen kann? - Ich glaube, dem ist nicht so.

(Glocke des Präsidenten)

In dem Sinne rufe ich an dieser Stelle dazu auf, die Kritik an der EXPO weiter zu führen, dies aber mit solidarischen und freundlichen Formen zu tun, und in dem Sinne heiße auch ich die Besucherinnen und Besucher der EXPO hier herzlich willkommen.

(Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das Wort hat jetzt der Herr Ministerpräsident.