Protocol of the Session on May 11, 2000

ansteigt. Blinder Aktionismus bringt also nichts, sondern schafft neue Probleme.

(Frau Hansen [CDU]: Das wird in dem Antrag doch gar nicht gefordert!)

Niedersachsen hat keine Hunderhalterverordnung. Eine solche Verordnung ist aber in Ländern, die sie haben, keine Garantie dafür, dass diese Kampfhunde „bissfrei“ sind.

Die SPD-Fraktion spricht sich dafür aus, geeignete Maßnahmen, die umsetzungsfähig und effizient sind, zu treffen. Hierzu können nach Auffassung der SPD-Fraktion u. a. zählen: Einschränkung des Züchtens von gefährlichen Hunden, Regelung in Zucht und Ausbildung. Die Eier legende Wollmilchsau gibt es in diesem Fall nicht, weil wir den Unsicherheitsfaktor Mensch im Spiel haben. Dies sollten wir nach draußen auch immer wieder deutlich machen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Frau Kollegin Stokar von Neuforn!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem hier bisher die Landwirtschaftsexperten zum Thema Kampfhund gesprochen haben, möchte ich Ihnen mitteilen, dass sich meine Fraktion entschieden hat, dass das hier ein Thema der inneren Sicherheit ist. Deshalb spricht hier die innenpolitische Sprecherin.

(Zurufe von der SPD und der CDU: Oh!)

Ich bin immer für die vernetzte Behandlung von Themen, meine aber, dass der Niedersächsische Innenminister, nachdem die Innenministerkonferenz bei diesem Thema erneut so kläglich versagt hat, gemeinsam mit seinem Kollegen von der Abteilung Landwirtschaft hier zumindest für unser Bundesland eine klare und eindeutige Regelung finden sollte.

(Zuruf von der SPD: Ministerium!)

Angesichts der tatsächlichen Gefährlichkeit einzelner Hunde und einzelner Hundehalter wird von der Politik in dieser Frage zu Recht mehr Biss gefordert. Die Beschreibung des Problems ist verhält

nismäßig einfach. Wir sind uns hier sicherlich parteiübergreifend einig. Es sind ganz bestimmte Hundehalter und ganz bestimmte Hunde, die den Unmut der Bevölkerung hervorrufen.

Der Kampfhund, der bis vor wenigen Jahren nur im verhältnismäßig abgeschotteten Rotlichtmilieu angetroffen wurde, treffen wir heute in fast allen Stadtteilen, in fast allen Wohngebieten an. Die problematischen Personen, die diese Hunde halten, können auch benannt werden. Diejenigen, die diese Hunde, die ja schon fast hochgezüchtete Beißmaschinen sind, halten, sind häufig Drogendealer. Ich meine, dass man sie dann, wenn man das Problem lösen will, auch benennen muss. Es sind außerdem Mitglieder von Jugendgangs. Das ist auch kein Problem des Menschen, sondern das ist ein Männerproblem.

(Zustimmung von Frau Körtner [CDU])

Es sind häufig sozial labile junge Männer, die mithilfe eines gefährlichen Hundes ihr Selbstbewusstsein aufpolieren wollen.

(Zustimmung von der SPD - Zurufe von der SPD)

Durch Selektion und Kreuzzüchtungen sind einige Hunderassen inzwischen genetisch so verändert, dass sie generell als unberechenbar und gefährlich eingestuft werden müssen. Die Märkte werden überschwemmt durch illegale Importe, hauptsächlich aus osteuropäischen Ländern, und durch Hinterhofzüchtungen, die von Menschen betrieben werden, die keinerlei Qualifikation haben und nur an dem schnellen Geld interessiert sind. Es ist eindeutig der Mensch, der dafür verantwortlich ist, dass der Hund zur Gefahr für die Menschen geworden ist.

Die Lösung des Problems ist komplizierter. Viele Lösungsvorschläge und -ansätze, die auch hier unterbreitet worden sind, sind bürokratisch, rechtlich nicht eindeutig und damit für den Vollzug von Ordnungsamt und Polizei nicht handhabbar. Ich halte wenig von der Debatte über Nachweise, über Hundeausweise, über Mikrochips für Hunde. Ich meine, dass wir uns hier - das mache ich ja selten in der Innenpolitik - eher an der bayerischen Lösung orientieren

(Beifall bei der CDU)

und sehr deutlich sagen sollten: Wir wissen - die Bevölkerung weiß das auch -, was ein gefährlicher Kampfhund ist. Wir wollen für diese Hunde ein ganz klares Zucht- und Haltungsverbot. Für den Bestand der Hunde fordern wir ebenso wie andere europäische Länder auch die Sterilisation, die Kastration dieser Hunde. Ich finde, dass wir die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen schaffen müssen, um die gewerbliche Hundezucht stärker zu kontrollieren und zu sanktionieren, denn wir haben schon genug Verordnungen. Das Problem ist, dass die Verordnungen so unklar definiert sind und die Ordnungsämter nicht genug Personal haben, um diese Verordnungen umzusetzen.

Wir wollen, dass gefährliche Hunderassen definiert werden. Dafür hat das Bundeslandwirtschaftsministerium ein Gutachten vorgelegt.

(Glocke des Präsidenten)

Wir wollen des Weiteren, dass die Haltung und die Zucht dieser Hunde und auch der Mischlinge aus diesen Rassen unterbunden wird. Wir begrüßen den Vorschlag - der ist von grüner Seite oft genug unterbreitet worden -, einerseits die Hundesteuer für diese Hunde drastisch zu erhöhen und andererseits die Hundehalter zu verpflichten, Haftpflichtversicherungen abzuschließen.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, lassen Sie mich Folgendes sagen: Ich meine, dass die Politik auch den Mut haben sollte, die Frage zu beantworten, was mit den eingezogenen oder ausgesetzten Hunden zukünftig geschehen soll. Die auf Spenden angewiesenen Tierheime sind schon heute nicht mehr in der Lage, die zahlreichen Kampfhunde zu versorgen. Wir Politiker müssen die Frage beantworten, ob wir speziell gesicherte Hundezwinger benötigen und ob wir Einrichtungen benötigen, die die antrainierte Aggressivität der Tiere abtrainieren,

(Glocke des Präsidenten)

oder ob diese Hunde eingeschläfert werden müssen. - Ich meine, dass die Bedingungen die Politik definieren muss.

Die Gefahr besteht bei den Kolleginnen und Kollegen dann, wenn Sie Ihre Redezeit jetzt noch weiter überziehen.

(Heiterkeit)

Ich komme zum letzten Satz. - Ich habe hier deutlich gesagt, was mit einzelnen Hunden, die unter den Begriff „Kampfhunde“ fallen, geschehen soll und dass ich keinen Katalog an bürokratischen Maßnahmen, sondern eindeutige Regelungen haben möchte. Ich finde, dass man am Ende der Debatte auch noch einmal deutlich sagen sollte, dass die meisten Hundehalter und die meisten Hunde im Einklang mit der Gesellschaft und der Nachbarschaft, mit uns leben und es nur einige wenige Menschen sind, die den Hund als Waffe und zur Machtdemonstration missbrauchen.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Frau Pawelski [CDU]: Der Präsident lässt gleich den Hund los!)

Ich meine, dass wir darauf mit dem Begriff „null Toleranz“ reagieren sollten. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank. - Der Herr Landwirtschaftsminister hat jetzt das erlösende Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Hansen, Sie haben mit der Formulierung begonnen: Lange diskutiert, nichts passiert. Dies ist - wie bei Ihnen immer wieder einmal - ein Irrtum. Ich werde versuchen, Ihnen freundlich und lieb darzulegen, dass es eben nicht so abgelaufen ist, wie Sie das gerade geschildert haben.

Schon seit Jahren haben wir - mein Vorgänger im Amt, ich in der Folge - im Bundesrat eine Reihe von gesetzgeberischen Aktivitäten auf den Weg gebracht, die wir Ihnen dann umfassend und sehr schnell im zuständigen Ernährungsausschuss mitgeteilt haben, sodass Sie an sich über diese Aktivitäten informiert sein müssten.

(Frau Körtner [CDU]: Sagen Sie es doch einmal konkret!)

- Ich sage es gleich. Frau Körtner, Sie wollen auch noch reden. Ich will nichts vorwegnehmen. Sie dürfen das gleich sagen.

Wir haben uns in der Zwischenzeit natürlich auch immer mit den Wissenschaftlern und Spezialisten in dieser Frage abgestimmt. So hat z. B. die jahrelange Diskussion über die Definition der Gefährlichkeit immer wieder zu der Erkenntnis geführt, dass eine Rassezuordnung fachlich nicht begründbar ist. Nehmen Sie mir bitte ab, dass es diese Position gibt.

Frau Stokar von Neuforn, Sie sagten eben, es sei doch leicht, und die Öffentlichkeit wisse Bescheid und könne sehr wohl Hunde nach Gefährlichkeit einstufen. Sagen Sie mir bitte einmal: Wie wollen Sie das machen? Wonach wollen Sie vorgehen? Nach Gewicht der Hunde? Nach Massivität? Nach Beißkraft? Wollen Sie den Schäferhund verbieten? Wollen Sie den Dobermann verbieten? Sie müssten bis hin zum kleinen Dackel die ganze Palette der Hunde, die gerne beißen, verbieten, wenn Sie danach gehen wollten, was nach Auffassung der Öffentlichkeit ein gefährlicher Hund, was ein Kampfhund ist.

(Frau Stokar von Neuforn [GRÜNE]: England, Frankreich und Holland ha- ben das auch gemacht!)

- Nein, nein. - Sie legen ja auch immer Wert auf Fachleute. Wir haben 1993 den Tierschutzbeirat unseres Hauses und 1996 den Unterausschuss Tierschutz mit diesen Themen befasst, und beide Gremien haben sich seinerzeit eindeutig gegen einen Rassekatalog ausgesprochen.

Sie haben Bayern genannt und haben sich mit Vehemenz für die bayerische Verordnung ausgesprochen. Auch die Länder, die eine Hundehaltungsverordnung mit einem Rassekatalog haben, haben in ihrem Land schwerwiegende Beißvorfälle. Fragen Sie in Bayern nach, ob das diese Ereignisse hat verhindern können oder nicht. Das hat es eben nicht getan, meine Damen und Herren.

(Frau Körtner [CDU]: Es waren viel weniger, Herr Minister!)

Ich würde mir die Dinge im Leben manchmal auch einfacher wünschen, als sie sind, Frau Körtner. Aber manchmal sind sie kompliziert, und manchmal reicht eine Maßnahme nicht aus, oder eine Maßnahme hat gleich ein paar negative Nebenwirkungen. Das alles muss ich bedenken, und das

macht die Diskussion so schwierig. Deshalb kann ich Sie nur herzlich bitten, in der Diskussion sauber zwischen populistischen Forderungen und denen, die sachgerecht und fachgerecht begründbar sind, zu unterscheiden. Wir wollen doch wirksam vorgehen und etwas erreichen und wollen nicht nur sozusagen Volkes Meinung befriedigen, aber die Dinge hinterher gar nicht verändern.

Meine Damen und Herren, ich habe gerade auf die Gefahrenhundeverordnung hingewiesen, die es in anderen Ländern gibt. Frau Hansen, unser Ziel ist es von jeher - darin haben wir niemals nachgelassen, und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen meines Hauses haben jeden Tag erneut daran gearbeitet, und zwar mit der vollen Rückendeckung des Ministers, ganz gleich, ob ich es war oder der vorherige -, das Entstehen gefährlicher Hunde zu unterbinden, das heißt Prophylaxe zu betreiben und nicht erst abzuwarten, bis ein Hund auffällig geworden ist, sondern schon vorher einzugreifen. Deshalb haben wir gesagt: Wir müssen in Zucht und Ausbildung eingreifen. Dort können wir mit prophylaktischem Handeln ansetzen. Das war dann auch mein Vorschlag.

Wir stehen also nicht am Anfang, wie Sie zu vermitteln versucht haben,

(Frau Körtner [CDU]: Doch!)

sondern wir befinden uns in einer langen Kette von Maßnahmen, die wir eingeleitet haben. - Für Sie, Frau Körtner, ganz persönlich: Ich war selbst Mitglied im Vermittlungsausschuss, als das Bundestierschutzgesetz 1998 novelliert wurde. Meine Mitarbeiterin hat die ganze Vordebatte mit geführt. Niedersachsen hat dieses Tierschutzgesetz im Wesentlichen mit bestimmt. Wir haben dort das Verbot der Aggressionszucht verankert.

(Frau Körtner [CDU]: Es ist ein Voll- zugsdefizit! Sie haben es nicht umge- setzt!)